Basketball: Die größten Legenden - Sebastian Finis - E-Book

Basketball: Die größten Legenden E-Book

Sebastian Finis

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Beschreibung

Im Vordergrund stehen die sportlichen Karrieren 20 ausgewählter NBA-Superstars aus den 1950er Jahren bis zur Gegenwart, ihre Erfolge und größten Triumphe sowie ihre Lebensgeschichten. Darüber hinaus erzählt der Autor unterhaltsame Geschichten, die weit über das Sportliche hinausgehen und auch den Menschen außerhalb des Rampenlichts beleuchten. Dazu gehören neben NBA-Meisterschaften und MVP-Ehrungen auch Kuriositäten, Skandale, Schmerz und Tragödien, Anekdoten und Legenden – zum Beispiel Dennis Rodmans Sexaffäre mit Madonna, Magic Johnsons Aids-Plädoyer, Michael Jordans Ausflug zum Baseball und dessen Golfwetten oder Kobe Bryants Hubschrauberabsturz. Interessant für alle Basketball-Spieler und Fans.

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Seitenzahl: 437

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Für Henri

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SEBASTIAN FINIS

DIE GRÖSSTEN LEGENDEN

Porträts, Geschichten und Skandale in der NBA

Basketball – Die größten Legenden

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über <https://portal.dnb.de/> abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2021 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

  Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

Druck: CPI - Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-8403-7740-2

eISBN 978-3-8403-3755-0

E-Mail: [email protected]

www.dersportverlag.de

INHALT

Einleitung

1   Stephen Curry: Der milchgesichtige Attentäter

2   LeBron James: Größer als Basketball

3   Dirk Nowitzki: Schützen-Revolutionär als Riese

4   Kobe Bryant: Die schwarze Mamba

5   Steve Nash: Nichts ist unmöglich

6   Allen Iverson: Die Antwort ist Kampf

7   Kevin Garnett: Das große Ticket

8   Shaquille O’Neal: Eine Liga für sich

9   Dennis Rodman: Vom Obdachlosen in die Hall of Fame

10 Michael Jordan: Es kann nur einen geben

11 Charles Barkley: Das Schwergewicht mit Flummisohlen

12 Hakeem Olajuwon: „The Dream“

13 Earvin „Magic“ Johnson: Einstein in kurzen Hosen und Sneakers

14 Larry Bird: Der Hinterwäldler aus French Lick

Anhang

1 Literaturverzeichnis

2 Bildnachweis

EINLEITUNG

Ein Buch über NBA-Legenden zu schreiben, gleicht einem Sonntagsbrunch mit All-you-can-eat-Buffet im Riz Carlton. Es beginnt mit großem Hunger, danach loderndem Feuer und schließlich „Ich habe Bock auf das Buchprojekt!“.

Dann hast du die Qual der Wahl. Du stehst vor dem Buffet und weißt nicht, welchen Leckerbissen du zuerst probieren sollst. Erst der Couscous-Quinoa-Salat mit Roter Beete oder gleich die warmen Schoko-Brownies mit Vanilleeis? Über wen zuerst schreiben? Körperfreak LeBron oder Moppel Charles Barkley? Und was überhaupt auf den Teller schaufeln? Auch „böses“, frittiertes Essen, die Pommes, Kroketten und Schnitzel? Auch Isiah Thomas, Bill Laimbeer und Dennis Rodman porträtieren?

Nach anderthalb Stunden und fünf Gängen zum Buffet bist du schließlich so vollgefressen wie ein Löwe nach einem Gnu. Du würdest gerne noch mehr Köstlichkeiten probieren, aber es ist einfach kein Platz mehr im Bauch. Du hast schon so viele Legenden in Stein gehauen, dass die vom Verlag vorgegebenen 300 Buchseiten erreicht sind. Was nun? Das Manuskript kürzen? Kapitel von bereits porträtierten Spielern streichen, um eine weitere Legende ins Buch aufnehmen zu können? Auch Spieler unterbringen, die noch aktiv sind, wie Curry und James?

Diesen und noch viel mehr Herausforderungen habe ich mich bei diesem Buchprojekt gestellt. Herausgekommen ist eine (lies: meine) Liste mit 14 NBA-Legenden, von denen zum Zeitpunkt des Schreibens nur zehn in der Hall of Fame sind. Wieso habe ich mich ausgerechnet für diese entschieden, obwohl doch bereits mehr als 200 Spieler in der Ruhmeshalle der NBA verewigt sind?

Meine Liste ist subjektiv, sympathiegetrieben und orientiert sich nicht daran, wie viele NBA-Titel oder individuelle Auszeichnungen und Rekorde ein Spieler erreicht hat. Bei der Auswahl war mir wichtig, nur die Spieler zu porträtieren, die ich selbst noch in ihrer aktiven Karriere spielen gesehen habe, um nicht alte Storys zu kopieren, sondern Geschichten zu erzählen, Momente zu schildern, die ich mit eigenem Auge gesehen habe als sie passiert sind.

Im Zuge des Dream Teams 1992 begann ich als Zwölfjähriger damit, intensiv die NBA zu verfolgen. Somit fehlen in meinem Buch herausragende Legenden, wie Wilt Chamberlain, Kareem Abdul-Jabbar, Bill Russell und viele andere, da sie ihre Sneakers bereits an den Nagel gehängt haben, als ich noch in die Windel gemacht oder noch gar nicht das Licht der Welt erblickt hatte.

Ich erlebte stattdessen die Hochphasen von Michael Jordan und Charles Barkley bis hin zu LeBron und Steph. Dazwischen tummelten sich eine Menge interessanter Charaktere, über die es spannende Anekdoten zu berichten gibt, wie von Rodman, Shaq, Garnett, Iverson, Nash, Kobe und Dirk. Selbst Magic und Bird, die die Ära vor Jordan prägten, habe ich noch live spielen sehen.

Große Abstriche musste ich bei meiner Auswahl aber natürlich schon machen. Meine damaligen Lieblinge Shawn Kemp und Reggie Miller, von denen ich so ziemlich jede Sammelkarte von Upper Deck bis Fleer Ultra besitze, habe ich ebenso wenig ins Buch aufgenommen, wie mein späteres Idol Vince Carter, der in vier Dekaden in der NBA aktiv war. Auch wirst du dich vielleicht fragen, warum Pippen, Duncan oder Yao Ming fehlen. Gerne hätte ich auch all die mit ins Buch genommen. Aber die Seitenzahl ist eben begrenzt.

Hier ist nun meine subjektive Liste mit den im Buch porträtierten NBA-Legenden. Die Reihenfolge habe ich asynchron nach deren Eintritt in die NBA sortiert:

1.Stephen Curry (2009)

2.LeBron James (2003)

3.Dirk Nowitzki (1998)

4.Kobe Bryant (1996)

5.Steve Nash (1996)

6.Allen Iverson (1996)

7.Kevin Garnett (1995)

8.Shaquille O’Neal (1992)

9.Dennis Rodman (1986)

10. Michael Jordan (1984)

11. Charles Barkley (1984)

12. Hakeem Olajuwon (1984)

13. Magic Johnson (1979)

14. Larry Bird (1979)

Ich habe das Buch während der Saison 2019/20 geschrieben, der mit 355 Tagen längsten und denkwürdigsten in der Geschichte der NBA. Viele Anhänger reden auch von einem „Scheißjahr“. Es begann mit Kobes Tod am 26. Januar, gefolgt von der pandemiebedingten Unterbrechung der NBA-Saison am 11. März für viereinhalb Monate. Weiter ging es mit dem zu Tode geknieten George Floyd am 25. Mai, im Zuge dessen die gesamte NBA auf soziale Gerechtigkeit aufmerksam machte.

Am 30. Juli wurde der Spielbetrieb in der „Disney Bubble“ von Orlando fortgesetzt, mit 22 Mannschaften, die in einer Halle ohne Zuschauer, unter einer gewöhnungsbedürftigen Atmosphäre für die Spieler und Fans am Bildschirm zuhause, den Meister ausspielen. Die NBA-Bubble wird als Plattform für die „Black Lives Matter“-Bewegung genutzt – von Namen auf den Spielertrikots, die durch Botschaften ersetzt werden, bis hin zu den Stars als Lautsprecher über die Medien.

