Achtung Baby! - Michael Mittermeier - E-Book
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Achtung Baby! E-Book

Michael Mittermeier

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Beschreibung

»… aber wenn es dich dann einmal anlächelt …« Jahrelang hat Michael Mittermeier auf der Bühne Späße über junge Eltern gemacht. Vor kurzem ist er selbst Vater geworden. Wie seine Tochter sein Leben verändert und worüber er jetzt lacht, erzählt er in diesem Buch.Es fängt an in der Zeit davor, als Eltern noch die Anderen sind – bemitleidenswerte Wesen, die mit müden Augen und Breiflecken auf der Hose beteuern, dass sie sich auf den Urlaub im Kinderhotel freuen. Und die sich nur für eins interessieren: »Und wann ist es bei euch soweit?«Die Schwangerschaft wirft für Männer natürlich Fragen auf: Warum darf man schwangeren Frauen nie widersprechen? Woher kommt das fremde Wesen, das nachts den Kühlschrank plündert? Woher haben Schwangere ihren übernatürlichen Geruchssinn? Und: Kann man Hebammen trauen, die keinen Spaß verstehen?Aber der eigentliche Wahnsinn beginnt nach der Geburt. Denn jetzt dreht sich alles nur noch um das Baby (»Guck mal, es bewegt den Daumen!«). Die Außenwelt verschwindet, das böse Pupsmonster wird zu einem guten Bekannten, und zu den Top-3-Gesprächsthemen gehören kleine Stinker, Schnuller und Schlaflieder.Michael Mittermeier übersetzt die Direktheit seiner Live-Programme und die Absurdität seiner Bilder in eine Sprache, in der man ihn gestenreich erzählend vor sich sieht. Achtung Baby! ist ein wunderbar selbstironischer und herzzerreißend ehrlicher Bericht über eine Zeit im Leben, in der sich Gefühle von Stolz, Unsicherheit und Glück rasant abwechseln. Eins ist danach klar: Das Leben mit Kindern ist ganz anders als gedacht, nämlich viel lustiger.

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Seitenzahl: 313

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Michael Mittermeier

Achtung Baby!

Kurzübersicht

> Buch lesen

> Titelseite

> Inhaltsverzeichnis

> Über Michael Mittermeier

> Über dieses Buch

> Impressum

> Klimaneutraler Verlag

> Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

WidmungPrologI. Es war einmal …Die anderenIm Land des LächelnsUrlaub ohneAbenteuer SpielplatzUnter BayernArschlochkinderArschlochelternII. Baby – Episode 1Der richtige MomentReif für die KinderWie geht denn das?Die Mutter aller TestsDer ambulante Action-MannHebammencastingVorabveröffentlichungNestbautriebStimmungsschwankungenDuftnotenLast-Minute-AngeboteIII. Achtung Baby!TerminschwierigkeitenKreißsaalführungHerrengedeckWir warten aufs ChristkindJetzt geht’s los!IV. Mittermeier – the next GenerationHeimkommenWickel-ManVon wem hat sie’s?Tote Schnecken leben längerKleine Stinker, große StinkerMeine Frau, ihr Stillkissen und ichDas böse PupsmonsterDas Schreien der InkasSchnuller a.k.a. PeacemakerSchlaf, Papilein, schlafLieder für oder gegen Kinder?VerwahrlosungSpuckiluckituchDurchschlafenVon Zahnen und FeenFrüherziehungRevenge of the SpielplatzStolze PapasHugh, ich habe gesprochen!Das erste MalEpilogDanke
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Für Lilly, Gudrun, W., S. und B.

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Prolog

»Fleisch!«

Dieses Wort zerriss die Stille. Ich bummelte mit meiner Frau durch die Fußgängerzone. Ein Ort, wo es außer militanten Pantomimen und Panflötenextremisten nichts Böses gibt – dachte ich mir, doch plötzlich: »Fleisch!«

Ich schaute in die Augen meiner Frau, aber obwohl wir schon seit über 17 Jahren zusammen waren, was ich da sah, kannte ich nicht. Irgendetwas Fremdes hatte anscheinend von ihr Besitz ergriffen. Die Augen weit aufgerissen, mit einem Schuss Wahnsinn und visualisierter Gier nach … »Fleisch!«.

Todesangst setzte bei mir ein. Da ich seit meiner Jugend an chronischer Zombie-Phobie leide, kamen sofort schreckliche Zerrbilder hoch: Zombie – es kann immer und überall passieren. Wie in dem Remake des Zombie-Klassikers »Dawn Of The Dead«. Erste Szene: Ehepaar liegt am Morgen friedlich im Bett, es hämmert an der Schlafzimmertür, Mama öffnet, die kleine Tochter steht da mit einem irren Blick in den Augen: »Fleisch!«

Die Tochter (nennen wir sie mal Dörte) hechtet auf den Papa, sie will nicht kuscheln, sondern essen, und beißt ihm in den Hals – Mama wirft Dörte mit letzter Kraft aus dem Schlafzimmer – Papa stirbt im Bett – er mutiert sofort zum Zombie und geht als solcher die Mama an – die kann gerade noch fliehen – sie verbarrikadiert sich mit anderen Überlebenden in einer großen Shopping Mall … Scheiße – die Fußgängerzone ist auch nicht sicher! Poff! Ich werde aus meinem Wachalbtraum gerissen.

»Fleisch! Jetzt! Hallo, Michl, hörst du mir überhaupt zu?«

»Ja, äh …«

Meine Frau versuchte zu mir durchzudringen: »Ich brauche jetzt sofort was zu essen, du weißt, ich bin schwanger.«

»Klar!«

Ich hörte sofort auf, die Fluchtmöglichkeiten Richtung Kaufhaus abzuchecken, meine Zombie-Phobie wurde in einer Zehntelsekunde verdrängt von der loyalen Liebe des männlichen Jägers, der seiner hungrigen schwangeren Frau mit bloßen Händen ein Mammut reißen würde. Ich funktionierte sofort: »Klar, Gudrun, lass uns die Dönerbude überfallen.«

War eigentlich nur ein Spaß, aber ich sah in den Augen meiner Frau, dass sie kein Problem damit hätte und diesen Vorschlag zumindest in Erwägung zog. Das Prinzip »Plünderung zur Nahrungssuche« – eine schwangere Frau muss dazu nicht überredet werden. Wenn die Hungerattacke kommt, fahren bei Schwangeren alle anderen Systeme nach unten, das Hirn hat hitzefrei, und der Magen darf auch mal Chef sein. Das wäre in etwa vergleichbar mit einem Mann, der ein Jahr keinen Sex mehr hatte, und dann kommt plötzlich in der Fußgängerzone Eva Mendes in Strapsen auf ihn zu und spielt neckisch mit ihren Nippeln.

