Artgerechte Hundeerziehung - Daniel Joeres - E-Book

Artgerechte Hundeerziehung E-Book

Daniel Joeres

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  • Herausgeber: Arkana
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Das erste Buch der Doguniversity

Für ein harmonisches und glückliches Zusammenleben von Mensch und Hund ist ein Faktor ganz entscheidend: eine Beziehung, die auf gegenseitigem Vertrauen, Verlässlichkeit, Verständnis und Liebe beruht. Denn Hunde, die sich an der Seite ihres Menschen wohlfühlen, folgen ihm freiwillig und respektieren ihn auch ohne Zerren an der Leine oder ständige Leckerlis.
Der zertifizierte Hundetrainer, Humanpsychologe und Doguniversity-Gründer Daniel Joeres hat ein psychologisches Hundetraining entwickelt, mit dem sich diese unsichtbare Leine spielerisch und dauerhaft knüpfen lässt. Er verrät, wie ähnlich Mensch und Hund in ihrem Sozialverhalten sind, und wie ein natürlicher Austausch gelingt, den auch der Hund versteht.
In einem umfangreichen Praxisteil vermittelt er:
● Übungen für eine klare Kommunikation,
● die Grundlagen zum Verständnis körpersprachlicher Signale,
● Beobachtungsübungen,
● warum stellvertretende soziale Konflikte so wichtig sind,
● Regeln für ein ruhiges Verhalten zu Hause,
● Übungen für richtiges soziales Spielen,
● Tipps, um Aufgaben zusammen zu lösen und
● gemeinsame Entspannungseinheiten für Mensch und Hund.
So wird aus Mensch und Hund ein einzigartiges Team!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 356

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DANIEL JOERES

ARTGERECHTE

HUNDEERZIEHUNG

Mit klarer Kommunikation zu einer unsichtbaren Leine aus Vertrauen, Harmonie und Verständnis

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

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Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Originalausgabe April 2024

Copyright © 2024 Arkana, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Lektorat: Alexandra Flache

Illustrationen Hunde: © Dave Bese

Umschlaggestaltung: ki 36 Editorial Design, München

Umschlagmotiv: © doguniversity/Dana Thimel

Satz: Satzwerk Huber, Germering

CC ∙ CF

ISBN 978-3-641-31816-1V001

www.arkana-verlag.de

Gliederung

1. HUND UND MENSCH ALS TEAM

Warum noch ein Hundebuch

THEORIETEIL: DIE UNSICHTBARE LEINE – WIE MENSCH UND HUND ZUSAMMENWACHSEN

2. MENSCH UND HUND – DIE GESCHICHTE EINER FREUNDSCHAFT

Gemeinsam stärker

Vom Wolf zum Hund

3. PSYCHOLOGIE IN DER MENSCH-HUND-BEZIEHUNG

Das Eisbergmodell

Von der Theorie in die Praxis

4. GRUNDVORAUSSETZUNGEN FÜR DAS LEBEN IN EINER GRUPPE

Kommunikation und soziale Kompetenz

Weitere Merkmale sozial kompetenten Verhaltens

5. HIERARCHIEN IN SOZIALEN GRUPPEN

Wie ist das Zusammenleben in Gruppen organisiert?

Rangordnung – viel mehr als eine reine Hackordnung

Warum Dominanz nicht immer mit Aggression zu tun hat

Welchen Einfluss hat Status auf die Mensch-Hund-Beziehung

Lift your status – So nimmt Ihr Hund Sie ernst

6. EINE GEMEINSAME SPRACHE FINDEN

Kommunikation als Grundlage für alles

Richtige Kommunikationskanäle nutzen

Bedeutung von Räumen in der Hundewelt

Taktile Kommunikation – oder warum man auch durch Berührung kommunizieren kann

7. GRUNDLAGEN HÜNDISCHEN AUSDRUCKSVERHALTENS

Am Anfang steht das Verstehen

Was der Hund uns sagen will

Konkrete Verhaltenssequenzen analysieren

8. FAIRNESS IN DER HUNDEERZIEHUNG – BEVOR MAN SPRINTET, MUSS MAN ERST EINMAL LAUFEN LERNEN

Faire Hundeerziehung ist artgerechte Hundeerziehung

9. BEZIEHUNG NEXT LEVEL – WIE SIE DIE BEZIEHUNG ZU IHREM HUND VERBESSERN KÖNNEN

Das Seewiesener Modell

10. SPIEL UND SPASS

Teambildungsmaßnahmen für Mensch und Hund

Das Spiel zwischen Mensch und Hund

11. STRESS BEIM HUND – WANN WIR IHN BENÖTIGEN UND WANN ER SCHÄDLICH IST

Stress bei Hunden – Was ist das eigentlich?

Stress und Training

Stress im Alltag

PRAXISTEIL: VOM LESER ZUM MACHER – PRAXISÜBUNGEN FÜR MENSCH UND HUND

12. SPIEL UND SPASS MIT HUND

Übung 1: Das Sozialspiel zwischen Mensch und Hund

Übung 2: Das Spiel um ein Objekt

Übung 3: Spiel mit einem Objekt

13. KÖRPERSPRACHLICHES KOMMUNIZIEREN IN DER PRAXIS

Räume verwalten und Energien ausrichten

Übung 1: Die Individualität des Hundes kennenlernen

Übung 2: Stop-and-go

Übung 3: Hund stoppen mit Ablenkung

Übung 4: Begrenzen an einem Weg

Übung 5: Körpersprachliche Leinenführigkeit Variante 1

Übung 6: Körpersprachliche Leinenführigkeit Variante 2

Übung 7: Entspannte Begrüßungen

14. LASS UNS STREITEN

Vom Gewitter zum Sonnenschein – stellvertretende soziale Konflikte

Den Hund korrigieren – echte vs pseudo Korrektur

Übung 1: Lass es liegen – Nichts essen, was auf dem Boden liegt

Übung 2: Das ist meins! – Gegenstände für sich beanspruchen

Übung 3: Rote und grüne Bereiche – Tabuzonen definieren

Übung 4: Platz ist Platz – Wirklich!

Übung 5: Die Türe als Grenze nutzen

EXKLUSIVE VIDEOS ZUM BUCH

SCHLUSSWORT

REGISTER

Warum noch ein Hundebuch?

Liebe Leserinnen und Leser,

zuallererst möchte ich mich für den Kauf dieses Buches bedanken. Hundebücher gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Umso mehr freue ich mich, dass dieses Buch Einzug in Ihr Wohnzimmer gefunden hat – oder in den Garten, den Camper, das Ferienhaus oder wo auch immer Sie gerade lesen.

Doch braucht der Markt denn noch ein weiteres Hundebuch? Und wenn ja, warum? Was unterscheidet dieses Buch von all den anderen Büchern?

Die erste Frage kann ich eindeutig mit »JA« beantworten. Ganz dringend sogar! Warum? Gerade, weil es mittlerweile unzählige Hundebücher gibt. Es gibt kaum ein Hundethema, welches noch nicht behandelt worden ist. Denksport mit Hund, positive Hundeerziehung, Agility, Stress bei Hunden, Leinenführigkeit, Rückruf, Anti-Jagd-Training und diverse andere Auslastungsmethoden wollen Probleme zwischen Mensch und Hund lösen oder ihr Zusammenleben verbessern. Leider gibt es genauso viele verschiedene Meinungen und Trainingsansätze sogenannter Fachleute, wie es Bücher gibt. Und genau hier liegt das Problem.

