"Auch hier?" - Sören Sieg - E-Book

"Auch hier?" E-Book

Sören Sieg

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Beschreibung

Sören Sieg hat einen ganz und gar humanistischen Anspruch: Er möchte die Menschheit vor den immergleichen blöden Fragen bewahren. Zum Glück tut er dies auf überaus unterhaltsame Art: Er hat sich in die unterschiedlichsten Situationen hineinversetzt und von Körpergröße und -gewicht über (Nicht-)Schwangerschaften, brotlose Berufswünsche bis hin zum Vegetariertum die allerschlimmsten Fragen extrem ehrlich beantwortet. Damit bewahrt er seine Leser nicht nur davor, sich vor Fremden immer wieder zum Deppen zu machen, sondern schützt sie auch vor sich selbst. Denn sein wir mal ehrlich: Wollen Sie die Wahrheit wirklich wissen, wenn Sie Ihre/n Liebste/n mal wieder fragen: "Schatz, liebst du mich eigentlich noch?"

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Seitenzahl: 194

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Sören Sieg

»AUCH HIER?«

Völlig unnütze Fragen, die Sie niemals stellen sollten,samt Antworten, die Sie niemals hören werden

Impressum

Originalausgabe

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal

Umschlagmotiv: © shutterstock

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN (E-Book): 978-3-451-80185-3

ISBN (Buch): 978-3-451-06680-1

Inhalt

WARUM SIE DIESES BUCH BRAUCHENEinleitung

WAR ICH GUT?Flirten & Beziehung

WOLLT IHR UNS NICHT MAL BESUCHEN KOMMEN?Freunde & Bekannte

HABEN SIE WAS MIT ATOMBOMBEN ZU TUN?Studium & Beruf

DARF’S EIN BISSCHEN MEHR SEIN?Kunden & Klienten

SCHLÄFT ER SCHON DURCH?Kinder & Erziehung

WO HABEN SIE NUR SO GUT DEUTSCH GELERNT?Ausländische Mitbürger

KANNST DU DEINEN NAMEN TANZEN?Exotische Minderheiten

MÜSSTE ICH SIE KENNEN?Kunst & Bühne.

SCHLÄFST DU SCHON?Die 18 allerdämlichsten Fragen

INDISKRETE BELEIDIGUNGENKurze Theorie der blöden Frage

OFFEN, SITUATIV, PERSÖNLICHDie Kunst des gelungenen Gesprächs

KURZE ZUSAMMENFASSUNG FÜR EILIGE LESER

DANKSAGUNG

Möchten Sie das absolute Gedächtnis? Was fehlt Ihnen zum Glück? Welche Probleme löst die Ehe? Wie möchten Sie gern sterben?

Fragen können wundervoll sein. So wie diese von Max Frisch. Sie können einen ins Erzählen bringen, ins Schwärmen, ins Nachdenken. Sie können ins Herz treffen und das eigene Leben verändern. Es gibt ein ganzes Universum großartiger Fragen.

Eher ungünstig ist es dagegen, einen Übergewichtigen zu fragen, ob er es schon mal mit einer Diät probiert habe. Oder sich bei einem Sizilianer zu erkundigen, ob er Mitglied der Mafia sei. Oder seinen Hautarzt zu fragen, ob diese Tabletten nicht doch irgendwie gefährlich seien. Und ob man die auch wirklich nehmen müsse. Also: Die Tabletten, die er einem gerade verschrieben hat. Was soll der Arme denn antworten? Ich liebe es einfach, wenn das Kortison Ihre Haut zerfrisst. Oder: Die Krankenkasse bezahlt mich dafür, dass ich die Medikamente mit den schlimmsten Nebenwirkungen verschreibe. Oder: Einnehmen ist nicht nötig. Es reicht, wenn die Pillen in Ihrem Schrank liegen. Wenn nur solche Antworten möglich sind, dann wissen Sie: Ich habe ein blöde Frage gestellt.

