August August, August - Pavel Kohout - E-Book

August August, August E-Book

Pavel Kohout

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Beschreibung

Der Zirkusclown August August hat einen Traum: Er möchte die acht weißen Lipizzaner dressieren. Diese Dressurnummer ist aber seit Jahren ein Privileg des Zirkusdirektors Holzknecht. Der Direktor und sein Stallmeister fühlen sich durch den dummen August in ihrer Autorität angegriffen und stellen dem Clown zahlreiche Bedingungen. Obwohl diese Bedingungen unerfüllbar zu sein scheinen, können sie August nicht abschrecken, und sein Traum überwindet alle Hindernisse. Der Direktor muss Augusts Wunsch erfüllen, und sehnsüchtig erwartet der Clown die Lipizzaner. Aber einen Trumpf hat der Direktor noch im Ärmel.-

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Pavel Kohout

August August, August

Eine Zirkusvorstellung

Aus dem Tschechischen vonLucie TaubováNeufassung 1973

Saga

Ich liebe den Zirkus, weil ich in ihm lebe.

PK 1966

Personen

Der Herr Direktor Holzknecht

Herr Stallmeister

Evelyne

August August, August

Lulu

Bumbul

August junior

Zeltmeister

Kapellmeister

Artisten,

die Zirkuskapelle,

Manegendiener und sonstiges Personal

Tiere

I

Wenn du heute abend ins Theater kommst, Liebling — festlich frisiert, und vielleicht auch festlich gestimmt — dann wirst du zuerst einmal überrascht sein bei dem Anblick, der sich dir bietet: statt der Bühne, die sonst so oft das Podium erhabener Gedanken war, findest du eine Manege, den wohlbekannten Zauberkreis, ausgestreut mit Sägespänen, von der Welt der anderen durch eine niedrige Bande getrennt — die Grenze, die nur von den Hufen der Pferde und den zerlatschten Schuhen des Clowns berührt wird. Es kann sein, daß dein Platz gar nicht im Zuschauerraum ist, sondern auf der Bühne, falls dort auch Zuschauer sitzen, damit die Illusion vollkommen ist. Wie dem auch sei — es wird nicht mehr lange dauern, und oben auf der Estrade, die in keinem Zirkus fehlen darf, über dem Entree mit dem roten Samtvorhang, wird die Zirkuskapelle erscheinen, in malerischer, goldbetreßter Livree. Die Uniformmützen werden nicht fehlen und auch nicht die großen Bierkrüge, denn der Abend ist lang, und die ausgetrockneten Kehlen wollen angefeuchtet sein. Sogleich beginnt die Musik, und du hörst gern wieder die alten Melodien von damals — so lange, bis ihr alle auf euren Plätzen sitzt, bis ihr euch an den Zirkusgeruch gewöhnt habt und eure erwartungsvolle Ungeduld kaum noch bändigen könnt. Dann ertönt der Gong, die Lichter im Saal verlöschen, die Bonbon- und Würstchenverkäufer verschwinden — ein weißer Lichtkegel richtet sich auf die Manege.

Jetzt spürst du den wohligen Schauer, Liebling, der uns alle befällt, wenn die Marschmusik einsetzt, wenn der Stallmeister in die Hände klatscht, wenn die Manegendiener — Buben noch, mit dichten Locken und weltmännischen Koteletten — im Trab die purpurrote Gardine aufziehen, damit er seinen Einzug in die Manege halten kann: der Zirkus! Urplötzlich ist er da in seiner ganzen unsterblichen Herrlichkeit, mit den Trikots, die sich um kräftige Muskeln spannen, mit glitzerndem Flitter, der den zarten Bauch freiläßt — es kommen die stämmigen Untermänner, die alle Last des Zirkus auf ihren Schultern tragen — die Kunstreiterinnen, die ihm Eleganz verleihen — die Jongleure, die seinen Raum mit dem Wirbel der Dinge erfüllen — die Trapezkünstler, denen die Höhe der Kuppel gehört — und mit denen stets ihr ewiger Partner die Manege betritt: der Tod.

Und dann, wenn sie sich alle aufgestellt haben, wenn die Atmosphäre bis zum Bersten mit Spannung geladen ist — dann bricht die Marschmusik plötzlich ab, die festliche Ouvertüre setzt ein, und durch das Spalier der Künstler erscheint in Frack und Zylinder der, durch dessen Wille der Zirkus Zirkus ist, sein Schöpfer und sein Gebieter, er — Der Herr Direktor Holzknecht. Er spricht — und die Kapelle untermalt melodramatisch seine Rede.