Verloren im Dschungel der Hundeausbildungsmethoden

Hat ein Hundehalter ein Problem mit seinem Hund und fragt drei Trainer, so erhält er häufig drei verschiedene Antworten. Hinzu kommen zahlreiche »Tipps« von anderen Hundehaltern oder aus sozialen Netzwerken und schon ist die Verwirrung für den Hundehalter perfekt. Hiermit verschlimmert sich oftmals der Leidensdruck, denn eigentlich wollte man nur eine Lösung für ein Problem und letztendlich das »Beste« für Hund und Halter. Unsere Hunde müssen dann diverse »Trainingsmethoden« über sich ergehen lassen und sind die Leidtragenden. Bedauerlicherweise arbeiten viele Hundetrainer stur nach gewissen Leitsätzen, häufig dadurch bedingt, dass sie lediglich eine Ausbildung in einer Hundetrainerschule genossen haben, die einen bestimmten Erziehungsstil propagiert. Im Ergebnis entstehen oft regelrechte Glaubensgemeinschaften rund um ein Ausbildungsprinzip, welche die Individualität unserer Hunde nicht mehr ausreichend berücksichtigen. Und da haben wir ihn, den Kampf der Hundetrainer!

Ein Wort vorab:Ich spreche in diesem Buch von »der« Hund, damit meine ich Rüden und Hündinnen zugleich, ohne ein Geschlecht benachteiligen zu wollen! Geschlechtslose Hunde, switcher, diverse oder worüber gerade noch so alles diskutiert wird, habe ich in der Hundewelt bislang nicht kennengelernt und – dafür hängen Sie mich gedanklich gerne ans Kreuz – ich halte solche Diskussionen für etwas übertrieben.

Mit dem Klicker lassen sich viele Kommandos und Tricks beibringen, Beziehungsprobleme lassen sich damit aber nicht lösen

Die Beziehung im Fokus

In all den Jahren, in denen ich mich mit Hunden und ihren Haltern beschäftigt habe, habe ich unzählige Trainingsmethoden kennengelernt. Ich habe eine Menge verschiedener Dinge geprüft, war immer offen für neue Trainingsansätze und Ideen. Ich hatte einige Mentoren, von denen ich ganz viel lernen durfte, und habe viele Fortbildungen und Seminare vorzeitig verlassen, weil ich die dort vermittelten Ammenmärchen nicht weiter hören konnte. Zusammenfassend kann ich vorwegnehmen, dass die erfolgreichen Trainingsmethoden gegenüber den weniger erfolgreichen Trainingsmethoden eines gemeinsam haben: Sie beziehen sich eher auf die Beziehung zwischen Mensch und Hund. Und genau darum soll es in diesem Buch gehen: die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Hund so zu gestalten, dass ein harmonisches und glückliches Zusammenleben für beide Parteien – Mensch und Hund – möglich ist.

Denn tiefgründige soziale Beziehungen sind es, die uns guttun, die uns mehr Lebensqualität bringen und uns zufriedener machen. Sie sind es aber auch, die in unserer schnelllebigen Gesellschaft abhandengekommen sind.

Während Facebook-Freunde und Social-Media-Follower immer mehr werden, werden die echten, persönlichen und tiefgründigen sozialen Beziehungen immer weniger. Ebenso gibt es zahlreiche Hundehalter, die keine gute Beziehung zu ihrem Partner am anderen Ende der Leine haben. Und das Schlimmste ist, dass sie es noch nicht einmal wissen. Sie haben den Überblick verloren, im Dschungel der Hundeausbildungsmethoden und Erziehungsratgeber.

Aber wie können wir denn nun die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Hund verändern?

Dafür braucht es etwas mehr Wissen und Engagement Ihrerseits. Denn um mit Ihrem Hund artgerecht kommunizieren zu können, müssen Sie ihn zunächst verstehen lernen. Und Sie müssen lernen, wie Sie mit ihm in einen natürlichen Austausch gehen können, den auch der Hund versteht.

Die Wissenschaft als Basis

Als studierter Psychologe schlägt auch das Herz des Wissenschaftlers in mir. Ich möchte Ihnen darum nicht einfach nur vorgeben, welche Übung Sie mit Ihrem Hund trainieren sollen, sondern ich möchte, dass Sie das Prinzip dahinter verstehen. Ich möchte, dass Sie verstehen, warum das Ganze funktioniert und warum ich es als artgerechte Hundeerziehung bezeichne. Um einen durchdachten, didaktisch wertvollen und an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierten Leitfaden zu erhalten, müssen wir zunächst gemeinsam einiges an Grundwissen aufbauen.

Aber keine Sorgen, erstens ist es ziemlich spannend, tiefer in die Gefühls- und Seelenwelt unserer Hunde einzutauchen, und zweitens: ES LOHNT SICH! Das verspreche ich Ihnen.

Denn wenn Sie meine Ratschläge in diesem Buch beherzigen, dann lösen sich damit in der Regel auch die Probleme zwischen Ihnen und Ihrem Hund. Wir packen die Dinge »an der Wurzel« und versuchen nicht, bestimmte antrainierte Verhaltensweisen über ein Problem zu legen.

Fairness im Hundetraining

Ich werde in diesem Buch als doppelter Anwalt agieren. Ich möchte für unsere Hunde einstehen, ich möchte, dass der Umgang mit unseren Hunden fair, liebevoll, lebensbereichernd und artgerecht ist. Also so, dass sie verstehen können, was wir von ihnen wollen.

Genauso werde ich jedoch auch Sie in Ihren Bedürfnissen in Bezug auf ein harmonisches, entspanntes und gesellschaftsfähiges Zusammenleben mit Ihrem Hund unterstützen. Letztendlich wünsche ich mir dadurch eine Steigerung der Lebensqualität für beide – für Sie und Ihren Hund!

Was ist sie nun, die unsichtbare Leine?

Vielleicht fragen Sie sich nun aber immer noch, was es mit dieser ominösen unsichtbaren Leine auf sich hat, von der ich spreche. Ich verrate es Ihnen.

Ich bin vor ein paar Jahren mit meinen Hunden und einem Camper durch Spanien gefahren. Dort wird es mit den Hunden in vielerlei Hinsicht wesentlich lockerer gehandhabt als bei uns in Deutschland. Wir liefen unzählige Kilometer an wunderschönen Stränden entlang, unternahmen Wanderungen, waren in Städten unterwegs und aßen Tapas in kleinen Bars. Meine Hunde waren meine stetigen Begleiter und – ob Sie es glauben oder nicht – ganz ohne Leine. Oder besser gesagt, ohne sichtbare Leine. Denn das ist es eigentlich, was eine intakte Mensch-Hund-Beziehung beschreibt. Hunde, die sich wohlfühlen an der Seite ihres Menschen, die ihm freiwillig folgen und sich auf gemeinsame Aktivitäten freuen. Die ihren Menschen aber auch so weit respektieren, dass sie sich auch ohne Zerren an einer Leine oder Locken mit »Superleckerchen« steuern lassen.