»Fleisch!«

Und dann ist es auch nicht so, dass da ein Mann sagen würde: »Servus, Eva, das ist schon ganz nett von dir, dass du mir deine Auslage zur Verfügung stellen würdest, aber ich wollte mir gerade den Pantomimen anschauen und dann heimgehen. Servus.«

Hungerattacken bei Schwangeren wollen richtig gestillt werden. Da helfen keine leichten Zwischensnacks, es muss was Gescheites her. Halt irgendwas mit Fleisch. Das habe ich immer geliebt in der Zeit der Schwangerschaft. Wenn man in dieser Zeit zusammen essen geht, hört man nicht so weibliche Sätze wie: »Schatz, lass uns doch ins Café Düdeldü gehen, die haben so schöne Salate mit Putenbruststreifen und so.« An der Stelle sei mal erwähnt, Pute ist für uns Männer kein richtiges Fleisch, sondern eher eine Art Tofu mit organischer Herkunft.

Das wichtigste Begleitwort bei einem Schwangerhungeranfall ist »jetzt«. Wenn eine schwangere Frau sagt, »ich habe Hunger«, heißt das Jetzt-sofort-in-der-Zehntelsekunde-ohne-Zeitpuffer-oder-töten-Hunger. Man sollte noch nicht einmal daran denken zu sagen: »Baby, lass uns doch vorher noch in das DVD-Geschäft gehen und danach dann können wir …«

Jetzt!

Jagdhörner ertönen. Die Hundemeute wird von der Leine gelassen. Die Treiber spurten los. In den nächsten zehn Sekunden muss eine Möglichkeit der Nahrungsaufnahme gefunden werden. In München ist das Gott sei Dank einfach, denn in hundert Meter Reichweite findet sich immer eine einschlägige Metzgerei, wo man sich zumindest eine schnelle Leberkässemmel besorgen kann. Hätte ich früher nie vorgeschlagen – Leberkässemmel als Shoppingpause. Manolo Blahnik und Leberkäs ist als Kombination noch nicht so gängig in der westlichen Konsumwelt. Insgeheim habe ich auf eine Dauerschwangerschaft gehofft. Das würde meinem Nahrungsverhalten sehr entgegenkommen. Und der Wahnsinn ist auch noch: Schwangere machen’s sich gerne selbst: Ich erinnere mich an einen Anruf bei meiner Frau, als sie im sechsten Monat war: »Schatz, was machst du gerade?«

»Ich bin im Olympia-Einkaufszentrum und esse einen Döner.«

Tränen formierten sich in meinen Augen, und ich hauchte ihr hoffnungslos verliebt zu: »Baby, ich bin so stolz auf dich.«

Nicht, dass hier der Eindruck entsteht, dass ich Schwangerschaften nur wegen der Ernährungsumstellung gut finde. Ich finde schwangere Frauen sexy. Es ist jetzt nicht so, dass ich durch die Straßen laufe und dickbauchige Frauen anquatsche: »Na, wie wär’s mit uns dreien?« Aber meine Frau sah wunderschön aus in ihrem schwangeren Zustand, und zusammen mit dem Glücksgefühl des herannahenden neuen Lebens war es eine der schönsten Zeiten in unserer Beziehung. Ich weiß natürlich, dass schwangere Frauen ihre Optik meist anders bewerten. Das ist ja auch die einzige Zeit im Leben einer Frau, wo der Satz »ich hab nix anzuziehen« tatsächlich ein Körnchen Wahrheit enthält. Frauen kaufen sonst für alle Anlässe Klamotten, in verschiedensten Farben, Formen, Webarten – aber keine Frau kommt jemals heim und sagt: »Dieses Kleid habe ich gekauft für den Fall, dass wir auf eine Greenpeace-Wal-Solidaritätsveranstaltung gehen. Und wenn eine von meinen Freundinnen schwanger wird, kann ich es ihr leihen.«

Eine schwangere Frau hat was von einer Göttin. Gut, eines ist schon klar, eine Strunzhässliche wird auch als Schwangere kein Schneewittchen. Oder anders gesagt, die schwangere Hexe aus dem Knusperhäuschen würde beim Baywatch-Casting nicht in die Endrunde kommen.

 

Die Ernährungsgewohnheiten einer Schwangeren unterscheiden sich meist diametral von denen der Frau, die vorher in diesem Körper gewohnt hat. Schwangere Frauen mutieren ab dem ersten Monat zu Zwischenwesen, bestimmt von hormonellen Eingebungen, die sich sehr auf das Essverhalten auswirken – aber nicht nur in Richtung einseitige Ernährung, wie es in Zombiekreisen üblich ist. Es gibt die Fleischphasen, aber auch das Süßigkeitenmonster und das Sauerungeheuer schlummern tief in ihnen. Zucker auf dem Tisch, »rachmachhammhamm!« Und weg. Ich weiß mittlerweile, wer für das Krümelmonster in der Sesamstraße Modell gestanden hat.

Daheim ist es natürlich einfach, mit diesen Fressanfällen umzugehen. Ich erinnere mich an eine denkwürdige Szene: Ich wache nachts auf, Gudrun liegt nicht neben mir. Ich gehe runter in die Küche … irgendwas plündert den Kühlschrank.

»Rachmachhammhamm!«

»Baby, was machst du da?«

»Ich? Nichts!«

»Was ist das da an deinen Händen, im Gesicht und auf deinem T-Shirt?«

»Nichts.«

»Ist das Thunfisch und Schokolade?«

»Nö.«

Guter Tipp: einfach dabei belassen. Nicht weiter nachfragen, passt scho. Das Einzige, was ich damals gemacht habe, war meine M&M-Vorräte vor dem runden Wesen in Sicherheit zu bringen und im Garten zu vergraben. Na ja, vergraben hilft ab dem vierten Monat leider auch nicht mehr. Was kein Vorhängeschloss hat, ist nicht sicher. Gut, auch das Vorhängeschloss erledigt sich mit dem sechsten Monat. Was kann man machen? Ein Tresorraum, der den Zugang nur mit Codewort und Fingerabdruck möglich macht? Selbst ich habe gedacht, das ist ein bisschen übertrieben, aber meine Frau hatte offenbar den Louis-de-Funès-Film »Balduin, der Geldschrankknacker« gesehen: Wir können daheim den Tunnel nun wunderbar als Weinkeller benutzen. Okay, immer noch besser als in dem Film »The 6th Day« mit Arnold Schwarzenegger – da haben sie einem den Finger abgeschnitten, um mit dem Finger an einem Hochsicherheitstrakt die Fingerabdruckschranke zu überwinden. Ich muss zugeben, dass ich ein klein wenig Angst hatte.

