Abhandlungen über die Principien menschlicher Erkenntnis - George Berkeley - E-Book

Abhandlungen über die Principien menschlicher Erkenntnis E-Book

George Berkeley

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Beschreibung

George Berkeley war ein irischer anglikanischer Theologe, Empirist und Philosoph der Aufklärung. Im Dreigestirn des britischen Empirismus bildet dieser Vordenker der Aufklärung das Bindeglied zwischen Locke und Hume. Erkenntnistheoretisch vertritt Berkeley eine (objektiv) idealistische und extreme nominalistische Philosophie und ist zudem Immaterialist. (aus wikipedia.de)

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Abhandlungen über die Principien der menschlichen Erkenntnis

Treatise concerning the principles of human knowledge

George Berkeley

Inhalt:

George Berkeley – Biografie und Bibliografie

Abhandlungen über die Principien der menschlichen Erkenntnis

Einleitung

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

XIII.

XIV.

XV.

XVI.

XVII.

XVIII.

XIX.

XX.

XXI.

XXII.

XXIII.

XXIV.

XXV.

Ueber die Principien der menschlichen Erkenntniss

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

XIII.

XIV.

XV.

XVI.

XVII.

XVIII.

XIX.

XX.

XXI.

XXII.

XXIII.

XXIV.

XXV.

XXVI.

XXVII.

XXVIII.

XXIX.

XXX.

XXXI.

XXXII.

XXXIII.

XXXIV.

XXXV.

XXXVI.

XXXVII.

XXXVIII.

XXXIX.

XL.

XLI.

XLII.

XLIII.

XLIV.

XLV.

XLVI.

XLVII.

XLVIII.

XLIX.

L.

LI.

LII.

LIII.

LIV.

LV.

LVI.

LVII.

LVIII.

LIX.

LX.

LXI.

LXII.

LXIII.

LXIV.

LXV.

LXVI.

LXVII.

LXVIII.

LXIX.

LXX.

LXXI.

LXXII.

LXXIII.

LXXIV.

LXXV.

LXXVI.

LXXVII.

LXXVIII.

LXXIX.

LXXX.

LXXXI.

LXXXII.

LXXXIII.

LXXXIV.

LXXXV.

LXXXVI.

LXXXVII.

LXXXVIII.

LXXXIX.

XC.

XCI.

XCII.

XCIII.

XCIV.

XCV.

XCVI.

XCVII.

XCVIII.

XCIX.

C.

CI.

CII.

CIII.

CIV.

CV.

CVI.

CVII.

CVIII.

CIX.

CX.

CXI.

CXII.

CXIII.

CXIV.

CXV.

CXVI.

CXVII.

CXVIII.

CXIX.

CXX.

CXXI.

CXXII.

CXXIII.

CXXIV.

CXXV.

CXXVI.

CXXVII.

CXXVIII.

CXXIX.

CXXX.

CXXXI.

CXXXII.

CXXXIII.

CXXXIV.

CXXXV.

CXXXVI.

CXXXVII.

CXXXVIII.

CXXXIX.

CXL.

CXLI.

CXLII.

CXLIII.

CXLIV.

CXLV.

CXLVI.

CXLVII.

CXLVIII.

CXLIX.

CL.

CLI.

CII.

CLIII.

CLIV.

CLV.

CLVI.