Einen Monat später streiken die Spieler, nachdem mit Jacob Blake ein weiterer Schwarzer von Polizisten erschossen wurde. Bittersüß endet die Saison am 11. Oktober mit einer Meisterfeier der Los Angeles Lakers – ohne großen Jubel und Trubel. Neben Tragödien, Pandemie und Aktivismus ist nun diese Unterhaltungslektüre entstanden. Möge sie dich in einer schwierigen Phase deines Lebens motivieren und stärken. „Always turn a negative situation into a positive situation.“ (Michael Jordan)

Berlin, 29. Oktober 2020

   1   

STEPHEN CURRY: DER MILCHGESICHTIGE ATTENTÄTER

„Erfolg ist kein Unfall, Erfolg ist eine Entscheidung. Er entsteht aus Glauben, unerschütterlicher Leidenschaft und unermüdlichem Antrieb.“

Jahre:

seit 2009

Position:

Point Guard

Größe:

1,91 m

Team:

Golden State Warriors

Meisterschaften:

3 (2015, 2017-18)

MVP-Titel:

2 (2015-16)

Trikotnummer:

30

Spitzname:

Steph, Chef Curry, Baby-faced assassin

Allstar-Spiele:

6+

Hall of Fame:

noch nicht

Prime-Stats:

27,3 PPS, 5,1 RPS, 6,2 APS, 43,3 3P% (2016-19)

Madison Square Garden, New York, 27. Februar 2013. Der 24-jährige Stephen Curry dribbelt schnell wie eine Gazelle auf Speed an seinem Gegenspieler Raymond Felton vorbei – Crossover durch die Beine, Handwechsel, Dribbling hinterm Rücken und Boom – an der Dreierlinie drückt Curry kalt wie ein Sniper ab, gegen zwei Mann, vier Hände von Felton und dem zur Hilfe eilenden Tyson Chandler im Gesicht. Butterweich fällt der Ball durch den Ring, nichts als Netz. Seine Bewunderer taufen ihn „Baby-faced assassin“, den milchgesichtigen Attentäter. Kann es ein Zufall sein, dass „How to Get Away with Murder“ zu seiner Lieblingsserie werden würde?

Am Ende des Abends hat Curry elf von dreizehn Dreier gegen die New York Knicks versenkt, 85 Prozent Trefferquote von Downtown – Rekord im Madison Square Garden. Die Statistiken des Scharfschützen: 54 Punkte, 7 Assists, 6 Rebounds, 3 Steals. Kein anderer Spieler vor ihm hat jemals mehr als 50 Punkte erzielt, indem er mehr als zehn Dreier getroffen hat. Das Spiel gegen die Knicks macht den in seinem vierten NBA-Jahr spielenden Curry zu einer weltweiten Berühmtheit. Gleichzeitig leitet er den Beginn der Drei-Punkte-Ära in der NBA ein. Sie wird als „Der Steph-Effekt“ und als „Drei-Punkte-Revolution“ bezeichnet.

Stephen Curry ist für viele der größte Shooter der NBA-Geschichte! Ihm wird zugeschrieben, dass er das Basketballspiel revolutioniert hat, indem er Mannschaften auf der ganzen Welt, von der Schule bis in die NBA, inspiriert, den Dreipunktewurf regelmäßig als Waffe zu nutzen. Curry ist der Michael Jordan der Drei-Punkte-Ära. Für den Distanzwurf zeigt Curry das, was Air Jordan für den Slam Dunk geleistet hat.

Bevor Curry angefangen hat, die Lichter der NBA-Arenen auszuschießen und reihenweise Kinnladen herunterklappen zu lassen, war der Wurf hinter der 7,24 Meter entfernten Dreipunktelinie eher eine gelegentliche, besondere Art und Weise zu punkten. Natürlich hat es „Catch & Shoot“-Spieler gegeben, aber Currys Erfolg hat die Liga elektrisiert, das physische Spiel unter dem Korb aufzugeben und stattdessen das temporeiche, Räume schaffende Spiel und den „Dreier-Style“ anzunehmen.

Seit Curry lassen immer mehr NBA-Teams den Dreier als beliebte Option in ihr Angriffskonzept einfließen oder kopieren die Spielweise der Golden State Warriors. Junge Spieler eifern Curry nach, imitieren dessen Wurfreichweite. Über die Jahre hat das zu immer mehr guten Distanzschützen in der NBA geführt, während das Oldschool-Spiel in der Zone verdrängt worden ist. Allerdings hat Curry unrealistische Standards gesetzt: Denn seine Reichweite ist einzigartig!

Curry nimmt regelmäßig Würfe aus neun bis elf Metern Entfernung zum Korb und steht damit mehr als zwei bis vier Meter hinter der Dreipunktelinie. Das ist etwa so als würde man eine 1-Euro-Münze in einen Eierbecher in zwei Meter Entfernung schnipsen. Von hundert Versuchen trifft Curry 54-mal ins Loch, der Rest der Liga nur 22-mal.

Aber Curry wirft nicht einfach nur, er zaubert, er tanzt. Er macht Würfe mit elitärem Ballhandling aus dem Dribbling heraus und oft mit einem extrem schnellen Release, von überall auf dem Feld, mit einem oder mehreren Verteidigern gegen ihn.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Highschool-Coaches sich in einer Position befinden, in der sie einige Jungs auf dem Boden halten und sichergehen müssen, dass sie verstehen, am Wurf zu arbeiten. Das braucht Zeit“, erklärt Curry, der als Youngster seinen Stil nach Point Guard Steve Nash und Scharfschütze Reggie Miller modelliert hat. „Am College habe ich keine wilden Würfe genommen. Ich musste mich hocharbeiten, mich als Spieler entwickeln und beweisen, dass ich konstant aus großer Entfernung treffen kann. Und ich brauchte die Zustimmung des Trainers. Andererseits hätte ich auf der Bank gesessen.“

Während viele Kids nach Currys Fertigkeitsniveau streben, müssen Trainer bei ihren Talenten klarstellen, dass Currys Spiel auf den „Fundamentals“, also den Grundlagen, aufgebaut ist. Zudem ist Ballbewegung [lies: passen, passen, passen] der Schlüssel zum Teamerfolg, mit dem die Golden State Warriors mit „Chef Curry“ als Anführer zwischen 2015 und 2019 mit ihren fünf Finalteilnahmen in Folge den Goldstandard gesetzt haben.

Stephen Curry ist nicht nur der beste Dreipunkteschütze aller Zeiten, er ist der beste „tiefe“ Dreipunkteschütze aller Zeiten. Er bewegt sich hinter der Dreierlinie in einem immer wachsenden Bogen, versenkt Langdistanzwürfe so sauber, dass das Netz wegschnappt wie frische Wäsche durch eine Brise. Ein Highlight ist die schiere Absurdität seiner Würfe und die Quote, mit der er die am weitesten entfernten von ihnen trifft.

„Stephens Hand-Augen-Koordination ist so gut, wie ich sie noch bei niemandem zuvor gesehen habe“, sagt sein Trainer bei den Warriors, Steve Kerr, der als Spieler selbst ein hervorragender Dreipunkteschütze zu Zeiten Michael Jordans bei den Chicago Bulls war.

Curry hat gewaltige Kraft in seinen Handgelenken, um seine perfekte Wurfform beizubehalten, wenn er aus zwölf bis fünfzehn Metern abdrückt. In der Geschichte der NBA hat kein Spieler Reichweite, Vielzahl und Effizienz von der Dreipunktelinie so gut kombiniert wie Curry. Sein Schuss ist so tödlich, dass er zum effizientesten Scorer des Planeten wurde. Seine Reichweite und Effizienz hat den Spieleentwicklern von „NBA 2K“ Kopfzerbrechen verursacht, da Currys Fähigkeiten nicht auf dem Bildschirm repliziert werden können. Obwohl Curry zum Zeitpunkt des Schreibens noch als Spieler aktiv ist, ist er bereits jetzt einer der Größten aller Zeiten.

WIE ES DAZU KAM

Stephen Currys familiärer Hintergrund ebnet seine Heldentaten der Gegenwart. Sein Vater Dell ist selbst eine Legende in der NBA. In seinen 16 Profijahren, von denen er zehn bei den Charlotte Hornets verbrachte, nennt Stephens Dad immerhin den Titel „Bester sechster Mann der Liga 1994“ als größten individuellen Triumph sein Eigen und war wie der Sohn Dreipunkte-Spezialist.

Als Stephen Curry am 14. März 1988 geboren wird, spielt Vater Dell als 23-Jähriger eine Saison bei den Cleveland Cavaliers, sodass Stephen in Akron, Ohio, zur Welt kommt – übrigens im gleichen Krankenhaus wie LeBron James, der zu seinem größten Konkurrenten in den NBA-Finals werden würde. Nach nur einer Saison in Cleveland wird Curry Senior zu den Charlotte Hornets getradet, sodass Sprössling Steph in North Carolinas größten Stadt seine Kindheit verbringt.