Diese Beziehung ist gekennzeichnet durch gegenseitiges Vertrauen, Verlässlichkeit, Verständnis und Liebe. Das genau ist es, was ich als die »unsichtbare Leine« bezeichne. Ein enges und starkes Band zwischen Mensch und Hund, das Sie in keinem Tierhandel der Welt kaufen können.

Ich wünsche mir ein solches Verhältnis auch für Sie und Ihren Hund und werde in den folgenden Kapiteln mein Bestes geben, Ihnen einen Weg dafür aufzuzeigen und Ihnen die nötigen Werkzeuge an die Hand zu geben um die Beziehung zu Ihrem Hund nachhaltig zu verbessern.

Gehen müssen Sie den Weg allerdings selbst. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei und auch mit diesem Buch.

Herzlichst

Daniel

Leinenlos glücklich – hier in Spanien

Gemeinsam stärker

Hätten Sie gewusst, dass es unsere Gesellschaft, wie sie heute existiert, ohne den Hund vielleicht gar nicht geben würde? Und ist Ihnen bewusst, dass wir Menschen den Hunden in unserem Sozialverhalten ähnlicher sind als unseren nächsten genetischen Verwandten, den Menschenaffen? Spannend, oder?

Die Geschichte dieser Freundschaft begann bereits vor ca. 15 000 Jahren, als es noch keine Bücher zur Hundeerziehung, keine Hilfsmittel oder YouTube-Videos zum Thema Hundeerziehung gab. Und dennoch hat der einstige Wolf es auf unsere Couch geschafft. Wie kann das sein? Kurz gesagt, weil das Sozialverhalten von uns Menschen dem der Hunde sehr ähnelt. Entsprechende Gemeinsamkeiten waren die Grundlage für ein so nahes Zusammenrücken zwischen Mensch und Hund.

Werfen wir also einen Blick auf die Geschichte dieser Freundschaft, wie alles begann und vor allem, was wir daraus heute noch im Umgang mit unseren Hunden lernen können.

Die ersten Knochenreste des ältesten Haustiers des Menschen wurden 1914 in Bonn, im heutigen Stadtteil Oberkassel, gefunden. Der metrische und morphologische Vergleich zum Wolfsgebiss, also die Gebissform und Anzahl der Zähne, ließen darauf schließen, dass es sich um einen Haushund handelte. Die 14 000 Jahre alten Knochen erwiesen, dass der Hund noch vor Ziege, Rind und Pferd das älteste domestizierte Tier des Menschen war.

Doch wie ist es dazu gekommen? Es muss vor ca. 15 000 Jahren eine Annäherung zwischen dem Urvater unserer Hunde, dem Wolf, und den damals lebenden Steinzeitmenschen gegeben haben. In dieser Zeit stand der Mensch einer Vielzahl von gefährlichen Raubtieren gegenüber. Säbelzahntiger, Bären, Löwen und Hyänen waren einige davon. Doch auch Mensch und Wolf dürften zu Beginn nicht gerade freundlich miteinander verbunden gewesen sein, denn sie konkurrierten um dieselbe Nahrung wie Mammut, Großhirsch und Büffel. Warum wurde nun also ausgerechnet der Wolf der treueste Begleiter des Menschen? Lassen Sie uns dazu einen Blick auf die Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Wolf/Hund werfen.

Von der Mission impossible zum gemeinsamen Jagderfolg

Stellen Sie sich vor, Sie müssten ein Mammut erlegen. Dieser Steinzeitriese hatte über 3 Meter Risthöhe und wog zwischen 4 und 6 Tonnen. Allein die Stoßzähne konnten über 4 Meter lang und über 100 Kilogramm schwer werden. Für einen Menschen allein wäre die Jagd auf ein Wollmammut eine unlösbare Aufgabe – er hätte keine Chance. Selbst einen Büffel zu erlegen, wäre zur damaligen Zeit für einen einzelnen Menschen unmöglich gewesen. Mithilfe von immer weiter entwickelten Waffentechniken und vor allem einer ganz bedeutenden Sache – der Gruppe – war es jedoch möglich.

Menschen, die sich bei der Jagd zusammengetan haben und kooperierten, hatten Jagderfolg. Ähnlich war es auch bei den stets in der Gruppe jagenden Wölfen. Nur die Kooperation untereinander ermöglichte es ihnen, Beute zu erlegen, die dem einzelnen Tier körperlich weit überlegen war. Die Jagd in der Gruppe ist also eine der entscheidenden Gemeinsamkeiten im Sozialverhalten zwischen Menschen und Hunden/Wölfen.

Gemeinsam schafft man mehr, das ist auch heutzutage noch so. Allerdings war – anders als heute – die Gruppe, und bei den Wölfen das Rudel, früher überlebensnotwendig!

Steinzeitgene

Heutzutage erliegen wir Menschen teilweise immer noch unseren Genen. Unser Steinzeithirn gaukelt uns Dinge vor, die den aktuellen Lebensbedingungen nicht mehr entsprechen, ja sogar unpassend sind. Wenn wir besonders auffallen und im Mittelpunkt stehen, weil wir etwa einen Vortrag vor vielen Menschen halten müssen oder gegen soziale Normen verstoßen, fühlen wir uns häufig unwohl. Wir sind erregt, versprechen uns oder fangen an zu schwitzen. Das kommt daher, dass wir der Bewertung anderer ausgesetzt sind. Ist diese Bewertung negativ, droht uns der Ausschluss aus der sozialen Gemeinschaft oder Gruppe. In heutigen Zeiten wäre das eigentlich nicht weiter schlimm, da jeder im schlimmsten Fall auch ohne Weiteres allein leben könnte. Früher jedoch wäre der Ausschluss aus der Gruppe für den Einzelnen lebensbedrohlich gewesen. Das ist der Grund, warum unser Gehirn bei gewissen Anlässen entsprechende Ängste und negative Gefühle produziert. Hier sehen wir, wie tief verankert das Leben in der Gruppe auch bei uns Menschen noch ist.

Neandertaler bei der gemeinsamen Jagd

Gemeinsamkeiten im Sozialverhalten

Wenn wir uns nun anschauen, wie Menschen und Wölfe in Gruppen leben, können wir diverse weitere Gemeinsamkeiten feststellen.

Soziale Gruppen:

Sowohl Menschen als auch Wölfe leben in sozialen Gruppen. Es existieren Beziehungen zwischen den Mitgliedern, welche geprägt sind durch dauerhaften Kontakt und Interaktionen der einzelnen Mitglieder untereinander. Jedes Gruppenmitglied nimmt sich bewusst als Teil der Gruppe wahr.

Austausch von Zärtlichkeiten unter Grauwölfen

Monogamie:

Menschen und auch Wölfe leben in der Regel monogam und bleiben ein Leben lang zusammen. Dabei ziehen sie ihren Nachwuchs gemeinsam groß. Beide Elternteile übernehmen erzieherische Aufgaben. Diese sind geprägt von viel Liebe und Zuwendung und sollen den Nachwuchs auf das spätere Leben vorbereiten, aber auch die Regeln und Grenzen des Zusammenlebens aufzeigen. Droht Gefahr, reagieren Wölfe und Menschen ebenfalls gleich: Der Schutz der Nachkommen verbunden mit uneingeschränkter Verteidigungsbereitschaft hat oberste Priorität.