Abhandlungen über die Principien der menschlichen Erkenntnis , G. Berkeley

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849605544

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

George Berkeley – Biografie und Bibliografie

Engl. Philosoph, geb. 12. März 1684 zu Kilkrin in Irland, gest. 23. Jan. 1753 in Oxford, studierte seit 1699 in Dublin, ward 1707 Fellow des Trinity College daselbst, 1721 Hofprediger des Statthalters in Irland, Herzogs von Grafton, 1724 Dechant von Derry. In den Besitz eines bedeutenden Vermögens gelangt, machte er den Vorschlag, auf den Bermudainseln zur Bekehrung der Wilden eine Lehranstalt zu errichten, schiffte sich 1728 mit mehreren Gleichgesinnten nach Rhode-Island ein, um die Sache in Gang zu bringen, musste jedoch, da die erwarteten Summen ausblieben, mit Aufopferung eines bedeutenden Teiles seines Vermögens unverrichteter Sache zurückkehren. Auf die Fürsprache der Königin Karoline wurde er 1734 zum Bischof von Cloyne ernannt. In seiner der modernen Physiologie des Gesichtsorgans vorarbeitenden »Theory of vision« (1709) unterschied er zuerst das wirklich Empfundene und dessen Auslegung und unterstützte die Gesichts-durch die Tastwahrnehmung. Seine philosophischen Hauptschriften sind: »Treatise on the principles of human knowledge« (1710; hrsg. von Collyns Simon, Lond. 1878; deutsch von Überweg, 3. Aufl., Leipz. 1900); »Three dialogues between Hylas and Philonous« (1713; deutsch von Richter, Leipz. 1901); »Alciphron, or the minute philosopher« (1732). Berkeleys Philosophie ist als Idealismus oder Immaterialismus zu bezeichnen; sie knüpft an Lockes Empirismus an, indem sie wie dieser die vermeintlich objektiven Eigenschaften der Dinge (Farbe, Geruch, Geschmack etc.) für subjektive Folgen der Beschaffenheit unsrer Sinnesorgane erklärt, da es ohne Auge keine Farben, ohne Ohr keine Töne und Geräusche geben würde. Aber sie erklärt nicht bloß die sogen. sekundären, sondern auch die sogen. primären Eigenschaften (Ausdehnung, Gestalt, Größe etc.) für solche, die nicht den Dingen selbst zukommen, sondern von dem wahrnehmenden Subjekt auf sie übertragen würden. Wenn das körperliche Ding nichts andres als die Summe seiner Eigenschaften ist, die Kirsche z. B. nichts weiter als der Inbegriff von Weichheit, Saft, Röte, Säure und Kugelform, und diese Eigenschaften sämtlich nicht außer, sondern nur im vorstellenden Subjekt als »Ideen« (Vorstellungen) desselben vorhanden sind, so existiert auch das körperliche Ding nicht außer dem Vorstellenden (als etwas Materielles), sondern nur in dem Vorstellenden (als Vorstellung im Geist) wirklich, d. h. das einzige, was wahrhaft existiert, ist nicht der ausgedehnte körperliche Stoff (Materialismus), sondern der (immaterielle) Geist und dessen (gleichfalls immaterielle) Ideen (Idealismus). Das ganze Sein der wahrgenommenen ausgedehnten Welt besteht eben nur in dem Wahrgenommenwerden: Esse est percipi. Der Grund der Ideen, soweit sie nicht von dem Vorstellenden selbst gemacht, sondern scheinbar von außen durch die Dinge demselben gegeben sind, kann nun, da außer immateriellen Geistern nichts existiert, nicht in einer Materie, sondern er muss in dem Willen eines dieselben dem Geiste des Vorstellenden inspirierenden überlegenen Geistes, in Gott als dem eigentlichen Urheber unsrer sinnlichen Vorstellungswelt gelegen sein. Die Wahrheit unsrer sinnlichen Erfahrungserkenntnis wird dadurch, dass sie unmittelbar von Gott kommt, gewährleistet, wie anderseits durch den Nachweis, dass außer immateriellen Geistern und deren Vorstellungen nichts wirklich existiere, der Materialismus von Grund aus beseitigt. Letzterer Umstand besonders hat Berkeleys Philosophie unter den Gegnern der materialistischen Strömung seiner Zeit und neuerlich wieder Anhänger verschafft, die, wie Collyns Simon, Shadworth Hodgson, Fraser u. a., deren immaterialistischen Charakter betonen. Berkeleys sämtliche Werke, mit Biographie von Arbuthnot, erschienen 1784 in 2 Bänden; vollständiger wurden sie herausgegeben von Fraser (mit Anmerkungen und Biographie, Oxf. 1871, 4 Bde.; neuer Abdruck), zuletzt von Sampson (mit Biographie von Balfour, das. 1897 ff.). Eine Biographie Berkeleys von Arbuthnot findet sich in der ersten Ausgabe seiner Werke.Vgl. Penjon, G. B., sa vie et ses œuvres (Par. 1878); Fraser, B. (in den »Philosophical classics«, Lond. 1881; neue Ausg. 1901).