 

Ich hatte mich damals schnell an die essenstechnischen Veränderungen im Alltag gewöhnt, aber in der Außenwelt ist nicht sofort jedem klar, was los ist. Zum Beispiel waren wir mal zusammen im Supermarkt, als ich mich plötzlich fragte: Wo ist meine Frau? Ich ging um das Regal herum, und die Szene wirkte in etwa wie in dem Film »Ghostbusters I«: Das dicke grüne Krümelmonster aus der Zwischenwelt schaufelt in sich rein: »Rachmachhammhamm!«

»Schatz, was machst du da mit dem Nutellaglas?«

Meine Frau schaute unschuldig hoch, als ob gar nichts wäre.

»Nichts.«

Sie wischte sich den Mund ab, stellte das halb leere Nutellaglas wieder zurück und lächelte. Ich meinte noch: »Ich glaube, die Nutella müssen wir jetzt nehmen.«

»Wieso?«

Manche Nahrungsmittelkombinationen sind für Nichtgebärer gewöhnungsbedürftig. Drei Minuten nach dem Nutellavorfall kam es zur Salz-sauer-Attacke. Wir kamen an den Essiggurken vorbei. Meine Frau murmelte etwas vor sich hin wie: »Ich muss die haben!!!«

Ich blickte in ihre Augen und entdeckte wieder etwas Archaisches. Ein Spreewald-Zombie sprach aus ihr: »Gurken! Sofort!«

Und das bedeutete wirklich genau das. Wenn in dem Moment ein Verkäufer gesagt hätte, »dieses letzte Glas Gurken kann ich Ihnen nicht verkaufen, das Datum ist abgelaufen«, hätte er höchstens noch drei Sekunden gelebt.

Wenn ich König eines Landes wäre und Krieg führen müsste, würde ich keine Männerarmee aufstellen, sondern als Eliteeinheit einfach 1000 schwangere Frauen nehmen, warten, bis sie Hunger kriegen, und dann ab auf die feindlichen Stellungen. Die hätten keine Chance. Schicke ein Bataillon schwangerer Marines nach Afghanistan – einen Monat später kannst du den Taliban beim Spanferkelgrillen zugucken.

Natürlich nahm ich im Supermarkt das Glas mit den Essiggurken mit. Ein bisschen peinlich war es schon gewesen, als meine Frau das Glas aus dem Regal nahm und sofort mit hektischen Händen versuchte, es aufzudrehen: »Mach es mir auf!«

Und, liebe Männer, noch einmal: Denkt nicht mal dran, einen Satz zu sagen wie: »Warte halt, bis wir zu Hause sind.«

»Buhuhuhuuu.«

Don’t you ever schlag einer Schwangeren was ab!!!

Dann stand ich mit meiner Frau an der Supermarktkasse. Sie schlang weiterhin Gurken in sich hinein. Für mich war das normal, aber alle anderen schauten uns schon etwas komisch an. In solchen Situationen bricht der Schutzkomiker in mir durch. Ich versuchte, die Situation zu erklären: »Öööh, meine Frau kriegt nur mittwochs was zu essen.«

Die Männer um uns herum nickten verständnisvoll, und alles war wieder gut.

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I.Es war einmal …

Die anderen

Als Kinderloser beobachtete ich Eltern oft etwas mitleidig, für mich waren das »die anderen«. Für Eltern wiederum waren wir Kinderlosen die Outsider, die stets mit einem Fluchmantra belegt wurden: »Ihr habt ja keine Ahnung.«

Ja, das hat schon gestimmt, und damals wollte ich auch noch gar keine Ahnung haben. Ich habe wohl schon geahnt, welche Ahnungen ich bekommen würde, wenn ich dann mal eine Ahnung haben werde. Es ist anders, Freunde. Als Kinderloser führt man mit seinen Kumpels noch Gespräche wie: »Wie findest du die Brüste von Halle Berry?«

»Auf alle Fälle sind die echt. Im Film ›Password Swordfish‹, auf der Liege, da sieht man genau, dass da nichts gemacht ist!«

Als Vater sitzt man heute im Café mit Spielecke, und beim Fencheltee tauscht man wichtige Informationen aus: »Was habt ihr denn für eine Pocreme?«

»Wenn der Bopsel wund ist, Schwarztee draufmachen, das vergerbt die wunden Stellen gut.«

»Der Fencheltee hilft auch mir bei Blähungen.«

Man fragt sich schon: Hat auch jemand wie Bruce Willis solche Papagespräche geführt? Stand der da auch mal vor einem schreienden Baby mit offenem Po und hat cool die Tube hinterm Rücken vorgezogen: »Yippie ya yeah, Schweinebacke!«?

Hat nicht jeder heimlich schon mal Eltern mit kleinen Kindern beobachtet und gedacht: »Arme Schweine«? Zum Beispiel im Kaufhaus, das Kind schmeißt sich auf den Boden und schreit die Hütte zusammen, als ob es nach Lautstärke bezahlt würde. Daneben die völlig durchgeschwitzten Eltern mit hilflosen Beruhigungsversuchen wie eine unbewaffnete UNO-Blauhelmtruppe inmitten einer aufgeputschten kongolesischen Rebellenmiliz. Als Kinderloser sieht man sich so eine Szene an wie einen Autounfall auf der Autobahn. Man fährt vorbei, schaut neugierig und fasziniert, aber man hofft insgeheim, dass einem so was nie selbst passiert.

