Aktiv leben - trotz Rheuma - Iris Ottinger - E-Book

Aktiv leben - trotz Rheuma E-Book

Iris Ottinger

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  • Herausgeber: Humboldt
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Endlich Schmerzen lindern und Gelenkschäden stoppen!Neue Diagnosemöglichkeiten und zielgerichtete Medikamente haben die Rheumatherapie revolutioniert. Viele Menschen mit Rheuma können heute ein beschwerdefreies oder wenigstens ein beschwerdearmes Leben führen. In diesem Ratgeber erklären ausgewiesene Rheumaexperten, wie eine individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmte Therapie gelingt und was jeder Patient dazu beitragen kann, um seine Lebensqualität erheblich zu steigern. Dazu gehören Physio- und Ergotherapie, das richtige Gewicht, Bewegung und Möglichkeiten der Stressbewältigung sowie eineergänzende alternative Behandlung.

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Seitenzahl: 180

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Die moderne Rheumatherapie im Überblick

• Moderne Konzepte der Rheumabehandlung zeichnen sich dadurch aus, dass verschiedene Methoden miteinander kombiniert werden, man nennt das auch „Multimodale Therapie“.

• Erfolgreichste Strategie ist die zielgerichtete Behandlung, „Treat-to-Target“-Konzept genannt. Der Erfolg der Behandlung hängt wesentlich davon ab, für die unterschiedlichen Krankheitsbilder und Krankheitssituationen die jeweils richtige Behandlungskombination zielgerichtet zusammenzustellen. Grundlage ist die Vereinbarung zum Therapieziel zwischen Arzt und Patient von Besuch zu Besuch.

• Schonung war gestern. Eine wichtige Aufgabe bei der Behandlung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ist heute eine frühzeitige Rehabilitation, d. h. die Wiedereingliederung in ein möglichst normales Leben mit oder trotz der rheumatischen Erkrankung.

      4VORWORT VON RENATE SCHMIDT

      7RHEUMA – DAS MUSS ICH WISSEN

      8Was ist Rheuma?

    15Wieso habe ich Rheuma?

    17Entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen

    24Arthrosen

    27Sonstige rheumatische Erkrankungen

    32Habe ich wirklich Rheuma?

    41DIE MODERNE RHEUMATHERAPIE

    42Rheuma ohne Symptome ist möglich

    42Das „Treat-to-Target“-Konzept

    44Medikamentöse Therapie

    45NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika)

    49Cortisonpräparate

    52Basistherapeutika (DMARDs)

    61Biologika

    66Analgetika (Schmerzmittel)

    69Lokaltherapie mit Steroiden – eine medikamentöse Begleittherapie

    71Nichtmedikamentöse Therapie

    71Operieren oder nicht?

    71Krankengymnastik

    72Massagen

    73Ergotherapie

    74Thermotherapie

    75Elektrotherapie

    75Osteopathie

    76Akupunktur

    77Psychotherapie

    78Wenn ich keine Therapie will, ist das in Ordnung?

    81Impfungen

    85DEN ALLTAG MEISTERN

    86Entspannt mit Rheuma durch den Alltag

    87Rheuma und Ernährung

    95Guten Abend, gute Nacht

    97Der Rheuma-Monat

  102Der kleine Unterschied

  105Reisen mit Rheuma

  108Bewegung

  110Patient und Rheumatologe – ein starkes Team

  112Compliance, Adhärenz und Shared Decision-Making

  114Wie bereite ich mich auf den Arztbesuch vor?

  117Der informierte Patient

  117Rheuma-Liga & Co. – das bieten sie

  118Rheuma im weltweiten Netz

  119Keine Angst vor Behörden, Krankenkassen und Versicherungen!

  134Rheuma und Partnerschaft

  135Was ist bloß los mit dir/mir?

  136Die drei großen Partnerschaftsfallen

  144Schwanger? Schwanger!