I.Da die Philosophie nichts anderes ist als das Streben nach Weisheit und Wahrheit, so sollte man vernunftgemäss erwarten dürfen, dass die, welche am meisten Zeit und Mühe auf dieselbe verwendet haben, sich einer grösseren Ruhe und Heiterkeit des Gemüthes, einer grösseren Klarheit und Sicherheit der Erkenntniss erfreuen und weniger durch Zweifel und Bedenken beunruhigt werden, als andere Menschen. Wir sehen dagegen, dass vielmehr die ungelehrte Menge der Menschen, die auf der Landstrasse des schlichten Menschenverstandes wandelt und durch die Gebote der Natur geleitet wird, grösstentheils zufrieden und ruhig lebt. Ihnen scheint nichts, was gewöhnlich ist, unerklärlich oder schwer zu begreifen. Sie klagen nicht über irgend welche unzuverlässigkeit ihrer Sinne und sind ganz frei von der Gefahr, in Zweifelsucht zu gerathen. Sobald wir aber der Leitung der Sinne und der Natur uns entziehen, um dem Lichte eines höheren Princips zu folgen, um über die Natur der Dinge Schlüsse zu ziehen, nachzudenken, zu reflectiren, so erheben sich sofort tausend Zweifel in unserem Geist in Betreff eben der Dinge, welche wir vorher völlig zu begreifen meinten. Vorurtheile und Irrthümer der Sinne enthüllen sich von allen Seiten her unserem Blick, und indem wir diese durch Nachdenken zu berichtigen streben, werden wir unvermerkt in seltsame, von der gewöhnlichen Meinung abweichende Behauptungen, Schwierigkeiten und Widersprüche verstrickt, die sich in dem Maasse, als wir in der Betrachtung weiter gehen, vermehren und steigern, bis wir zuletzt, nachdem wir manche verschlungene Irrgänge durchwandert haben, uns gerade an dem Punkte wiederfinden, von welchem wir ausgegangen waren, oder, was schlimmer ist, bis wir die Forschung aufgeben und, in Zweifelsucht verloren, die Hände in den Schooss legen.

II.Man hält dafür, die Ursache hiervon liege in der Dunkelheit der Dinge oder in der natürlichen Schwäche und Unvollkommenheit unseres Verstandes. Man sagt, unsere Geisteskräfte seien beschränkt, und dieselben seien von der Natur dazu bestimmt, zur Erhaltung und Erleichterung des Lebens zu dienen, nicht zur Erforschung des inneren Wesens und der Einrichtung der Dinge. Zudem sei es nicht verwunderlich, dass der menschliche Verstand, da er endlich sei, wenn er Dinge behandle, die an der Unendlichkeit Theil haben, in Ungereimtheiten und Widersprüche verfalle, aus welchen sich jemals herauszuarbeiten ihm unmöglich sei, da es zu der Natur des Unendlichen gehöre, nicht vom Endlichen begriffen werden zu können.

III.Doch sind wir vielleicht zu parteiisch für uns selbst eingenommen, wenn wir die Quelle des Fehlers in den Anlagen unseres Geistes suchen und nicht vielmehr in dem unrichtigen Gebrauch, den wir von denselben machen. Es ist misslich, vorauszusetzen, dass richtige Schlüsse aus wahren Vordersätzen jemals zu Endergebnissen führen sollten, welche nicht aufrecht erhalten oder mit einander in Uebereinstimmung gebracht werden könnten. Man sollte doch denken, dass Gott nicht so ungütig gegen die Menschenkinder verfahren sei, diesen ein lebhaftes Verlangen nach einem Wissen einzuflössen, welches er ihnen zugleich völlig unerreichbar gemacht hätte. Dies würde nicht zu dem gewöhnlichen liebevollen Verfahren der Vorsehung stimmen, mit welchem sie regelmässig ihren Geschöpfen die Mittel gegeben hat, durch deren rechten Gebrauch dieselben alle ihnen eingepflanzten Triebe unfehlbar zu befriedigen vermögen. Kurz, ich bin geneigt, zu glauben, dass weitaus die meisten, wo nicht alle Schwierigkeiten, welche bisher die Philosophen hingehalten und ihnen den Weg zur Erkenntniss versperrt haben, durchaus von uns selbst verschuldet seien; dass wir zuerst eine Staubwolke erregt haben und uns dann beklagen, nicht sehen zu kennen.

