artgerecht durch den Familienalltag - Nicola Schmidt - E-Book
SONDERANGEBOT

artgerecht durch den Familienalltag E-Book

Nicola Schmidt

0,0
12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Bestsellerautorin gibt anhand der häufigsten Eltern-Fragen ganz konkrete und schnell umsetzbare Tipps

Artgerecht ist ein toller Ansatz, um Kinder großzuziehen – wenn nur der Alltag nicht wäre!

Morgendlicher Stress, ständiger Geschwisterzoff, die Schwiegermutter, die immer wieder spitze Bemerkungen macht ... In vielen Situationen fragen sich bedürfnisorientierte Eltern verunsichert: Wie gehen wir damit um? Was wird dem Kind und unserer Familie gerecht?

Gleichzeitig schaut sie auf die Frage hinter der Frage: Was ist es, das uns eigentlich zu schaffen macht? Wo kollidieren unsere Wünsche mit der Realität? Wo können wir Kompromisse machen – und wo bleiben wir unseren Idealen treu? Sie lädt Eltern dazu ein, falsche Glaubenssätze zu entlarven und ihren eigenen artgerecht-Weg zu finden.

So bleiben wir im Alltag gelassen und an der Seite unserer Kinder!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 262

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Für einen gelassenen Alltag an der Seite unserer Kinder

Morgendlicher Stress, kindliche Wut oder Außenstehende, die spitze Bemerkungen machen – in vielen alltäglichen Situationen fragen sich Eltern: Wie werden wir unserem Kind gerecht? Und wie unseren eigenen Bedürfnissen? Nicola Schmidt gibt konkrete und schnell umsetzbare Antworten auf echte Elternfragen. Ihr empathischer und kluger Blick hilft uns zu verstehen, was uns wirklich zu schaffen macht. Wann immer unsere Ideale mit der Realität kollidieren: Mit diesem Buch finden wir geniale Lösungen für unser turbulentes Leben mit Kindern – und kehren entspannt auf unseren artgerecht-Weg zurück!

Nicola Schmidt ist Wissenschaftsjournalistin und mehrfache SPIEGEL-Bestsellerautorin. Sie hilft Eltern, sich selbst als Mensch zu entdecken und so ihre Kinder besser zu verstehen. Als Gründerin des artgerecht-Projekts schult sie international Fachleute zu bindungsorientierter Erziehung. Nicola ist zweifache Mutter, ihre Bücher wurden in sieben Sprachen übersetzt. www.artgerecht-projekt.de

Nicola Schmidt

artgerecht

durch den Familienalltag

… weil das echte Leben auch echte

Lösungen braucht!

Kösel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2022 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Weiss Werkstatt München

Umschlagmotiv: BAZA Production/Shutterstock.com

Foto Nicola Schmidt: Diptica.com

Lektorat: Silke Foos, München

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-29522-6V001

www.koesel.de

Lust auf noch mehr artgerecht?

Arbeitsblätter und Material kostenlos unterwww.artgerecht-projekt.de/material

Inhalt

Vorwort

Was ist artgerecht?

Hier lesen wir, was mit »artgerecht« überhaupt gemeint ist und ob es dasselbe ist wie »bedürfnisorientiert«. Nicola beantwortet Elternfragen zu verschiedenen Erziehungsstilen, zum Umgang mit gut gemeinten Kommentaren von anderen und zu den eigenen inneren Ansprüchen.

Erziehungsstile vs. Bauchgefühl

Kommentare aus dem Umfeld

Du willst das doch so!

Spielen trotz Erschöpfung?

Es läuft nicht wie geplant

Mein artgerecht-Blick auf die Geburt

Ein kurzer Überblick über das, was wir über artgerechte Geburten wissen, und darüber, was wichtig ist, wenn die Geburt nicht nach Wunsch verlaufen ist – denn das beschäftigt Eltern oft noch lange Zeit.

Wird das wieder gut?

Kaiserschnitt

Mein artgerecht-Blick auf Säuglinge

Schreien, trösten, schlafen … in diesem Kapitel stellen Eltern viele typische Fragen für das erste Jahr. Nicola erklärt, warum es artgerecht ist, wenn ein Baby nachts oft aufwacht, viel Nähe einfordert und nur bei den Eltern sein will – und wie wir damit umgehen können.

Schreiphasen überstehen

Selbst schuld?

Zu viel Nein?

Schlaflos im Kinderwagen

Nur mit Körperkontakt

Schreien lassen?

Nachtspielzeit

Schneller einschlafen

Schlafen nie ohne Mama?

Im Auto

Zwei ins Bett bringen

Auf die Schnelle: Kompaktantworten zur Babyzeit

Mein artgerecht-Blick auf Alltag und Betreuung

Geht es meinem Kind gut in der Kita? Kann das auch zu viel werden? Wie kriegen wir einen entspannten Start in den Tag hin, wenn die Eltern pünktlich zur Arbeit müssen? Wir schauen auf unseren herausfordernden Familienalltag und darauf, welche Art von Betreuung dem Wohlbefinden von Kindern und Eltern guttut.

Betreuung im ersten Jahr

Ohne Kindergarten

Zu viel Kita?