Eltern lebten für mich immer in einer fremden Welt. Wie in Filmen wie »Caprona – Das vergessene Land«. Eine Truppe von tapferen Abenteurern entdeckt etwas nie vorher Gesehenes und muss sich nun mit Urmenschen und Monstern rumschlagen. Übrigens, wen das interessiert: Der Hauptheld in »Caprona« wurde von Doug McClure gespielt. Der war auch der Trampas in »Die Leute von der Shiloh Ranch«. Der Trampas wirkte in dem Monsterabenteuerfilm etwa so deplatziert wie Kinderlose, die Vorschläge zur Kindererziehung machen. Aber ich darf ja jetzt offiziell …

 

Als Kinderloser versteht man vieles nicht, was »die anderen« tun oder nicht tun: zum Beispiel, dass Babys unentwegt sabbern und die Eltern das anscheinend nicht bemerken. Mittlerweile weiß ich aus eigener Erfahrung, Babys fangen nach ein paar Monaten an zu sabbern. Das hört sich niedlich an, es ist aber ein ewig währender Speichel-Spucke-Fluss, dessen sie sich natürlich nicht bewusst sind. Die lachen und brabbeln unentwegt, und in ihrem Rachen steht ein kleines Männchen mit einem Gartenschlauch, der die Mundschleimhäute bewässert.

Das ist für Kinderlose ein nachdenkwürdiger Hingucker, diese Ausmaße sind nicht nachzuvollziehen. Und es ist auch nicht verständlich, dass Eltern diesem Phänomen, das selbst bei »Akte X« für Furore sorgen würde, keine Bedeutung beimessen. Als Freunde von uns damals mit ihrem mehrere Monate alten Baby bei uns zu Hause waren, blickte ich dauernd gebannt auf die Rinnsale, die sich aus dem Babymund ihren Weg nach unten suchten. Dann drückte mir die Mutter das Baby in die Arme: »Da, du kannst auch schon mal üben.«

Ich dachte, was üben? Deichbau? Ich versuchte, das Baby so zu halten, dass es nicht meine Klamotten vollschlatzte. Sabber sabber blubber sabber … Man will dann ja nicht als überkorrekt gelten und sagen: »Ist euch eigentlich schon mal aufgefallen, dass euer Kind sabbert wie ein Pawlow’scher Hund?«

So versuchte ich ungelenk mit dem Freundesbaby ohne Sabberkollateralschäden zu hantieren. Mit einem vernichtenden Augenaufschlag wurde mir das Kind wieder entrissen: »Ich nehm den Kleinen wieder. So ungeschickt, wie du den hältst.«

Ich wollte halt nichts kaputt machen. Obwohl ich mir dachte, wenn ich ihn fallen lasse, wird der Sabbersee ihn retten.

An diesem Tag wurde ich erstmals in echte Elterngeheimnisse eingeführt. Mir wurde gezeigt, wie man ein Baby bestmöglich hält: »Du musst den Fliegergriff anwenden.«

Ja, ja, Piloten dieser Welt, ihr seid nicht die Einzigen, die den Gegebenheiten der Schwerkraft zu trotzen suchen. Fliegergriff. Dabei dreht man seinen Unterarm nach oben, und darauf platziert man das Baby mit dem Gesicht in Richtung Armbeuge, sodass es dann quasi auf deinem Unterarm bäuchlings durch die Gegend schwebt. Ich dachte, das ist schon was für Poser: »Schaut her, Freunde, das ist meins, das hab ich gemacht! Und seht, wie mühelos ich den Fliegergriff praktiziere. Piloten der Lüfte und Väter der Kinder, dig this!«

Früher haben wir Männer für so einen Effekt Muskelshirts angezogen. Das ist übrigens die nächste Stufe: Fliegergriff und Muskelshirt. Durch die Drehung des Unterarms nach oben und das Gewicht des Babys kommt der Bizeps sehr gut zur Geltung. Woher ich das weiß? Ich habe vor Kurzem auf einem Kinderspielplatz einen Vater in Muskelshirt gesehen, der seine kleine Tochter in jeder Situation so hielt, dass seine durchtrainierten Oberarme optimal rüberkamen. Zum Beispiel beim Schaukeln: kurz Kind mit Schaukel festhalten, ein bisschen nach oben ziehen, den Bizeps aufpumpen, schauen, ob Mütter schauen, und erst dann wieder anschubsen. Vielleicht war das ja auch gar kein Vater mit Tochter auf dem Spielplatz, sondern eine neue Art von Fitnesstraining aus den USA. Da werden ja inzwischen alle Bereiche kombiniert. Aerobic mit Boxing, Kung-Fu mit Bauch-Beine-Po-Training. Und jetzt die neueste Trainingsmethode: Baby-Piloting. Ich weiß mittlerweile, dass Babys diese Fliegergriffposition wegen des einmaligen Blickfelds sehr lieben und diese bei Blähungen zusätzlich eine ideale Ausgangssituation für aeriale Exkursionen bietet. Aber warum heißt das dann Fliegergriff und nicht »Wiege-mit-guter-Pupsmöglichkeit-Griff«? Wahrscheinlich weil Männer eine coole Bezeichnung für eine vordergründig uncoole Handlung brauchen. Das ist wie beim Bungeejumping. Eine dämliche Aktion mit cooler Bezeichnung. Würde das jemand machen, wenn es »Beine-an-Gummiseil-dann-spring-und-in-die-Ausgangsposition-Zurückschnalzing« hieße?

Der Fliegergriff ist auch die ideale Position für Babys, die sich ihrer Spucke entledigen wollen. Wenn einem als männlichem Erwachsenen unbemerkt der Speichel aus dem Mund läuft, ist man entweder in der Disco oder man war beim Zahnarzt, und die Spritze hat noch nicht aufgehört zu wirken. Das ist dann schon peinlich, wenn man am Tisch im Restaurant nicht merkt, dass Sabber über die noch betäubte rechte Unterlippe läuft. Da kommt dann kein Kellner vorbei und fragt: »Darf ich Ihnen zum Nachtisch einen Fliegergriff anbieten?«

Es war schon eine schöne Zeit als Baby, als man sich über solche Kleinigkeiten noch keine Gedanken machen musste. Und, wie schon gesagt, die meisten Eltern machen sich auch keine weiterführenden Gedanken. Meine Freunde trugen ihr Baby damals natürlich auch im Fliegergriff durch unsere Wohnung. Der Speichel bildete schon die ersten Pfützen auf dem bolivianischen Nussbaumparkettboden, aber die Eltern schienen nicht zu sehen, dass ihr Kind oral auslief. Ich habe dann leise gesagt: »Könntet ihr vielleicht ein bisschen aufpassen, dass nicht alles runtertropft?«

»Du bist aber uncool.«

»Mjaa, aber hier können jetzt schon Schnecken Ski fahren, das ist schwierig.«

»Das geht mit Wasser wieder weg.«

Ich dachte an mein Nussbaumparkett, nicht gewachst, sondern geölt. Dann meinte ich: »Könntet ihr wenigstens in meinem Wohnzimmer eine Schüssel drunterhalten? Ich habe da einen handgetufften Leinenteppich.«

»Wirst du jetzt ganz spießig?«

»Nein, aber ich denke, die Handtuffer in Indien wären schon traurig, wenn jemand einfach so auf ihre harte Arbeit sabbert.«

Ich schmiedete einen Plan. Bei meinem nächsten Besuch wollte ich den Sabber-Eltern einfach auch auf den Boden schlotzen. Als ich dann bei ihnen war, ich hatte vorher extra noch vier Liter Apfelschorle getrunken, musste ich erkennen, dass mein Plan sinnlos war. Ich fand in der ganzen Wohnung nicht eine Stelle, die noch nicht vollgeschlotzt war.