  151WICHTIGE ADRESSEN

VORWORT

von Renate Schmidt

Liebe Leserin, lieber Leser,

1987 bin ich mit 44 Jahren an einer entzündlichen Polyarthritis erkrankt, die – damals nicht selbstverständlich – ein Jahr lang richtig behandelt wurde und seither nicht mehr aufgetreten ist. Seither weiß ich, was rheumatische Schmerzen bedeuten. Meine Mutter ist mit 77 Jahren an den Folgewirkungen einer 14 Jahre währenden Rheumaerkrankung viel zu früh gestorben.

Nicht zuletzt aus diesen Erfahrungen heraus engagiere ich mich für mehr Lehrstühle in der internistischen Rheumatologie, für eine bessere Ausbildung auch der Hausärzte in puncto Rheuma sowie im Kuratorium der Rheumastiftung dafür, Forschung voranzutreiben und die Lebenssituation von an Rheuma erkrankten Menschen zu verbessern. Denn immer noch gibt es mangels internistischer Rheumatologen viel zu lange Wartezeiten für Rheumapatientinnen und -patienten und immer noch wird die Volkskrankheit „Rheuma“ als angebliche Alte-Leute-Krankheit auf die leichte Schulter genommen. Dabei können Kinder, junge und alte Menschen an Rheuma erkranken und sie alle wollen ein aktives Leben führen.

Rheuma ist heute noch nicht heilbar. Doch ist die Rheumatologie eines der dynamischsten und innovativsten Fächer der gesamten Medizin geworden. Die enormen Fortschritte dieses Fachgebietes suchen ihresgleichen. Durch die Entwicklungen in den letzten knapp 20 Jahren sind Ärzte heute in der Lage, die rheumatischen Erkrankungen so gut wie noch nie und so früh wie noch nie zu diagnostizieren und zu behandeln. So können die meisten Menschen mit Rheuma ein beschwerdefreies oder wenigstens ein beschwerdearmes Leben führen. Trotz der Diagnose einer chronischen Erkrankung darf man heutzutage mit viel Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft schauen. Aktiv am Leben teilzuhaben trotz Rheuma, das war vor 20 Jahren ein Wunschtraum. Heute kann das gelingen, und dieser Ratgeber kann dabei helfen!

Mit der Journalistin Iris Ottinger und den internistischen Rheumatologen Dr. Monika Ronneberger und Dr. Florian Schuch haben drei ausgewiesene Experten ihr Wissen allen Interessierten zugänglich gemacht. Dieses Buch soll Ihnen helfen, mit Ihrer Rheumaerkrankung besser umzugehen, sich selbst zu helfen und trotz der Beschwerden ein weitgehend normales Leben zu führen. Es kann darüber hinaus eine wichtige Informationsquelle für Angehörige und Freunde sein, die verstehen wollen, womit Sie es tagtäglich zu tun haben, und die wissen möchten, wie sie Ihnen am besten helfen können.

Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung. Und Ihnen wünsche ich, dass die vielen wertvollen Informationen zur modernen Rheumatherapie und auch Tipps, die die Autorinnen und der Autor in der täglichen Praxis von ihren Patienten bekommen haben, Ihnen dabei helfen, das Leben mit Ihrer Erkrankung gut zu bewältigen und aktiv zu gestalten.

Ihre

Renate Schmidt

Bundesfamilienministerin a. D.

RHEUMA – DAS MUSS ICH WISSEN

Was passiert eigentlich in meinem Körper, wenn ich Rheuma habe? In diesem Kapitel informieren wir Sie darüber, was Rheuma für die Gelenke und Wirbelsäule bedeutet und welche Risikofaktoren es für die Krankheit gibt. Sie lernen außerdem die wichtigsten rheumatischen Erkrankungen und ihre Symptome kennen, wobei unser Schwerpunkt auf der rheumatoiden Arthritis liegt, und erfahren, mit welchen Methoden man Rheuma medizinisch feststellen kann.

Was ist Rheuma?