Aufgabenteilung:

Die Aufgaben im Rudel beziehungsweise in der Familie werden geteilt und von verschiedenen Familienmitgliedern übernommen. In Wolfsfamilien agieren die ein bis zwei Jahre alten Jungtiere beispielsweise oft als Babysitter und kümmern sich um die Welpen. Außerdem gibt es Wachposten, um Feinde frühzeitig zu entdecken. Bei der Jagd werden die Rudelmitglieder entsprechend ihrer Fähigkeiten eingesetzt, sodass Schnelligkeit, Kraft, Taktik und Erfahrung im Team ideal genutzt werden können.

Wir-Gefühl:

Die Gruppe hat eine gemeinsame Identität. Dies hat zur Folge, dass Angriffe auf andere Rudelmitglieder als Angriffe auf sich selbst angesehen werden. Es besteht also ein Wir-Gefühl, das den Gruppenzusammenhalt stärkt.

Nahrungsteilung:

Nahrung beziehungsweise Futter wird sowohl in Menschenfamilien als auch unter Wölfen geteilt. Die einzelnen Gruppenmitglieder kümmern sich um ältere und verletzte und versorgen diese liebevoll.

Territorialverhalten:

Wölfe und Menschen sind stark territorial veranlagt, das heißt, sie beschützen gemeinschaftlich ihren Lebensraum und verteidigen ihn gegen Eindringlinge. Hier geht es überwiegend um die Sicherung von lebensnotwendigen Ressourcen. Das klingt heutzutage möglicherweise etwas abstrakt, allerdings wird es deutlich, wenn Sie sich vorstellen, wie Sie auf einen Einbrecher in Ihrem Haus reagieren würden. In der Regel verteidigen wir Menschen uns genauso, wie unsere felligen Freunde es tun, auch wenn wir in unserer Entschlossenheit meist etwas hinterher sind.

Lernen durch Beobachtung:

Soziale Lernmechanismen stehen bei Menschen wie Wölfen/Hunden im Vordergrund. Beide lernen überwiegend durch Beobachtung und durch soziales Feedback auf ihre Handlungen, welches sie von den anderen Gruppenmitgliedern (Artgenossen beziehungsweise Mitmenschen) erhalten.

Sozialspiel:

Egal, ob Kinder oder junge Kaniden, das soziale Spiel hat einen wichtigen Einfluss auf deren Entwicklung. Hier werden Dinge wie Körpergefühl, motorische Fähigkeiten und das Einhalten von Spielregeln und Grenzen in einem geschützten Umfeld geübt. Jeder Einzelne hat die Chance sich auszuprobieren und auch Erfahrungen zu machen, wie das Gegenüber darauf reagiert. Durch dieses soziale Feedback werden spielerisch Regeln und Grenzen gelernt. Auch das Setzen von Grenzen, etwa wenn es einem der Spielpartner zu wild wird, und die Fähigkeit mit Frustration umzugehen, sind wertvolle Lernerfahrungen, die mit dem Sozialspiel einhergehen.

Hätten Sie’s gewusst?

Unsere nächsten genetischen Verwandten, die Menschenaffen, ernähren sich überwiegend von Pflanzen, Früchten, Blättern, Nüssen und Insekten. Zwar gehören kleinere Tiere teilweise auch zum Speiseplan der Affen, jedoch erlegen sie diese eher eigenständig und nicht in der Gruppe. Affen sind daher eher Sammler als Jäger. Eine enge Kooperation unter den einzelnen Gruppenmitgliedern zum Erlegen größerer Beutetiere war nicht notwendig. Menschen und die heute lebenden Menschenaffen haben zwar gemeinsame Vorfahren, jedoch weist das Sozialverhalten von Affen nicht ansatzweise so viele Gemeinsamkeiten mit dem Sozialverhalten von Menschen auf, wie das der Wölfe.

Kommunikative Fähigkeiten:

Täglich werden unzählige Kommunikationssignale ausgetauscht, beispielsweise durch Blickkontakt, Körperhaltung oder Körperspannung. Man »unterhält sich« sozusagen fast den ganzen Tag. Auch wenn Kaniden dies auf eine andere Art und Weise tun als wir Menschen (siehe dazu hier, Kapitel 4) verfügen beide Arten über komplexe, hochgradig ausgereifte kommunikative Fähigkeiten.

Vom Wolf zum Hund

Doch wer hat nun bei der Annäherung zwischen Wolf und Mensch den ersten Schritt gemacht?

Es gibt einige Domestikationstheorien, die versuchen, diesen Vorgang zu erklären. Hier müssen wir teilweise spekulieren, denn Aufzeichnungen, wie es genau vor ca. 15 000 Jahren gewesen ist, gibt es nicht.

Was den Wolf betrifft, können wir aus der Geschichte der Menschheit und aus aktuellen Forschungen lernen und daraus plausible Schlussfolgerungen ziehen:

Menschen und Wölfe sind durch Zufall miteinander in Kontakt gekommen. Sehr wahrscheinlich haben Menschen dann eines Tages begonnen, Wolfswelpen aufzuziehen. Wie die Forschungen von Dr. Erik Ziemen gezeigt haben, war es zwingend notwendig, die Wölfe in den ersten Wochen auf den Menschen zu sozialisieren, damit sie ihre Scheu vor diesem verlieren. Wurden diese sensiblen ersten Wochen nicht genutzt, verloren die Wölfe ihre Scheu gegenüber den Menschen nicht. Eine entsprechende Sozialisierung konnte auch später nicht erfolgreich nachgeholt werden.

Diese Sozialisation könnte zur damaligen Zeit wie folgt vonstattengegangen sein: Da die Welpen in den ersten Wochen auf Milch angewiesen sind, ist es naheliegend, dass Wolfswelpen von menschlichen Frauen aufgezogen wurden. Und da es in der Steinzeit weder einen Supermarkt noch ein Gefäß gab, womit man Milch hätte absaugen und aufbewahren können, bleibt nur noch das direkte Säugen von Wolfswelpen durch Frauen.

Wie Wolf und Mensch voneinander profitieren

Im Anschluss an die prägenden ersten Wochen muss die Beziehung zwischen Menschen und Wölfen auf freiwilliger Basis erfolgt sein. Etwa aufgrund von Vorteilen, die beide Parteien voneinander genossen haben. Eine klassische Winwin-Situation.

In erster Linie wird das die bereits erwähnte gemeinsame Jagd zwischen Menschen und Wölfen gewesen sein. Wölfe waren schneller, konnten Tiere treiben und stoppen. Menschen konnten diese dann mit ihren Speeren erlegen.

Aber auch die bloße Nähe des Wolfs zu menschlichen Lagern dürfte Vorteile gebracht haben. Da Wölfe den Menschen in ihren Sinnesleistungen weit überlegen sind, konnten sie Feinde wie andere Raubtiere oder sich nähernde andere Gruppen früher erkennen und somit die eigene Gruppe durch Warnlaute vor Überfällen warnen. Diese geben Wölfe immer dann von sich, wenn ihnen etwas verdächtig vorkommt oder sich etwas Fremdes nähert.

Viele von Ihnen werden dieses Verhalten auch von unseren Hunden kennen. Diese sind etwa bei Dunkelheit besonders wachsam oder reagieren auf unbekannte Geräusche, Besuch, den Postboten, das fremde Tier im Garten oder auf andere unbekannte Dinge mit Wuffen, Bellen und Knurren.