Während heute Curry-Highlights die YouTube-Szene bestimmen, ist der Mini-Curry bereits in den 1990ern im Fernsehen zu sehen, in einer Burger-King-Werbung mit seinem Vater. In dem Werbespot fragt Stephen seinen Dad, was es braucht, um „solch ein großartiger NBA-Spieler wie du zu werden?“.

„Du musst es wirklich wollen, du musst es schmecken, du musst es riechen und du musst wirklich hungrig danach sein!“, antwortet sein Dad, worauf der kleine Stephen sagt: „Ich bin wirklich hungrig. Können wir zu Burger King gehen?“

Damals ist die NBA-Karriere von Stephen Curry noch eine Utopie. 20 Jahre später würde er seinen Vater nach nur wenigen Jahren in der NBA in allen statistischen Kategorien überholt haben – mit der Trikotnummer 30 wohlgemerkt, um seinen Dad zu ehren. Wenn man ehrlich ist, hätte Curry keinen Finger krumm machen müssen, hat er doch schon als Kind für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Dennoch lodert von Beginn an Feuer im Körper des Millionärssohns.

Seit Steph fünf Jahre alt ist, spielt er Basketball. Oft nimmt Vater Dell seine Söhne, Stephen und dessen zwei Jahre jüngeren Bruder Seth (er hat es ebenfalls in die NBA geschafft!), mit zu seinen Spielen, wo die Kids beim lockeren Einwerfen der Profis mit auf die Körbe ballern. Während ihr Wurf anfangs einer Kugelstoßbewegung ähnelt, lernt der Curry-Nachwuchs schnell das harmonische Zusammenspiel des gesamten Körpers vom Fuß bis zu den Fingerspitzen, welches beim Wurf entscheidend ist, zu verbessern. Vorbilder rennen schließlich genug über das Parkett, wie zum Beispiel Tyrone „Muggsy“ Bogues, der neun Jahre mit Dell bei den Hornets spielt. Der mit 1,60 Meter kleinste NBA-Spieler aller Zeiten wird zu Stephens Lieblingsspieler.

„Mein Vater spielte zwar zu dieser Zeit in der NBA, aber die besten Basketballspiele, an die ich mich aus meiner Kindheit erinnere, waren die zwischen meinem kleinen Bruder Seth und mir auf unserem Hinterhof-Basketballplatz in Charlotte“, berichtet Stephen Curry. „Wir spielten stundenlang, oft bis weit in den Abend hinein mit einer hellen Lampe, die auf den Platz leuchtete, bis unsere Mutter aus dem Fenster schrie, damit wir hereinkommen. Diese Spiele würden ziemlich hitzig werden, aber das war die Norm für Brüder, die so nah wie wir waren.“ 2019 würden Steph und Seth zum ersten Brüderpaar in der NBA-Historie werden, welches in den „Conference Finals“ gegeneinander antritt: Steph mit Golden State und Seth mit den Portland Trail Blazers – für beide geht damit ein Traum in Erfüllung, auch für ihre Eltern Sonya und Dell, die jedes Spiel der beiden von der Tribüne mitverfolgen. Stephen gewinnt das Bruderduell mit einer überragenden Leistung (36,5 Punkte, 8,3 Rebounds, 7,3 Assists) und die Warriors die Serie 4-0. „Das war die coolste Erfahrung, die ich je gegen ihn hatte und das auf solch einer großen Bühne“, strahlt Steph nach Spiel zwei und lobt seinen jüngeren Bruder. „Er war großartig heute. Jede Minute, die er gespielt hat, war er in der Verteidigung eine Pest, hat drei wichtige Würfe im vierten Viertel getroffen, genau zur richtigen Zeit. Für unsere Eltern ist die gesamte Serie die Hölle, weil sie uns beide den Erfolg wünschen. Aber heute hat es perfekt funktioniert: Seth hat gut gespielt und wir haben gewonnen.“

Die ganze Familie Curry ist sich sehr nah, auch in der Schule. Mutter Sonya, die nebenbei bemerkt eine herausragende Volleyballerin am College war, gründet 1995 eine christliche Montessori-Schule in Huntersville, North Carolina, als Stephen in die erste Klasse kommt. Alle drei Curry-Kinder, neben Steph und Seth auch Tochter Sydel, würden diese Schule besuchen. „Unsere Mutter war Schulleiterin, unsere Tante war unsere Lehrerin und unsere Großmutter war die Köchin“, erzählt Steph. „Mein Bruder, meine Schwester und ich waren gesegnet, so große Einflüsse in unserem Leben zu haben und ich kann ehrlich sagen, dass meine Mutter und mein Vater die Besten waren.“ Die Kinder werden christlich erzogen, besuchen jeden Mittwoch den Jugendbibelunterricht und gehen sonntags in die Kirche zum Gottesdienst.

„ER IST ETWAS BESONDERES“

„Ich wollte in die Fußstapfen meines Vaters auf das Hartholzparkett treten und hatte während meiner Highschool-Zeit Virginia Tech im Visier“, berichtet Curry über seine Zukunftspläne als Heranwachsender. „Leider waren die Hokies und andere Collegeprogramme nicht an mir interessiert.“

Es sind riesige Fußstapfen, in die Stephen Curry bei den Virginia Tech Hokies treten möchte. Sein Vater Dell ist dort eine Legende, Teil der „Hall of Fame“, zweitbester Scorer und bester Balldieb mit den meisten Steals der Schulgeschichte. Parallel zu seinen vier Jahren auf dem Basketballcourt feierte Curry Senior mit den Hokies auf dem Baseballfeld Erfolge und wurde schließlich in beiden Sportarten in die Profiligen, MLB und NBA, gedraftet.

Obwohl der Sohn die athletischen Gene seines Vaters in sich trägt, bekommt Stephen zu dessen großer Enttäuschung kein Sportstipendium von Virginia Tech angeboten. Gleiches gilt für alle anderen namhaften Collegeprogramme in den Vereinigten Staaten. Der schmächtige Körperbau der 72,5 Kilogramm schweren „Zahnlücke“ lässt die Hochschulen an der Physis des Curry-Nachwuchses zweifeln. Einzig das Davidson-College mit Bob McKillop als Cheftrainer wirbt um Curry seit er in der zehnten Klasse ist. „Der Coach erklärte seine Vision für meine Karriere bei Davidson und wie er mir helfen konnte, meine Ziele zu erreichen“, erinnert sich Curry.

Schon bevor Curry sein erstes Spiel mit den Davidson Wildcats absolviert, prognostiziert Coach McKillop: „Wartet ab, bis ihr Steph Curry seht. Er ist etwas Besonderes.” Mit der Rekrutierung von Curry beweist McKillop ein goldenes Händchen eines verkannten Talents. Curry schlägt auf dem Davidson-College ein, wie ein Punch von Muhammad Ali gegen Joe Frazier. In seinem ersten von drei Jahren wird er zweitbester Punktesammler unter allen „Freshmen“ des Landes. Einzig Kevin Durant von den Texas Longhorns, mit dem er später zwei NBA-Meisterschaften gewinnen sollte, erzielt mehr Punkte als College-Neuling.

Noch bevor Curry in seinem zweiten College-Jahr seine erwachsene Größe von 1,91 Meter erreicht, schafft er seinen ersten Dunk. Am 21. März 2008 sorgt Curry in der ersten Runde des NCAA-Turniers gegen Gonzaga für Aufsehen, als er 30 Punkte in der zweiten Halbzeit erzielt und Davidson nach einem 11-Punkte-Rückstand zum Sieg führt. Curry beendet das Spiel mit 40 Punkten und acht von zehn Dreiern – ein historischer Erfolg auch für sein College, das zuletzt 1969 einen Sieg beim NCAA-Endturnier einfahren konnte.

Zwei Tage später würde Curry dieses Kunststück wiederholen. Gegen den großen Favoriten Georgetown gelingen ihm in der zweiten Halbzeit 25 Punkte; er holt den 17-Punkte-Rückstand seines Teams im Alleingang auf und sorgt für den Comeback-Sieg des Jahres. Mit einem weiteren Erfolg gegen Wisconsin, bei dem er 33 Punkte beisteuert, führt Curry das unscheinbare Davidson-College schließlich in die „Elite 8“, der besten acht im Turnier verbliebenen Hochschulen. Am 30. März 2008 stellt Curry mit seinem 159. Dreier der Saison einen neuen Rekord auf. Drei Jahre bleibt er bei den Davidson Wildcats und beendet seine College-Karriere als Topscorer seiner Schule.