Das Unheil will es, dass die Menschheit in zwei Gruppen zerfällt: Die einen stellen unnütze Fragen. Die andern sollen sie beantworten. Hochwüchsige, Vegetarier, Schotten oder Schauspieler werden ihr Leben lang mit denselben dämlichen Fragen traktiert. Arglos. Gedankenlos. Und vollkommen ohne böse Absicht. Menschen reagieren auf erschreckende Weise gleichförmig. Und gleichförmig unsinnig:

Was studierst du? – Blockflöte. – Kann man das studieren?

Und nun kommt das Problem: Es ist die Höflichkeit. Alle diese Befragten sind zu höflich, ihrem Gegenüber zu sagen, wie oft sie exakt diese Frage heute schon gestellt bekamen und wie zerrüttet ihre Nerven schon sind. Dass sie am liebsten selbstgemalte Schilder hochhalten oder weglaufen oder dem anderen eine reinhauen würden. Nein, sie bleiben freundlich. Und geben eine vorbereitete Erklärung ab. Sie retten die Situation, indem sie die Blödheit triumphieren lassen. So wird alles immer schlimmer.

Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Es ist ein verzweifelter Versuch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ein Ort, an dem Vegetarier nicht mehr gefragt werden: Aber Fisch essen Sie doch?

Ich habe mich bei allen möglichen Menschen erkundigt, ob sie mit wiederkehrenden unnützen Fragen malträtiert werden – mit überraschendem Ergebnis. Manche kennen das Phänomen gar nicht. Lesben, Makler oder Katholiken werden äußerst selten mit dämlichen Fragen belästigt. Bei anderen ist es, als habe man den Deckel von einem Dampfkochtopf angehoben. Zwillingsmütter zum Beispiel: Stillen Sie? – Ja. – Beide?

Blöde Fragen lauern hinter jeder Ecke. Beim Bäcker. Im Hotel. Und im Ehebett. Ich fliege mit Ihnen einmal durch die Galaxie der Fettnäpfchen und helfe Ihnen, die Nerven der verschiedenen Frageopfer zu schonen: Tänzer und Türken, Schwangere und Schriftsteller, Künstler und Kletterer. Nutzen Sie die Chance. Sammeln Sie Punkte bei Ihren Mitmenschen, indem Sie sie mit einer klugen Frage überraschen. Oder einfach in Ruhe lassen. Glauben Sie, Oliver Kalkofe möchte unbedingt von Ihnen hören, wie Sie seine letzte Sendung fanden?

Es ist wunderbar, neue Menschen kennenzulernen. Und wenn Sie diese versammelten Missgriffe auslassen, haben Sie eine echte Chance dazu. Am Ende gebe ich Ihnen noch ein paar erprobte Tipps dazu. Und erkläre Ihnen, wie und woran Sie all die anderen unnützen Fragen erkennen, die ich in diesem Buch nicht behandeln konnte. Alles klar? Haben Sie mich verstanden? Hallo! Können Sie mich hören? Ich fahre gerade durch einen Tunnel … Können Sie mich noch verstehen? Sind Sie noch dran???

Das mit dem Europameister haut seit Berti Vogts einfach nicht mehr hin. Entweder verlieren wir gegen Italien oder gegen Spanien. Dafür sind wir in einer anderen Disziplin Europameister: im Flirten. Von außen mag es wie Gebrummel wirken, wie Schweigen, unhörbares In-sich-Hineinmurmeln oder besoffenes Von-der-Seite-Anrempeln. Tierforscher und Ethnologen haben aber in langjährigen Feldstudien im Pupasch, auf der Schinkenstraße und auf der AIDA, den drei beliebtesten deutschen Flirtbühnen, herausgefunden, dass deutsche Männer knallharte, jahrelang eingeübte Strategien verfolgen. Dumm nur, dass die Frauen das nicht wahrnehmen können. Vielleicht liegt es daran, dass sie währenddessen auf ihr iPhone starren. In der Liebe gibt es übrigens ein ehernes Gesetz: Wählen Sie niemals einen Partner, der einen anderen Smartphone-Typ benutzt als Sie. Das haut nicht hin. Fragen Sie als Erstes nach der genauen Gerätebezeichnung. Das ist besser als jeder Matching-Algorithmus von Parship oder Academic Partner. (Dort treffen Sie übrigens auf Susanne, 52, Dessousfachverkäuferin.)