Direktor: Verehrteste! Ich und meine Frau,meine Tochter, meine Leute, meine Tiere —wir sind bereit! — Was wir wollen, ist einfach:Sie für ein paar Stunden von der Last des Daseins befreien!Ich seh’s Ihnen an, meine Damen und Herren,wie sehr diese Last Ihre Seele bedrückt —auch in der Garderobe wird man sie nicht los —eine schwere Last, und nicht abzuschütteln —auch nicht, wenn Sie Trost bei der Flasche suchen —auch nicht, wenn Sie nachts vor Liebe zu sterben vermeinenin den Armen Ihrer Geliebten — oder gar der eigenen Frau.Ich sehe die Gespenster,die Ihre Seelen quälen:Die Fliegen Ihrer Lügen,die Hengste Ihrer Ängste,die Mauer Ihrer Trauer –die furchtbare Last der Angst vor dem Leben —so viel stärker oft als die Angst vor dem Tod.Doch nun sind Sie hier! Und ich und meine Frau,meine Tochter, meine Leute, meine Tiere —wir sind bereit, Sie von der Last zu befreien —ganz gleich, wie teuer Sie Ihren Platz bezahlten.Wir sind der Zirkus! Von Gott erschaffen! Denn als der Herrder Träne befahl, sie solle fließen,erschrak er darüber. Und er schuf dieses Zelt,und lächelte und sprach:

Alle Es werde die Manege!Er schwingt die Peitsche, und das Melodram wird von einer trivialen Musik abgelöst. Auf dieses Zeichen geraten alle Artisten in Bewegung, Keulen und Körper fliegen duch die Luft – und es ist herrlich!Herr Direktor Holzknecht steht inmitten dieses Wirrwarrs wie die Achse, um die die Welt sich dreht.)

Direktor: Und da wir uns nun also einig sind,passen Sie auf: Die Schau beginnt!Vergessen Sie Ihre Mühen und Plagen,machen Sie den Schlips auf und auch den Kragen.Weg mit der Sorge, die Sie beschleicht —nehmen Sie Ihr Mädchen an den Arm.Bei uns lernt man Fliegen — da wird’s einem leicht —und Feuerfressen — da wird’s einem warm.Sie werden die Angst vor dem Chef verlieren,wenn Sie sehen, wie wir Löwen und Tiger dressieren —wie Rauch im Wind vergeht Ihr Ehekummernach unserer August-Nummer!Ohrenbetäubender Lärm einer Feuerwehrhupe. Die Musik verstummt, alle stehen still und blicken zum Haupteingang. Und da ist er: in riesigen Latschen und weiten Hosen, mit einem deformierten Hut, mit dicker Kartoffelnase, blutrotem Mund und zwei großen weißen Flecken um die Augen — das ist er, der unsterbliche August, von dem das Lexikon unbarmherzig sagt: « August — der traditionelle Typ des dummen Clowns, der immer den Kürzeren zieht.» — Er steckt die Hupe in die Hosentasche und schreit aus vollem Halse:

August: Herr Direktor, Herr Direktor!

Direktor: Was ist los, August?

August: Herr Direktor, darf ich Sie was fragen?

Direktor: Na frag schon, aber rasch!

August: Herr Direktor, kann man zum Herrn Direktor August sagen?

Direktor: Das kann man nicht!

August: Und Herr Direktor, kann man zum August Herr Direktor sagen?

Direktor: Das kann man . . .

August: Aha . . . dann dank ich Ihnen schön, Herr Direktor! Hahahaha!Alle beginnen zu lachen, und der Direktor kann ihm die erste Ohrfeige geben. August flüchtet kreischend und läuft hinaus.Die Musik beginnt wieder den Marsch zu spielen, und während der Herr Direktor Holzknecht seinen Prolog beendet, gruppieren sich die Artisten zum Abgang.