Stress am Morgen

Fremdeln

Auf die Schnelle: Kompaktantworten rund um Betreuung

Mein artgerecht-Blick auf Kleinkinder

Nicola betrachtet die Frage, ob Kleinkinder uns mit Absicht provozieren, was ihr kleines Gehirn überhaupt leisten kann und warum sie genau die Fähigkeiten mitbringen, die sie in diesem Alter brauchen – auch wenn das für Eltern oft eine große Herausforderung ist.

Immer diese Ausbrüche

Soll ich rausgehen?

Ich will nicht!

Ohne mich kein Einschlafen

Schlaflos im Familienbett

Lange stillen

Abstand zwischen Geschwistern?

Am Tisch bleiben

Angst vor dem Arztbesuch

Sexuelle Entwicklung

Schon trocken, doch nicht ganz

Ganz schön weinerlich

Veränderungen aushalten?

Anderswo geht’s doch auch!

Kleine Konfliktvermeider

Wenig Kita-Begeisterung

Das verbotene Kostüm

Auf die Schnelle: Kompaktantworten zum Kleinkindalter

Mein artgerecht-Blick auf Grundschulkinder

Wenn die Kinder älter werden, erobern sie sich Schritt für Schritt einen eigenen Platz in der Welt. Nun tauchen ganz neue Themen auf – Nicola begleitet Eltern bei ihren Fragen, wenn sie gemeinsam mit ihren Schulkindern zwischen »müssen müssen« und »wollen dürfen« balancieren.

Kleine Hausaufgabenhasser

Ausgeschlossen werden

Freunde finden

Schüchtern sein

Falsche Freunde?

Gefühle regulieren

Rückschritte nach der Einschulung

Fürsorge oder schon Helikoptern?

Frühe Morgen, lange Abende

Im Haushalt helfen

Ich komm nicht mit!

Mein artgerecht-Blick auf Wut und Aggression

Viele Elternfragen drehen sich um den Umgang mit Schreien, Schubsen, Schlagen, Wüten. Manchmal macht uns das unbändige Verhalten selbst richtig wütend, weil wir Ursache und Sinn nicht verstehen. Dieses Kapitel soll das Verhalten erklären und Erste Hilfe anbieten.

Wen zuerst trösten?

Spiegeln bei Frustration

Unbändiges Schreien

Das ist doch Absicht!

Streit beim Abendessen

Mit kleinen Geschwistern

Darf ich »zurückkratzen«?

Mit Waffen spielen

Raufen auf dem Schulhof

Ohren zuhalten

Mein artgerecht-Blick auf Trennungsfamilien

Erziehungsratgeber tun häufig so, als würden fast alle Kinder von zwei Elternteilen großgezogen – doch das ist längst nicht mehr so. Nicola wirft einen Blick auf die besonderen Herausforderungen und Gefühlswogen in Familien mit getrennten Eltern.

Trennung kindgerecht erklären

Schwierige Gefühle zeigen

Alleinerziehend und alles zu viel

Auf die Schnelle: Kompaktantworten rund um Trennung

Immer artgerecht: Unterstützung holen

»Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen« – diesen Satz haben die meisten Eltern schon mal gehört. Aber woher nehmen wir die Kraft, nicht alles allein zu machen, sondern die Verantwortung mit anderen zu teilen? Und wie helfen wir uns selbst, wenn wir uns überfordert fühlen? Die gute Nachricht: Nicola hat viele Vorschläge dazu.

Ich fühle mich alleingelassen

»Zeit zum Dorfbauen«

Wie überlebt man das?

Ein großes Dankeschön!

Literatur und Quellen

Vorwort

»Ich habe noch eine Frage …«

Was machen wir, wenn am Ende eines Buches noch so viele Fragen übrig sind? Viele von uns lesen Bücher über Bücher – und es sind gute Bücher. Und trotzdem gibt es Fragen im Alltag, die ein »normales« Buch nicht beantwortet.

Ich habe daher beschlossen, dass es Zeit wurde für ein Buch mit den Fragen aus dem echten Leben und Antworten, die uns helfen, artgerecht durch den Familienalltag zu kommen. So haben wir es gemacht:

In den vergangenen Jahren habe ich Hunderte von Vorträgen für Eltern gehalten und ich habe bei jeder dieser Gelegenheiten alle Fragen gesammelt, die Eltern mir dort gestellt haben. Daraus ist eine riesige Liste von Fragen, Situationen und Herausforderungen geworden, die lange in einem Ordner auf meinem Rechner geschlummert hat.

Für dieses besondere Buch haben meine Lektorin Silke Foos und ich die häufigsten und wichtigsten Fragen für Sie herausgesucht – mit den praktischen Antworten, die ich geben kann, aber auch mit den größeren Zusammenhängen, die ich sonst nur in meinen Vorträgen erwähne.

Dabei zeigte sich, dass in manchen Phasen mit Kindern – in der Babyzeit, wenn es um Schlafen, Essen und Fremdbetreuung geht, wenn Kleinkinder wichtige Entwicklungsaufgaben meistern und Schulkinder ganz neue, komplexe Themen mit nach Hause bringen – immer wieder ähnliche Fragen auftauchen.