Es ist harte Arbeit, zusammenzukommen. Danach wird es noch mehr Arbeit: Beziehungsarbeit, Gefühlsarbeit, Konfliktarbeit. Zum Glück. Lernen wir doch schon im Kleinkindalter durch Fischertechnik und Lego, dass Marx recht hatte und nur Arbeit glücklich macht. Werden bestimmte Kennziffern in der Liebesproduktion nicht erreicht, tritt der innere Controller auf den Plan und fragt unerbittlich nach: Wie lange haben wir eigentlich nicht mehr miteinander geschlafen? Ein unschlagbarer Verführungstrick. Denn auf die Frage folgt wilder, nicht enden wollender, schweißtreibender Sex. Fast immer. Manchmal geht auch der Langeweile-Airbag auf. Oder es folgt die beleidigte Gegenfrage: Undwie lange hast du mir keine Blumen mehr mitgebracht? Oder, noch gefährlicher: Wo warst du eigentlich gestern Abend noch so spät?

Fragen Sie niemals die Frau, die Sie anbaggern wollen:

AUCH HIER?

Frau mit Cocktail allein in einer Bar. Mann steht vom Tisch seines Kumpels auf und gesellt sich zu ihr.

ER (lässig): Auch hier?

SIE: Nee.

ER (erstaunt): Nein?

SIE: Nö. Ich hatte echt keinen Bock, von irgendeinem Lauchtypen von der Seite angequatscht zu werden.

ER: Ach.

SIE: Da bin ich lieber zu Hause geblieben.

ER (irritiert): Verstehe.

Sie lächelt, schweigt und schlürft an ihrem Cocktail.

ER: Na dann … bis denne!

Er geht wieder zurück zu seinem Kumpel.

ER: Irgendwie ist der Funke nicht übergesprungen.

KUMPEL: Du hättest sie fragen müssen, ob sie öfter herkommt.

ER: Meinst du?

KUMPEL: Auf hundert.

Es ist nicht einfach. Es ist wirklich nicht einfach. Zumindest, wenn man nicht aussieht wie Ryan Gosling. Umso wichtiger, dass Sie nicht mit einem Satz wie Auch hier?, Allein hier? oder Kennen wir uns? aufschlagen. Man könnte von einer tautologischen Frage sprechen. Ein Kreis ist rund, dasist eine Tautologie. Eine tautologische Frage ist irgendwie noch sinnloser. Nur aus bloßem Mitleid oder purer Verzweiflung wird die Frau überhaupt antworten. Nicht gerade schmeichelhaft für Sie.

Und hier ein paar Tipps und Tricks von Profis. Erstens: Es ist viel einfacher, Frauen in unverfänglichen Situationen anzusprechen, etwa im Öko-Supermarkt (»Ist Tofuwurst eigentlich laktosefrei?«), im Designer-Möbelladen (»Wie finden Sie dieses Kunstbüffelledersofa in mintgrün?«), in einer Galerie (»Erinnert Sie dies Bild auch an Malewitschs Weißes Quadrat auf weißem Grund? Oder eher an van Goghs Kartoffelesser?«) oder im Buchladen (»Haben Sie auch das merkwürdige Gefühl, dass Günter Grass gar nicht wirklich existiert?«). Nach meiner Erfahrung perfekt ist das Zugrestaurant: Immer überfüllt, immer schlechter Service. »Ich habe hier seit Uelzen keinen Kellner gesehen, und wir sind schon fast in Freiburg. Kann ich vielleicht einfach bei Ihnen bestellen?« Leichter kommen Sie nirgendwo ins Gespräch.

Gut, Sie wollen die Kneipe oder die Bar. Wenn Sie sehr schüchtern sind, können Sie Folgendes probieren: »Hi! Ich mache gerade eine Übung gegen meine Schüchternheit: In jeder Bar die attraktivste Frau des Abends anzusprechen. Vielen Dank, dass du mitgemacht hast.« Dann wenden Sie sich zum Gehen. Jede Zweite wird nachfragen, ob das stimmt.