IV.Mein Vorsatz ist demgemäss, zu versuchen, ob ich ausfindig machen kann, welche Grundannahmen es seien, die jene Fülle von Zweifeln und jenes unsichere Schwanken, die alle jene Ungereimtheiten und Widersprüche bei den verschiedenen Secten der Philosophen in solchem Maasse verursacht haben, dass die weisesten Menschen unsere Unwissenheit für unheilbar gehalten haben, indem sie annahmen, dieselbe rühre von der natürlichen Schwäche und Beschränktheit unserer Geisteskräfte her. Und es ist gewiss eine die Mühe lohnende Aufgabe, eine genaue Untersuchung über die ersten Principien der menschlichen Erkenntniss anzustellen, dieselben allseitig zu sichten und zu prüfen, zumal da die Vermuthung nicht unbegründet sein durfte, dass jene Hindernisse und Anstösse, welche den Geist bei dem Suchen der Wahrheit aufhalten und verwirren, nicht sowohl in irgend einer Dunkelheit und Verwickelung der Objecte oder in einer natürlichen Schwäche des Verstandes ihre Quelle haben, als vielmehr in falschen Grundannahmen, an denen man festgehalten hat und die sich doch hätten vermeiden lassen.

V.Wie schwierig und aussichtslos auch immer dieser Versuch erscheinen mag, wenn ich in Betracht ziehe, wie viele grosse und ausserordentliche Männer vor mir die gleiche Absicht gehegt haben, so bin ich doch nicht ohne einige Hoffnung, welche sich auf die Erwägung gründet, dass die weitesten Aussichten nicht immer die deutlichsten sind, und dass der Kurzsichtige, weil er genöthigt ist, die Objecte dem Auge näher zu bringen, vielleicht durch eine genaue Besichtigung aus geringer Entfernung solches zu erkennen vermag, was weit besseren Augen entgangen ist.

VI.Um den Geist des Lesers zu einem leichteren Verständniss des Folgenden zu befähigen, ist es angemessen, Einiges einleitend vorauszuschicken, was das Wesen und den falschen Gebrauch der Sprache betrifft. Die Erörterung dieses Gegenstandes aber führt mich dazu, einigermaassen meine Hauptfrage schon im Voraus mitzubehandeln, indem ich etwas berühre, das einen Hauptantheil an der Verwickelung und Trübung der Forschung gehabt und unzählige Irrthümer und Anstösse in fast allen Theilen der Wissenschaft veranlasst zu haben scheint. Dies ist die Meinung, der Geist habe ein Vermögen, abstracte Ideen (»abstract ideas«) oder Begriffe (»notions«) von Dingen zu bilden. Wer nicht durchaus ein Fremdling in den Schriften und Disputationen der Philosophen ist, muss zugeben, dass kein kleiner Theil derselben sich auf abstracte Ideen bezieht. Man nimmt an, dass diese vorzugsweise dass Object der Wissenschaften bilden, welche die Namen Logik und Metaphysik tragen, und überhaupt derjenigen, welche für die abstractesten und höchsten Lehrobjecte gelten; in diesen allen wird man schwerlich eine Frage so behandelt finden, dass nicht vorausgesetzt würde, dass abstracte Ideen in dem Geiste existiren und dieser mit denselben wohl bekannt sei.

VII.Allseitig wird anerkannt, dass die Eigenschaften (Qualitäten) oder Beschaffenheiten (Modi, Daseinsweisen) der Dinge nicht einzeln für sich und gesondert von allen anderen in Wirklichkeit existiren, sondern dass jedesmal mehrere derselben in dem nämlichen Object gleichsam mit einander vermischt und verbunden seien. Man sagt uns aber, dass der Geist, da er fähig sei, jede Eigenschaft einzeln zu betrachten, oder sie von den anderen Eigenschaften, mit welchen sie vereinigt ist, abzusondern, hierdurch sich selbst abstracte Ideen bilde. Wenn z.B. durch den Gesichtssinn ein ausgedehntes, farbiges und bewegtes Object wahrgenommen worden ist, so bildet, sagt man, der Geist, indem er diese gemischte oder zusammengesetzte Idee in ihre einfachen Bestandtheile auflöst und einen jeden derselben für sich mit Ausschluss der übrigen betrachtet, die abstracten Ideen der Ausdehnung, Farbe, Bewegung. Nicht als ob es möglich wäre, dass Farbe oder Bewegung ohne Ausdehnung existiren; es soll nur der Geist für sich selbst durch Abstraction die Idee der Farbe ohne Ausdehnung und der Bewegung ohne Farbe und Ausdehnung bilden können.