Es gibt noch etwas, was Kinderlose befremdlich finden und Eltern nicht bemerken. Eltern von Babys und Kleinkindern riechen im Lokal oder Wohnzimmer von Freunden plötzlich am Hintern der Kleinen, aber immer ganz »unauffällig«. Der Shit-Check. Wie riecht man unauffällig an einem Hintern? Die Eltern meinen, keiner sieht es, und signalisieren: »Ich schau nur mal schnell, was auf dem Knopf auf der Gesäßtasche der Hose steht.«

Und dann sagen Eltern zu sich selbst Sätze wie: »Schatz, glaubst du, dass sie … riechst du was?« Die Fliegen fallen schon von den Wänden. Kakerlaken mit Rucksäcken verlassen fluchtartig den Raum. Alle riechen was. Nur Eltern nicht. In Caprona herrschen eben andere Geruchsgesetze.

Im Land des Lächelns

Frischgebackene Eltern kamen mir früher immer vor wie frischgebackene Nichtraucher. Die sind ähnlich hibbelig, überdreht freudig, mitteilungsbedürftig, immer gepaart mit angrenzender Realitätsstörung. Frische Eltern wollen immer ihre neue Daseinsform als das Nonplusultra verkaufen. Wie auf Knopfdruck ertönen aus ihren Mündern Sätze wie: »Alles ist so anders, ich bin so glücklich!«

Aber du hast dabei immer das Gefühl, dass da irgendetwas nicht stimmt. Stell mal jungen Eltern die Gretchenfrage: »Habt ihr gestern Nacht geschlafen?«

»Nein, aber es ist sooo schööön.«

»Du siehst aber nicht danach aus.«

Junge Eltern kontern so was Destruktives mit dem Universalargument der menschlichen Fortpflanzung. Sie stellen sich vor dich hin, die Augenringe reichen bis unterhalb der Brustnippel, die Stimme ist brüchig, ein Lufthauch Wahnsinn umweht die Szenerie, und dann setzen sie zum Glaubensbekenntnis aller Eltern an: »Es schreit zwar viel, aber wenn es dich dann einmal anlächelt, dann kriegst du alles wieder zurück!«

Was kriegst du dann zurück? Alles Böse, was du je in deinem Leben getan hast? Das mit dem Lächeln ist wirklich zentral für Eltern. Sie erinnern sich ein ganzes Leben lang an das erste Lächeln ihres Kindes. Und anscheinend warten alle Eltern darauf. In den ersten Wochen haben Babys ja noch keine richtige Mimik oder Gesichtsmotorik. Das ist mehr so oktoberfestmäßig, zwei, drei Maß, und ab das Gesicht. In Bayern wird das »froaseln« genannt. Das kommt von »Fratzen ziehen«. Anfangs machen Babys nur Zufallsgrimassen, auch wenn es so aussieht, als ob es bewusst wäre, aber ab der achten Woche lernen sie die Anordnung ihrer Gesichtsmuskeln mit der ekstatischen Reaktion darauf zu verbinden. Vor einigen Jahren bekamen Freunde von mir ein Baby. Ich Outsider war bei ihnen zu Besuch zum Babygucken, und der Kleine war mittlerweile etwa sieben Wochen alt. Beide warteten schon seit einiger Zeit auf das »erste richtige Lächeln«. Es wirkte wie das Warten auf eine Offenbarung: »Wir werden die Schmerzen der Schlaflosigkeit ertragen, bis der Lächler Gottes uns erlösen wird. Aber: Nur das erste jungfräuliche Lächeln hat die Kraft zur Reinigung.«

Es kam mir ein bisschen spooky vor. Nach ein paar Minuten gaben sie mir den Kleinen in die Hände und sagten: »Da, kannst auch schon mal üben, ha ha.«

»Danke.«

Da habe ich mir gedacht, jetzt mach ich mal einen Return-Spaß! Als die beiden Eltern kurz draußen waren und ich mit dem Kleinen im Wohnzimmer saß, rief ich in die Küche: »Wow, der Kleine hat mich angelächelt!«

Die Mutter sprang rein und schrie: »Gib mir sofort mein Kind her! Kleines, lach noch mal für die Mama!«

Hat es leider dann für einige Wochen nicht.

»Du Schwein, du hast uns sein erstes Lächeln genommen!«

Aber es hat sie dann doch interessiert: »Wie hast du das gemacht?«

Ich konnte mich dann gerade noch mit meinem Beruf rausreden: »Ich bin Komiker, Leute zum Lachen bringen ist mein Job!«

Die beiden glauben leider bis heute nicht, dass das nur ein Spaß war.