Rheumatische Beschwerden sind in der Bevölkerung sehr häufig. Dahinter verbergen sich beispielsweise Schmerzen an Knochen, Muskeln und Gelenken oder auch Rückenschmerzen. Rheuma ist der Überbegriff für Verschleißerkrankungen am Bewegungsapparat, Weichteilrheuma und entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen.

Dieser Patientenratgeber wendet sich in erster Linie an Menschen mit rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis, entzündlichen Erkrankungen der Wirbelsäule, sogenannte Spondarthropathien, und anderen Formen von entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen, wie etwa Kollagenosen. Hier sind besonders Sjögren- und SLE-Patienten zu nennen. Der Begriff „Rheuma“ wird in diesem Ratgeber daher für entzündlich-rheumatische Erkrankungen, wie den oben aufgeführten, verwendet.

Gleich zu Beginn die gute Nachricht: Durch die Entwicklungen in den letzten knapp 20 Jahren sind wir heute in der Lage, die erwähnten Erkrankungen so gut wie noch nie und so früh wie noch nie zu diagnostizieren und zu behandeln. So können die meisten Menschen mit Rheuma ein beschwerdefreies oder wenigstens ein beschwerdearmes Leben führen. Trotz der Diagnose einer chronischen Erkrankung darf man heutzutage mit viel Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft schauen.

Solange man keine Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates hat, denkt man gar nicht darüber nach, wie wunderbar das Zusammenspiel von Knochen, Knorpeln, Gelenken, Sehnen und Muskeln, Nerven und vielen Strukturen funktioniert, die uns durch den Alltag bewegen. Treten allerdings Schmerzen auf, so ist dies für viele Betroffene zunächst eine böse Überraschung. Am Anfang hofft man, dass die Beschwerden von allein aufhören, was ja auch meistens der Fall ist. Generell gilt aber, dass Schmerzzustände und andere Probleme des Bewegungsapparates durch den Arzt abgeklärt werden sollten, wenn sie

• mehr als sechs Wochen andauern,

• zusammen mit Allgemeinsymptomen auftreten. Dazu gehören Fieber, also eine Temperatur über 38,5 °C, Nachtschweiß und auch auf Anhieb nicht erklärbarer Gewichtsverlust.

Das Bewegungssystem

Wer Funktionsstörungen des Bewegungssystems verstehen will, sollte sich zunächst damit vertraut machen, wie es im gesunden Zustand arbeitet und aufgebaut ist. Viele Bestandteile sind daran beteiligt, dass der Mensch sich aufrecht halten und bewegen kann. Für die Beweglichkeit sind in erster Linie die Gelenke zuständig. Da diese bei rheumatischen Erkrankungen häufig befallen sind, ist eines der typischen Symptome eine Steifheit, die zu einer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit führt.

Der typische Gelenkaufbau

Das menschliche Stützgerüst besteht aus etwas mehr als 200 Knochen. Sie werden von Gelenken zusammengehalten. Gelenke gehören zum passiven Teil des Skeletts, sie werden also bewegt. Aktive Bestandteile des Bewegungssystems sind die Muskeln. Hinzu kommt ein ausgeklügeltes Nervensystem, das überhaupt erst Koordination und Feinmotorik möglich macht.

Das menschliche Stützgerüst besteht aus etwas mehr als 200 Knochen, die von Gelenken zusammengehalten werden.

Den Aufbau eines Gelenks kann man sich etwa so vorstellen: Ein Gelenkkopf und eine Gelenkpfanne liegen einander gegenüber. Sie passen ineinander wie zwei Puzzleteile, schließen aber nicht fest ab. Stattdessen liegt ein Gelenkspalt zwischen den beiden zu verbindenden Knochen. Der Gelenkkopf ist die nach außen, die Gelenkpfanne die nach innen gewölbte Gelenkfläche. Beide sind mit Knorpel überzogen, der u. a. aus Wasser und Kollagen besteht und die Aufgabe eines Stoßdämpfers übernimmt. Umgeben ist das Gelenk von der sogenannten Kapsel. Sie besteht aus der Verlängerung des Bindegewebes, das auch alle Knochen umschließt und folgerichtig Knochenhaut genannt wird.