VIII.Da ferner der Geist beobachtet hat, dass in den einzelnen durch die Sinne wahrgenommenen Ausdehnungen etwas Gleiches, ihnen allen Gemeinsames ist, und etwas Anderes, den einzelnen Ausdehnungen Eigenthümliches, wie diese oder jene Form oder Grösse, wodurch sie sich von einander unterscheiden: so betrachtet er das Gemeinsame besonders oder scheidet es als ein Object für sich ab, und bildet demgemäss eine sehr abstracte Idee einer Ausdehnung, die weder Linie, noch Fläche, noch Körper ist, noch auch irgend eine bestimmte Form oder Grösse hat, sondern eine von diesem allem abgelöste Idee ist. In gleicher Weise bildet der Geist, indem er von den einzelnen sinnlich percipirten Farben dasjenige weglässt, was dieselben von einander unterscheidet, und nur dasjenige zurückbehält, was allen gemeinsam ist, eine Idee von Farbe in abstracto, die weder Roth, noch Blau, noch Weiss, noch irgend eine andere bestimmte Farbe ist. In gleicher Art wird auch die abstracte Idee der Bewegung, welche gleichmässig allen einzelnen sinnlich wahrgenommenen Bewegungen entspricht, dadurch gebildet, dass die Bewegung nicht nur abgesondert von dem bewegten Körper, sondern ebenso auch von der beschriebenen Figur und von allen besonderen Richtungen und Geschwindigkeiten betrachtet wird.

IX.Wie der Geist sich abstracte Ideen von Eigenschaften oder Beschaffenheiten (Bestimmtheiten, Modis) bildet, so erlangt er durch denselben Act der sondernden Unterscheidung oder Vorstellungszerlegung auch abstracte Ideen von den mehr zusammengesetzten Dingen, welche verschiedene zusammen existirende Eigenschaften enthalten. Hat z.B. der Geist beobachtet, dass Peter, Jakob und Johann einander durch gewisse, ihnen allen gemeinsam zukommende Bestimmtheiten der Gestalt und anderer Eigenschaften gleichen, so lässt er aus der complexen oder zusammengesetzten Idee, die er von Peter, Jakob und anderen einzelnen Menschen hat, dasjenige weg, was einem jeden derselben eigenthümlich ist, behält nur dasjenige zurück, was ihnen allen gemeinsam ist, und bildet so eine abstracte Idee, an welcher alle einzelnen gleichmässig Theil haben, indem er von allen den Umständen und Unterschieden, welche dieselbe zu irgend einer Einzelexistenz gestalten können, gänzlich abstrahirt und dieselben ausscheidet. Auf diese Weise, sagt man, erlangen wir die abstracte Idee des Menschen oder, wenn wir lieber wollen, der Menschheit oder der menschlichen Natur, worin zwar die Idee der Farbe liegt, da kein Mensch ohne Farbe ist, aber dies kann weder die weisse, noch die schwarze, noch irgend eine andere einzelne Farbe sein, weil es keine einzelne Farbe giebt, an der alle Menschen theilhaben. Ebenso liegt darin auch die Idee der Körpergestalt, aber dies ist weder eine grosse, noch eine kleine, noch eine mittlere Gestalt, sondern etwas von diesen allen Abstrahirtes. Das Gleiche gilt von allem Uebrigen. Da es ferner eine grosse Menge anderer Geschöpfe giebt, die in einigen Theilen, aber nicht in allen mit der abstracten Idee »Mensch« übereinkommen, so lässt der Geist die Theile weg, welche den Menschen eigenthümlich sind, hält nur diejenigen fest, welche allen lebenden Wesen gemeinsam sind, und bildet so die Idee des »animal«, worin nicht nur von allen einzelnen Menschen, sondern auch von allen Vögeln, Vierfüsslern, Fischen und Insekten abstrahirt wird. Die constituirenden Theile der abstracten Idee eines Thieres (animal) sind: Körper, Leben, Sinnesempfindung und freiwillige Bewegung, unter »Körper« wird verstanden ein Körper ohne irgend eine besondere Gestalt oder Figur, da keine solche allen Thieren gemeinsam ist, ohne Bedeckung mit Haaren, Federn oder Schuppen u.s.w., aber auch nicht nackt, da Haare, Federn, Schuppen und Nacktheit unterscheidende Eigenthümlichkeiten einzelner Thiere sind und darum aus der abstracten Idee wegbleiben. Aus demselben Grunde darf die freiwillige Bewegung weder ein Gehen, noch ein Fliegen, noch ein Kriechen sein; sie ist nichtsdestoweniger eine Bewegung, - was für eine Bewegung aber, ist nicht leicht zu begreifen.