Wir haben die Fragen daher nach Alter sortiert und dann nach Themen zusammengefasst. Dieses Buch will keine entwicklungspsychologische Sammlung sein, die alles abdeckt, es sind einfach die Themen, die Eltern in ihrem Leben offenbar jeden Tag ganz praktisch bewegen – jenseits von allen Thesen, Theorien und Konzepten.

Jede Frage in diesem Buch haben wir so authentisch gelassen, wie sie mir gestellt worden ist.

Bei den Antworten war es mir wichtig, nicht nur rein praktische Hilfe zu geben (die gibt es natürlich wie immer in gewohnter artgerecht-Manier, kompakt und alltagstauglich), sondern auch mal den Blick zu heben und zu schauen:

Was ist die Frage hinter der Frage?

Was heißt das für unsere Gesellschaft? Und was können wir jetzt tun?

Nehmen wir ein Beispiel: Wenn wir morgens unser Zweijähriges nicht ohne Stress in die Kita kriegen – ist dann etwas mit dem Kind kaputt? Oder können wir uns als Gesellschaft fragen, wie es kommt, dass Eltern schon so früh am Morgen Stress haben? Inwiefern glauben wir an ein abstraktes Konzept wie Zeit? Und warum legen wir es so aus, dass schon Zweijährige »sich beeilen« müssen? Das Buch gibt praktische Hilfe, soll aber auch eine Einladung sein, um die Ecke zu denken und zu hinterfragen, was wir als selbstverständlich oder unveränderbar ansehen.

Damit wir möglichst vielen Themen gerecht werden, haben wir dort, wo ich in den Vorträgen ganz besonders viele Wortmeldungen höre, am Ende des Kapitels noch einmal eine Reihe zusätzlicher Fragen möglichst kompakt beantwortet. Es hat uns nicht sehr verwundert, dass sich diese Fragenfülle vor allem auf die Baby- und Kleinkindzeit bezieht. Da, wo noch alles neu ist, wo die Kinder sich rasant entwickeln und so abhängig von uns sind, aber auch da, wo Familien mit Trennungssituationen zurechtkommen müssen, sind häufig auch Erschöpfung und Ratlosigkeit groß – und dem wollten wir besonders Rechnung tragen.

Ich hoffe, dass dieses Buch möglichst vielen Eltern hilft, ihren Alltag besser zu meistern, artgerechter zu leben und entspannter durch herausfordernde Zeiten zu kommen. Dazu noch eine Bitte in eigener Sache: Wenn Ihnen dieses Buch gefällt, erzählen Sie es drei anderen Eltern weiter, folgen Sie uns auf Instagram, Youtube oder Facebook, werden Sie ein Teil unseres Dorfes und helfen Sie uns, das Wissen in die Welt zu tragen.

Und wenn noch Fragen offen sind – schreiben Sie mir! Ich freue mich wie immer über neue Fragen, Feedback und Anregungen unter

[email protected]

Ihre Nicola

Was ist artgerecht?

Mit dieser Frage habe ich vor vielen Jahren das Projekt »artgerecht« gegründet. Seitdem überprüfen und hinterfragen wir konsequent: Was ist eigentlich artgerecht für kleine Menschenkinder – und ihre Eltern? Wir leben oft ein Leben als Familie, für das wir nicht gemacht sind: zu viel Stress, zu viel Druck, zu viel Arbeit, zu wenig Muße. Ich glaube fest daran, dass das Beste, das wir für eine gute Zukunft tun können, die Erziehung starker Kinder ist. Eltern machen damit den wichtigsten Job der Welt – und wir müssen herausfinden, wie wir diesen Job richtig gut machen können.

Dafür recherchiere ich seit 2008 für Eltern wissenschaftlich fundierte Informationen, die sich im Alltag mit Kindern umsetzen lassen. Das Ziel ist, was man im Englischen »Infant mental health« nennt – also die seelische Gesunderhaltung der Kleinsten – und eine Minderung gesellschaftlicher Kosten in den Bereichen Gesundheit und Ökologie. Es geht dabei also um nicht weniger als um eine bessere Zukunft für unsere Kinder. Aber das können Eltern in der Kleinfamilie nicht allein leisten, daher spielt das »Dorf« bei artgerecht eine große Rolle. Ganz im Sinne des Sprichworts »Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen« besteht es aus erweiterter Familie, Freunden und Freundinnen und Betreuungspersonen, kurz: allen Menschen, die sich mit uns um unsere Kinder kümmern.

Oft werde ich gefragt, ob »artgerecht« dasselbe ist wie »bedürfnisorientierte Erziehung« – also eine Erziehung, für die vor allem anderen zählt, die Grundbedürfnisse nach Nähe, Sicherheit, Nahrung, Wärme und Zuwendung der Kinder zu erfüllen –, oder ob »artgerecht« eine Pädagogik oder Erziehungsideologie sei. Beides ist nicht der Fall. Es ist eher ein Konzept, das fragt: »Wie kann sich ein kleiner Homo sapiens mental und körperlich gesund entwickeln?« – bedürfnisorientierte Aspekte sind dabei auch von großer Relevanz, aber »artgerecht« geht in manchen Bereichen darüber hinaus. Denn wir betrachten nicht nur die Bedürfnisse des Kindes, sondern seine stammesgeschichtlichen und biologischen Wurzeln – und in der Regel auch die der gesamten Familie.