In der Gelenkkapsel besteht die Knochenhaut aus zwei Schichten. Die obere ist eine feste Schicht aus Kollagenfasern. Darunter befindet sich eine lockere Schicht, in der sich Blutgefäße, Nerven und Immunzellen befinden. Diese Schicht wird Synovia genannt. Hier wird die Gelenkflüssigkeit, ebenfalls Synovia genannt, produziert, die zwei wichtige Aufgaben zu erfüllen hat: Einerseits dient sie als Schmierstoff, der die Abreibung der Gelenkflächen verhindern oder zumindest minimieren soll, andererseits wird damit der Knorpel ernährt.

Wie kommt die Gelenkflüssigkeit in den Knorpel?

Knorpel besitzen keine Blutgefäße. Sie müssen sich also auf eine andere Weise ernähren. Das funktioniert mithilfe der Gelenkflüssigkeit Synovia. Das schlichte Vorhandensein dieser dickflüssigen Substanz reicht aber noch nicht aus, um den Knorpel zu versorgen. Sie muss durch ein gesundes Maß an Bewegung in den Knorpel eingebracht werden.

Bei Entzündungen, z. B. bei Rheumaschüben, wird die Flüssigkeit von der entzündeten Gelenkinnenhaut häufig in übermäßiger Menge produziert. Man nennt diese Entzündung Synovialitis. Besteht sie über einen längeren Zeitraum, breitet sich die Gelenkinnenhaut aus, kann Sehnen oder Bänder beschädigen und sogar in Knochengewebe eindringen. Es entsteht ein verdicktes, chronisch entzündliches „wucherndes“ Gewebe, das sogenannte Pannusgewebe. Würde man nicht einschreiten, stünde am Ende die Zerstörung von Knochen und Knorpel. Mit den modernen Therapien lässt sich dieses fortgeschrittene Stadium von Rheuma inzwischen jedoch glücklicherweise zuverlässig verhindern.

Mit den modernen Therapien lässt sich die Synovialitis zuverlässig verhindern.

Vereinfachte Darstellung des Gelenkaufbaus

Bänder, Sehnen, Scheiben und Schleimbeutel

Je nach Gelenktyp kann es neben dem beschriebenen Aufbau eines Gelenks weitere Bestandteile geben. Dazu gehören beispielsweise Gelenkbänder, die aus Bindegewebe bestehen und dem Gelenk Festigkeit und Bewegungsführung geben. Sie können festlegen, in welche Richtung oder wie weit das Gelenk bewegt werden kann. Sehnen sind Verbindungsstücke zwischen den Knochen und den Muskeln. Sie geben die Muskelkraft quasi an das Knochengerüst weiter. Sehnen bestehen aus festen Kollagensträngen und Elastin, das, wie der Name ahnen lässt, für die Elastizität sorgt. Ebenso wie in den Knorpeln finden sich in Sehnen keine Blutgefäße, entsprechend können sie nicht durch Blut, sondern nur durch Gewebsflüssigkeit ernährt werden.

Auch Gelenkscheiben sind in einigen Gelenken zu finden. Der Meniskus, eine halbmondförmige Scheibe im Knie, ist eines der bekanntesten Exemplare. Er besteht aus Faserknorpel, also der härtesten Knorpelart. Gelenkscheiben dienen in der Gelenkhöhle zur Pufferung von Druck und zur Stabilisierung. Schließlich sollen noch Schleimbeutel erwähnt werden, die wie Kissen zur Polsterung dienen. Sie befinden sich zwischen Knochen und Sehnen oder Muskeln und schützen beide Seiten vor Reibung und Druck.

Gelenkscheiben wie der Meniskus dienen zur Pufferung von Druck und zur Stabilisierung.