X.Ob Andere diese wunderbare Fähigkeit der Ideenabstraction besitzen, können sie uns am besten sagen; was mich betrifft, so finde ich in der That in mir eine Fähigkeit, mir die Ideen der einzelnen Dinge, die ich wahrgenommen habe, vorzustellen oder zu vergegenwärtigen, und dieselben mannichfach zusammenzusetzen und zu theilen. Ich kann mir einen Mann mit zwei Köpfen oder auch die oberen Theile eines Menschen mit dem Leibe eines Pferdes verbunden vorstellen. Ich kann die Hand, das Auge, die Nase, jedes für sich abstract oder getrennt von den übrigen Theilen des Körpers betrachten. Was für eine Hand oder was für ein Auge ich dann aber auch mir vorstellen mag, so muss doch dieser Hand oder diesem Auge irgend eine bestimmte Gestalt und Farbe zukommen. Ebenso muss auch die Idee eines Mannes, die ich mir bilde, entweder die eines weissen oder eines schwarzen oder eines rothhäutigen, eines gerade oder krumm gewachsenen, eines grossen oder kleinen oder eines Mannes von mittlerer Grösse sein. Es ist unmöglich, durch ein angestrengtes Denken die oben beschriebene abstracte Idee zu erfassen. Ebenso unmöglich ist es mir, die abstracte Idee einer Bewegung ohne einen sich bewegenden Körper, die weder schnell, noch langsam, weder krummlinig, noch geradlinig sei, zu bilden, und das Gleiche gilt von jedweder anderen abstracten allgemeinen Idee. Um mich genauer zu erklären: ich finde mich selbst befähigt zur Abstraction in Einem Sinne, nämlich wenn ich gewisse einzelne Theile oder Eigenschaften gesondert von anderen betrachte, mit denen sie zwar in irgend welchem Object vereinigt sind, ohne die sie aber in Wirklichkeit existiren können. Aber ich finde mich nicht befähigt, diejenigen Eigenschaften von einander durch Abstraction zu trennen oder gesondert zu betrachten, welche nicht möglicherweise ebenso gesondert existiren können, oder einen allgemeinen Begriff durch Abstraction von den besonderen in der vorhin bezeichneten Weise zu bilden. In diesen beiden letzteren Bedeutungen aber wird eigentlich der Terminus Abstraction gebraucht. Auch ist die Annahme nicht unbegründet, dass die meisten Menschen zugeben werden, mit mir in gleichem Falle zu sein. Die meisten Menschen, welche schlicht und ungelehrt sind, machen keinen Anspruch auf den Besitz abstracter Begriffe. Man sagt, dieselben seien schwierig und nicht ohne Mühe und Studium zu erlangen. Wir dürfen nach dem Obigen vernünftigerweise schliessen, dass, wenn es abstracte Ideen giebt, dieselben nur bei Gelehrten sich finden.