Direktor: Verehrteste! Ich und meine Frau,meine Tochter, meine Leute, meine Tiere —wir sind bereit! — Was wir wollen, ist einfach:Sie für ein paar Stunden von der Last des Daseins befreien,Sie entführen in ein Land, wo nichts anderes giltals unsere Kunst, die nur schön ist und heiter —ein Land ohne Herzinfarkt, ohne Zwist,wo Tränen nie traurig sind, sondern froh.Nur eines bleibt noch zu sagen. Das ist:Was Sie heute hier sehen, hat Weltniveau!Er verbeugt sich und verläßt zusammen mit Frau und Tochter, denen er galant den Arm bietet, die Manege. Sie schließen das Defilee der Artisten ab. Während die Manegendiener den roten Vorhang zuziehen und rasch mit dem Umbau beginnen, kommt der Stallmeister mit dem Mikrophon nach vorn.

Stallmeister: In unserem Programm sehen Sie eine Fülle von hervorragenden Nummern und Attraktionen. Sie sehen einen Salto Mortale, den Ihnen kein anderer Zirkus bieten kann, Sie sehen sechzehn — ich wiederhole — sechzehn Somali-Elefanten — als Höhepunkt aber sehen Sie den grandiosen Walzer, getanzt von unseren acht weißen Lipizzanern, persönlich dressiert und vorgeführt von — Herrn Direktor Holzknecht!Auf sein Zeichen beginnt die Kapelle den ergreifenden Walzer der acht weißen Lipizzaner zu spielen, um dem Publikum schon einen Vorgeschmack der ganzen Herrlichkeit zu geben.Durch die Gardine kommt August aufgeregt in die Manege gestürzt, läuft an der Manegenbande entlang und ruft ins Publikum:

August: Das ist schööön! Das ist . . . das ist . . . das ist . . . schööön!

Stallmeister: Was ist schön, August?

August: Acht weiße Lizzipaner frisieren!

Stallmeister: Du möchtest sie auch dressieren, August?

August: Das wär prima!

Stallmeister: Dann versuch’s doch.

August: Das wird prima! Er läuft freudestrahlend zur Gardine. Pferdchen — Pferdchen — putt — putt — putt!

Stallmeister: Hahahaha! Dazu müßtest du eine Pfeife haben.

August: Warum?

Stallmeister: Ohne Pfeife bringst du keine acht weißen Lipizzaner zusammen.

August: Das ist prima! Plötzlich hat er eine Pfeife und pfeift — doch er ist selbst sehr darüber erschrocken.

Stallmeister: Wo hast du die Pfeife her?

Augustzuckt die Achseln: Ich bin eben ein pfiffiger August! Pferdchen — putt, putt, putt!

Stallmeister: Da müßtest du aber auch eine Peitsche haben.

August: Warum?

Stallmeister: Ohne Peitsche kannst du keine acht weißen Lipizzaner tuschieren.

August: Das wird prima! Er gibt sich eine schallende Ohrfeige — und hat plötzlich eine Peitsche in der Hand.

Stallmeister: Wo hast du die Peitsche her?

August: Ich habe mir eine geknallt. Knallt so heftig mit der Peitsche, daß er fast das Gleichgewicht verliert.

Stallmeister: Was? — Na schön. Aber das alles genügt noch nicht.

August: Hab ich!

Stallmeister: Was hast du?

August: Zucker. Zieht ein Stück. Zucker aus der Tasche. Ohne Zucker werd’ ich von den Lizzipanern nicht liebgehabt.

Stallmeister: Nein! Weißt du, was du noch müßtest? Du müßtest der Herr Direktor werden!

August: Ich?

Stallmeister: Nur der Herr Direktor darf die acht weißen Lipizzaner dressieren.

August: Das wird prima! Mit geschlossenen Augen gibt er sich der Melodie hin, und führt im Geist seine Lizzipaner vor.

Alle: Hahahaha!

Direktorkommt freundlich lächelnd in die Manege: Was gibt es hier zu lachen?

August: Herr Direktor, Herr Direktor!

Direktor: Was ist los, August?

August: Herr Direktor, ich muß der Herr Direktor werden!

Stallmeister: Hahahaha!

Direktor: Und warum denn, August?

August: Dann darf ich die acht weißen Lizzipaner frisieren!

Stallmeister: Hahahaha!

Direktor: Und warum willst du sie dressieren, August?

August: Weil es so schööön ist!

Stallmeister: Hahahaha!

Direktor: Sie finden es nicht schön?

Stallmeister: Ich . . .? Im Gegenteil, Herr Direktor . . .!

Direktor: Wollten Sie niemals acht weiße Lipizzaner dressieren?

Stallmeister: Ich?? Herr Direktor, ich würde darauf nicht im Traum verfallen . . .

August: Aber ich bin in den Traum verfallen!

Direktor