Urlaub ohne

Ich werde mittlerweile oft gefragt: »Du hast doch auf der Bühne immer Nummern gegen Kinder gemacht, wieso habt ihr denn jetzt selber eins bekommen?«

Da haben wohl einige etwas nicht ganz verstanden. Ich habe nie Nummern gegen Kinder gemacht. Ich liebe Kinder, und das auch schon immer. Gegen Kinder Nummern zu machen wäre gegen meine Natur, da ich mich eigentlich noch immer nicht zu den komplett Erwachsenen zähle. Wenn Leute zu mir sagen, »Mittermeier, du wirst ja nie erwachsen« – danke für das Kompliment. Ich hoffe, dass ich mir auch als Vater das Kind in mir nicht austreiben lasse. Ich hatte in meinen letzten Bühnenprogrammen über Kinder und Eltern gesprochen, aber meist in Geschichten, die mein Leben als Kinderloser in der heutigen Zeit beschrieben. Ich kam mir oft als Ausgestoßener vor. Jeder Kinderlose kennt das, man sitzt mit einigen Eltern am Tisch, und dann wird nur erzählt, dass Kinder das Tollste im Leben seien, eine Bereicherung, ein Zugewinn, ein Segen badababadababadaba … Es kommt einem eher so vor, als ob man in ein Treffen der Zeugen Jehovas geraten ist, die schon froh sind, dass sie jetzt Klinken putzen dürfen und nicht mehr am Hauptbahnhof neben dem Bahnhofsklo Leute anquatschen müssen. Ein Satz kommt dann auch immer: »Ihr solltet auch Kinder haben.«

Junge Eltern haben meist ein sehr ausgeprägtes Missionierungsbedürfnis. Dagegen ist die katholische Kirche eine Vereinigung der Anonymen Selbstzweifler. Ich mag ja grundsätzlich keine Bekehrungsversuche. Ich war zum Beispiel nie ein Fan der Kreuzzüge. Ich finde auch, dass die Heilige Inquisition der katholischen Kirche argumentativ ein bisschen schwach auf der Brust war. Aber wollen Eltern wirklich andere überzeugen, Kinder zu machen, weil sie selbst so überzeugt davon sind, oder ist es mehr der Drang, möglichst viele Gleichgesinnte für das eigene Schicksal zu finden? Für kinderlose Paare ist es nervig, dass jeder erwartet, dass nach einiger Zeit Beziehung auch Nachwuchs kommt. Oft kam dann noch dieser depperte Satz: »Geht’s net?«

Was soll man auf so was antworten? Radikale Fragen fordern radikale Antworten heraus. Wenn die Freunde mal wieder drängen, »hey, wie schaut es denn bei euch aus mit Kindern?«, gibt es einen effektiven Trick, die Diskussion schnell zu beenden. Einfach sagen: »Wir können keine Kinder kriegen.«

Ich garantiere, die Stimmung ist im Arsch! Und dann gebt ihr ihnen den Rest: »Wir können keine Kinder kriegen, weil … wir unsere Karibikreise für nächstes Jahr schon gebucht haben. Vamos a la Playa, la la la la! Vier Wochen rumreisen ohne Zwänge, da bleiben, wo es einem gefällt, die Welt da draußen ist so schön. Wo fahrt ihr Eltern denn hin?«

»Cluburlaub im Familienhotel in Österreich.«

»Auch schön.«

»Die sind total auf Kinder eingerichtet.«

»Wow!«

»Und wir machen auch Ausflüge!«

»Klar.«

»Da kann man in einem Naturpark wandern, und die haben auch einen Streichelzoo.«

»Ich lasse mir das mal durch den Kopf gehen, wenn ich am Bacardi-Strand liege, nach oben gucke und warte, bis die Kokosnuss runterfällt.«

»Grrrrr.«

Touché. Urlaub ist für viele Eltern ein Reizthema. Da kann die Liebe zu den Kindern noch so groß sein. Das Wort Familienurlaub klingt wie eine Drohung. Da kommt etwas ganz großes Schlimmes. Familienurlaub – der Friedhof der Reiseträume. Aber viele Eltern haben einen automatisierten Verteidigungsmechanismus, es ist Zeit für das Anti-Fernreise-Eltern-Mantra: »Wir holen das alles nach, wenn die Kleinen aus dem Gröbsten raus sind.«

Das unechte Lächeln hängt in der Luft wie eine vergessene Weihnachtskugel an einem verdursteten Christbaum. Und wenn man genau hinhört, kann man tief in ihrem Inneren ein leises Schluchzen wahrnehmen. Eingesperrt in die vergessenen Verliese der Hormonburg fristet es ein einsames Dasein. Tief im Kerker der verdrängten Gefühle zerrt etwas an den Ketten. Hat schon mal jemand Eltern getroffen, die später wirklich die Reisen gemacht haben, die sie mit Kindern nicht mehr unternehmen konnten?

Ich spüre natürlich die unterschwelligen Schwingungen meiner natürlichen Feinde: »Jetzt mit Kind kann er auch nicht mehr so, wie er will, he he he.« Jopp! Gutes Argument. Touché zurück. Ich habe mir auch schon mal einen Grabstein auf dem oben genannten Friedhof ausgesucht. Ja, Globetrotter-Michl, es ist vorbei, rien ne va plus, finito. Meine Frau und ich sind ja in den vergangenen 15 Jahren viel in der Weltgeschichte rumgereist und haben am liebsten in ganz kleinen kuscheligen Lodges übernachtet, nicht in irgendwelchen Hotelbunkern. Klein, fein, ruhig. Oft war ein Auswahlkriterium: »No children under twelve allowed!« Das ist ein Gütesiegel wie »Made in Germany«, da weiß man, was man hat. Ruhe am Pool und kein Besuch von Kevin und seinen Spielgesellen. Das waren noch Zeiten. Damals vor dem Krieg. Ich traue mich jetzt auch nicht bei unseren früheren Urlaubs-Locations anzurufen und zu fragen: »Wir haben bei Ihnen schon mal gewohnt, gilt da dann diese Regel auch?«

»Jopp!«

»Unsere Tochter ist ganz brav!«

»Ist sie unter zwölf?«

»… na ja, etwas.«

»Hmmm.«

»Okay, dann halt nicht.«

Abenteuer Spielplatz

Es gibt aber auch Orte, zu denen man besser nur mit Kindern fährt: Gehe nie als Kinderloser auf einen Kinderspielplatz! Tu es nicht! Da hast du nichts zu suchen! Das ist, als ob ein verletztes Gnu auf ein Löwenpicknickgelände spazieren würde. Die wittern es sofort und greifen an – ich meine natürlich die Mütter. Die spüren, dass du kein Kind hast. Die schauen dich nur einmal an, saugen kurz die Luft ein und sagen dann: »Dieser Loser hat noch nicht gezeugt.«

Als ich vor einiger Zeit, noch kinderlos, mit meinem vierjährigen Patenkind in Berlin auf einen Spielplatz gegangen bin, wurde ich kurz gescannt, und dann war die Diagnose klar: »Ein Mann, der noch nicht gezeugt hat, allein mit Kind, der ist schwul und hat die adoptiert.« Du sitzt dann da unter Müttern und fühlst dich wie – um mit Karl May zu sprechen – »Unter Geiern«.