DIE NBA RUFT

Im Juni 2009 wird er an siebter Stelle von den Golden State Warriors in die NBA gedraftet. Als Rookie gelingen dem abgezockten 21-jährigen Milchbubi fünf Spiele mit mindestens 30 Punkten und 10 Assists; er zieht in dieser Statistik mit Michael Jordan gleich. Im letzten Saisonspiel gegen die Portland Trail Blazers setzt Curry noch einen drauf: 42 Punkte, 9 Rebounds, 8 Assists. Wem das auch als NBA-Neuling gelang? Oscar Robertson im Jahre 1961. Curry beendet die Saison mit 166 erfolgreichen Dreiern – die meisten aller Zeiten eines Rookies.

Und so geht die Karriere weiter. Curry entwickelt sich vom unterschätzten Hänfling zum Superstar, mit grandiosen Wurfquoten von der Freiwurflinie bis hin zum Logo. Er und sein kongenialer Partner im Backcourt, Klay Thompson, verdienen sich seit 2012 den Spitznamen „Splash Brothers“, weil sie regelmäßig gemeinsam ihre Gegner mit hagelnden Dreiern sezieren. In jener Saison bricht Curry den Rekord für die meisten Dreier in einer Saison, der bis dahin von Ray Allen gehalten wurde.

Mit der Verpflichtung von Steve Kerr als neuem Headcoach zur Saison 2014/15 spielen die Warriors ein noch schnelleres Tempo und Curry erhält mehr Freiheiten beim Wurf. Das Team entwickelt sich zu einem Titelkandidaten. Für das All-Star-Spiel im Februar erhält Curry die meisten Stimmen und gewinnt den Dreierwettbewerb. Zwei Monate später bricht er seinen eigenen Rekord mit den meisten Dreiern in einer Saison. Die Warriors beenden die Spielzeit mit 67 Siegen und nur 15 Niederlagen und Curry wird zum MVP der Liga gewählt. In der Folge trifft Curry die meisten Dreier aller Zeiten in den Playoffs und die Warriors werden zum ersten Mal seit 40 Jahren NBA-Champion.

HISTORISCHE SAISON

Im Jahr darauf können sich Curry und die Warriors sogar noch steigern. Curry wird der erste Spieler seit Michael Jordan im Jahre 1989/90, der 118 Punkte in seinen ersten drei Saisonspielen erzielt, inklusive 53 Punkte gegen die New Orleans Pelicans im dritten Spiel. Die Warriors schreiben am 24. November 2014 Geschichte, indem sie als erste Mannschaft mit 16:0-Siegen in die Saison starten. Ihren Rekordlauf können sie sogar auf 24:0-Siege bis zum 11. Dezember ausbauen. Ein paar Tage später macht Curry sein sechstes Triple Double mit 23 Punkten 14 Rebounds und 10 Assists in einem Sieg gegen die Sacramento Kings. Während des Spiels gegen die Kings wird Curry von seinem Bruder Seth zum ersten Mal in ihren NBA-Karrieren verteidigt.

Am 3. Februar trifft Curry elf Dreier (davon sieben im ersten Viertel!) und macht 51 Punkte (davon 36 in der ersten Halbzeit!) bei einem Sieg gegen die Washington Wizards. Im gleichen Monat trifft Curry gegen die Orlando Magic zehn Dreier und macht erneut 51, sein drittes 50-Punkte-Spiel der Saison. Im folgenden Spiel, nur zwei Tage später, schlagen die Warriors die Oklahoma City Thunder in Verlängerung dank eines Dreiers von Curry mit 0,6 Sekunden auf der Uhr. Curry macht 46 Punkte und sein Siegwurf ist sein zwölfter Dreier im Spiel.

Es ist keine Überraschung, dass Curry am Ende der Saison seinen eigenen Rekord mit den meisten Dreiern erneut bricht. Kein Spieler vor ihm hat jemals in der regulären Saison 300 Würfe von der Dreipunktelinie getroffen; Curry hat nach dem letzten Saisonspiel sogar 402 Dreier eingenetzt!

Sein Erfolg von Downtown zahlt sich auch für die Gemeinschaft aus. Seit 2012 spendet Curry im Kampf gegen Malaria für jeden erfolgreich verwandelten Dreipunktewurf drei mit Insektiziden behandelte Moskitonetze an die „Nothing But Nets“-Kampagne der „United Nations Foundation“.

Mit seinem Scharfschützen im Rücken werden die Warriors das erste Team in der NBA-Historie mit 73 Saisonsiegen (bei nur neun Niederlagen) und überflügeln damit den 1995-96er Chicago Bulls 72-10-Rekord. Saisonübergreifend gewinnen die Warriors 54 Heimspiele in Serie in der Oracle Arena. Mit 30,1 Punkten pro Spiel wird Curry Topscorer der Saison und noch viel bemerkenswerter: Er wird der erste einstimmig gewählte Liga-MVP! Er erhält alle 130 Stimmen von Sportjournalisten aus den USA und Kanada. Mit den Warriors erreicht Curry erneut die NBA-Finals, unterliegt jedoch dem Vorjahresfinalisten Cleveland mit 3:4, geschwächt mit einer Bänderdehnung im rechten Knie.

Wieder genesen, bricht Curry gegen New Orleans gleich in der zweiten Woche der folgenden Saison mit 13 Treffern von der Dreierlinie den NBA-Rekord mit den meisten jemals getroffenen Dreiern in einem Spiel. Eine unglaubliche Leistung mit kurioser Vorgeschichte: Drei Tage vor dem Dreierhagel wirft Curry gegen die L. A. Lakers nur 0 von 10 von der 7,24-Meter-Marke, was das Ende seines zwei Jahre andauernden Rekordlaufes von 157 Spielen in Folge mit mindestens einem Dreier pro Spiel bedeutet hat.

Durch die Playoffs 2017 fliegen die Warriors wie eine Concorde von Paris nach New York in drei Stunden. Kein Team vor ihnen hat die Playoffs mit 12:0-Siegen bestritten, dreimal haben die Warriors ihre Besen ausgepackt: Sweep! Sweep Sweep! In den Finals gegen die Cleveland Cavaliers verlieren sie nur einmal. Es ist der zweite Titel in drei Jahren. Neu mit an Bord des schnellsten Passagierflugzeugs der Welt ist Superstar Kevin Durant.

Die Warriors-Organisation weiß aber, wer ihr Franchise-Player ist: Stephen Curry. Im Sommer unterschreibt er eine Vertragsverlängerung über fünf Jahre und 201 Millionen US-Dollar. Curry ist damit der erste Spieler in der NBA-Geschichte, der einen „Supermax“-Vertrag im Wert von über 200 Millionen Dollar erhält. Curry ist sein Geld wert. Er führt die Warriors zum vierten Mal in Folge bis in die NBA-Finals und zum vierten Mal in Folge heißt der Gegner Cleveland Cavaliers. 4:0 fegen die Warriors LeBron & Co. in die Schaufel, am Ende sind die Spiele nicht einmal knapp. MVP der Finalserie wird aber nicht Curry, sondern Durant. Viele meinen die Auszeichnung hätte andersherum ausfallen sollen. „Am Ende des Tages lasse ich nicht eine MVP-Trophäe meine Karriere definieren“, gönnt Curry Durant den Award. „Drei Titel … Wo auch immer uns das in der Konversation in der Geschichte der NBA hinstellt … Ich bin dreifacher Champion!“ Und das in vier Jahren. Eine Golden-State-Dynastie, die mit Stephen Curry begonnen hat …

DER ULTIMATIVE EINMALIGE

Es gibt nur acht Spieler, die drei NBA-Titel und zwei Liga-MVP-Awards gewonnen haben. Die Liste liest sich wie das absolute Who’s who der NBA-Geschichte: Kareem. Russell. MJ. Magic. Bird. Duncan. LeBron. Selbst Fans, die das Gegenteil von Hardcore sind, brauchen ihre vollen Namen nicht, um zu wissen, um wen es sich handelt – auch nicht für den letzten in der Liste: Steph.