Rheuma betrifft nicht nur die Gelenkstrukturen, sondern auch Sehnen, Sehnenansätze und manchmal den gesamten Bewegungsapparat. Des Weiteren können aber auch Organe, wie z. B. das Auge, die Lunge oder die Niere, betroffen sein. Dies ist jedoch selten und kann durch frühe Diagnosen und Therapie verhindert werden.

Der Aufbau der Wirbelsäule

Unter den rheumatischen Erkrankungen betreffen viele die Wirbelsäule. An dieser Stelle folgt daher eine kurze Übersicht, die ihren Aufbau verdeutlicht. Die Wirbelsäule besteht aus 24 Wirbeln. Zählt man das Kreuz- und das Steißbein dazu, die jeweils aus fünf miteinander verwachsenen Wirbeln bestehen, kommt man auf insgesamt 34 Wirbel. Sie werden von oben nach unten nummeriert und teilen sich – ebenfalls von oben nach unten – in Hals-, Brust- und Lendenwirbel sowie Kreuz- und Steißbein.

Der Aufbau der menschlichen Wirbelsäule

Von der Halswirbelsäule bis hinunter in den Lendenwirbelbereich nehmen die einzelnen Wirbel an Masse deutlich zu. Jeder Wirbelknochen hat ein Loch, die Gesamtheit der Löcher wird als Wirbelkanal bezeichnet. In diesem befindet sich das Rückenmark, das Nervenfasern und Nervenzellen beherbergt. Aus dem Wirbelkanal laufen Rückenmarksnerven in die Extremitäten. Die einzelnen Wirbel sind miteinander durch Gelenke verbunden. An Dorn- und Querfortsätzen, geweihartigen Knochengebilden, setzen Muskeln und Bänder an.

Wenn das Bewegungssystem aus dem Lot ist

Der Begriff Rheumatismus kommt aus dem Altgriechischen und lässt sich mit „Fließen“ oder „Strömen“ übersetzen. Dahinter steckt die in der Antike verbreitete Vorstellung, dass Krankheiten durch ein Ungleichgewicht von Schleimen entstehen, die durch den Körper fließen. Der Begriff bleibt passend, denn er charakterisiert den fließenden oder ziehenden Schmerz, der stark ausstrahlt und typisch für viele rheumatische Erkrankungen ist. Dennoch ist die Bezeichnung Rheumatismus inzwischen veraltet, weil sie einfach zu ungenau erscheint. Man spricht heutzutage von rheumatischen Erkrankungen. So wird man der Vielschichtigkeit der über 400 Krankheitsbilder gerecht, die hier zusammengefasst sind.

Um der Vielschichtigkeit der über 400 Krankheitsbilder gerecht zu werden, spricht man heute von rheumatischen Erkrankungen.

Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage dieses Kapitels: Was ist Rheuma? Entzündliche Systemerkrankungen, die wir in diesem Buch vorrangig betrachten, entstehen aufgrund einer Fehlleitung des Immunsystems. Unsere körpereigene Abwehr ist ein Wunderwerk, ein Zusammenspiel von „Bollwerken“ wie den Schleimhäuten und speziellen Abwehrzellen, die im Knochenmark gebildet werden. Alle Mitspieler sorgen gemeinsam dafür, dass wir den täglichen Angriffen durch Bakterien, Viren, Umwelteinflüsse oder körpereigenen „Zellmüll“ in der Regel gut und unbeschadet überstehen.

Betrachten wir als Beispiel Infektionen: Immunzellen können nach erfolgreichem Kampf gegen die Erreger überschießen und zu lange oder auf falsche Art und Weise aktiv bleiben. Leider kann es passieren, dass diese überaktiven Immunzellen irrtümlich körpereigenes Gewebe als fremd einstufen. Diesen Vorgang, bei dem körpereigene Zellen körpereigene Strukturen angreifen, nennt man Autoimmunität. In einem solchen Fall werden vermehrt Entzündungsstoffe produziert, und an der Gelenkinnenhaut wird die Erkrankung ausgelöst. Die Folge: Das Gelenk entzündet sich und schwillt schmerzhaft an.