Es war für mich ein schräges Erlebnis, als ich mich da zum ersten Mal seit wohl 30 Jahren auf einem Kinderspielplatz befand. Das ist eine völlig neue Welt. Ich betrat Caprona und staunte. Spielplätze sind ja nicht mehr wie früher. Als ich ein Kind war, da war ein Kinderspielplatz ein größerer Sandhaufen. Die Eltern haben einen reingesetzt und gesagt: »Mach einen Sandkuchen, iss ihn auf, sei still, und passt scho!«

Spielplätze heute, das sind Indiana-Jones-Abenteuergelände, mit drei Meter hohen Palisadenwänden, wackelnden Hängebrücken, Kletterschnickschnack und Spiralenrutschen. Ich stand da mit meinem Patenkind und dachte, die lass ich hier niemals hoch. Ich habe das Gefühl, dass Abenteuerspielplätze von Kinderhassern entworfen werden. Die sitzen daheim am Zeichentisch und lächeln leise vor sich hin: »Keines wird überleben!«

Berliner Kinder sind allerdings irgendwie anders. Die sind taffer als andere Kinder. Da laufen Fünfjährige rum, bei denen denkt man sich, die haben sicher schon mal ein Haus besetzt. Die sind offensiver. Einer sprach mich an: »Hey, du Großer, ick bin der Paul, wa!«

»Hallo, Paul Wa. Da hast du ja einen schönen Nachnamen.«

Er hat den Joke natürlich nicht verstanden, wa. Und Paule fragte mich: »Soll ick dir was zeigen?«

»Ja, Paul, was kannst du denn Schönes?«

»Kiek mal!«

Er sprang auf ein Stück Holz und wieder runter. Und ich war einfach ehrlich: »Hey, Paul, das kann jeder Analphabet mit fünf!«

Ja, im Nachhinein hat es mir auch leidgetan. Als Kinderloser findet man nicht die richtigen Worte für schöne Lügen. Das ist der Vorteil, wenn man keine Kinder hat: Man darf noch gemeine ironische Gedanken über Kinder haben, ohne dabei denken zu müssen, »mein Gott, es könnte meins sein, lass ihn doch« – also ohne schlechtes Gewissen. Und man ist noch einigermaßen immun gegen flehende Kinderaugen. Eltern hingegen verlieren den Verstand, wenn ihre Kinder sie anblicken, als ob die Welt zusammenbricht, und dann eine perfekte Schweinchen-Babe-Parodie hinlegen: »Willst du meine Mama sein?«

Aber auch Kinderlose haben ein Herz. Auf diesem Spielplatz in Berlin bekam ich eine Zukunftsvision: Ich werde irgendwann einmal mit meinem eigenen Kind auf einen Spielplatz gehen, und dann gibt es für mich die Erlösung. Die Mütter werden mich als rechtmäßigen Vater erkennen, und ich werde feierlich in den fruchtbaren Teil der Gesellschaft aufgenommen. Sie werden Blumen werfen und Lobgesänge auf meine Vermehrung anstimmen. Nachts darauf hatte ich einen Albtraum: Ich ging an einem Dienstagnachmittag mit meinem eigenen Kind auf den hiesigen Spielplatz und drehte siegessicher mit dem Kinderwagen meine Runden. Meine Kreise hinterließen schon einen elliptischen Trampelpfad, doch die Mütter beäugten mich weiterhin skeptisch und steckten tuschelnd ihre Köpfe zusammen. Der Angriff stand kurz bevor. Plötzlich ergriff die Mutterführerin (darf man das so sagen?) das Wort und ließ meine Vision zerplatzen wie eine Seifenblase auf einem Kinderigel-Geburtstag: »Wahrscheinlich ist das einer, der seine Frau schon schwanger verlassen hat und jetzt unter der Woche mit dem Kind auf den Spielplatz geht, weil er am Wochenende mit seiner 19-jährigen Freundin zum Liebeswochenende nach Barcelona fliegt. Das ist keiner von uns!«

Ja, ein Spielplatz ist kein Kinderspielplatz. Mütter sind nicht wie bellende Hunde. Die wollen nicht nur spielen! Ich fragte mich, gibt es eigentlich den Film »Unter Geiern II«?

Unter Bayern

Wenn meine Frau und ich früher nach zwei Wochen Urlaub wieder heimkamen, empfing uns oft die fürsorgliche Erwartungshaltung von Freunden und Familie: »Und???«

»Was, und?«

»Habt’s eins gemacht?«

Ich weiß auch nicht, was die alle immer geglaubt haben. Dass wir in den Urlaub fahren – und dann zwei Wochen jeden Tag 24 Stunden in die Hängematte und Hurraxdax, bis die Hebamme kommt? Beim Nachwuchsthema nervten am meisten die eigene Familie und die nähere Verwandtschaft. In Bayern hat das ja immer noch so eine archaische Komponente. Bei uns steht die gesamte Verwandtschaft bei der Hochzeitsnacht ums Schlafzimmer herum und schlägt auf großen Trommeln den Fruchtbarkeitsrhythmus: »Bongo bongo bongo! Hö hö hö! Heilige Maria, Mutter Gottes, hilf ihnen in dieser schweren Stund’! Bongo bongo bongo! Hö hö hö!«

Was sich da für ein Druck aufbaut! Ich habe von Paaren gehört, die sich wie in Trance ins Schlafzimmer begeben haben und dann im Takt der Trommeln loslegten: »Einen für die Oma, einen für den Opa, einen für die Mama, einen für den Papa …«

Und das ging so lange, bis die ganze Verwandtschaft durch war. Selbst weitläufig entfernt verwandte, fünftgradige Tanten und Cousinen von Tanten wurden in dieses Ritual mit eingebaut. Da kommt schon ein kleines Dorf zusammen. Wenn man in Bayern verheiratet ist, gibt es auch keine wirkliche Entscheidungsfreiheit mehr, ob man Kinder haben will. Man hat Kinder zu kriegen. Alles andere wäre unbayrisch. Oder schwul oder kommunistisch. Es gibt kein Entkommen vor den Zeugungsaufrufen der Familie. Manchmal läuten am Samstag um acht Uhr morgens die Zeugen Kinders, um über Gott und die Fruchtbarkeit zu sprechen.