„Er ist schon jetzt einer der Größten aller Zeiten“, sagt Steve Nash, der ebenfalls zweimal in Folge den MVP-Titel gewinnen konnte, im Jahr 2018 als Curry erst 30 Jahre alt ist. „Er ist der ultimative Einmalige. Er ist die Evolution des Basketballs. Es hat sich vor unseren Augen entwickelt.“

Curry ist sehr beliebt, vor allem unter jungen Fans, aber er genießt nicht den Respekt, den jemand mit seiner Statur von 84 Kilogramm auf 1,91 Meter verlangen sollte. Es gibt viele Beispiele, aber um eines hervorzuheben: Der Gegenwind, der ihm ins Gesicht bläst, als er 2016 der erste einstimmige MVP, der „Wertvollste Spieler der Saison“, wird. Gary Payton sagte dazu, es sei respektlos gegenüber Größen wie Michael Jordan. Tracy McGrady findet, das sei ein Zeichen dafür, dass die Liga verwässert. Finalgegner LeBron James unterstützt Currys Triumph, stellt aber die Bedeutung „wertvoll“ in Frage.

„Es gibt Staubschichten auf seinem Platz im Zeitgeist“, weiß Nash. „Die Leute assoziieren ihn nicht mit Größe, weil er das Spiel nicht physisch dominiert. Er tanzt. Dafür zahlt er eine Steuer. Er zahlt eine Steuer für seine großartigen Teamkollegen.“

Currys Platz in der Geschichte hat zwei wichtige Säulen, von denen eine unbestreitbar und die andere in Grau gehüllt ist. Er wird allgemein als der größte Schütze anerkannt und seine Brillanz hat einen Weg gefunden, die Form des Basketballparketts zu verändern. Mit Curry haben sich einige der Grundlagen des Spieles geändert. „Wilt Chamberlain, Kareem und die großartigen Bigmen wie Russell haben das Spiel von innen verändert. Steph hat das Spiel von außen verändert“, sagt Jack McCallum, Autor des Buches „Golden Days“. „Er ist ein wandelndes Stück Geschichte. Aber es gibt immer noch einen gewissen Widerstand gegen ihn.“

Curry hat Kevin Durant bereitwillig einen Sitzplatz in der ersten Reihe der Achterbahnfahrt der Warriors in eine Dynastie angeboten. Er hat sein Wort gehalten, Platz für einen weiteren Superstar im Team zu machen, sich zu beugen. Dieser Akt und die Fähigkeit, dabei weiter zu brillieren, sind für Currys Status genauso wichtig, wie all die Würfe aus neun Metern Entfernung. In gewisser Hinsicht ist das genauso historisch.

„Seine Bereitschaft, sich für KD zu opfern, ist eine der großen Geschichten in der NBA-Historie“, sagt der sechsfache Champion Scottie Pippen. „Wenn du einen Verstand für das Spiel hast, weißt du, dass es Opfer braucht, um groß zu sein. Alle Größen müssen etwas opfern. Sonst kannst du nicht gewinnen. Wenn Jordan den Ball in seine Hände bekommen hat, hat er den Korb attackiert und gepunktet. Er hat gewonnen, indem er scort. Für mich hat das bedeutet, nicht so viel werfen zu können. Aber ich glaube, nicht das hat meiner Größe im Wege gestanden. Steph gibt seinen Platz für KD auf. Aber das macht ihn nicht weniger großartig. Er sollte als einer der besten Guards, die das Spiel je gesehen hat, betrachtet werden.“

Curry wird dafür kritisiert, keine Finals-MVP-Trophäe zu haben. Er wird dafür kritisiert, kein großer Verteidiger zu sein. Er wird dafür kritisiert, Basketball mit einem Lächeln zu spielen. „Er spielt mit Freude, er trainiert mit Freude, aber er hat eine starke, ernsthafte Wettbewerbsfähigkeit“, sagt Nash. „Er ist ein Gelehrter.“

Stephen Curry ist vieles. Er ist der beste Schütze in der Geschichte des Basketballs, hat das Spiel verändert, Center eliminiert. Er ist der einzige einstimmige MVP, hält den Rekord für die meisten Siege in der regulären Saison und er ist auch die Seele der letzten Dynastie in der NBA.

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LEBRON JAMES: GRÖSSER ALS BASKETBALL

„Träume, als ob du ewig leben würdest und lebe, als würdest du heute sterben.“

Jahre:

seit 2003

Position:

Point Forward

Größe:

2,06 m

Teams:

Cleveland Cavaliers (2003-10, 2014-18), Miami Heat (2010-14), Los Angeles Lakers (ab 2018)

Meisterschaften:

4 (2012-13, 2016, 2020)

MVP-Titel:

4 (2009-10, 2012-13)

Trikotnummer:

23 (Cleveland, Los Angeles), 6 (Miami)

Spitznamen:

King James, LBJ, The Chosen One, Bron-Bron, L-Train, The Akron Hammer

Allstar-Spiele:

16+

Hall of Fame:

noch nicht

Prime-Stats:

28,5 PPS, 7,5 RPS, 7,0 APS, 50,2 FW% (2006-13)

Walt Disney World Resort in Orlando, Florida, 12. Oktober 2020. LeBron James ist der Bubble-König! Nach 100 Tagen isoliert wie bei Big Brother platzt die Blase in Disney World mit den Los Angeles Lakers als NBA-Champion und King James als deren Anführer. Mit zwei goldglänzenden Pokalen im Arm führt der nun viermalige Meister und Finals-MVP auf dem Parkett ein Freudentänzchen auf.

Längst sind die Errungenschaften und Rekorde von James dicker als ein Dickens-Roman. Ein Beispiel auf Seite 723 in „Große Erwartungen“: Er ist der erste Spieler, der mit drei verschiedenen Mannschaften Meister und Finals-MVP werden konnte (2012 & 2013 mit Miami, 2016 mit Cleveland, 2020 mit Los Angeles) und er hat mehr Playoff-Spiele und -Minuten auf dem Buckel als jeder andere Akteur vor ihm – wohlgemerkt mit 35 Jahren noch weit vom Karriereende entfernt.

Vergleiche mit Michael Jordan machen die Runde wie Corona beim Après-Ski in Ichgl. Wer ist „der Größte aller Zeiten“? Jordan hat bei seinen sechs Finalteilnahmen sechs Meisterschaften geholt und die Liga mit den Chicago Bulls in den 1990er-Jahren dominiert. James dagegen prägt die NBA bereits über einen viel längeren Zeitraum – mit seinen zehn Finalteilnahmen kann Jordan nicht mithalten. Auch auf James‘ 260 Spiele in den Playoffs kommt Jordan nicht ansatzweise.

Und eine weitere James-Statistik stellt His Airness in den Schatten: 500 Punkte, 150 Rebounds und 150 Assists in den Playoffs – sechsmal hat das LeBron James in der entscheidenden Saisonphase geschafft und damit seine Vielseitigkeit unter Beweis gestellt. Dem einzigen Spieler in der Geschichte, dem diese Statistik zumindest einmal gelang, war Larry Bird in den Playoffs 1987. James hat das wie gesagt sechsmal vollbracht!

Während Jordan in seiner Ära als unkaputtbare Punktemaschine und mit seinem Killerinstinkt brilliert hat, dominiert James mit seinen Allroundqualitäten und als mannschaftsdienlicher Spieler. LBJ oder MJ – für viele Fans und Profis in der NBA ist die Debatte um den größten Basketballer der Geschichte eine Glaubensfrage, die sich angeregt debattieren, aber nicht abschließend beantworten lässt.

Seit James seine vierte Meisterschaft gewonnen hat, ist die Debatte jedoch heißer als die Glut des Playoff-Runs der Miami Heat. Für James‘ Coach bei den Los Angeles Lakers, Frank Vogel, steht nach seinem ersten Titel mit den Lakers fest: „Er ist der größte Spieler, den das Basketball-Universum jemals gesehen hat.“ LeBrons Co-Star Anthony Davis kommt bei der Frage derweil ins Schlingern. „Ich bin aus Chicago, also liebe ich Jordan. Es ist schwierig, ihn zu schlagen. Man muss Fakten schaffen. Aber LeBron hat mit diesem Titel definitiv ein weiteres Argument auf seine Seite gebracht.“ Ähnlich sieht es NBA-Legende Magic Johnson, mit dem James aufgrund seiner Spielübersicht zu Beginn seiner Karriere verglichen wurde. „LeBron James ist auf einem guten Weg“, würdigt Magic, der seinerzeit als Gesicht der Liga von Jordan enterbt wurde. „Wenn er noch eine Meisterschaft gewinnt, also seinen fünften Titel holt, werden Michael und er auf einer Ebene sein.“

