Bella Figura - Yasmina Reza - E-Book

Bella Figura E-Book

Yasmina Reza

0,0

Beschreibung

Boris will mit seiner heimlichen Geliebten einen erotischen Abend in einem abgelegenen Hotel verbringen. Dann aber fährt er beim Zurücksetzen eine alte Dame an, die hier Geburtstag feiert – die Schwiegermutter der besten Freundin seiner Frau. Alle Beteiligten versuchen jetzt Bella Figura zu machen, doch das misslingt auf tragisch-groteske Weise. In ihrem jüngsten Stück zeigt sich Yasmina Reza wieder als "die große Paar-Dramatikerin, die witzigste, die wir haben" (Gerhard Stadelmaier, FAZ). Thomas Ostermeier und Florian Borchmeyer, Regisseur und Dramaturg an der Schaubühne in Berlin, haben das Schauspiel bühnenwirksam ins Deutsche übertragen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 70

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über das Buch

Boris will mit seiner heimlichen Geliebten einen erotischen Abend in einem abgelegenen Hotel verbringen. Dann aber fährt er beim Zurücksetzen eine alte Dame an, die hier Geburtstag feiert — die Schwiegermutter der besten Freundin seiner Frau. Alle Beteiligten versuchen jetzt Bella Figura zu machen, doch das misslingt auf tragisch-groteske Weise. In ihrem jüngsten Stück zeigt sich Yasmina Reza wieder als »die große Paar-Dramatikerin, die witzigste, die wir haben« (Gerhard Stadelmaier, FAZ). Thomas Ostermeier und Florian Borchmeyer, Regisseur und Dramaturg an der Schaubühne in Berlin, haben das Schauspiel bühnenwirksam ins Deutsche übertragen.

Yasmina Reza

Bella Figura

Schauspiel

Aus dem Französischen von Thomas Ostermeier und Florian Borchmeyer

Carl Hanser Verlag

ANDREA

BORIS AMETTE

FRANÇOISE HIRT

ERIC BLUM

YVONNE BLUM (Mutter von Eric)

(Die ersten vier sind zwischen 40 und 45)

Im Text sind die nötigen Pausen und Momente des Schweigens oder der Verlegenheit nicht immer angegeben.

Genau diese rhythmischen Wechsel sind das Entscheidende.

I

Ein Frühlingsabend. Es ist noch hell.

Der Parkplatz eines Restaurants (das man nicht sieht).

Ein Mann, stehend.

Ein Auto mit offener Beifahrertür.

Die Beine einer Frau gucken heraus.

Sie zündet sich eine Zigarette an.

Bevor der Mann spricht, kann ein bisschen Zeit vergehen.

BORIS: … Oder wir nehmen ein Zimmer im Ibis und vögeln gleich … Wär mir ohnehin lieber.

ANDREA: Im Ibis …!

BORIS: Oder sonstwo! … (kleine Pause) Es wäre besser, wenn du im Auto nicht rauchen würdest.

Andrea inhaliert den Rauch und bläst ihn geflissentlich ins Auto, vorne wie hinten.

BORIS: Also, was machen wir?

ANDREA: Mir egal …

BORIS: Bleiben wir hier, fahren wir? Was machen wir, Andrea?

ANDREA: Antworte mir: Findest du es normal, mit mir in ein Lokal zu gehen, das dir deine Frau empfohlen hat?

BORIS: Sie hat es mir nicht empfohlen, sie hat nur gesagt, es ist angenehm und das Essen ist gut.

ANDREA: Das ist dasselbe.

BORIS: Nein …!

ANDREA: (Sie steigt gemächlich aus dem Auto.) Und mit wem hättest du da hingehen sollen?

BORIS: Mit niemand Bestimmtem. Mit Kunden.

ANDREA: Du hast deine Frau nach einem Lokal gefragt und wusstest, dass du mit mir da hingehen wirst.

BORIS: Ich habe sie nicht gefragt. Wir haben darüber geredet. Was ist denn da dabei?

ANDREA: Wenn du mir ein Tuch schenken willst, fragst du sie dann auch, in welchem Geschäft du es kaufen sollst?

BORIS: Das hat doch nichts miteinander zu tun.

ANDREA: Das ist genau dasselbe.

BORIS: Andrea, ich mach mir die Mühe und lad dich zum Essen ein …

ANDREA: Du machst dir die Mühe? …

BORIS: So habe ich das nicht gemeint …

ANDREA: Du machst dir die Mühe, mich zum Essen einzuladen?!

BORIS: Ich mach mir die Mühe, ja, die Mühe, Zeit dafür zu finden. Du wirfst mir immer vor, dich nur noch zu treffen, um mit dir ins Bett zu gehen, oder dich bestenfalls in einer genau abgetimten Mittagspause unterzubringen, das muss ich mir ständig anhören. Ich habe ein Essen arrangiert, und zwar in einer Situation, die sehr schwierig ist für mich, wo ich mich geradezu verrenken muss …

ANDREA: Man erweist mir die Gnade, mit mir essen zu gehen. Ich bin so undankbar!