Damit unterscheidet sich mein Blick deutlich von der Medizin, die sich naturgemäß vor allem auf die körperliche Gesundheit konzentriert. Und er unterscheidet sich deutlich von der Pädagogik (sei es nach Rudolf Steiner/Waldorf, Maria Montessori, Emmi Pikler, Friedrich Fröbel oder anderen), die häufig ein bestimmtes Endbild und Erziehungsziel anstrebt.

Der Forscher LeVine hat beobachtet, dass es zwei Arten gibt, wie Kulturen Kleinkinder betrachten:

Die einen verfolgen ein pädagogisches Modell, bei dem Kinder nach einem bestimmten Prinzip oder Bild erzogen werden sollen. Die anderen folgen einem pädiatrischen Modell, in dem das wichtigste Ziel der Schutz der Gesundheit und das Überleben des Kindes ist. LeVine mutmaßt, dass das pädiatrische Modell vielleicht besonders in Kulturen gilt, in denen die Säuglingssterblichkeit immer noch hoch ist.

Mein Blick auf Kinder ist definitiv eher pädiatrisch als pädagogisch. Mich interessiert nicht so sehr, ob die Kinder mit Plastikspielzeug, Holzklötzchen oder Naturmaterial spielen. Mich interessiert nur, dass sie überhaupt Zeit zum Spielen haben und dabei von einer vertrauten Bezugsperson liebevoll begleitet werden. Und gleichzeitig glaube ich daran, dass wir gesunde Kinder brauchen, um eine gesunde Zukunft für uns und den Planeten zu gewährleisten.

Die Elternfrage

Erziehungsstile vs. Bauchgefühl

Was hältst du von den verschiedenen Erziehungsstilen wie Laissez-faire, bindungsorientiert, bedürfnisorientiert …? Also ich bin ja für Bauchgefühl. Verfolgst du einen Ansatz?

Nicolas Soforthilfe

Schauen wir erst mal, worüber wir sprechen:

Es gibt Bezeichnungen für verschiedene Erziehungsstile, die beschreiben, wie sich Eltern gegenüber ihrem Kind verhalten. Wir denken nicht darüber nach, sondern machen einfach das, was wir selbst gelernt haben. Während ein pädagogisches Konzept oder eine Philosophie festlegen, welche Ziele sie verfolgen, an welche Normen und welches Menschenbild sie glauben, ist ein Erziehungsstil einfach das, was wir Eltern gegenüber unseren Kindern zeigen.

Die drei bekanntesten Erziehungsstile sind der oben genannte Laissez-faire-Stil, der autoritative (der in der Regel ein Teil von »bindungs- und bedürfnisorientiert« ist) und der autoritäre Stil.

»Laissez faire« kommt aus dem Französischen und heißt »machen lassen« – man lässt die Kinder also einfach machen und überlässt sie weitgehend sich selbst. Die Eltern kontrollieren die Kinder nicht, interessieren sich aber auch nicht weiter für sie, sondern gehen davon aus, dass sie das Nötige schon »selbst lernen«. Für Kinder ist dies der schädlichste Stil, da die Eltern sehr distanziert sind, er Störungen im Bindungsverhalten nach sich ziehen kann und die Kinder ihren Selbstwert, ihr Selbstkonzept und ihre sozialen und intellektuellen Fähigkeiten nicht gut entwickeln können. Oft haben diese Kinder später Probleme, ihre Impulse und Aggressionen zu kontrollieren.

Der autoritäre Erziehungsstil liegt am anderen Ende des Spektrums: Die Eltern üben ein hohes Maß an Kontrolle über das Kind aus, es wird deutlich und häufig reglementiert, zurechtgewiesen und Regeln werden strikt durchgezogen. Es wird wenig bis gar nicht über Konflikte gesprochen, getröstet und gekuschelt. Stattdessen gilt das Wort der Erwachsenen und für unerwünschtes Verhalten werden die Kinder bestraft. Auch diese Kinder neigen später zu Aggressionen, haben Probleme in sozialen Situationen sowie ein geringes Selbstwertgefühl und suchen später oft Halt bei einer autoritären Führungspersönlichkeit oder einer Ideologie, der sie folgen können.

Der autoritative Erziehungsstil setzt auf eine Kombination aus Wärme, Fürsorge und klaren, aber verhandelbaren Regeln. Die Kinder werden weder sich selbst überlassen noch gibt es eine absolute Autorität der Erwachsenen, sondern in der Familie spricht man über Konflikte, handelt Regeln aus, hält sich dann aber auch daran. Studien zeigen, dass sich Kinder mit diesem Erziehungsstil am besten entwickeln.

Die Frage hinter der Frage

Warum so viel Getue um Theorien und Konzepte? Können wir nicht einfach, wie in der Frage formuliert, »aus dem Bauch heraus« erziehen?