Der Protagonist selbst hält sich bei der Beurteilung seines Legendenstatus‘ zurück: „Das ist keine Frage oder Debatte für mich“, blockt James den Hype. „Ich habe einfach meine Art und Weise wie ich spiele und wie ich ein Team anführe. Wir nennen das Barbershop-Talk.“ Klatsch und Tratsch, während der Bart vom Barbier frisiert wird … „Wer der beste Basketballer aller Zeiten ist, könnt ihr diskutieren. Ihr wisst, wie sehr ich Michael Jordan liebe. Wegen ihm trage ich die Nummer 23. Als ich mein erstes Paar Jordans bekommen habe, war ich überglücklich. Ihr könnt also diese Debatten selbst führen.“

Während in Skype-Videocalls, bei Twitter & Co. über James und Jordan diskutiert wird, liegt LeBron nach drei kräftezehrenden Monaten in der Bubble von Orlando und dem Gewinn seiner vierten Meisterschaft mit sich zufrieden, mit Zigarre im Mund und aufgesetzter Skibrille zum Schutz vor Champagner-Duschen auf dem Boden und telefoniert mit seiner Mutter Gloria. „Nach alldem, was du durchgemacht hast und was ich gesehen habe, gibt es nichts, was mich aufhalten kann“, teilt er ihr via Face-Time mit. „Ich hoffe, ich mache dich weiter stolz, Mom.“

„ICH HABE DROGEN, WAFFEN UND TÖTUNGEN GESEHEN“

Gloria James wuchs mit ihrer Großmutter, ihrer Mutter, zwei Brüdern und, wie sie sagt „jedem anderen, der eine Bleibe brauchte“ in einer Wohnung in Akron, Ohio auf. Sie ist 16 Jahre alt, als sie LeBron am 30. Dezember 1984 zur Welt bringt. LeBrons leiblicher Vater Anthony McClelland ist ein ehemaliger Häftling mit einem umfangreichen Vorstrafenregister, der kein Interesse daran hat, ein Elternteil zu sein, geschweige denn Unterhaltszahlungen zu leisten.

Glorias Großmutter stirbt im folgenden Jahr, ihre Mutter sechs Monate später. Allein muss sie sich nun um ihren Sohn und ihre beiden Brüder kümmern. „Das, was ich durchgemacht habe, wünsche ich niemandem, nicht meinem schlimmsten Feind“, sagt sie. Das häusliche Leben der Familie James ist chaotisch und oft ein Kampf.

Gloria ringt während eines Großteils von LeBrons Kindheit mit persönlichen Problemen. Sie tingelt zwischen Einzelhandels- und Buchhaltungsjobs, ist aber nicht in der Lage, einen festen Job zu finden. Sie und LeBron ziehen von Wohnung zu Wohnung. LeBron hat davon gesprochen, dass er sechsmal in einem Jahr umziehen musste. Mutter und Sohn lernen alle versickernden Viertel von Akron kennen, einer Stadt mit mehr als 200.000 Einwohnern, die weniger als eine Stunde südlich von Cleveland liegt.

Trotz ihrer Mängel arbeitet Gloria hart daran, eine liebevolle Mutter zu sein und LeBron vor der Armut und Gewalt auf den Straßen zu schützen. Das ist keine leichte Aufgabe und manchmal ist die Wahl ihrer Freunde rätselhaft. Als LeBron zwei Jahre alt ist, beginnt sie eine Beziehung mit Eddie Jackson, einem Konzertveranstalter, der 1990 wegen Kokainhandels im Knast landen würde. Trotzdem baut LeBron eine Verbindung zu Jackson auf, sagt „Papa“ zu ihm, und Gloria mag es, einen Mann um sich zu haben, der bereit ist, als Vaterfigur zu dienen.

Schon früh zeigt LeBron enorme Instinkte für Basketball. Gloria schenkt ihm einen Miniatur-Korb und -Ball als er ein Kleinkind ist und LeBron amüsiert sich stundenlang mit dem Spielzeug. LeBron hat auch die Gene, die notwendig sind, um ein gut gebauter Athlet zu werden. Mutter Gloria misst zwar nur 1,65 Meter, aber sie hat Verwandte, die viel größer sind.

Die Strapazen des nomadischen Lebensstils der Familie James fordern ihren Tribut als LeBron in die Grundschule kommt. Beschämt von seinem Zuhause, tut er sich schwer, Freunde zu finden und sich auf die Schule zu konzentrieren. Er findet einen Ausweg für seine Emotionen im Sport. Basketball und American Football sind seine Favoriten.

Als Achtjähriger verpasst LeBron 100 von 162 Schultagen. „Ich habe Drogen, Waffen und Tötungen gesehen; es war verrückt“, sagt er. Während ihr Sohn aufwächst, zeigen Gerichtsakten in Akron, dass Gloria damit beschäftigt ist, ein Vorstrafenregister zu sammeln: Missachtung des Gerichtes, Ruhestörung, unerlaubtes Betreten eines Grundstückes. Insgesamt sieben Tage verbringt sie im Gefängnis. „Es gab nie Drogen“, sagt sie zu ihrer Verteidigung.

DIE NEUE FAMILIE

LeBron entwickelt sich derweil zu einem hervorragenden Athleten. Neben seiner natürlichen Schnelligkeit und Kraft findet er sich auf dem Basketballcourt und Footballfeld zurecht wie kein anderer seines Alters. Sein Held ist Michael Jordan und er gestaltet sein Spiel nach dem seines Idols. LeBron mag es, zum Korb zu ziehen und Sprungwürfe zu nehmen, aber er hat vor allem ganz besondere Freude daran, den Basketball an seine Teamkollegen zu verteilen.

Im American Football spielt LeBron in der Regel Receiver, also Passempfänger. In seinen ersten sechs Spielen gelingen ihm 19 Touchdowns. Sein Coach ist Frankie Walker, ein Mann der bald einen tiefen Einfluss auf sein Leben haben würde. Am Ende des Schuljahres erfährt Walker, dass sein junger Star, der nun ein Viertklässler ist, regelmäßig in der Schule fehlt. Um ein Haar schmeißt LeBron alles hin. Damit konfrontiert er Gloria, die zugibt, dass ihr Sohn ein stabileres Wohnumfeld guttäte. Die beiden Erwachsenen einigen sich darauf, dass LeBron zu Walker und seiner Familie zieht.

LeBron gewöhnt sich schnell an seine neue Umgebung. Walker und seine Frau Pam haben drei Kinder, Chanelle, Frankie Jr. und Tanesha. Jeder im Haushalt, einschließlich LeBron, bekommt eine tägliche Hausarbeit zugewiesen. Die Struktur wirkt Wunder. Als Fünftklässler erhält LeBron eine Anwesenheitsauszeichnung seiner Schule. „Mein Leben hat sich verändert“, erinnert sich LeBron. „Ich hatte einen Unterschlupf und genug zu essen. Ich werde nie vergessen, was die Walkers für mich getan haben, besonders Frank. Er bekommt nicht die Anerkennung, die er verdient, weil er sehr zurückhaltend ist, aber er war der Erste, der mir einen Basketball gab und der Erste, der ein echtes Interesse zeigte.“

Walker wirkt sich positiv auf LeBrons Basketballspiel aus. Unter anderem bringt er dem Jugendlichen bei, wie man mit der linken Hand wirft. Walker sagt, dass es unmittelbar offensichtlich war, dass sein Pflegesohn sportliches Talent hat. „Das erste Mal, dass ich ihm einen Basketball gab, war in meinem Hinterhof“, blickt Walker zurück. „LeBron hat nie zuvor richtig gespielt, abgesehen davon, herumzutollen. Ich habe ihn gegen meinen Sohn Frank Eins-gegen-eins spielen lassen. Frank hat ihn geschlagen, aber ich konnte sehen, dass LeBron etwas Besonderes hatte.“ Schon bald lässt Walker LeBron organisierten Basketball spielen. „Seine Gabe ist, dass du ihm etwas beibringen kannst und er das neu Gelernte, nach ein-, zweimal zeigen, schnell umsetzen kann. Bei anderen Kindern dauert es viel länger. Das ist sein Geschenk.“ Das und seine Ballhandling-Skills, sein Basketball-IQ, seine Stärke und Größe.

Nach 18 Monaten nimmt Gloria LeBron zurück. Doch als finanzielle Probleme auftreten, kehrt LeBron zu den Walkers zurück. Schließlich erarbeiten sie eine Vereinbarung, um Gloria zu helfen, ihre Miete zu bezahlen. Walker und seine Frau wollen sicherstellen, dass LeBron immer einen Platz in der Gegend von Akron hat, die er sein Zuhause nennen kann.