Wenn Sie ziemlich selbstbewusst sind, probieren Sie es doch mit dem Trick aus A beautiful mind: »Also, wir beide wissen ja, wie es läuft: Ich spreche dich an, gebe dir ein paar Cocktails aus, wir gehen ins Kino, und dann bring ich dich nach Hause, damit wir irgendwann losknutschen. Können wir nicht beide so tun, als hätten wir das alles schon hinter uns und gleich mit dem Knutschen anfangen?«

Wenn Sie noch selbstbewusster sind, sagen Sie einfach: »Tolle Beine. Wann machen die auf?«

Okay. Ich seh’s ein. Sie sehen nicht aus wie ein Surfer, auf den Klassenfesten hat kein Mädchen mit Ihnen getanzt und selbst bei bezahltem Telefonsex legen die Frauen am anderen Ende immer gleich auf. Dann kaufen Sie sich einfach das 3-DVD-Set Flirten mit Rainer Brüderle. Belegen Sie zwei Jahre einen Single-Tanzkurs Standard-Latein, also diese merkwürdigen Tänze, die nirgendwo getanzt werden – außer in diesen Tanzkursen. Und auf dem Abtanzball in den charismatischen Sälen der Handwerkskammer bringen Sie dann Brüderles bewährten Oberhammer: »Darf ich Ihnen meine Tanzkarte geben?«

Wenn das nicht hilft, weiß ich auch nicht.

Fragen Sie niemals eine Frau mit wunderschönen, langen Haaren:

WAREN DIE IMMER SCHON SO LANG? UND MACHT DAS VIEL ARBEIT?

Ein kurzhaariger Mann und eine Frau mit sehr langen Haaren sitzen sich im Zugrestaurant gegenüber.

KURZHAARIGER MANN: Oh, was für schöne Haare.

RAPUNZEL (lächelt etwas verlegen): Danke.

KURZHAARIGER MANN: Waren die schon immer so lang?

RAPUNZEL: Klar.

KURZHAARIGER MANN: Echt?

RAPUNZEL: Schon in der Fruchtblase. Das hat meine Mutter ganz schön von innen gekitzelt.

KURZHAARIGER MANN: Äh, wie?

RAPUNZEL: Dafür war die Geburt total einfach. Die Hebamme hat mich einfach an den Haaren herausgezogen.

KURZHAARIGER MANN (irritiert): Oje. Machen die eigentlich viel Arbeit?

RAPUNZEL: Arbeit? Was meinen Sie?

KURZHAARIGER MANN: Na ja, Waschen, Kämmen … ich weiß nicht …

RAPUNZEL: Ach was. Waschen tut nicht not. Und auf Kämmen steh ich gar nicht. Ich mag diesen verfilzten Reggae-Karibik-Look.

KURZHAARIGER MANN: Karibik-Look? Aber – die sehen doch gar nicht verfilzt aus! Keine Spur!

RAPUNZEL: Ach nein?

Vielleicht erinnern Sie sich an eine Sternstunde des deutschen Fernsehens: Katja Riemann zu Gast auf dem Roten Sofa bei Hinnerk Baumgarten in der NDR-Sendung DAS!. Riemann wollte ihren Kinofilm Das Wochenende vorstellen, aber Baumgarten stellte sie mit den Worten vor: »Sie erkennen sie sofort an ihren tollen blonden Locken. Heute werden Sie sie auch mit völlig anderen Haaren sehen: Katja Riemann!« Drei Minuten später sagte er: »Und da sitzen Sie auf dem Roten Sofa, und ich bin sehr, sehr froh, muss ich Ihnen gestehen, dass Sie Ihre blonden Locken haben …«

Der Rest ist bekannt: Riemann konsterniert, Gespräch entgleitet, Shitstorm gegen Riemann, Facebook-Account geschlossen. Aber bevor jetzt alle über Katja Riemann lästern, stelle man sich die umgekehrte Situation vor: Richard David Precht sitzt auf dem Roten Sofa, um seinen neuen philosophischen Bestseller Was soll das alles? Und warum? vorzustellen, und Moderatorin Bettina Tietjen sagt: »Sie erkennen ihn sofort an seiner umwerfend erotischen Frisur: Richard David Precht!« Dabei geht mindestens die Hälfte seines Erfolgs auf seine tollen braunen Haare zurück.