XI.Ich schreite nun zur Prüfung dessen fort, was zur Vertheidigung der Lehre von der Abstraction vorgebracht werden kann, und versuche zu entdecken, was es sei, wodurch wissenschaftliche Männer bewegen werden, eine Meinung anzunehmen, welche dem gemeinen Menschenverstande so fremd ist, wie es diese zu sein scheint. Ein kürzlich verstorbener, mit Recht geschätzter Philosoph hat ohne Zweifel dieser Meinung grossen Vorschub geleistet, indem er zu denken scheint, der Besitz abstracter Ideen sei das, was zwischen der Verstandeskraft des Menschen und der Thiere den grössten Unterschied ausmache. »Der Besitz allgemeiner Ideen« (sagt er) »begründet einen durchgängigen Unterschied zwischen dem Menschen und den vernunftlosen Wesen und ist ein Vorzug, der den Fähigkeiten der letzteren in keiner Weise erreichbar ist. Denn es ist offenbar, dass wir bei denselben keine Spur des Gebrauches allgemeiner Zeichen für universale Ideen finden, wonach wir Grund haben anzunehmen, dass sie nicht die Fähigkeit zu abstrahiren oder allgemeine Ideen zu bilden besitzen, da sie keine Worte oder irgend welche allgemeine Zeichen gebrauchen.« Und kurz nachher: »Demgemäas dürfen wir, denke ich, annehmen, dass hierin der specifische Unterschied der Thiere von den Menschen bestehe; dieser eigenthümliche Unterschied sondert sie gänzlich und erweitert sich zuletzt zu einem so beträchtlichen Abstände. Denn haben die Thiere überhaupt irgend welche Vorstellungen und sind sie nicht, wie Einige wollen, blosse Maschinen, so können wir nicht leugnen, dass sie in einem gewissen Sinne Vernunft besitzen. Ebenso offenbar wie die Thatsache, dass sie Sinne besitzen, scheint mir auch dies zu sein, dass einige von ihnen in gewissen Fällen Schlüsse ziehen, aber nur mittelst solcher Einzelvorstellungen, wie sie dieselben von ihren Sinnen empfangen. Auch die obersten Thierklassen bleiben in diese engen Grenzen gebannt, und vermögen dieselben nicht durch irgend welche Abstraction zu erweitern.« (Versuch über den menschlichen Verstand, Buch II, Cap. IX, Section 10 u. 11.) Ich stimme diesem gelehrten Schriftsteller unbedenklich darin bei, dass den Fälligkeiten der Thiere die Abstraction durchaus unerreichbar sei; nur fürchte ich, dass, wenn hierin ihr Unterscheidungsmerkmal liegen soll, sehr viele von denen, die für Menschen gelten, mit ihnen in Eine Klasse zu setzen seien. Der hier angegebene Grund, den Thieren keine abstracten Ideen zuzuschreiben, liegt darin, dass wir bei ihnen keinen Gebrauch von Worten oder anderen allgemeinen Zeichen beobachten. Dieser Grund ruht auf der Voraussetzung, dass der Gebrauch von Worten an den Besitz Allgemeiner Ideen geknüpft sei, woraus folgt, dass Menschen, die sich der Sprache bedienen, fähig seien zu abstrahiren oder ihre Ideen zu verallgemeinern. Dass dieses der Sinn und die Folgerung des Verfassers ist, geht ferner aus seiner Antwort auf die Frage hervor, die er an einer anderen Stelle aufwirft: »Da doch alle existirenden Dinge Einzelobjecte sind, wie gelangen wir zu allgemeinen Bezeichnungen?« Er antwortet: »Worte werden dadurch allgemein, dass sie zu Zeichen allgemeiner Ideen gemacht werden« (a. a. O. B. III, Cap. III, Sect. 6). Es scheint jedoch, dass ein Wort allgemein wird, indem es als Zeichen gebraucht wird nicht für eine abstracte allgemeine Idee, sondern für mehrere Einzelideen, deren jede es besondere im Geiste anregt. Wird z.B. gesagt: die Bewegungsänderung ist proportional der aufgewandten Kraft, oder: alles Ausgedehnte ist theilbar, so sind diese Regeln von Bewegung und Ausdehnung im Allgemeinen zu verstehen; dennoch folgt nicht, dass sie in meinem Geiste eine Vorstellung von Bewegung ohne einen bewegten Körper oder ohne eine bestimmte Richtung und Geschwindigkeit anregen, oder dass ich eine abstracte allgemeine Idee einer Ausdehnung bilden müsse, die weder Linie, noch Fläche, noch Körper, weder gross, noch klein, weder schwarz, noch weiss, noch roth, noch von irgend einer anderen bestimmten Farbe sei; sondern es liegt darin nur, dass, welche Bewegung auch immer ich betrachten mag, sei dieselbe schnell oder langsam, senkrecht, wagerecht oder schräg, sei sie die Bewegung dieses oder jenes Objectes, das sie betreffende Axiom sich gleichmässig bewahrheite. Ebenso bewahrheitet sich der andere Satz bei jeder besonderen Ausdehnung, wobei es keinen unterschied macht, ob dieselbe eine Linie oder eine Fläche oder ein Körper, ob dieselbe von dieser oder jener Grösse oder Figur sei.

XII.Indem wir beobachten, wie Ideen allgemein werden, gelangen wir zu einem richtigeren Urtheil darüber, wie Worte dies werden. Ich muss hier bemerken, dass ich nicht absolut die Existenz von allgemeinen Ideen, sondern nur die von abstracten allgemeinen Ideen