Schauen wir wieder genau hin: »Aus dem Bauch« heißt oft »mit Intuition«. Was ist Intuition? Intuition speist sich aus dem sogenannten Bauchgefühl und dahinter steckt unser Bauchgehirn. Dieses wiederum arbeitet mit Wiederholung und Erfahrung. »Aus dem Bauch« heraus heißt also vor allem, dass wir das wiederholen, was wir erfahren haben. Wenn unsere eigene Kindheit eine gute Erfahrung war und wir uns sagen: »So will ich es mit meinen Kindern auch machen! Das war super!«, dann können wir das ruhig tun. Wenn unsere Kindheitserlebnisse uns selbst aber vielleicht nicht oder nicht immer gutgetan haben, lohnt es sich, einmal bewusst, also »mit dem Kopf« draufzuschauen. Denn nur so können wir entscheiden, was wir wiederholen und was wir anders machen möchten.

Was also tun?

»Aus dem Bauch heraus« ist per se völlig okay, aber es ist immer eine gute Sache, wenn der Kopf auch noch mal mitüberlegt. Sonst wiederholen wir unreflektiert, was wir selbst erfahren haben. Dazu hilft es auch, mal zu schauen: Wo habe ich in meinem Leben Schwierigkeiten? Wo bleibe ich vielleicht unter meinen Möglichkeiten? Welche negativen Selbstgespräche führe ich? Könnte das an meiner Erziehung liegen und wie könnte ich es bei meinen Kindern anders machen?

Wir können außerdem davon ausgehen, dass die Zeiten sich ändern und unsere Kinder neuen Herausforderungen gegenüberstehen, die unsere Eltern gar nicht kannten. Daher lohnt es sich immer, über Alternativen zu unserem intuitiven Erziehungsstil nachzudenken, bevor wir dem Bauch folgen.

Die Elternfrage

Kommentare aus dem Umfeld

Was tun wir, wenn Familienmitglieder veraltete Ansichten haben und uns deshalb Unverständnis für unsere bedürfnisorientierte Einstellung zum Kind entgegenschlägt? Oft benötigen wir in so einem Moment gar keine Ratschläge, weil wir ganz gut zurechtkommen – so wie es für uns eben passt.

Nicolas Soforthilfe

Weiteratmen.

Das ist das Erste, was wir machen müssen. Denn wenn wir jetzt nicht weiteratmen, geraten wir unter Stress. Unter Stress können wir nicht mehr empathisch sein und dann gibt es Streit und Frust.

Das »Dorf« mit den veralteten Ansichten will ja nur helfen. Echt. Meistens jedenfalls.

Denken wir also an den alten Grundsatz: »Wer fragt, der führt.« Stellen wir Fragen wie:

»Welche Sorgen hast du?«

»Was daran findest du falsch?«

»Wie hast du das als Kind erlebt?«

»Woher kommt diese Info?«

Und dann denken wir immer daran, dass es nicht darum geht, »die Wahrheit« oder »das Richtige« herauszufinden. Es geht auch niemals darum, jemanden zu überzeugen. Die meisten Menschen interessieren sich nicht für Fakten. Die meisten Menschen interessieren sich für das Gefühl, das sie haben, und lassen sich davon leiten. Und wenn ich als Angehörige oder Freundin einer erschöpften Mutter, die stark auf die Bedürfnisse ihres Kindes achtet (also bindungsorientiert erzieht), durch ihr Verhalten oder ihre Äußerungen das Gefühl vermittelt bekomme, ich hätte ja wohl mit meinen eigenen Kindern alles falsch gemacht, dann gerate ich unter Druck – und spätestens jetzt ist sowieso kein rationales Gespräch mehr möglich.

Daher ist es wichtig, Empathie zu signalisieren, die Tür zu öffnen und die Perspektive des anderen ernst zu nehmen, anzuschauen und ihr Raum zu geben. Das heißt nicht, dass wir sie übernehmen müssen (das ist oft unsere Angst).

Wir können uns bedanken für die Perspektive: »Danke, dass du mir deine Sorgen und deine Geschichte erzählt hast.« Wir können sogar Offenheit signalisieren: »Ich kann mir vorstellen, dass das für euch damals gut funktioniert hat, dass es für deine Kinder gut funktioniert hat, dass es in eurer Situation gut funktioniert hat.«

Und auch: »Ich nehme das mal mit. Ich denke darüber nach.«

Wir können trotzdem, freundlich und beharrlich, das tun, was wir für richtig halten: »Mir ist wichtig, dass wir das so und so machen.« »Ich habe darüber nachgedacht, für uns passt das nicht.« »Ja, ich habe deine Geschichte gehört. Ich möchte es gerne anders probieren.«

Wichtig: ohne Begründung, denn eine Begründung in diesem Gespräch fühlt sich schnell an wie ein Angriff.

Und natürlich werden manche Leute trotzdem sagen: »Du wirst schon sehen, was du davon hast!« Und dann können wir lächeln und die Perspektive öffnen: »Ja, das wird spannend, oder? Lass uns doch in fünf Jahren noch mal drüber sprechen, dann sind wir schon weiter.«

Die Frage hinter der Frage

Sind wir in Gefahr, wenn uns jemand kritisiert?