Lange Haare sind ein Primärreiz. Man möchte darüber reden. Nur, die Frage »Waren die immer schon so lang?« ist etwa so intelligent wie: »Waren Sie immer schon so alt?« Es sagt nichts Gutes über ihren Durchschnitts-IQ, dass Männer so oft diese Frage stellen. Sie ist komplett sinnfrei. Die unvermeidliche Anschlussfrage »Machen die viel Arbeit?« ist kaum besser. Richtig lange Haare brauchen richtig, richtig lange, um gekämmt zu werden. Rechnen Sie mit dreimal mehr Zeit, als Sie vermuten. Es macht Spaß, es ist meditativ und erotisch, aber es dauert. 150.000 Haare hat eine Blondine durchschnittlich. Versuchen Sie mal auszurechnen, wie viele Kletten die miteinander bilden können. Und durch das bisher kaum erforschte Kämm-Paradox nimmt die Zahl der Kletten beim Kämmen nicht ab, sondern stetig zu. Deswegen ist es auch irgendwann nicht mehr meditativ und erst recht nicht erotisch: »Was machst du da? Du reißt mir alle Haare aus!«

Mögen die Haare noch so schön sein – machen Sie sich bitte klar: Es gibt nicht viel darüber zu reden. Wenn Sie damit anfangen, wird das Gespräch sehr schnell stocken und im Nichts enden. Ein Moment der Peinlichkeit, den nur wenige beim Flirten gewinnbringend nutzen können. Zweitens: Die Haare haben mit dem Rest der Frau nicht wirklich viel zu tun. Wenn nach 56 Filmen, 22 Preisen und drei CDs das Bemerkenswerteste an Katja Riemann ihre blonden Locken sein sollten, wäre es mit ihrer Schauspielkunst nicht weit her. Ich möchte das nicht ausschließen. Aber dann sollte man einfach eine bessere Schauspielerin einladen. Zum Beispiel Kate Winslet. Fragt sich nur, ob Kate Winslet sich mit Hinnerk Baumgarten unterhalten möchte.

Also, treffen Sie auf eine echte Rapunzel, dann sprechen Sie über etwas ganz anderes. (Bitte auch nicht über Rapunzel!) Und genießen Sie den Anblick. Rapunzel wird angenehm überrascht sein.

Fragen Sie niemals Ihren Mann:

SAG MAL, HAB ICH EIGENTLICH ZUGENOMMEN?

Frau und Mann im Flur, im Aufbruch begriffen. Die Frau steht vorm Spiegel und betrachtet sich besorgt von allen Seiten.

SIE: Schatz, was meinst du – hab ich eigentlich zugenommen?

ER: Du kannst das vorm Spiegel vielleicht nicht so genau erkennen, aber als objektiver Außenstehender muss ich dir sagen: Du hast ganz schön zugelegt!

SIE: Wie bitte?!

ER: Du nimmst seit Jahren zu. Das sagst du doch selbst andauernd.

SIE: Ich habe gar nichts gesagt. Ich habe gefragt!

ER: Wie ein Hefekuchen. Schlimm ist das. Alle reden schon drüber.

SIE: Da … äh … wer denn?

ER: Alle! Was glaubst du, wie viele Arbeitskollegen mich auf der Weihnachtsfeier darauf angesprochen haben?

SIE: Dass ich zu dick bin?

ER: Dick ist noch untertrieben. Metzler hat dich als fette Wachtel bezeichnet. Glüsing sprach von einer Seekuh.

SIE: Glüsing? Der ist doch selber total dick!

ER: Dick? Im Vergleich zu dir ist er geradezu unterernährt.

SIE: Machst du Scherze? ICH BRING MICH UM!!!!

Es gibt eine Konstante in meinem Leben. Ich war nur mit Frauen zusammen, die schlank waren. Aber sich für dick hielten. Und immerzu darüber reden wollten. Wie gesagt, von außen konnte man diese angebliche Leibesfülle nicht erkennen. Aber die Frauen beharrten darauf. Lange hielt ich das für fishing for compliments, aber damit lag ich falsch. Frauen haben ein drittes Auge. Daher auch ihre Vorliebe für Religion, Spiritualität und Esoterik. Sie sehen überall Dinge, die es nicht gibt. So eben auch Übergewicht bei einem BMI von 21. Uns Männern fehlt dieses Gen, dieser Blick, diese Wahrnehmungsebene komplett. Deshalb fällt es uns auch schwer, ernsthaft mit Frauen über Astrologie, Bachblüten und Pendeltechniken zu diskutieren. Zumal wir ja nachher noch Sex mit ihnen haben wollen. »So sind wohl manche Sachen, die wir getrost verlachen, weil uns’re Augen sie nicht sehn«, dichtete Matthias Claudius in Der Mond ist aufgegangen. Der Vergleich hinkt aber, weil man den (Neu-)Mond schon wenig später wieder sehen kann.

Das angebliche Übergewicht schlanker Frauen tritt schon deshalb niemals ein, weil die Frauen schon bei wenigen Gramm mehr in wochenlange Brigitte-Diäten verfallen oder sich einfach kurzerhand nur noch von linksdrehendem Joghurt und selbstgepflücktem Löwenzahn ernähren.

Hab ich eigentlich zugenommen? Es gibt darauf eigentlich nur drei Antworten. Und alle führen direkt in die Paartherapie:

1. »Nein, ich glaube nicht.« – »Du guckst überhaupt nicht hin! Ich bin dir vollkommen egal!«

2. »Ja, aber es macht mir nichts aus, du siehst trotzdem fantastisch aus.« – »Das sagst du nur so! In Wirklichkeit findest du mich potthässlich!«

3. »Woher soll ich das wissen? Guck doch einfach mal auf die Waage!« – »Sag mal, wie redest du eigentlich mit mir?«

Es hat keinen Sinn. Am besten tun Sie so, als hätten Sie Ohrstöpsel drin und die Frage gar nicht gehört. Oder Sie geben vor, Ihr Handy hätte gerade vibriert und die Uni München ruft an, um Sie auf den neuen C4-Lehrstuhl für islamistische Sexualwissenschaft zu berufen.

Tom Hodgkinson empfiehlt gegen Schmutz im Haushalt, das elektrische Licht gegen Kerzenschein auszutauschen. Ich empfehle gegen Gewichtsneurosen, die Herstellung, den Handel und den Einsatz von Personenwaagen zu ächten. Wir brauchen dringend eine dementsprechende Erweiterung der Haager Landkriegsordnung und der Genfer Menschenrechtskonvention.

Waagen machen depressiv. Depression macht dick. Dicke steigen dauernd auf die Waage. Also: Waagen machen dick. Bis wir das Verbot durchgesetzt haben, vernichten Sie einfach unauffällig alle Personenwaagen in Ihrem Umfeld.

Fragen Sie niemals nach dem Sex:

WIE BIN ICH EIGENTLICH SO ALS LIEBHABER?

Mann und Frau liegen in Löffelchenstellung nebeneinander im Bett.

ER: Und Hasi? War es schön für dich?

SIE: Wunderbar.

ER: Wunderbar?

SIE: Ja.

ER: Sag mal – wie bin ich denn eigentlich so als Liebhaber?

SIE (seufzt): Ach Schatzl.

ER: Wie, ach Schatzl?

SIE: Möchtest du’s wirklich wissen?

ER: Sonst hätte ich ja nicht gefragt!

SIE (seufzt noch mehr): Ja, der Gustl.

ER: Wer ist Gustl?

SIE: Gustl. So’n Österreicher. Mit soo starken Armen … oder der Paolo …

ER: Paolo?

SIE: Ein Brasilianer … diese süßen Locken … diese vollen Lippen … oder Ahmed …

ER: Du hattest mal was mit einem Araber?

SIE: Jordanier. Man sagt, die bestaussehendsten Männer der Welt. Bronzefarbene Haut, ebenmäßige Gesichtszüge, gerade, klare, starke Nase …

Er fasst sich irritiert an seine Nase.

ER: Aber … was hat das denn mit eben zu tun?

SIE: Na weißt du, wenn der Paolo mich geküsst hat … das war … ich weiß nicht, wie er das gemacht hat, aber …

Er rückt etwas von ihr ab, erbleicht.

SIE: Und Ahmed, der hatte eine Art, mit mir zu schlafen … und mich dabei anzusehen …

Ihm wird übel.

SIE: Und Gustl roch so gut … und was der mit seiner Zunge anstellen konnte … unerreicht …

Sie dreht sich auf den Rücken und sieht schwärmerisch zur Decke, als wäre es der Sternenhimmel.

ER (zerknirscht): Und ich? Wie bin ich denn so?

SIE (blickt ihn abrupt an, als ob sie aus einem Traum erwacht): Ach Schatzl. Möchtest du das wirklich wissen?

Das ist das Schlimme: Wir wollen es wirklich wissen. Wenige Männer werden so naiv oder eitel sein, war ich gut? zu fragen, weil die Frage nach gefühlten tausend Comedy-Nummern darüber verbrannt ist. Deshalb werden wir eine unverfängliche Variante wählen: Wie war es für dich? Wie bin ich denn so als Liebhaber? Bist du eigentlich mit mir zufrieden? Oder auch nur: Bist du eigentlich gekommen? Wir haben uns rechtschaffen Mühe gegeben und wollen deshalb nachher hören, wie gut wir waren. Nämlich sehr gut. Wenn sie schon vergisst, es von selbst zu erwähnen.

Nur ist es so: Frauen fangen meist früher an mit sexueller Aktivität, sie haben früher als wir wechselnde Partner, sie haben mehr Vergleich. Und deshalb kommen wir an dieser Stelle zur ersten Grundregel des Fragenstellens: Stellen Sie nie eine Frage, deren Antwort Sie gar nicht hören wollen. Oder deren aufrichtige Antwort dazu führt, dass unbescholtene Feuerwehrmänner monatelang nicht schlafen können, weil sie die Reste Ihres Körpers vom ICE Heinrich Böll entfernen mussten.

Gut, das ist übertrieben. Tatsache ist: Sobald Frauen anfangen, von Ex-Männern und Liebhabern zu erzählen, womöglich noch vergleichend, entsteht bei uns dieses mulmige Gefühl im Bauch. Und sehr schnell kommt der Gedanke auf: Äh, so genau wollte ich das gar nicht wissen. Keine Details! Halt, stopp, nicht weiterreden!

Sex ist in unserer Kultur zu einer Mischung aus Sport und Religion geworden. Beides wird ihm nicht gerecht. Weder führt er uns zum Heil, noch müssen wir im Bett olympische Höchstleistungen erbringen. Eigentlich reicht es vollkommen aus, wenn es für beide schön ist. Und damit könnte dieses Kapitel beendet sein.

Möglicherweise besteht die Wahrheit aber auch aus folgenden drei grausamen Sätzen:

1. Es gibt einige Männer, die verdammt gut im Bett sind.

2. Es gibt viele Männer, die nicht so gut im Bett sind.

3. Es gibt eine große statistische Wahrscheinlichkeit, dass wir selbst zu der zweiten Gruppe gehören.

Fragen Sie lieber nicht nach. Für viele Frauen ist es okay, wenn der Sex nur okay ist. Diesen Frauen ist es eh wichtiger, dass der Mann sich mit modernem Theater auskennt oder gut kochen kann oder sie zum Lachen bringt. Und vielleicht halten sie sich nebenbei noch einen Liebhaber aus der ersten Gruppe, den sie bei Fitness First kennengelernt haben.

Fragen Sie niemals Ihren Partner:

LIEBST DU MICH EIGENTLICH NOCH?

Sie und er, Mitte 40, liegen friedlich nebeneinander im Ehebett. Er liest. Sie schaut plötzlich nachdenklich ihren Mann an.

SIE: Sag mal, Bernd?

ER (ohne aufzublicken): Ja?

SIE (zögert): Liebst du mich eigentlich noch?

ER (legt das Buch beiseite, überlegt): Wie meinst du das?

SIE: Wie – wie mein ich das?

ER: Das ist natürlich eine Frage der Definition.

SIE: Definition?

ER: Also, meinst du es im Sinne von Zuneigung, im Sinne einer engen Verbundenheit, eines körperlichen Begehrens, oder im Sinne einer tiefen, leidenschaftlichen Gefühlskraft?

SIE: Ja, äh, also alles natürlich …

ER: Na ja, du weißt ja, ich bin nicht so der total überschwängliche Typ. Und natürlich mag ich dich, fühl mich dir verbunden, möchte ab und zu mit dir schlafen … aber wenn du jetzt auf diese etwas mystisch verklärte, existenzielle Passion abzielst …

SIE (erschrocken): Du liebst mich gar nicht? Bist du etwa nur der Kinder wegen bei mir geblieben?

ER (seufzt): Aber die Kinder sind uns doch beiden total wichtig!

SIE (beginnt zu weinen): Aber … wieso erfahre ich das alles erst jetzt?

ER: Du hast doch nie gefragt!

169.800 Ehen wurden 2013 geschieden. Nach durchschnittlich vierzehneinhalb Jahren. Länger halten Partner die Frage Liebst du mich eigentlich noch? einfach nicht aus. Wie viel Sinn macht es eigentlich genau, über Gefühle zu reden? Vor allem über schöne, über die schönsten Gefühle? »Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen«, so endet Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus. Die 327 Seiten davor habe ich nicht verstanden. Aber das schon.

Das Problem ist doch: Liebeserklärungen sind wie Pointen. Sie funktionieren nur als Überraschung. So wie man sich selbst nicht kitzeln kann. Natürlich kann man eine Art Beziehungstarifvertrag abschließen mit monatlicher Abgabe einer Liebeserklärung. Dann kann man sich aber auch gleich gemeinsam einsargen lassen. Gewerkschafter sind ungefähr so sexy wie Haferflocken.

Wenn der andere sich wirklich nur noch so viel Mühe gibt wie Angela Merkel mit ihren Silvesteransprachen, dann sollte man den Rat meiner Freundin Irena beherzigen: Mach dich rar. Kümmer dich um dich selbst. Mach dich glücklich! Dann kommt der andere schon von selbst angelaufen. Wenn nicht, ist es eh zu spät. Auf Befehl, aus Mitleid oder Pflichtgefühl möchte niemand geliebt werden. Das ist das Paradox der Liebe. Jeden Montag eine Liebeserklärung einzufordern, ist etwa so sinnvoll wie einen Kochkurs in England zu belegen. Englisches Wetter, englische Frauen und englische Küche sind die Grundlagen einer großen Seefahrernation.

Übrigens gibt es noch jede Menge Varianten dieser Frage, die noch viel gefährlicher sind: Findest du mich noch schön? Findest du mich noch sexy? Denkst du beim Sex an andere Frauen? Macht es dir was aus, dass ich älter geworden bin?

Wer weder lebensmüde ist noch dreist belogen werden möchte, verzichtet weise auf all diese Fragen. Wie heißt es in Saudi-Arabien? »Gut ist es, die Wahrheit zu kennen. Besser ist es, über Palmen zu sprechen.«

Fragen Sie niemals Ihre Partnerin:

WIE LANGE HABEN WIR EIGENTLICH NICHT MITEINANDER GESCHLAFEN?

Mann und Frau liegen nebeneinander im Bett. Sie liest. Er dreht Däumchen, blickt stur nach vorne.

ER: Sag mal, Schatz …

SIE (ohne aufzusehen): Mmh.

ER: Wie lange haben wir eigentlich nicht miteinander geschlafen?

SIE (liest immer noch): Ach, Mausel.

ER: Nee, sag mal.

SIE (liest immer noch): Weiß nicht. Eben noch die Seite.

ER (holt einen Kalender, blättert darin): Hier. Neun Wochen. Und drei Tage. Im Urlaub war das. Seitdem gar nicht mehr.

SIE (liest immer noch): Mmh.

ER (legt den Kalender weg, seufzt)