Wieso habe ich Rheuma?

Hin und wieder hört man Dinge wie: „Ich bin als Jugendliche oft in sehr kaltem Wasser geschwommen. Deshalb habe ich Rheuma. Außerdem hatte meine Großmutter auch Rheuma.“ So einfach ist es jedoch nicht. Sehr viele Faktoren können auf ganz unterschiedliche Weise zur Entwicklung einer gestörten Immunsystemregulation führen, die für Entzündungen und den Angriff auf körpereigene Strukturen verantwortlich ist. Hierbei kann sowohl ein „Zuviel“ als auch ein „Zuwenig“ des Immunsystems zur Fehlsteuerung der Immunzellen führen.

Frühe Diagnose und Therapie können eventuell einen chronischen, aggressiven Verlauf verhindern.

Infekte, Veranlagung, das Geschlecht – Frauen sind deutlich häufiger betroffen –, aber auch Zufälle und einfach Schicksal können zur Entwicklung eines Entzündungsprozesses führen, der von einem gegen den eigenen Körper gerichteten Immunsystem ausgelöst ist. Im Lauf der Zeit kann sich die Antwort des Immunsystems verändern, frühe Diagnose und Therapie können aber eventuell einen chronischen, aggressiven Verlauf verhindern.

Die Entzündung im Körper läuft uniform ab, unser Abwehrsystem reagiert nach einem festen Schema. Das heißt, es spielt keine Rolle, ob ein Gelenk oder ein Pickel entzündet ist. Schmerz, Schwellung, Rötung, Überwärmung und gestörte Funktion sind die Kardinalzeichen von Entzündungen, auch von Gelenkentzündungen, Arthritiden genannt. Der individuelle Verlauf ist schwankend und kann im Einzelfall Beginn einer entzündlichen rheumatischen Erkrankung sein.

Risikofaktoren

Alles Zufall oder Schicksal? Das würde bedeuten, dass es nichts gibt, womit man sich vor der Erkrankung schützen kann. Das stimmt jedoch nicht. Zwar gibt es keinen Königsweg, der einen Menschen sicher vor einer rheumatischen Erkrankung schützt, aber es gibt Aspekte, die das Risiko erhöhen. Nikotinkonsum etwa konnte in den letzten Jahren als eigenständiger Risikofaktor für die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis gesichert werden. Aber nicht nur das Auftreten der Erkrankung ist gehäuft, sondern die Patienten sprechen außerdem schlechter auf Therapien an und haben mehr Komplikationen. Zusätzlich gilt: Sowohl Rauchen als auch die rheumatoide Arthritis, kurz RA, erhöhen das Risiko von Schäden am Herz-Kreislauf-System. Für einen Rheumatiker lohnt es sich also in mehrfacher Hinsicht, auf Nikotin zu verzichten.

Auch eine ständige Stimulierung des Immunsystems, etwa durch schlechte Zahnhygiene, verstärkt die Aktivität der RA. Bestimmte Bakterien wie Porphyromonas gingivalis, ein Keim aus den Zahnfleischtaschen, der Parodontose verursacht, reizen „Entzündungszellen“. Gleichzeitig verändern sie körpereigene Eiweiße so, dass sie eine Autoimmunreaktion, also einen Angriff der Immunabwehrzellen gegen körpereigene Strukturen auslösen können.

Genetische Einflüsse spielen ebenfalls eine Rolle. Aus Studien mit eineiigen Zwillingen, also Menschen, die genetisch identisch sind, ist bekannt, dass bei der rheumatoiden Arthritis die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls eine RA zu entwickeln, unter 30 Prozent liegt. Bei Spondylitis ankylosans, früher Morbus Bechterew genannt, und anderen entzündlichen Rückenleiden dagegen liegt für männliche eineiige Zwillinge eine über 90-prozentige Wahrscheinlichkeit zu erkranken vor, wenn der Bruder bereits erkrankt ist. Hier wird die unterschiedliche Bedeutung von Vererbungseinflüssen offensichtlich. Der noch immer verbreitete Gedanke, Rheuma sei generell erblich, stimmt nicht. Lassen Sie sich daher nicht von der Angst quälen, dass Sie die Erkrankung an Ihre Nachkommen weitergeben könnten.