Die Antwort lautet: Nein, sind wir nicht. Wir können uns entspannen. Wir können zuhören, ohne in einen Kampf zu gehen. Ja, wir können den oder die Kritiker sogar in unser Herz schließen, ihre eigenen Wunden wahrnehmen, die 1000 Gründe sehen, die sie zu ihrer Einschätzung gebracht haben. Und wir dürfen uns ruhig und freundlich abgrenzen. Dass jeder seine Meinung sagen darf, heißt nicht, dass wir sie uns auch von jedem anhören müssen.

Die nächste drängende Frage ist oft: Müssen wir unseren zeit- und energieintensiven artgerechten Weg verteidigen und immer glückliche und wohlerzogene Kinder damit produzieren? Nein. Wir müssen gar nichts. Wir geben unser Bestes, das ist genug.

Wir sollten unterstützt werden, so wie wir es brauchen, und nicht so, wie es für andere gut ist. Das haben wir verdient. Das sind wir wert. Und zwar egal, ob die Kinder perfekt geraten oder nicht, es ist ja unser Weg. Ich habe in solchen Momenten immer gesagt: »Vielleicht ist es falsch, aber ich muss ja mit diesen Kindern alt werden, könnten wir es also bitte so machen, wie ich es möchte?«

Was also tun?

Im Gespräch bleiben. Weiteratmen. Mit Nachsicht reagieren. Und sich, wenn es nicht anders geht, zusätzlich Wahlverwandte suchen. In 20 Jahren sind wir alle klüger.

Die Elternfrage

Du willst das doch so!

Wenn ich müde und erschöpft bin, werde ich oft belehrt: »Du hast es dir doch so ausgesucht mit dem bindungsorientierten Weg! Du könntest es dir auch einfacher machen, aber du willst ja nicht!« Wie gehe ich damit um?

Ich habe zwar ein Dorf, aber das Dorf hat teilweise veraltete Ansichten. Dann gelte ich als »undankbar«, weil ich das Kind nicht abgeben will, mich aber beklage, dass es anstrengend ist …

Nicolas Soforthilfe

Tadaaa – liebe Welt, wir Eltern dürfen:

•  dankbar sein für dieses Kind – und echt eine Pause brauchen,

•  wirklich daran interessiert sein, die Bedürfnisse dieses Kindes zu erfüllen – und erschöpft davon, was es bedeutet, das rund um die Uhr tun zu müssen,

•  überzeugt und sicher sein auf unserem Weg, artgerecht, bedürfnisorientiert, bindungsorientiert zu erziehen – und trotzdem hilfsbedürftig, weil es für eine Person eigentlich zu viel ist,

•  stolz sein, dass ich als primäre Bezugsperson der Mensch bin, dem mein Kind all seine Gefühle zeigen kann – und erschöpft davon, sie immer und immer wieder zu begleiten,

•  froh sein, dass die Kinder auch mal groß werden – und sentimental, dass sie nicht mehr klein sind,

•  unbeugsam sein, was Kompromisse für das Wohlbefinden meines Kindes angeht – und verzweifelt auf der Suche nach Ressourcen für mein eigenes Wohlbefinden.

Die Frage hinter der Frage

Kann etwas richtig sein, wenn es uns erschöpft und manchmal überfordert?

Ja, kann es. Es ist richtig, aber es überfordert uns, weil wir es alleine machen. Stellen wir uns einfach ein anderes Szenario vor: Es ist sicher richtig, ein großes Passagierflugzeug Stück für Stück, ganz minutiös und mit vielen Tests und Inspektionen zusammenzubauen. Aber wenn das ein Mensch alleine machen müsste, wäre es trotzdem zu viel!

Was also tun?

Werfen wir einen Blick hinter diese Kommentare: Was wollen sie uns sagen?

Steht dahinter vielleicht: »Ich habe mir diese Arbeit nicht gemacht … ich will nicht, dass du das so handhabst, du machst mir ein schlechtes Gewissen«?

Steht dahinter der Schmerz meines Gegenübers, bei dem sich als Kind niemand die Mühe gemacht hat, es so zu begleiten? Steht dahinter die Frage: »Wer ist es wert?«, statt: »Was tut es Gutes?«?

Steht dahinter die echte Sorge um mein Wohlbefinden – aber warum stärkst du mich dann nicht bedingungslos, sondern schwächst mich mit deinen Kommentaren? Merkst du es vielleicht gar nicht? Wie könnte ich es kommunizieren?

Wir sehen: Wenn wir dahinterblicken, finden wir oft Ratlosigkeit, Hilflosigkeit und immer auch eine Wunde. Wir müssen uns dem nicht widmen – wir ziehen nämlich gerade ein Kind groß und haben keinen therapeutischen Auftrag –, aber dies zu sehen kann helfen, um sich nicht schwächen zu lassen.

Die Elternfrage

Spielen trotz Erschöpfung?

Meine Tochter ist ein Einzelkind, 3,5 Jahre. Ich bin alleinerziehend und schaffe es kaum, irgendetwas im Haushalt zu machen – ich habe kein Dorf zu Hause. Ich verstehe, dass sie mit mir spielen möchte, aber ich kriege das oft nicht hin. Wie soll ich dabei zum Beispiel kochen?

Nicolas Soforthilfe

Spielt Kochen. Spielt Putzen. Spielt Wäschemachen.

Mein Ernst.

Ich war lange alleinerziehend mit zwei Kindern und ich weiß, wie sich das anfühlt. Nach meiner Erfahrung liegt die Lösung in einer Studie, die kürzlich zeigte, dass Kinder im Haushalt später mehr helfen, wenn sie schon von klein an mitmachen dürfen. In vielen Kulturen gibt es für Kinder alle Haushaltsgegenstände in Miniaturform, damit sie »auch machen« können: kleine Besen, kleine Reiben, wir hatten sogar einen Mini-Schneeschieber im Haus. Natürlich ist hinterher nicht gekehrt oder gekocht und die Kinder haben kaum Schnee weggeschippt, aber darum geht es nicht.

Kehren und kochen mache ich, während die Kinder mir »helfen«. Und dabei geht es nicht darum, dass sie wirklich sinnvoll helfen. Im Gegenteil, mit Kindern Pancakes zu machen kann zu weniger Pancakes und mehr Dreck führen als alles andere. Aber dann spielen wir halt hinterher putzen. Es geht darum, die Kinder in die täglichen Verrichtungen einzubeziehen, gemeinsam Zeit zu verbringen und zu lernen, was im Haushalt so anfällt.

Und dabei spielt auch unser »Marketing« eine Rolle: Wenn ich anfange mit: »Verdammt, es muss schon wieder gesaugt werden, bringen wir es hinter uns«, dann hat kein Kind Lust, mitzumachen. Aber wenn ich sage: »Schau mal, eine Spülmaschine ist wie ein großes Puzzle, die Löffel da, die Teller da und schau, wie gut die Tassen hier reinpassen!« Dann macht es plötzlich Spaß.

Die Frage hinter der Frage

Müssen wir mit Kindern spielen?

Kurz gesagt: Es ist nicht die Aufgabe der Eltern, mit Kindern viel zu spielen. Dafür gibt es Nachbarskinder, Cousins und Großeltern. Natürlich spielen wir auch mal, aber lange nicht so ausdauernd, wie es ein anderes Kind tun würde. Aufgabe von uns Eltern ist es, die Kinder zu ernähren, zu beschützen und zu trösten. Aber da wir viel mit unseren Kindern alleine sind – ohne das sprichwörtliche Dorf –, müssen wir eben auch die »Zwischenzeit« mit ihnen verbringen. Und da ist es gut, wenn wir mit den Kindern das spielen, was getan werden muss. Eine schöne Gelegenheit, das innere Kind in uns wieder zu entdecken und zu pflegen.

Was also tun?

Ändern wir die Etiketten: Wir entscheiden, was Spiel, was Arbeit, was gut, was doof ist. Wir können jeden Tag ein neues Spiel zum Thema »Haushalt« erfinden oder uns im Internet von anderen dazu inspirieren lassen.

Die Elternfrage

Es läuft nicht wie geplant

Ich muss mir oft anhören, dass jedes Kind getragen werden will, aber meines nicht – vier Tragehilfen, Trageberatung, Osteopathie, nichts hilft. Mein Kind mag es nicht, auch nicht nach einer Weile. Und ich wäre so gerne eine Tragemama gewesen!

Nicolas Soforthilfe

Das ist schade, aber das passiert.

Es kann viele Gründe geben, aber ich denke, das Wichtigste ist: Schau, wie es euch jetzt damit geht. Wenn es euch ohne Tragen gut geht, dann reparieren wir nichts, was nicht kaputt ist. Es gibt noch die Möglichkeit, dass anderes Handling dem Kind hilft. Es ist auch tatsächlich so, dass viele Babys lange beim Einbinden oder am Anfang des Tragens meckern und weinen (um dann selig einzuschlafen). Aber wenn es nicht geht, dann geht es nicht. Und das ist okay.

Die Frage hinter der Frage

Bin ich nur dann eine gute Mutter oder ein guter Vater, wenn ich »das Programm richtig durchziehe«, es »richtig« mache?

Nein. Ihr seid gute Eltern, wenn ihr den Weg findet, der für euch passt. Und vielleicht hättet ihr gerne gestillt oder getragen, vielleicht hättet ihr gerne das Kind früher oder später betreuen lassen, vielleicht hättet ihr gerne Windelfrei gemacht (oder gewickelt) und das Kind wollte es nicht – ihr seid trotzdem die besten Eltern für dieses Kind. Wir vergeben keine Goldmedaillen und keine Punkte auf der artgerecht-Supereltern-Skala. Jede Familie findet ihren Weg.

Und wenn ihr gerne etwas gemacht hättet, aber nicht konntet, dann erlaubt euch zu trauern, auch wütend zu sein, und dann loszulassen und weiterzugehen. Denn so ist das Leben.

Was also tun?

Akzeptieren, dass wir nicht alles im Leben kontrollieren können. Manche Dinge haben wir einfach nicht in der Hand. Wir leben in einer Welt des Machbarkeitswahns und Wettbewerbs und beides dürfen wir hinter uns lassen, wenn wir Kinder bekommen. Wir machen es so, wie es für uns gut ist. Manchmal müssen wir das nehmen, was das Leben uns anbietet. Wenn wir unseren Frieden damit machen können, sehen wir wieder die vielen anderen Blumen, die noch am Wegesrand stehen.