Seine Freundschaft mit Frankie Jr. ist für LeBron ein weiteres Plus, mit den Walkers zu leben. Die beiden spielen mit vier anderen Jungs – Dru Joyce III, Sian Cotton, Willie McGee und Romeo Travis. Zusammen formen sie ein großartiges Team auf dem Basketballfeld. LeBron und Dru, die Point Guard spielen, werden enge Freunde. Als LeBron zwölf Jahre alt ist, verbringt er den Großteil des Sommers mit der Joyce-Familie.

DIE FABELHAFTEN FÜNF

Es dauert nicht lange, bis LeBron und seine Crew sich in Akron herumsprechen und Anerkennung erlangen. Sie entwickeln eine besondere Chemie zueinander. Auf dem Feld ist LeBron seinen Freunden haushoch überlegen. In der achten Klasse ist er 1,83 Meter groß, kann auf allen fünf Positionen spielen und hat einen sechsten Sinn für das Spiel.

„Es gab Kinder aus dem ganzen Land und er war bei weitem der beste Spieler“, erinnert sich LeBrons Coach Dru Joyce Sr., der Vater seines Freundes, an ein nationales U14-Turnier in Florida 1999. „Er hat absolut dominiert.“ Mindestens eine internationale Sportagentur streckt bereits jetzt ihre Fühler nach dem Basketball-Wunderkind aus, das in Akron in aller Munde ist.

Zu diesem Zeitpunkt treffen LeBron, Joyce, Cotton, McGee und Travis – die selbsternannten „Fab Five“ (dt. die „fabelhaften Fünf“) eine Entscheidung. Sie sehen sich als Gesamtpaket und versprechen sich, ihre Basketballkarrieren gemeinsam fortzusetzen. Das Quintett geht ab der neunten Klasse auf die Saint Vincent-Saint Mary High School (SVSM), einer privaten Gemeindeschule in Downtown Akron. SVSM, die vor allem für ihre traditionelle akademische Exzellenz bekannt ist, ist dabei ein neues Vermächtnis aufzubauen, mit einem vorangehenden LeBron.

Im Dezember 1999 bestreitet LeBron sein erstes Spiel für SVSM und erzielt 15 Punkte. Innerhalb von drei Monaten führt er seine Schule zur Staatsmeisterschaft in Ohio – nicht schlecht für eine kleine katholische Institution mit wenig basketballerischer Erfolgsgeschichte. Im nächsten Jahr wiederholt LeBron, jetzt ein 1,98 Meter großer 14-Jähriger – mehr Mann als Junge – den Triumph mit einer zweiten Staatsmeisterschaft vor 17.000 Zuschauern im Finale. Er wird im März 2001 zu Ohios „Mr. Basketball“ ernannt.

In diesem Sommer wird LeBron mit mehreren NBA-Spielern nach Chicago eingeladen, um an Trainingsspielen mit seinem Held Michael Jordan teilzunehmen, der sich auf seine Rückkehr zum Sport vorbereitet. Die Erfahrung lehrt LeBron, dass er mit den besten mithalten kann. Es wird gemunkelt, dass LeBron seinen Namen auf die Liste des NBA-Draft stellen würde, bis klar wird, dass kein Spieler ausgewählt werden kann, solange er nicht die Highschool abgeschlossen hat.

Der millionenschwere Vertrag müsste noch ein Jahr warten, obwohl ihm als Entschädigung das nächstbeste zugesprochen wird: das Titelbild von Amerikas größtem und besten Sportmagazin Sports Illustrated. „The Chosen One“, kündigt die Titelzeile an, „Der Auserwählte“. Der Artikel im Innenteil beginnt mit einer Beschreibung eines Treffens zwischen dem Teenager LeBron und Jordan. „Der Moment fühlt sich aufgeladen an, sogar ein wenig historisch“, heißt es darin und stellt sogar einen Vergleich mit Präsidenten der USA an. „Erinnern Sie sich an das Foto des Teenagers Bill Clinton mit JFK?“

DIE LEBRON-INDUSTRIE

Der Hype um den Schüler kennt keine Grenzen mehr. Ein Kamerateam des Sportsenders ESPN verfolgt jeden Schritt von LeBron. Er wird nicht mehr nur mit Jordan, sondern aufgrund seiner Passfähigkeiten auch mit Magic Johnson verglichen. Im Basketballmagazin SLAM bekommt der 16-Jährige eine eigene Kolumne. Michael Jordan lädt ihn zu einem exklusiven Training ein.

NBA-Teams und Werbepartner scharren mit den Hufen wie „Frederik der Große“ mit einer Überdosis Hüttrauch. Nike und Adidas sind in einem erbitterten Kampf um LeBrons Unterschrift. Berichten zufolge könnte das endgültige Angebot 20 Millionen US-Dollar erreichen. Nach den Regularien der Schulbehörde darf LeBron jedoch keine Geschenke über 100 Dollar annehmen, geschweige denn Geld fürs Basketballspielen. Die Regeln verbieten aber nicht, dass andere Kapital aus ihm schlagen können. LeBrons Mutter Gloria, die ihr Leben lang Geldsorgen hat, nutzt die Gelegenheit. Sie tauscht LeBron-Erinnerungsstücke gegen den Einlass in die örtliche Bingohalle ein. Menschen versteigern auf Ebay LeBron-Artikel von Autogrammen ab 100 Dollar bis hin zu SVSM-Trikots für 185 Dollar.

Das wirkliche Geld wird mit der „LeBron-Industrie“ jedoch woanders gemacht, im „Pay-per-View-Fernsehen“: Die Heimspiele der SVSM Fighting Irish werden in 14 Ohio-Countys übertragen, für acht Dollar pro Spiel, sowie im Kabelfernsehen. ESPN verzeichnet die zweithöchste Zuschauerzahl aller Zeiten, wenn es ein SVSM-Spiel landesweit ausstrahlt, erreicht 1,67 Millionen Haushalte und generiert Millionen mit Werbeeinnahmen.

Um die Ticketnachfrage zu decken, werden die SVSM-Heimspiele in der Arena der University of Akron mit 5.700 Sitzplätzen ausgetragen. Zur Einordnung: Der Deutsche Meister 2019 FC Bayern Basketball hatte weniger Zuschauer im Schnitt! Und wir reden hier nicht von ausgefeiltem Profisport, sondern unbelecktem Amateur-Schulsport. Selbst NBA-Stars wie Kobe Bryant oder Shaquille O‘Neal sind bei Spielen vor Ort, um das nationale Basketball-Phänomen LeBron, die Kreuzung aus MJ und Magic, live zu sehen. Viele Monate bevor LeBron einen Cent für sein Basketballspiel verdient, wird er von allen Seiten hofiert wie ein NBA-Superstar.

In den Vereinigten Staaten gibt es 100.000 Highschools. 25.000 haben ein Basketballteam. Jedes Team hat 15 Spieler im Kader, was bedeutet, dass es 375.000 Schüler gibt, die jedes Jahr organisierten Basketball spielen. Davon werden 3.600 gut genug sein, um vier Jahre eine kostenlose Ausbildung zu genießen, die mit einem College-Basketball-Stipendium einhergeht. Aber für eine kleine Minderheit ist das College nur eine Station auf dem Weg zum größeren Preis: ein Platz in der NBA, Amerikas Profiliga. Rund 50 Kinder, die heute spielen, können damit rechnen, eine anständige Karriere als Profi machen zu können. Von diesen 50 werden möglicherweise zehn All-Stars – eine ausgewählte Gruppe von Athleten, die ihre eigenen Signature-Schuhe haben, für alkoholfreie Getränke werben und sich in ein Leben zurückziehen, das sich wie ein langer, fauler Sommer in der Dominikanischen Republik anfühlt. Und dann gibt es „The One“, den Highschool-Basketballer dieser Generation, der zu einer kulturellen Ikone wird: LeBron James.

„DER AUSERWÄHLTE“

Dass der 18-Jährige LeBron direkt von der Highschool in die NBA gehen wird, ist so klar wie das Meerwasser auf Bora Bora. Der NBA-Draft 2003 wird bekannt als die „LeBron Lottery“. Die Cleveland Cavaliers gewinnen das große Los mit dem ersten Pick. „Der Auserwählte“ soll der Retter der Franchise werden. Noch ist „The Chosen One“ nicht einmal alt genug, um auf seiner eigenen Draft-Party einen Drink zu ordern.