Die Ansicht, Rheuma sei generell erblich, ist falsch.

Entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen

Die entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen umfassen eine ganze Gruppe von Krankheitsbildern, bei denen durch fehlregulierte Prozesse des Immunsystems Entzündungen am Bewegungsapparat und auch an Organen die Folge sein können. Etwa zwei Prozent der Bevölkerung sind hiervon betroffen. Die häufigste Erkrankung ist die rheumatoide Arthritis. Des Weiteren gehören zu dieser Gruppe Gelenkentzündungen, die mit der Schuppenflechte, der Psoriasis, vergesellschaftet sind. Man spricht von Psoriasis-Arthritis. Auch entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule, z. B. die Spondylitis ankylosans, gehören in diesen Komplex. Ebenso sind eher seltene Erkrankungen aus dem Bereich der Kollagenosen sowie systemische Gefäßentzündungserkrankungen zu nennen. Erstere, die Kollagenosen, umfassen ein buntes Bild und können teilweise auch mit Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis in Zusammenhang stehen.

Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen.

Rheumatoide Arthritis

Am häufigsten ist unter den entzündlichen Gelenkerkrankungen die chronische Polyarthritis anzutreffen. Die offizielle internationale Bezeichnung lautet rheumatoide Arthritis (RA). Es muss davon ausgegangen werden, dass auf der ganzen Welt zwischen 0,5 und ein Prozent der Menschen davon betroffen sind. Es handelt sich nicht um eine Erkrankung alter Menschen, wie noch immer angenommen wird, sondern sie befällt alle Altersgruppen, auch schon Kinder und Jugendliche. Häufig tritt die rheumatoide Arthritis bei 40- bis 50-Jährigen auf. Im Erwachsenenalter sind unter den Patienten dreimal mehr Frauen als Männer.

Das Krankheitsbild

Zu Beginn treten oft unklare Symptome auf, die vom Betroffenen entweder nicht ernst genommen oder nicht richtig eingeschätzt werden. Solche Anzeichen sind beispielsweise Müdigkeit, Gewichtsverlust, häufig leicht erhöhte Temperatur oder Appetitlosigkeit. Auch eine Morgensteifigkeit in den Fingern, die sich im Laufe des Vormittags zurückbildet, ist typisch. Das gilt auch für Anlaufbeschwerden und Steifigkeit nach dem Aufstehen in den Füßen. Später, wenn die Krankheit sich deutlicher zu erkennen gibt, bekommt der Patient Schmerzen in einigen Gelenken. Am häufigsten sind es die Gelenke der Finger und Zehen. Auch Schulter, Hüften und Knie sind oft betroffen. Neben den Schmerzen machen sich Schwellungen und nicht selten ein Hitzegefühl in den Gelenken bemerkbar. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt. Schreitet die RA fort, greift sie auf immer mehr Gelenke über. Die Steifigkeit am Morgen kann sich länger hinziehen. Jede Bewegung schmerzt, es fehlt die Kraft. Manchmal zeigen sich auch Rheumaknoten. Gerade am Anfang können die Beschwerden sehr wechselnd sein.

Durch eine frühe Therapie können die Folgen und Auswirkungen der RA verhindert werden.

Mit einem spontanen Stillstand der Erkrankung ohne Behandlung ist nur bei maximal zehn Prozent der Patienten zu rechnen. Da die Folgen ausgesprochen schwerwiegend sein können, sind eine frühe Diagnose und eine frühe Therapie sehr wichtig. Deshalb sollte man bei den genannten Symptomen rasch den Hausarzt und dann den Rheumatologen aufsuchen. Durch eine frühe Therapie können die Folgen und Auswirkungen der Erkrankung verhindert werden.