Mein artgerecht-Blick auf die Geburt

Bei »artgerecht« gehe ich davon aus, dass eine Geburt ein natürlicher Prozess ist, für den sowohl Gebärende als auch Baby geschaffen sind. Dies ist keine Wahrheit, sondern in erster Linie meine Sichtweise – denn wir alle haben einen ganz unterschiedlichen Blick auf Geburt.

Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass wir alle eine unterbewusste Idee davon haben, wie eine »Geburt« abläuft. Es hat viel damit zu tun, wie wir selbst geboren wurden, was wir für Geschichten darüber gehört haben, und möglicherweise auch, welche Bilder uns die Medien vermittelt haben.

Manche Menschen gehen davon aus, dass eine Geburt ein natürlicher Vorgang ist, der von der Gebärenden bewältigt werden kann (natürliches Mindset). Das andere Extrem ist die Ansicht, dass eine Geburt eine medizinische Prozedur sei, die ärztlicher Interventionen bedarf, um sicher zu verlaufen (medizinisches Mindset).

Ich bin mir bewusst, dass die Geburt beim Homo sapiens eine der schwierigsten im gesamten Säugetierreich ist. Die Ursache liegt nach der aktuellen Forschung in unserem engen Becken, das den aufrechten Gang ermöglicht, und den großen Köpfen unserer Neugeborenen, die in Relation zu ihrem Körper bereits ein sehr großes Gehirn haben. Dennoch wird dieser Prozess weltweit von Gebärenden bewältigt.

Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass beim Menschen wie bei vielen anderen sozialen Säugetieren die Geburt vor allem des ersten Kindes ein Prozess ist, der die Unterstützung von Artgenossen braucht – also geburtshilfliches Personal wie Hebammen und Doulas. Und bei dem auch etwas schiefgehen kann, daher ist die moderne Medizin ein Segen. Insofern sind Alleingeburten vor allem des ersten Kindes aus meiner Sicht übrigens nicht artgerecht, da sie für eine unerfahrene Homo-sapiens-Gebärende ein enormes Risiko darstellen können.

Was eine Gebärende für eine natürliche Geburt braucht, ist gut erforscht: Sie braucht eine Eins-zu-eins-Betreuung durch einen Menschen, dem sie vertraut, am besten noch eine weitere enge Bezugsperson und eine Umgebung, in der sie sich wohlfühlt und ihrem eigenen Tempo nachgehen kann. Und da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf: Wo eine Gebärende sich sicher fühlt, kann ganz unterschiedlich sein. Daher gibt es keinen »artgerechten« Geburtsstandard, sondern nur die Frage, wie es für diese Gebärende in dieser Schwangerschaft richtig ist. Was wir jedoch wissen ist, dass Familien am Ende zufriedener mit interventionsarmen Geburten sind, auch die mit medizinischem Mindset.

Die Elternfrage

Wird das wieder gut?

Weil die Geburt schwierig war und es nicht so geklappt hat, wie wir wollten, macht mir das Angst, dass jetzt alles »dahin« ist. Sag mal: Kann man das wieder gutmachen?

Nicolas Soforthilfe

Die kurze Antwort auf diese Frage lautet: Ja.

Ja, wir können das wieder »reparieren«, natürlich. Bindung ist ein Prozess, kein Einzelereignis. Sie kann immer und immer wieder erneuert, repariert, verloren und gefunden werden.

Für Babys zählen die ersten drei Monate sehr stark, es bildet sich in den nächsten sechs bis neun Monaten die erste, feste, primäre Bindung an die Person, die das Kind am meisten umsorgt. Aber damit ist der Prozess noch lange nicht abgeschlossen. Denn ein Kind kann zum Beispiel mit drei Jahren weniger gut an seine Bezugsperson gebunden sein, weil die vielleicht unerwartet ins Krankenhaus musste, und dann mit dreieinhalb Jahren wieder gut, weil viel Kontakt, gemeinsame Zeit und Heilung möglich war.

Insofern: Ja, man kann das wieder gutmachen. Wie? Mit gelungenen Interaktionen, und das kann beispielsweise heißen:

•  Reagieren Sie prompt auf Ihr Kind. Für Babys gilt: möglichst innerhalb von einer Sekunde, für Kleinkinder gilt: innerhalb von 20 bis 40 Sekunden.

•  Seien Sie emotional verfügbar, also wenden Sie sich dem Kind zu, hören sie ihm zu, tragen Sie es oder nehmen Sie es auf den Schoß, sodass es viel Körperkontakt hat.

•  Und dann: kuscheln, trösten, lachen, spielen, für mindestens eine halbe Stunde am Tag, alleine und exklusiv mit diesem einem Kind – mit voller Aufmerksamkeit und ohne Smartphone.

Die Frage hinter der Frage

Können wir es in der Erziehung »versauen« und gibt es Punkte, an denen wir so viel falsch gemacht haben, dass es kein Zurück mehr gibt?

Die Antwort: nicht wirklich. Wir können eine Menge Fehler machen in der Begleitung unserer Kinder. Und die Verletzungen können kleiner oder größer sein. Dementsprechend müssen wir Zeit und Liebe in die Heilung investieren.

Was also tun?