Es ist davon auszugehen, dass sich die Wölfe im weiteren Verlauf des Zusammenlebens noch anderweitig als nützlich erwiesen haben. Etwa indem sie als Babysitter der Menschen fungierten und das Lager von Exkrementen befreiten. Dafür erhielten sie vom Menschen Nahrung, insbesondere Organe und Knochen von der gemeinsam erlegten Beute, und es ist wahrscheinlich, dass sie unter dem Schutz der Gemeinschaft standen.

Wendepunkt – die letzte Eiszeit

Vor ca. 10 000 Jahren konnten wir zwei gravierende Veränderungen beobachten. Zum einen die Veränderung der Flora und Fauna. Unsere Erde wurde grüner. Es gab viel mehr dichte Wälder, Wiesen und Grünflächen. Zum anderen veränderte sich auch die Tierwelt. Große Tierherden verschwanden und fanden Schutz in dem neuen Lebensraum. Hier waren sie jedoch auch nicht mehr so einfach durch den Menschen aufzufinden und zu erlegen. Bisherige Jagdtechniken blieben erfolglos.

In der Folge kam es zu einer bahnbrechenden technologischen Entwicklung des Menschen, was zu völlig neuen Möglichkeiten führte: die Erfindung von Pfeil und Bogen. Hiermit konnte der Mensch erstmals auf Distanz jagen. Es war möglich, Wildtiere zu erlegen, ohne in direkten Kontakt mit ihnen treten zu müssen.

Allerdings konnte auch hier nur eine Kooperation zwischen Mensch und Wolf/Hund den Jagderfolg gewährleisten. Unsere vierbeinigen Freunde konnten Tiere im dichten Wald aufspüren, anzeigen, treiben und letztlich beim Erlegen oder Festhalten der Beute helfen.

Eine Art und doch so unterschiedlich – unsere Hunde

Es ist also eine technologische Entwicklung des Menschen gewesen, gepaart mit den Fähigkeiten der Hunde/Wölfe bei der Jagd, die gemeinsam zu einem höheren Jagderfolg führten. Kooperierte der Mensch mit dem Hund/Wolf, dann führte das zu mehr Nahrung, was eine Zunahme der Bevölkerungsdichte erst möglich machte. Und hier sind wir an einem Wendepunkt der menschlichen Geschichte. Hätten wir damals auf die Unterstützung unserer vierbeinigen Freunde verzichten müssen und damit auch auf Nahrung, ist völlig unklar, wie sich die Menschheit weiterentwickelt hätte.

Auch im weiteren Verlauf der Geschichte spielte der Hund eine wichtige Rolle. Die zunehmende Bevölkerung führte zur Abnahme der Beutetiere, denn immer mehr Menschen wollten ernährt werden. Um das ökologische Gleichgewicht aufrechterhalten zu können, hätte weniger Nahrung normalerweise eine Abnahme der Population Mensch bedeutet. Anstatt sich jedoch den natürlichen Rahmenbedingungen unserer Erde anzupassen, hatte der Mensch eine andere Idee: Er begann mit der Landwirtschaft.

Die Entwicklung der Rassehundezucht

Der Ackerbau, das Anpflanzen von Getreide und vor allem das Halten von Nutztieren ermöglichten es dem Menschen, die Ernährung einer größeren Bevölkerungszahl, als die Natur es eigentlich vorgesehen hatte, sicherzustellen. Die Rolle des Hundes änderte sich entsprechend der vielfältigeren Aufgaben, die die Landwirtschaft mit sich brachte. Es wurden Spezialisten für die gewünschten Aufgaben nötig. Man brauchte Hunde, die bei der Jagd halfen (z. B. Deutsch Drahthaar, Weimaraner). Es wurden Hüte- und Treibhunde benötigt, die halfen, Schafe oder Ziegen zusammenzuhalten (wie Border Collies, Cattle Dogs und Schäferhunde), aber auch Hunde, die in der Lage waren, Ratten oder anderes Ungeziefer von menschlichen Siedlungen fernzuhalten (z. B. Terrier). Die Aufgaben waren vielfältig, und genauso vielfältig waren die Hunde, die sich für den jeweiligen Zweck entwickelten. Dies war der Beginn der heutigen Rassehundezucht.

Von Ähnlichkeiten und Unterschieden

Sowohl über die Domestikation, als auch über Rassehundezucht könnte man eigenständige Bücher schreiben. Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, weiter ins Detail zu gehen. Von entscheidender Bedeutung für jeden Hundehalter ist jedoch Folgendes:

Unsere Hunde konnten zum besten Freund des Menschen werden, weil sie das Tier sind, dessen Sozialverhalten dem des Menschen am meisten ähnelt. Hunde sind hochgradig soziale Tiere, verfügen über eine fein ausgeprägte Kommunikation und sind stark motiviert, mit uns Menschen zusammenzuarbeiten. Sie übernehmen Aufgaben für die Gemeinschaft und die Gruppe und unterstützen uns Menschen bei diversen Aufgaben des Alltags.

Über Jahrtausende funktionierte dies ohne die Hilfe von Hundeschulen, YouTube-Videos, Büchern über Hunde und Tipps von sogenannten Fachleuten.

Mittlerweile leben in Deutschland jedoch über 10 Millionen Hunde, was auch eine Zunahme der verschiedensten Trainingsmethoden mit sich gebracht hat. Es wird gefüttert und geklickert. Und es werden Kommandos trainiert, bis dem Hund die Ohren schlackern. Vieles mag seine Berechtigung haben, eines jedoch haben viele dieser Methoden gemeinsam: Sie missachten die Ebene des natürlichen Sozialverhaltens zwischen Mensch und Hund.

Deshalb möchte ich in den weiteren Kapiteln dieses Buches den Fokus auf das soziale Miteinander von Mensch und Hund legen. Denn wir wissen jetzt, wie ähnlich wir unseren Hunden sind und dass wir uns bevorzugt in sozialen Gemeinschaften zusammenschließen. Und nur wer es schafft, die Beziehung mit seinem Hund auf einer tiefen sozialen Ebene zu beeinflussen, wird langfristig harmonisch mit seinem Hund zusammenleben. Nur so kann unser Hund wirklich der beste Freund des Menschen und ein unkomplizierter Begleiter im Alltag werden.

Das Eisbergmodell

Wenn wir über Gruppen und soziale Gemeinschaften reden, sind diese geprägt von den Individuen innerhalb dieser Gruppen. Es entstehen Bindungen und Beziehungen zueinander. Die Qualität einer Beziehung kann gut oder schlecht sein, trotzdem besteht sie. Das kennen vielleicht einige Menschen, die eine schlechte Beziehung zu ihrem Chef oder einer anderen Person haben, mit der sie aber trotzdem täglich in Kontakt stehen.

Von Bindung spricht man hingehen nur bei grundsätzlich positiven sozialen Beziehungen. Da Beziehungen nicht immer einfach zu erkennen sind, lassen Sie uns einmal gemeinsam einen Blick auf das sogenannte Eisbergmodell werfen.

Das Eisbergmodell ist eines der bekanntesten psychologischen Kommunikationsmodelle der Welt. Ich habe dieses Kommunikationsmodell modifiziert und an die Mensch-Hund-Beziehung angepasst. Dieses Modell zu verstehen, ist für mich persönlich ein ganz elementarer Schlüssel für eine gelungene Mensch-Hund-Beziehung. Es erklärt wunderbar, wie Beziehung und Verhalten miteinander interagieren.