Wegen LeBron stehen die ehemals miesen Cavaliers gleich 13 Mal im Sendeplan der nationalen TV-Anstalten. Alle sehen die seltene Kombination aus Point-Guard-Skills und muskelbepackter Athletik, die ihn zum Magic Johnson der WWW.-Generation machen. Es ist sein Trikot, das sich die Kids zum Preis von bis zu 400 Dollar kaufen und es so zum zweitbeliebtesten der Liga (nach Jordans) machen. Und es ist LeBron, den Nike, Sprite und Upper Deck für 90, 12 bzw. 6 Millionen Dollar unter Vertrag nehmen.

Den fetten Schuhvertrag, die Werbespots, den Hype, das Talent, das Geld, den Hummer von General Motors, die Autogrammjäger, die Medienmeute – schon vor seinem ersten Spiel als Profi hat LeBron all das, was im NBA-Alltag die Stars von den Rollenspielern unterscheidet. Er ist das neue Gesicht der NBA, bevor klar wird, für welchen Verein er überhaupt spielen würde.

Alles hängt davon ab, wie LeBron mit seinem neuen Superstar-Dasein und den riesigen Erwartungen umgeht – und mit einem Medienhype, neben dem Yao Mings Rookiesaison wie ein entspanntes Schaumbad bei Kerzenlicht aussieht. Der aufsehenerregende Hype um seine Person gehört zu ihm, seit er sich rasieren muss. Eigentlich kann LeBron in der NBA nur verlieren.

Allen Unkenrufen zum Trotz hält LeBron dem Erfolgsdruck stand. Nicht nur, dass er mit Führungsqualitäten überzeugt, Rückschläge steckt er weg wie Kleingeld. „Er hat einen Airball geworfen, ihm wurde in die Fresse gedunkt, doch es hat ihn kein bisschen aus dem Spiel gebracht“, zeigt sich Gegenspieler Sean Colson nach der ersten Begegnung mit James beeindruckt. „Das ist ungewöhnlich für einen Rookie. Das zeigt seine Charakterstärke.“

Neben seinem Allroundspiel mit Punkten, Rebounds und Assists sind die Reife und Disziplin des 18-Jährigen mindestens genauso beeindruckend. Denn er hat den amerikanischen Traum im Zeitraffer gelebt. Innerhalb weniger Jahre wurde aus einem kleinen Jungen, der mit seiner Mutter von Wohnung zu Wohnung zog, ein Multimillionär.

Sein NBA-Körper ist kein Zufall, sondern das Resultat langer Stunden im Kraftraum, eingeschoben zwischen Training, Interviews und Hausaufgaben. Noch kein Highschooler vor ihm war körperlich so bereit für die NBA wie James. Mit seinen 2,03 Meter und 108 Kilogramm sieht er schon mit 18 aus wie ein gestandener Power Forward. Dass einer mit solchen körperlichen Merkmalen und frisch von der Highschool kommend als Rookie den Job als Point Guard übernimmt, ist einzigartig.

Was LeBron ebenfalls einmalig macht, ist jedoch nicht nur sein Körper und sein Game, sondern die Umstände, unter denen er lebt, spielt, trainiert. Jeder will ein Stück vom King. Er hat Medienanfragen und Sponsorentermine wie kein anderer NBA-Profi. James hat den Hype gesehen und überlebt und er spielt trotz Erfolgsdruck angesichts riesiger Erwartungen eine Fabelsaison.

„Ich dachte, die Erwartungen an ihn wären so riesig, dass er sie im Leben nicht erfüllen könnte“, sagt selbst Liga-Boss David Stern. Wer schon als Highschooler von Magazin-Titelseiten der ganzen Welt ins Gesicht lächelt, wer schon vor dem ersten NBA-Korbleger von „King“ über „Messias“ bis „Next MJ“ jeden Ehrentitel hört, der kann eigentlich nur scheitern. Und doch hat James gewonnen. „Ich lag wohl falsch“, schiebt Stern nach.

Weder Kobe Bryant, Tracy McGrady, Al Harrington oder Kevin Garnett, die wie LeBron den direkten Weg von der Highschool in die NBA gegangen sind, können mit den Statistiken von James mithalten. James schockt die NBA in seiner ersten Saison mit 20,9 Punkten, 5,5 Rebounds und 5,9 Assists – die kompletteste Rookiesaison seit Michael Jordan – und der war drei Jahre auf dem College und demnach drei Jahre älter. LeBrons Repertoire ist größer als Paris Hiltons begehbarer Kleiderschrank. Er ist der jüngste Spieler, der je die 40-Punkte-Marke knackte. Die ganze Stadt Cleveland profitiert von ihrem neuen Superstar und dem „LeBron-Effekt“.

LeBron geht oft und gern in die Zone. Sein erster Schritt ist in dieser Sparte das Beste, was die Welt zu bieten hat. Seine Kombination aus Geschwindigkeit und Kraft erlaubt es ihm, Kontakt mit dem Gegenspieler aufzunehmen, während er trotzdem per Dunk oder Leger zum Erfolg kommt. Lediglich der Schuss aus der Ferne ist von allen Offensivwaffen in James‘ Arsenal die schwächste.

Schon im dritten NBA-Jahr überbietet der König die 30-Punkte-Marke im Saisondurchschnitt (31,4) und wird Zweiter des MVP-Votings (hinter Steve Nash). Ein Jahr später führt er seine Cavaliers bis ins NBA-Finale – im Conference-Finale gegen Detroit liegt Cleveland bereits 0-2 zurück, gleicht aus und übernimmt in Spiel fünf die Führung dank der 48 Punkte von LBJ – 25 davon in Serie, also ohne dass ein Teamkollege gepunktet hätte.

„THE DECISION“

„Ich habe mich entschieden, meine Talente nach South Beach zu tragen.“ Mit diesen Worten verabschiedet sich der frisch gekürte MVP LeBron James im Sommer 2010 in einer inszenierten Fernsehansprache nach sieben Jahren in Cleveland und wechselt zu den Miami Heat – bekannt als „The Decision“, die Entscheidung. James begründet seinen Wechsel damit, dass Gewinnen das Einzige für ihn wäre, was zählen würde, und er in Miami die besten Chancen sähe, die Meisterschaft zu holen.

Was folgt, ist ein Shitstorm, der sein Image verwüstet wie Hurrikan Katrina den US-Staat Louisiana. LeBron James ist in Cleveland verhasst, doch auch überall sonst wegen des schlechten Stils seines Abganges. Cavalier-Trikots mit der Nummer 23 werden auf den Straßen verbrannt. Häme, Spott und Hasstiraden prasseln auf ihn ein. Er wird zum meist verabscheuten Athleten in Amerika. Selbst NBA-Legenden wie Michael Jordan und Magic Johnson kritisieren sein würdeloses Fortgehen, statt als „The Man“ mit Cleveland die Championship zu gewinnen.

„Während meiner ersten sieben Jahre in der NBA war ich immer der Beliebte“, sagt LeBron in Retrospektive. „Auf der anderen Seite zu sein, sie nennen es die dunkle Seite oder den Bösewicht, war eine enorme Herausforderung für mich. Es war eine Situation, in der ich mich nie zuvor befunden haben. Ich habe lange gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Es hat sich nicht gut angefühlt. Der Hass hat mich im Grunde zu jemandem gemacht, der ich nicht war. Wenn du hörst, auf einmal der ‚Bösewicht‘ zu sein, musst du jetzt der Bösewicht sein. Und ich fing an, mich darauf einzulassen. Ich fing an, das Basketballspiel auf einem Level zu spielen oder in einem Geisteszustand, in dem ich noch nie zuvor gespielt hatte. Wütend! So spiele ich eigentlich nicht Basketball.“

In Miami bildet LeBron zusammen mit seinen Kumpels Dwyane Wade und Chris Bosh zwei weitere Top5-Draftpicks des Jahrgangs 2003, die „Big Three“. Auf der Willkommensparty prophezeit James den Heat-Fans eine neue Dynastie und mehrere Meisterschaften, was auf dem Rest des Kontinentes mit Argwohn empfangen wird.

James sollte nicht ganz recht behalten, zumindest nicht so großspurig, wie er es angekündigt hat. Zwar erreicht das Superteam der Miami Heat viermal in Folge die NBA-Finals (den ersten Anlauf verliert er gegen Dirk Nowitzki und die Dallas Mavericks), aber es springen nur zwei Meisterschaften dabei heraus. Von einer Dynastie kann hier keine Rede sein. Dennoch überzeugt LeBron auf dem Parkett als bester Spieler der gesamten Liga und gibt seinen Zweiflern wenig Futter.

DIE RÜCKKEHR DES KÖNIGS