Es gibt eine Geschichte, die das alles gut zusammenfasst. Sie hat sich wirklich so zugetragen und soll einen kleinen Einblick in die Gemütswelt eines bayrischen schwulen Kommunistenpärchens geben. Gudrun und ich waren 2003 zur Taufe des zweiten Kindes von Gudruns Bruder eingeladen, der mit seiner Frau aber erst fünf Jahre zusammen war. Wir hatten es bis dato schon auf dreizehn Beziehungsjahre gebracht – ohne Kind, wohlgemerkt. Alle Verwandten, die uns anblickten, hatten so was Musterndes im Blick. Ich hatte ähnlich intensives Anstarren nur einmal gesehen, nämlich in dem Film »Invasion der Körperfresser«. Da beäugten die von einem außerirdischen Virus veränderten Menschen alle anderen, die den Anschein machten, dass sie noch nicht »umgedreht« worden waren. Ich wusste, da kommt noch was ganz Großes. Und tatsächlich: Alle unausgesprochenen Kommentare entluden sich in einem ganz bestimmten Moment. Wir standen in der Kirche, der Pfarrer war mitten in der Taufzeremonie, und während des eigentlichen Taufvorgangs drehte sich mein Schwiegervater zu mir um und fragte: »Und, Michl? Host genau hingschaut, wia des geht?!«

Was willst du deinem Schwiegervater in so einem Moment antworten? So was wie: »Nein, wir ficken noch so rum?«

Gut, ich habe es gesagt. Ich gebe gerne zu, das war eine blöde Idee in der Kirche. Der Pfarrer war verstimmt und mischte sich ein: »Mäßigt euren Wortschatz im Hause des Herrn, ihr wollt doch auch mal eure Kinder hier taufen lassen.«

Ich konterte mit: »Sie können bei dem Thema eh nicht mitreden.«

Mein Schwager grätschte verbal von der Seite rein: »Du ja anscheinend auch nicht. Geht’s nicht?«

Ich deutete zum Taufbecken: »So einen wie den will ich auch gar nicht! Nimm deinen Kevin wieder mit!«

Es war eine super Taufe. Mein Glück war, dass mich als Komiker eh keiner groß ernst nimmt. Und hinzu kam, dass viele dachten: Was willst du von einem schwulen Kommunisten auch anderes erwarten?

An alle Kinderlosen da draußen, die von ihrer Familie und Verwandtschaft unnachgiebig zeugungsauffordernd bedrängt werden: Es gibt Möglichkeiten, ein bisschen Spaß in die Diskussion zu bringen. Versucht nicht, Ausreden zu finden, »wir warten noch« etc., das ist alles Kinderkacke. Angriff ist die beste Verteidigung. Später auf der Tauffeier, etwa 19 Babydiskussionen später, haben Gudrun und ich uns für folgende Aktion entschieden: Wir sind zusammen auf die Toilette gegangen, so, dass es alle mitbekommen haben. Dort haben wir uns am Waschbecken Wasser in die Haare und Gesicht gespritzt, ein bisschen hyperventiliert, die Luft angehalten, bis der Kopf rot wurde, die Hose aufgemacht, das Hemd raushängen lassen – dann sind wir mit Siegerpose in den Saal zurückgekehrt: »Hey, wir glauben, das war’s, jetzt ist es so weit, hat jemand einen Schwangerschaftstest dabei?«

Es kuriert nicht, bringt aber eine Linderung der Leiden.

Arschlochkinder

Es heißt oft, Kinder seien unsere Zukunft. Ich bin manchmal skeptisch, wenn ich im Fernsehen so was wie die »Supernanny« sehe. Diese Kinder zahlen mal meine Rente? Ich glaube eher, ich zahle deren Knastaufenthalt, wenn die mal älter sind! Supernanny, das ist die GSG9 der RTL-Kindereingreiftruppe. So wie im normalen Leben, wenn es brennt, dann kommt die GSG9. Warum heißen die eigentlich GSG9? Grenzschutzgruppe 9? Haben die nur neun Mann? Oder ist das die neunte Auswahl? Was soll das denn? Wenn ich eine First-Class-Truppe brauche, nehme ich doch die GSG1! Was wäre denn das überhaupt für ein Befehl? »Ja, die ersten acht haben versagt, schickt die Neuner-Losergruppe rein!«

An dieser Stelle noch eine Frage: Wo wohnen eigentlich all die Kinder, die die Supernanny geheilt hat? Ich warte noch auf die Nachfolgeserie »Supernanny – The Next Generation«. Glaubt eigentlich jemand an so schöne Supernanny-Erziehungsstrategien wie: »Du warst böse, jetzt gehst du auf die stille Treppe.« Was ist denn eine stille Treppe? Gibt es sonst wirklich Leute, die im Treppenaufsatz ihr Bose-Soundsystem eingebaut haben? Mit Trittaktivierung? Ich habe mal von einer Seufzerbrücke in Venedig gehört. Stehen da die ganzen verzweifelten Eltern, deren Kinder die stille Treppe nicht gefunden haben?

»Du warst böse, jetzt gehst du auf die stille Treppe.«

Das ist auch eine super Ansage! Da hat er aber Angst, der kleine Dustin, der mit seinem Butterflymesser schon zwei Tankstellen überfallen hat. Ich glaube, wenn so ein kleiner Kinderzimmer-Osama aufmuckt, braucht der eine klare Ansage. Wenn die Mutter von Dieter Bohlen früh genug zu ihm gesagt hätte: »Halt deinen Mund, wenn nur Scheiße dabei rauskommt!«, hätten wir heute ein Problem weniger.

 

Nicht alle Kinder sind unsere Zukunft. Ich zweifle daran, dass Arschlochkinder unserer Menschheit einen Schubs in die richtige Richtung geben. Ich kann die Empörung spüren – Arschlochkinder, so was sagt man nicht. Doch! Nein! Doch! Nein! Wohl, du bist blöd!!!

In meinem Bühnenprogramm »Back to Life« habe ich im Jahr 2000 erstmals die Arschlochkindtheorie vorgestellt. Ich bin bis zum heutigen Tag auf keine andere Nummer so oft angesprochen worden. Anscheinend habe ich einen Nerv bei vielen Menschen getroffen, der schon lange wehtat. Aber nie bin ich für diese »Arschlochkindnummer« beschimpft worden! Besonders häufig wurde ich tatsächlich von Eltern angesprochen mit Sätzen wie: »Michl, mit den Arschlochkindern, da hast du ganz recht. Gut, dass das mal jemand anspricht. Wir haben Bekannte, und deren Kinder sind solche Arschlochkinder.«