Sach- und Beziehungsebene unterscheiden

Wenn wir uns einen Eisberg vorstellen, dann besteht dieser aus zwei Teilen. Zum einen aus dem sichtbaren Teil über der Wasseroberfläche und zum anderen aus dem Teil, der sich unter der Wasseroberfläche befindet und den wir nicht direkt sehen können. Den oberen Teil des Eisbergs können wir als Sachebene oder als bewusste Ebene, und den unteren Teil als die sogenannte Beziehungsebene oder die unbewusste Ebene bezeichnen.

Wenn Ihr Hund etwa das Kommando »Warte« gelernt hat und weiß, was es bedeutet, etwa an der Türe zu warten, dann ist die Botschaft, wenn Sie ihm das Kommando geben, auf der Sachebene für beide verständlich. Es ist beiden bewusst, was damit gemeint ist. Bleibt Ihr Hund nicht stehen und rennt aus dem Haus, so können wir auch das auf der Sachebene beobachten. Jedoch können wir aus dem gezeigten Verhalten auch gewisse Rückschlüsse auf die Beziehungsebene ziehen. Beispielsweise, dass es dem Hund in diesem Moment wichtiger ist, seinem Bedürfnis zu folgen, das Haus zu verlassen, als dem Bedürfnis des Menschen Folge zu leisten, der möchte, dass der Hund an der Türe auf ihn wartet.

Was Rückschlüsse auf die Beziehungsebene angeht, ist jedoch immer die Summe verschiedener Verhaltensweisen im Miteinander und Alltag ausschlaggebend. Beobachtet man lediglich eine Situation, ist es hochgradig fehleranfällig, zuverlässige Rückschlüsse daraus zu ziehen.

Die Beziehungsebene können wir nicht direkt sehen, sie äußert sich aber ständig im Verhalten von Menschen zueinander, oder von Mensch zu Hund oder Hund zu Hund auf der sichtbaren Sachebene. Dazu beeinflussen Dinge, die auf der Sachebene passieren, auch stets die Beziehungsebene. Gleichermaßen ist die Beziehungsebene ausschlaggebend dafür, wie Dinge auf der Sachebene ablaufen. Es findet also eine ständige Interaktion beider Ebenen statt.

Konditionierte Signale wie Sitz sind im Alltag zwar praktisch, aber nicht zwingend notwendig für eine gute Erziehung

Beziehung schlägt Kommandos

Das Wort »ausschlaggebend« dürfen Sie hier wörtlich nehmen. Es ist tatsächlich so, dass der unter der Oberfläche liegende Teil – die Beziehungsebene – weitaus mehr Einfluss auf das Verhalten Ihres Hundes hat. Wir sprechen hier ungefähr von einem Verhältnis von 80 zu 20–80 Prozent Beziehungsebene und 20 Prozent Sachebene. Es liegt jedoch in der Natur des Menschen, sich auf die direkt sichtbaren Dinge zu fokussieren, und das nicht nur in der Mensch-Hund-Beziehung.

Nach dem berühmten Psychoanalytiker Sigmund Freud erfolgt eine Verhaltenssteuerung auch bei uns Menschen zu lediglich 20 Prozent auf der bewussten Ebene. Demnach wird unser Verhalten in bestimmten Situationen, also welche Entscheidungen wir treffen und welche Emotionen wir erleben, zu 80 Prozent unbewusst gesteuert.

In der Natur verhält es sich oft ähnlich. Auch ein echter Eisberg ist unter der Oberfläche weitaus größer als der sichtbare Teil, der aus der Wasseroberfläche herausragt. Ein Baum mit 1 Meter Kronendurchmesser benötigt beispielsweise etwa 6 Meter Wurzelwerk. Dieses können wir nicht direkt sehen. Der Einfluss ist aber immens, denn ohne die Wurzeln könnte der Baum nicht stehen. Wenn ich mit Hunden und ihren Menschen arbeite, konzentrieren wir uns darum zum Großteil auf die Gestaltung der Beziehungsebene, also dem Teil, der unter der Oberfläche liegt. Hier lassen sich schnell große Wirkungen erzielen, die man dann auch auf der Sachebene bewundern kann.

Viele Hundeschulen beschränken sich jedoch auf das Einüben von konditionierten Verhaltensweisen wie »Sitz«, »Platz«, »Hier«, »Schau« oder »Stopp«. Zwar sind diese Kommandos im Rahmen der Hundeerziehung durchaus hilfreich, jedoch sind sie nur ein kleiner Teil davon. Bei Verhaltensproblemen wird dann auf diese konditionierten Kommandos zurückgegriffen. Wenn der Hund zum Beispiel an der Leine andere Hunde anpöbelt, soll er als Alternativverhalten ein »Schau« zeigen. Hier wird jedoch lediglich versucht, die Symptome zu behandeln.

Dauerhaft lassen sich Probleme aber nur lösen, wenn man die Ursachen angeht. So wird Ihnen eine Kopfschmerztablette herzlich wenig bringen, wenn Ihre Kopfschmerzen von Rücken- und Schulterverspannungen herrühren oder sogar psychisch bedingt sind. Auch hier muss für einen langfristigen Erfolg zunächst die Ursache behoben werden.

Um also die Probleme bei der Wurzel zu packen, bedeutet das, bezogen auf die Mensch-Hund-Beziehung, überwiegend Arbeit auf der Beziehungsebene.

Von der Theorie in die Praxis

Was heißt das nun für den Alltag mit unserem Hund? Nehmen wir einmal an, Sie gehen mit Ihrem Hund spazieren und setzen voraus, dass Ihr Hund die Grundkommandos wie »Sitz«, »Platz« und den Rückruf bereits gelernt hat und diese unabhängig vom Aufenthaltsort, also sowohl zu Hause in der Wohnung, als auch im Garten zuverlässig ausführt.

Ihr Hund rennt also gerade mit anderen Hunden über eine Wiese und hat dabei sichtlichen Spaß. Genau in diesem Moment rufen Sie ihn, weil sie weitermüssen. Und was passiert? Nichts! Ihr Hund rennt weiter mit den anderen Hunden über die Wiese und ignoriert Ihren Rückruf. Ein paar Minuten später kommt Ihr Hund dann zu Ihnen, und Sie gehen zusammen weiter.

Oder Sie entscheiden sich während des Spaziergangs ein Eis kaufen zu gehen und möchten gerne, dass Ihr Hund in der Zwischenzeit an einer bestimmten Stelle auf Sie wartet. Sie sagen Ihrem Hund also das Kommando »Sitz«, was dieser auch befolgt. Während Sie in der Schlange vor der Eisdiele anstehen, beobachten Sie stolz, dass Ihr Hund trotz Ablenkung durch Passanten sitzen geblieben ist. Kurze Zeit später bemerken Sie aus den Augenwinkeln, dass Ihr Hund nun doch aufgestanden ist, da sich ein paar Meter weiter ein anderer Hund genähert hat. Sie geben Ihrem Hund also noch einmal das Kommando »Sitz« und hoffen, dass dieser sich daraufhin wieder setzt. Da er auch dieses zweite »Sitz« von Ihnen ignoriert, wiederholen Sie das Kommando ein weiteres Mal, diesmal aber in einem wesentlich schärferen Ton. Ihr Hund ignoriert Sie wieder. Er ist bereits im Kontakt mit dem anderen Hund, während Sie gerade Ihr Eis vom Verkäufer erhalten. Dabei nehmen Sie wahr, dass die Hunde sich nett beschnuppern und sich anscheinend mögen. Nachdem Sie Ihr Eis bekommen haben, gehen Sie zu Ihrem Hund und sprechen kurz mit dem anderen Hundehalter über die beiden. Es erfolgt aber keine weitere Korrektur Ihres Hundes. Sein Fehlverhalten wird also ignoriert.

Viele Hundehalter kennen genau dieses Szenario. In beiden Fällen soll der Hund ein bereits gelerntes Kommando zeigen. Auf der Sachebene hat der Hund den Rückruf gehört und weiß, dass er daraufhin zurückkommen soll. Auch das Kommando »Sitz« hat er verstanden und weiß eigentlich, dass er sitzen bleiben soll, bis Sie das Kommando wieder auflösen. Die ablenkenden Reize, in diesem Fall der andere Hund, sind aber zu interessant für Ihren Hund, als dass er in dieser Situation noch auf Sie hört. Entweder konnte Ihr Hund aufgrund von Alter oder Trainingszustand in den oben genannten Situationen die Kommandos nicht befolgen, oder aber er wollte es nicht und hat sich bewusst dazu entschieden, Ihre Anweisungen zu ignorieren.

Das Entscheidende dabei ist aber, dass sowohl das Verhalten des Hundes, als auch Ihre Reaktion darauf, sich unmittelbar auf die Beziehungsebene auswirkt – positiv wie negativ.

In den oben genannten Fällen hat Ihr Hund zum einen entschieden, dass ihm andere Dinge wichtiger sind als Sie, sein Mensch. Zum anderen hat er auch gelernt, dass es keine Konsequenzen gibt, wenn er Ihre Anweisungen ignoriert.

In solchen Fällen, in denen der Hund ein Verhalten grundsätzlich gelernt hat, aber es gerade in den entscheidenden Situationen nicht zeigt oder nicht zeigen möchte, fehlt es in der Regel an der Beziehungsarbeit zwischen Mensch und Hund.

Seien Sie konsequent

Es sind die Kleinigkeiten im alltäglichen Umgang miteinander, die große Auswirkungen auf die Beziehungsebene haben.

Im genannten Beispiel wäre es daher gut gewesen, wenn der Hundehalter seine Wünsche auch konsequent umgesetzt hätte. Das heißt konkret: Ignoriert Ihr Hund den Rückruf, dann sollten Sie zum Hund gehen, um ihn einzusammeln. Oder Sie geben ihm, beispielsweise mithilfe einer Schleppleine, das soziale Feedback, dass Sie sich nicht ignorieren lassen. Die Schleppleine fungiert hier als Ihr verlängerter Arm. So haben Sie auch aus größerer Entfernung Einfluss auf Ihren Hund.

Auch bei der Aufgabe, sicher in einem Kommando wie »Sitz« zu warten, wäre es konsequent gewesen, zum Hund hinzugehen und ihn wieder an die Stelle zu setzen, an der Sie ihn ursprünglich abgesetzt hatten. Und das direkt in dem Moment, als der Hund aufgestanden ist.

Bereits beim Sitzenbleiben für ein Foto kommen viele Hundehalter an ihre Grenzen

So lernt der Hund eine ganz entscheidende Sache, nämlich die, dass sein Hundehalter in der Lage ist, Dinge die er verlangt auch durchzusetzen. Er lernt, dass der Mensch seiner Kommunikation treu bleibt, also dass Fehlverhalten korrigiert wird. Er erhält ein direktes soziales Feedback.

Seien Sie pingelig als Hundehalter, auch in Situationen, die Sie als »nicht so schlimm« bewerten. Denn durch solche täglich ablaufenden »Kleinigkeiten« auf der Sachebene wird eine langfristig stabile Beziehungsebene geformt.

Dazu ein kleines Gedankenexperiment:

Im eben genannten Fall würden vielleicht viele Hundehalter das Aufstehen und Beschnuppern des anderen Hundes als nicht weiter schlimm ansehen.

Wie wäre es jetzt aber, wenn Ihr Hund vor einer Straße sitzt und der Hund, zu dem er hinmöchte, auf der anderen Straßenseite entlanggeht?

Stellen Sie sich vor, Ihr Hund steht auf und macht sich auf den Weg über die Straße, während Sie einen Lkw heranrauschen sehen.

In diesem Moment würden Sie wahrscheinlich alles geben, um Ihren Hund davon abzuhalten, über die Straße zu laufen. Vielleicht würden Sie schreien, rasend schnell bei Ihrem Hund sein und ihn festhalten oder für den Fall, dass Sie nicht rechtzeitig bei ihm sein können, sogar die Leine nach ihm werfen, um ihn aufzuhalten.

Was auch immer Sie tun: Es wäre Ihnen extrem wichtig, Ihren Hund aufzuhalten und ihn damit zu schützen. Sie wären schnell, konsequent und deutlich. Damit würden auch Ihr Timing und die Intensität passgenauer sein. Kurz gesagt, Sie wären in diesem Fall sehr wahrscheinlich deutlich besser in der direkten Kommunikation mit Ihrem Hund, als Sie es normalerweise sind.

Nun ist es Ihrem Hund grundsätzlich aber egal, ob dort ein anderer Hund kommt oder er dabei ist, über eine Straße zu laufen. Die Auswirkungen Ihres Handelns als Hundehalter sind für ihn immer die gleichen und beeinflussen direkt die Beziehungsebene zwischen Ihnen und Ihrem Hund. Der Hund macht die Lernerfahrung, dass der Hundehalter schnell, konsequent und deutlich reagiert und in der Lage ist, auf Dinge pingelig zu beharren, oder eben nicht.

Es dürfte jedem klar sein, dass es besser ist, solche Dinge in einer Vielzahl »unwichtiger« Situationen zu üben, als in der gefährlichen Straßensituation. Sind Sie in den »unwichtigen« Situationen immer konsequent, so wirkt sich dies auf die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Hund aus. Damit steigen die Chancen, dass Ihr Hund in der Situation an der Straße direkt beim ersten Mal auf Sie hört (siehe dazu auch hier Kapitel 4 »Kommunikation und soziale Kompetenz«).

Grundvoraussetzung für das konsequente Handeln des Menschen ist jedoch immer, dass der Hund die entsprechenden Übungen und Kommandos überhaupt gelernt hat und sie umsetzen kann. Hier sollte die Schwierigkeit im Training Schritt für Schritt angepasst werden.

Hundeerziehung ist ein Geben und Nehmen

Wer etwas verlangt, sollte auch schöne Dinge anbieten können. Es wäre toll, wenn der Mensch seinen Hund motivieren kann, wenn der Hund gerne bei seinem Menschen ist und mit ihm viele interessante Dinge erlebt. Dies bedeutet, dass der Mensch für den Hund wichtig und nicht austauschbar ist und der Hund auch freudige Aktivitäten mit seinem Menschen verbindet.

Hat der Hund allerdings immer nur Spaß mit anderen Artgenossen auf der Hundewiese und wird beim Rückruf angeleint, und es folgt wieder die »langweilige« Zeit, in der er langsam neben seinem Halter an der Leine laufen soll, kann ich so manchen Vierbeiner gut verstehen, der die schöne Zeit mit seinen Artgenossen nicht beenden will.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin absolut der Meinung, dass ein Hund auch einfach mal langsam und ohne an der Leine zu ziehen, mit seinem Halter unterwegs sein können muss. Es dreht sich nicht immer nur alles um den Hund und das An-der-Leine-Laufen muss natürlich auch funktionieren.

Allerdings sollte kein Hund dauerhaft die Erfahrung machen, dass er interessante Dinge und Spaß immer nur abseits des eigenen Halters erlebt. Das gemeinsame Miteinander mit dem Hundehalter sollte nicht nur darin bestehen, stur und stetig Kommandos zu befolgen, die für den Hund keinen Sinn ergeben.

Der Rückruf sollte freudig und positiv sein – aber auch verbindlich

Für das Beispiel mit dem Rückruf wäre es daher optimal, wenn Sie Ihrem Hund auch etwas Tolles anbieten, wenn er trotz Ablenkung zu Ihnen zurückkommt. Das kann Futter, soziales Lob, wie Streicheln oder Stimmlob, aber auch ein gemeinsames Spiel sein. Was für den Hund eine Belohnung ist, entscheidet der Hund. Hier sind die Charaktere zu unterschiedlich, um eine allgemeingültige Belohnungsform zu empfehlen. Es sollte Ihr Ziel sein, genau das für den eigenen Hund herauszufinden.

Konsequenz um jeden Preis?

Dass wir konsequent sein sollten im Umgang mit unseren Hunden, müsste nun jedem klar sein. Ich hoffe, ich konnte die Bedeutung und die Auswirkungen auf die Mensch-Hund-Beziehung bereits verdeutlichen.

Es gibt aber auch eine andere Seite der Medaille und damit verbundene Gefahren.

Stellen Sie sich bitte noch einmal das Beispiel mit den spielenden Hunden auf der Hundewiese vor. Mit dem Unterschied, dass Ihr Hund zum Zeitpunkt des Rückrufs gerade im Spiel auf dem Rücken liegt und zwei andere Hunde ihn mehr oder weniger in dieser Position festhalten. Wenn Sie jetzt »falsch« konsequent wären, etwa sauer auf Ihren Hund, weil er nicht kommt, wäre das fehl am Platz. Schauen Sie, ob Ihr Hund zu Ihnen kommen möchte, aber aufgrund der Situation dies gerade gar nicht kann. Ist das der Fall, wäre es natürlich nicht richtig, Ihren Hund für das vermeintliche Fehlverhalten zu tadeln.

Es ist wichtig zu erkennen, wann ein Hund die soziale Unterstützung seines Menschen braucht

Betrachten Sie Situationen deshalb bitte immer genau und seien Sie achtsam, was eine Bewertung des Verhaltens Ihres Hundes angeht. Stellen Sie sich innerlich die Frage, ob Ihr Hund gerade etwas nicht leisten will, oder aber ob er es gerade nicht leisten kann, weil ihn etwas davon abhält. Dies können externe Gegebenheiten sein wie im Beispiel mit den anderen Hunden, aber auch innere Emotionen wie Angst.

Dazu noch ein Beispiel aus der Praxis:

Bei einer meiner täglichen Gassirunden begegnete mir ein Mann mit seinem sichtbar verängstigten Cockerspaniel. Wahrscheinlich hat dieser einmal dramatische negative Erfahrungen gemacht und dadurch ein Trauma erlitten. Der Cockerspaniel blieb stehen, da er offensichtlich riesengroße Angst vor meinen Hunden hatte. Sein Halter ging jedoch einfach weiter und ließ seinen Hund damit im Stich. Anstatt sich dem Hund zuzuwenden, mit ihm zu kommunizieren und als soziale Stütze durch die Situation zu helfen, erhielt der Hund weder Schutz noch soziale Unterstützung durch sein Herrchen. In einer für den Hund wichtigen und beängstigenden Situation stand er nicht zu ihm, sondern ging einfach weiter.

Der Hund rannte daraufhin kreischend und im Bogen ausweichend an meinen Hunden und mir vorbei, um wieder Anschluss an seinen Halter zu finden.

Wenige Wochen später konnte ich dann die Steigerung dieses menschlichen Fehlverhaltens beobachten. Der Hund war angeleint, und der Mann kam uns mit seinem Hund entgegen. Als wir näher kamen, wechselte der Hund auf die uns abgewandte rechte Seite des Mannes. Damit schuf der Hund eine etwas größere Distanz zu uns, also dem Reiz, der ihm Angst machte. Letztlich hat der Hund hier ein richtiges und verständliches Verhalten gezeigt. Der Mann jedoch hat den Hund durch ständiges energisches Wiederholen des »Fuß«-Kommandos wieder auf seine linke Seite gebracht, sodass zwischen ihm und meinen Hunden auf dem schmalen Weg nur ein paar Zentimeter übrig blieben. Ich konnte sehen, dass der Hund dadurch immer mehr Stress bekam. Er hatte nun also mit zwei Konflikten gleichzeitig zu kämpfen. Einerseits mit seiner Angst, ausgelöst durch die Anwesenheit von meinen Hunden und mir, andererseits durch seinen Halter. Dieser für den Hund wichtige Sozialpartner, der weiter Druck auf ihn ausübte, das Kommando »Fuß« ordentlich auszuführen, anstatt ihn sozial zu unterstützen, indem er ihn beispielsweise aus der Situation herausgenommen oder den Abstand zu meinen Hunden und mir vergrößert hätte.

Stellen Sie sich vor, Sie haben vor etwas große Angst, und Ihr Partner ist deshalb wütend auf Sie und schreit Sie an. Ich glaube ich brauche hier nicht weiter auszuführen, dass das nicht nur nicht zuträglich für eine gute Beziehung zueinander ist, sondern dass das eine Beziehung sehr stark belasten und sogar zerstören kann.

An diesen Beispielen können wir deutlich sehen, wie unterschiedlich Situationen sein können und wie stark individuell angepasst man sich mit seinem Hund auf diese einstellen muss. Natürlich kann es in gewissen Situationen absolut richtig sein, penibel auf ein Kommando oder ein Verhalten des Hundes zu beharren und sich damit durchzusetzen, was die Beziehung zwischen Mensch und Hund dann deutlich verbessert.

Genauso kann es in der falschen Situation, wie ich am letzten Beispiel verdeutlicht habe, auch Gift für die Mensch-Hund-Beziehung sein.

Solche Situationen zu unterscheiden, erfordert eine gewisse Empathiefähigkeit von uns Menschen. Der Hundehalter steht zwingend in der Verantwortung zu erkennen, wann er ein Verhalten von seinem Hund verlangen kann und sich auch entsprechend durchsetzen sollte, und wann es sich um eine Situation handelt, in der der Hund etwas nicht leisten kann. In solchen Situationen sollte der Mensch seinen Hund unterstützen und ihm als wichtiger Sozialpartner beistehen.

Zwei Hunde in der direkten Kommunikation über Körpersprache

Kommunikation und soziale Kompetenz