Wie schnell die Entwicklung voranschreitet, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Deshalb ist nicht vorauszusagen, wann und ob die Erkrankung voll ausgeprägt sein wird. Eine volle Ausprägung bedeutet, dass Verformungen und massive Einschränkungen in der Belastbarkeit der befallenen Gelenke bis hin zu Gelenkzerstörungen auftreten können. Außer den Gelenken entzünden sich möglicherweise auch Schleimbeutel und Sehnenscheiden. Als Folge können Sehnen abreißen. Schließlich kann sich die Entzündung auch auf innere Organe, beispielsweise Herzbeutel, Rippenfell, Lunge oder auf die Augen ausweiten. Dennoch können wir es nicht oft genug sagen: Eine solche Entwicklung ist heutzutage recht sicher zu verhindern!

Weitere Formen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen

Reaktive Arthritis

Wie der Name schon sagt, tritt die Gelenkentzündung als Reaktion auf eine Infektion auf. Die Infektion hat zunächst nichts mit den Gelenken zu tun. Sie befällt meist den Darm oder den Urogenitaltrakt, also beispielsweise die Harnröhre. Auch der Rachen kann betroffen sein. Bekannte Erreger für infektreaktive Arthritiden sind beispielsweise Salmonellen oder auch Chlamydien.

Die reaktive Arthritis tritt als Reaktion auf eine Infektion auf.

Die Symptome der Infektionserkrankung müssen gar nicht stark sein. Manchmal klingen sie vollständig ab, ohne wahrgenommen worden zu sein. Einige Tage oder Wochen später treten dann Entzündungsanzeichen an Gelenken auf. Der Infekt ist meistens bereits ausgeheilt und kann nicht mehr diagnostiziert werden. Für gewöhnlich ist eine antibiotische Therapie nicht notwendig. Neben Schmerzen machen sich Schwellungen und eine Überwärmung bemerkbar. Sie sind meist in der unteren Körperhälfte angesiedelt, etwa am Fuß-, Knie- oder Sprunggelenk.

Bei der reaktiven Arthritis erkrankt manchmal nur ein Gelenk auf einmal. Allerdings können die Beschwerden springen, also von einer zur anderen Stelle wechseln. Warum bei manchen Menschen aus einer Infektion eine Gelenkentzündung entsteht, ist nicht klar. Fest steht inzwischen, dass Menschen, bei denen das sogenannte Merkmal HLA-B27 im Blut nachgewiesen wird, fünfmal stärker gefährdet sind, reaktive Arthritis zu bekommen, als Menschen ohne diesen Faktor. Es handelt sich dabei um ein angeborenes Merkmal, sozusagen das „Gesicht“ der weißen Blutkörperchen (Humanes Leukozyten-Antigen), das Bakterienbestandteilen ähnelt. Die Therapie hat die Linderung der Schmerzen und den Rückgang der Entzündung zum Ziel. Ist HLA-B27 nachweisbar, ist das Risiko eines chronischen Verlaufs größer. Hier wird öfter eine Basistherapie benötigt. Nach spätestens einem halben Jahr sollte alles überstanden sein.

Spondylarthropathien

Neben der rheumatoiden Arthritis ist die zweite große Gruppe der entzündlichen Rheumaerkrankungen die der Spondylarthropathien. Hierunter versteht man eine Erkrankungsgruppe, bei der Wirbelkörpergelenke betroffen sind. Zu den Unterformen gehören neben Spondylitis ankylosans und enteropathischer Arthritis auch die Psoriasis-Arthritis, also die Gelenkentzündung, die mit Schuppenflechte vergesellschaftet ist, sowie Rheuma in Verbindung mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und auch die reaktiven Arthritiden, die Gelenkentzündungen nach Infekten.

Psoriasis-Arthritis: