Auf heißer Distanz - Howard Duff - E-Book

Auf heißer Distanz E-Book

Howard Duff

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Fairchild lächelte hinter dem Tresen. Zu seiner Poststation an der Straße nach Tonopah gehörte ein Schankraum. Vor wenigen Jahren noch war Lancy hier öfter gewesen. Dann, es mochte fast sechs Jahre her sein, war er eines Tages in Richtung Süden durchgeritten und hatte seine vier Zuchtpferde dabei gehabt. Damals hatte Fairchild gewusst, dass es mit Lancys Arbeit auf der Mills Ranch vorbei sein musste. Dabei hatte Mills nie einen besseren Mann besessen. Und Fairchild hatte auch geahnt, warum Lancy seinen Boss verließ. Es hatte etwas mit langen Haaren, einem roten lockenden Mund und geschwungenen Augenbrauen zu tun. Seitdem hatte Fairchild Lancy nicht mehr gesehen. »Mann, Mann«, sagte Fairchild kopfschüttelnd. »Es darf doch nicht wahr sein, Lancy. Du hast dreißig Meilen von hier gelebt und bist nicht einmal vorbeigekommen? Lancy, ich erinnere mich an Ritte, die du einmal in diese Gegend machtest. Du kamst spät hier vorbei und …« Er verschluckte sich, denn er wusste, dass Lancy damals nicht allein gewesen war. Lancy hob den Kopf, er sah Fairchild kühl an und zuckte die Achseln. »Für vergangene Dinge gibt keiner mehr etwas«, erwiderte er gleichgültig. »Chris, gieß mir einen anständigen Kaffee auf.

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Die großen Western Classic – 70 –

Auf heißer Distanz

… zwischen Rache und Tod

Howard Duff

Fairchild lächelte hinter dem Tresen. Zu seiner Poststation an der Straße nach Tonopah gehörte ein Schankraum. Vor wenigen Jahren noch war Lancy hier öfter gewesen. Dann, es mochte fast sechs Jahre her sein, war er eines Tages in Richtung Süden durchgeritten und hatte seine vier Zuchtpferde dabei gehabt.

Damals hatte Fairchild gewusst, dass es mit Lancys Arbeit auf der Mills Ranch vorbei sein musste. Dabei hatte Mills nie einen besseren Mann besessen.

Und Fairchild hatte auch geahnt, warum Lancy seinen Boss verließ. Es hatte etwas mit langen Haaren, einem roten lockenden Mund und geschwungenen Augenbrauen zu tun.

Seitdem hatte Fairchild Lancy nicht mehr gesehen.

»Mann, Mann«, sagte Fairchild kopfschüttelnd. »Es darf doch nicht wahr sein, Lancy. Du hast dreißig Meilen von hier gelebt und bist nicht einmal vorbeigekommen? Lancy, ich erinnere mich an Ritte, die du einmal in diese Gegend machtest. Du kamst spät hier vorbei und …«

Er verschluckte sich, denn er wusste, dass Lancy damals nicht allein gewesen war. Lancy hob den Kopf, er sah Fairchild kühl an und zuckte die Achseln.

»Für vergangene Dinge gibt keiner mehr etwas«, erwiderte er gleichgültig. »Chris, gieß mir einen anständigen Kaffee auf. Das ist immer noch das beste Mittel gegen Hitze. War Pablito nicht hier?«

»No, er hielt nicht mal«, antwortete Fairchild. »Hätte mir denken können, dass du damals zu Pablito gingst. Also seid ihr Partner?«

»Nun ja, wenn man es so sehen will, sicher«, meinte Lancy trocken. »Er sagte, wenn er in fünf Tagen nicht zurück wäre, sollte ich den Wagen fertig machen und ihm am sechsten Tag nachkommen. Wir haben Vincente auf der kleinen Ranch gelassen, er kann auf unsere Pferde ein paar Wochen achten, denke ich. Kennst du Sheppard?«

»Kaum«, antwortete Fairchild. »Ich weiß nur, dass er ein alter Bursche mit einigem Mut sein soll. Und Mut hat er nötig, fürchte ich. Du kennst Mills ja am allerbesten, wie? Lancy, weißt du, wer Staffords rechte Hand auf der Ranch und an den Pferden ist?

Lewis Cromb.«

»Was sagst du da? Cromb, der Halunke, dieser Kerl, der kein Pferd ordentlich fangen kann? Chris, seit wann?«

»Seit zwei Jahren etwa. Und du hast das nicht gewusst, Lancy?«

»Was, zum Teufel, geht mich Stafford noch an«, erwiderte Lancy finster. »No, das habe ich nicht gewusst.«

Chris sah Lancy an und fragte dann:

»Du machst dir Sorgen um Pablito?«

»Sicher«, erwiderte Lancy finster, und seine Fröhlichkeit war wie weggeblasen. »Hinten hat kein Mensch Augen – ich habe jedenfalls noch keinen gesehen. Pablito könnte in eine verdammte Falle geraten sein. Darauf versteht sich Lewis Cromb. Ich bin ihm auch mal auf den Leim gegangen. Hat er Pablito etwas getan, dann hoffe ich nur, dass Pablito sein Messer schnell genug heraus gehabt hat.«

*

Lancy Todd hatte seinen Wagen im Bogen um die Stadt gelenkt.

Er hatte nicht gesehen werden wollen und war auch sicher, dass niemand ihn bemerkt hatte. Der Buschweg führte hinter dem Garten des Doc vorbei. Dort stand jetzt der Wagen, und Lancy bereits im Flur des Hauses.

Todds Rechnung war einfach. War Pablito etwas passiert, konnte er nur beim Doc sein, oder zumindest wusste dann der Doc Bescheid. Zum anderen war es unklug, sich in der Stadt sehen zu lassen. Es konnte sein, dass Cromb einige seiner Leute hier hatte. Da er auch in die Berge zog, um Pferde zu jagen, musste Cromb alles vorbereitet haben. Dazu gehörte eine angeworbene Mannschaft. Es war möglich, dass sich ein Teil der Männer in der Stadt aufhielt.

Cromb wollte mit Sicherheit am Abend nach Tonopah kommen.

»Lass dich ansehen, Lancy.«

Der Doc trat einen Schritt zurück. Er hatte auf Lancys Klopfen geöffnet und ihn zuerst einige Sekunden stumm angesehen. Jetzt schüttelte er den Kopf und meinte:

»Da sind ein paar Linien, die früher nicht da waren, Lancy. Aber sonst scheinst du dich nicht verändert zu haben.«

»Ich will es nicht hoffen«, murmelte Lancy. »Wo liegt Pablito, Doc?«

»Hinten«, antwortete Doc Rowes leise. »Lancy, sie haben ihn diese Nacht erwischt. Nun, sieh ihn dir selbst an.«

Lancy Todds Mund bildete jetzt einen schmalen Strich. Er kochte, aber er war immer ein Mann von Beherrschung gewesen und folgte dem alten Doc durch den Gang nach links. Dort gab es ein kleines Zimmer.

»Bekomme keinen Schreck, wenn du ihn siehst«, meinte Rowes vor der Zimmertür. »Ich habe ihn verpflastern müssen. Es sieht nicht gut aus, Lancy. Möchte wissen, wer das besorgt hat. Er sagt, er hätte nur ein paar Schatten gesehen.«

Er zog die Tür auf. Lancy trat ein und sah das Bett vor sich.

Der Mann unter der Decke schien kein Gesicht mehr zu haben. Über Pablitos Nase spannte sich ein Quetschpflaster, wie man es nur benutzte, wenn das Nasenbein angeknickt war. Pablitos Brauen lagen unter den nächsten Pflastern, und um seinen Kopf war ein Verband. Das Kinn sah aus, als hätte jemand versucht, mit einer Kartoffelreibe den Bartwuchs für immer zu entfernen.

»Allmächtiger«, stieß Lancy heraus. Er hatte alles erwartet, aber das nicht. »Pablito.«

Pablitos Augen öffneten und schlossen sich wieder. Der Mischling lag still. Er würde vielleicht Wochen brauchen, um wieder reiten zu können. Und das musste einem Mann wie ihm passieren, den so leicht kein Pferd abwerfen konnte.

»Pablito, schön«, krächzte er. »Hallo Lancy.«

»Großer Gott, Pablito, wie hast du das angestellt?«

»Geschlafen«, kam Pablitos Antwort. »Ich habe geschlafen, wie ein dummes Tier.«

»Dummes Tier«, murmelte Lancy. »Mann, wie konntest du ihnen so in die Falle gehen? Hast du dich gewehrt?«

»Mein Messer, es muss stecken in einem Arm.«

»Was?«

»Habe gestochen nach einem von Halunken.«

»Und wohin, in den Arm?«

»Ja, er hatte Brett. Wollte hauen auf den Kopf. Riss Messer hoch, er schlug sich selber Messer in Arm. Brüllte und ließ Brett los. Aber andere da – nicht genau gesehen.«

»Keinen erkannt?«

»No, nicht einen. Geh suchen, du findest, Lancy, finde für mich. Kann jetzt nicht, muss warten kurze Zeit.«

»Kurze Zeit? Daraus werden ein paar Wochen, Pablito, wetten? O Mann, o Mann, das hat noch gefehlt. Wie ist Sheppard?«

»Feiner Mann, alter, Lancy. Er feine Bart, reden wenig, brüllen viel.«

»Aha, er hat dir gefallen?«

»Si, sehr gut. Du helfen?«

»Ja, ich helfe ihm, wenn es sich lohnt. Wo bist du überfallen worden, Pablito?«

»Hinter Saloon in Gasse. War zusammen mit Field.«

»Was?«

»Si, er muss gesehen haben, vielleicht auch nicht.«

»Hast du das dem Sheriff erzählt?«

»No, wozu? Sheriff ist Mann von Mills, du weißt.«

»So, ist er das?«, murmelte der Doc in der Tür. »Ich bin da anderer Meinung, Lancy. He, Pablito, warum hast du nicht von Field geredet?«

»Er alter Mann, armer Mann. Warum Ärger machen für alten Mann? Meine Sache, Doc, verstehen?«

»Und wo ist er?«, erkundigte sich Lancy leise. »Doc, wenn ich ihn finde, dann redet er auch. Warst du bestimmt mit ihm zusammen, als sie dich angriffen, Pablito?«

»Sage es doch, er dabei. Wo er geblieben, Pablito weiß nicht. War an Tor von Bäckerei. Kamen heraus, waren da, aus für Pablito. Weiß nicht, wo ist geblieben alter Field.«

»In Ordnung, Pablito. Jetzt schlaf und ruhe dich aus. Ich kümmere mich schon um Field«, antwortete Lancy mit kaltem Zorn. »Ich gehe jetzt, Alter. Wenn ich wiederkomme, weiß ich mehr.«

»Du wirst finden, Pablito weiß!«

Das Halbblut schloss die Augen und lag wieder still. Leise ging Todd hinaus, sah den Doc an und fragte:

»Doc, was ist mit Field los?«

Doc Rowes ging vor ihm her in das Wohnzimmer. Er zog sich den Schreibtischhocker herum, sah Lancy nicht an und murmelte:

»Field ist fertig, Lancy. Sieh nicht so erstaunt her, ich weiß immer, was ich sage. Nach Elenas Heirat mit Stafford stellte sich heraus, dass Fields Store restlos verschuldet war. Stafford hatte ihm immer wieder Geld geliehen. Vielleicht sagt dir das einige Dinge über Elenas Verhalten. Immerhin ist es keine Kleinigkeit für ein junges Mädchen, einen sechsundzwanzig Jahre älteren Mann zu heiraten. Irgendwelche Gründe gibt es da immer, wie? Ich meine, es könnte einer ihrer Gründe gewesen sein, Lancy.«

»Ich verstehe«, sagte Lancy heiser. »Er trank seit dem Tod seiner Frau, ich weiß das, aber er nahm sich immer zusammen, wenn ich mal dort war. Und wie ist er jetzt?«

»Ein Wrack«, antwortete Doc Rowes bitter. »Er bekommt Unterstützung von Stafford, doch sie reicht nur für zwei Tage. Owen Field hat auch den Store schon seit viereinhalb Jahren nicht mehr. Angeblich soll er damals Gelder unterschlagen haben, während er den Store für Stafford leitete. Er war fast immer betrunken. Schließlich setzte Stafford einen anderen Mann in den Store. Lancy, du erkennst ihn nicht mehr – Owen Field ist nur noch ein Schatten seiner selbst.«

Lancy presste die Lippen zusammen. Er bedauerte jetzt, dass er jede Verbindung mit Tonopah absichtlich unterbrochen hatte. Er hatte sich nie mehr in die Stadt oder auch nur in ihre Nähe gewagt. Von der kleinen Ranch Pablitos war es zudem näher nach Californien als nach Tonopah. Trotz der geringen Entfernung von einem guten Tagesritt war ihm Tonopah so fern wie der gelbrote Nachtmond über Nevadas klarem Himmel gewesen.

»Ich hatte davon keine Ahnung«, erwiderte er gepresst. »Owen Field war immer ein weicher Mann, der leben wollte und leben ließ. Und ich glaubte schon, er lebte in den besten Verhältnissen bei dem Schwiegersohn.«

»Der sein Bruder sein könnte«, antwortete der Doc achselzuckend und griff nach dem Zigarrenkasten. »Lancy, entweder triffst du Owen gar nicht an, oder er ist so betrunken, dass du kein Wort aus ihm herausbringst. Geh hin, doch viel Erfolg hast du sicher nicht. Er haust in der Hütte hinter dem Storehof.«

»Wo wohnt er?«

»In der Hütte hinter dem Store, in der früher mal seine Hühner waren.«

»Doc, das ist doch unmöglich. Der Schwiegervater des reichsten Mannes in Nevada in einem Hühnerhaus?«

Doc Rowes nickte nur. Dann sagte er leise:

»Seine Tochter hatte ihn auf die Ranch geholt, nachdem er aus dem Store musste. Er sollte dort bei ihr leben, aber er ging immer wieder fort. Und wenn sie ihn suchte, fand sie ihn in seinem Hühnerhaus. Er sagte, er wollte dort bleiben. Sie nahmen ihn ein Dutzendmal wieder mit, aber er kehrte immer wieder zurück. Schließlich gab Stafford auf. Seitdem lebt Owen dort.«

Und Elena lässt das zu, dachte Lancy entsetzt, ihr eigener Vater in einem Hühnerstall. Es ist unfassbar.

Er nahm seinen Hut und setzte ihn auf. Dann trat er an die Tür und schüttelte den Kopf.

»Ich gehe hinten herum, da sieht mich keiner. Der Store liegt ja an dieser Straßenseite, das Hühnerhaus in den Büschen. Ich will Owen Field sehen. Mein Gott, wie kann ein Mann so weit kommen?«

»Frage ihn, vielleicht erfährst du es«, erwiderte der Doc finster. »Bis heute hat er es keinem erzählt. Wenn es einen armen Mann in dieser Stadt gibt, dann Owen. Ich fürchte nur, du wirst ihn voll Brandy finden.«

Lancy Todd ging hinaus. Er begriff es immer noch nicht. Nur ganz langsam spürte er, wie der kalte Zorn anstieg. Elena Field hatte den reichsten Mann geheiratet und ließ ihren Vater verkommen.

Todds Verachtung wuchs mit jedem Schritt.

*

Todd machte das einzige Fenster des kaum zwei mal drei Schritt breiten Raumes auf. Obwohl die Riegel klirrten, rührte sich Owen Field nicht. Der Alte glich einem Gespenst, das die Geisterstunde zum Verschwinden verpasst hatte und vom Tageslicht überrascht worden war.

Es roch nach Brandy in der kleinen Hütte. Überall sah Todd Flaschen liegen. Er stieg beim Rückweg zu Fields Bett über ein halbes Dutzend Flaschen hinweg. Der Alte hatte sie unter dem Bett, in jeder Ecke und selbst in einem alten, verbogenen Waschständer liegen. Neben Fields Kopf lag eine Flasche. Field schien sie im Arm zu halten wie einen Säugling. Sein unrasiertes Gesicht mit den grauen Stoppeln ähnelte einem Totenkopf.

Ohne etwas zu sagen, trat Todd neben den Eimer und hob ihn an. Das Wasser war abgestanden und lauwarm, dennoch konnte es seinen Zweck erfüllen. Todd griff nach irgendeinem Tuch. Er machte es nass und legte es dann dem Alten auf das Gesicht.

Es dauerte keine drei Minuten, dann begann Owen Field zu stöhnen. Er versuchte mit einer lahmen Bewegung das Tuch fortzuschieben, hatte aber keinen Erfolg.

Lancy Todd hielt das Tuch fest. Und während er es auf den Mund des Alten presste, sagte er scharf:

»Owen, Owen, wach auf!«

Vielleicht war es Fields Gefühl, ersticken zu müssen, vielleicht waren es auch die dicht an seinem linken Ohr gesprochenen Worte, der Alte fuhr zusammen und blinzelte.

»Wach auf, Owen«, wiederholte Todd grimmig. Es kostete ihn Anstrengung, nicht zu fluchen. Was hatten sechs Jahre aus diesem einst wohlbeleibten und gut aussehenden Mann gemacht? »Owen, ich gieße dir den ganzen Eimer Wasser über den Schädel, wenn du nicht munter wirst. Hörst du, ich hole Wasser.«

Das Wort Wasser schien wie ein Pfeil in Owen Fields Gehirn einzudringen. Field sperrte die Augen nun ganz auf und holte keuchend Luft.

Als Todd ihn am Kragen packte und aus dem Bett zog, drohte er umzufallen. Aber Lancy hielt ihn eisern fest und rüttelte ihn. Er wusste, das war die beste Methode, einen volltrunkenen Mann munter zu bekommen.

»Nein, lasst mich los, ich tue es ja, ich tue es. Ich weiß nichts, ich habe nichts gesehen, ich habe …«

Der Alte stotterte, bis Todd ihn in die Ecke getragen hatte. Dort hielt Todd den Alten mit einer Hand fest. Mit der anderen leerte er die Waschschüssel und goss den Inhalt des Eimers hinein

»Jetzt waschen wir uns«, sagte Todd heiser und tauchte den Alten mit dem Kopf voran in die Schüssel. »So ist es gut, was? Du verdammter Narr, ich habe dich immer geachtet. Und was ist aus dir geworden?«

»Aufhören, ich – er – ersticke«, gurgelte der alte Field. »Teufel, lasst mich in Ruhe, ihr Strolche. Ich habe euch doch gesagt, dass ich nicht rede. Gebt mir drei Dollar, drei Dollar für Brandy.«

»Du bekommst drei zwischen die Ohren, wenn du nicht gleich die Augen richtig aufmachst«, fauchte ihn Todd an. »Hinsetzen, Owen.«

»Lass mich doch in Ruhe, ich will ja nur trinken.«

»Owen, du sollst mich ansehen.«

Es half nichts. Der Teufel mochte wissen, wie weit Qwen Fields Gehirn bereits zerstört war Todd sah sich um, nahm dann das Bild von der Wand, das einzige in diesem Raum, und schob es Field direkt vor die Augen.

»Ich werde es zerschlagen und dann verbrennen, Owen.«

Dies schien Todd das einzige Mittel zu sein. Und er behielt recht. Alles, woran der Alte gehangen hatte, war nicht so wichtig gewesen wie seine Frau. Weiß Gott, er hatte sie mehr geliebt als etwas anderes auf der Welt. Sie war das auslösende Moment seiner Trunksucht geworden, so viel stand fest. Wäre sie nicht gestorben, hätte Owen Field immer noch der angesehene Storebesitzer sein können.

»Ich verbrenne es!«, schrie ihm Todd ins Ohr »Da, ich zerschlage es, und dann mache ich Feuer und …«

Er riss das Bild wieder weg, nahm eine Flasche und schleuderte sie gegen den Kanonenofen. Die Flasche zerbarst in tausend Stücke. Das Glas zerklirrte. Es konnte genauso gut das Glas des Bildes sein.

Kaum erklang das Klirren, als der Alte mit einem Schrei hochfuhr

»Ihr Schweine«, stieß er heraus. »Ihr Schweine, ich schlage euch tot, ich bringe euch alle um.«

Er griff nach einer der anderen Flaschen. Sein magerer, dürrer Arm schwang sie hoch. Dann wollte Field zuschlagen, Owen hielt ihn fest und stieß ihn zurück. Die Flasche flog dem Alten aus der Hand und segelte in irgendeinen Winkel.

Keuchend vor Erregung sah der Alte endlich hoch. Dann zuckten seine Lider. Vielleicht hatte er Lancy Todd mit irgendeinem anderen Mann verwechselt.

Owen Field wurde steif. In seinen Augen tauchte irgendein Licht auf. Es sah aus, als hätte Field etwas gesehen, was ihn an seine glückliche Vergangenheit erinnerten. Sein Mund öffnete und schloss sich. Er wollte etwas sagen. Seine hellen Augen zuckten. Denn sank sein Kopf auf die Brust herab. Und seine Stimme klang erstickt, als er sagte:

»Lancy Todd.«

*

»Bleib sitzen!«

Todd hatte einen Kloß im Hals. Er hatte Erschütterung bei vielen Männern gesehen, aber nicht einen so vollkommenen Zusammenbruch wie den von Owen Field erlebt. Der Alte zitterte am ganzen Leib und hielt beide Hände vor das Gesicht.

Plötzlich war es Lancy, als hätte er nie fortgehen dürfen.

Er hatte damals die Stadt Hals über Kopf verlassen. Er war auch nicht zu Owen gegangen, weil er ihn für die Verlobung seiner Tochter mit Stafford Mills verantwortlich machte. Und doch hätte Lancy wissen müssen, dass der Alte einen zu schwachen Willen hatte, um sich gegen Elena durchsetzen zu können. Der einzige Mensch, mit dem Owen Field über all seine Sorgen geredet hatte, war immer Lancy gewesen. Er hatte ihn wie seinen Sohn behandelt und oft genug bei Lancy Trost gesucht, wenn er zu sehr an seine Frau und ihren frühen Tod dachte.

Vielleicht wäre Owen Field nie so weit gesunken, wenn Lancy geblieben wäre.

»Ich – ich habe – hier – ist nicht – ich muss aufräumen. Du kannst mich – nachher besuchen, Junge.«

»Hast du Kaffee hier?«

»Kaffee – habe ich keinen.«

Großer Gott, dachte Lancy, er, ein Mann von Bildung, ein guter Mann. Und das jetzt?

Er hockte sich vor Owen auf eine Kiste und sah ihn an. Der Alte blinzelte durch die Finger und senkte den Kopf noch tiefer. Es wurde still zwischen ihnen, bis der Alte einen tiefen, heiseren Laut ausstieß und steif wurde.

»Pablito«, sagte er plötzlich erschrocken. »Da war doch etwas mit Pablito. Was hat er mir erzählt? Er sagte, er warte hier …«

»Er hat dir gesagt, dass er auf mich wartete, ja?«

»Ja. Und dann haben wir getrunken. Er war sehr freundlich, er nannte mich keinen alten Säufer.«

Owen Field lehnte sich zurück und kroch in sich zusammen. Es sah aus, als wollte er sich verstecken. Anscheinend ahnte er, dass jetzt Lancys Fragen kommen mussten.