BORIS: Ich will nicht, dass du dich bedankst, nur dass du dich ein bisschen freust …

ANDREA: Ich dreh durch vor Glück.

BORIS: Gehen wir woanders hin? Wo willst du hin? …

ANDREA: Begreifst du nicht, wie unangenehm für mich allein schon die Tatsache ist, dass deine Frau in etwas verwickelt ist, das nur dich und mich angeht, dass ihr Urteil auf ein Vergnügen Einfluss nimmt, das wir beide allein genießen wollen?

BORIS: Begreife ich schon, begreif ich schon. Aber ich finde, du übertreibst.

ANDREA: Und woher kennt sie das Restaurant? Geht sie da mit ihrem Liebhaber hin?

BORIS: Sehr witzig.

ANDREA: Weiß sie, dass du heute Abend hier bist?

BORIS: Nein.

ANDREA: Was hast du ihr denn erzählt, wo du heute Abend bist?

BORIS: Hör auf zu rauchen.

ANDREA: Warum?

BORIS: Du rauchst zu viel.

ANDREA: Ich mag das, wenn du dir Sorgen machst. Vielleicht rauche ich so viel, damit du dir Sorgen machst.

BORIS: Tue ich auch.

ANDREA: Vielleicht mache ich alles bis zum Exzess, damit sich jemand Sorgen macht.

BORIS: Ich mache mir Sorgen.

ANDREA: Nicht ernsthaft.

BORIS: Doch.

ANDREA: Nein.

BORIS: Andrea. Was machen wir jetzt? Schau, es ist doch nicht schlecht hier! Schön gelegen, es gibt Bäume. Wir essen auf einer hübschen Terrasse zu Abend. Lass uns ein bisschen Spaß haben. Wir lachen doch sonst gern, wir beide.

ANDREA: Gefällt dir mein Rock?

BORIS: Super.

ANDREA: Nicht zu kurz?

BORIS: Nein.

ANDREA: Meine Tochter findet ihn zu kurz.

BORIS: Die hat keine Ahnung. Kinder haben keinen Geschmack.

ANDREA: Sie will, dass ich wie eine Dame aussehe.

BORIS: Darum mach dir mal keine Sorgen. Küss mich.

ANDREA: Nein.

BORIS: Küss mich. (Er schnappt sie; sie küssen sich mehr oder weniger.)

ANDREA: Ich hab mich so auf heute Abend gefreut.

BORIS: Ich mich auch.

ANDREA: Ich mach ihn nicht kaputt. Was hast du ihr gesagt, wo du heute Abend bist? …

BORIS: Müssen wir darüber jetzt reden?

ANDREA: Was hast du ihr gesagt?

BORIS: Nichts.

ANDREA: Fragt sie nicht, wo du hingehst?

BORIS: Sie ist in Valenciennes.

ANDREA: Sie ist in Valenciennes! Na klar. Ich bin so doof.

BORIS: Du machst mich fertig.

ANDREA: Es ist alles so vorhersehbar.

BORIS: Ich bin jetzt nicht in der Stimmung für so einen Schwachsinn.

ANDREA: Also haben wir die ganze Nacht?

BORIS: Nein.

ANDREA: Ach so? Warum nicht? Warum haben wir nicht die ganze Nacht, wenn deine Frau in Valenciennes ist?

BORIS: Weil das nicht geht. Das weißt du genau.

ANDREA: Ach ja? Und warum geht das nicht?

BORIS: Weil ich kein freier Mann bin. Ich bin ein Mann mit Familie, mit Verpflichtungen. Wie schaffst du’s eigentlich immer, die schönsten Momente kaputt zu machen?

ANDREA: Die Mücken machen sich gerade über mich her!

BORIS: Im Handschuhfach ist so ein Sprühding.

Andrea nimmt das Spray im Auto. Sie sprüht sich ein.

BORIS: Sprühst du mich auch ein.

Sie sprüht ihn an, zielt aufs Gesicht und …

BORIS: Bist du bescheuert? … Du hast mir voll ins Auge gesprüht, Andrea!

ANDREA: Ach Quatsch … Habe ich dir eigentlich erzählt, dass ich mit einem Kollegen aus der Apotheke die Nacht verbracht habe?

BORIS: Ach ja? …

ANDREA: Kann sein, dass ich sexsüchtig werde. Als Ersatz für das Codein-Paralazol.

BORIS: Codein-Paralazol? Ist das neu?

ANDREA: Es kickt mich.

BORIS: Du willst mich heute Abend fertigmachen.

ANDREA: Die Macht hätte ich gern.

BORIS: Wo kommt auf einmal dieser Kollege her?

ANDREA: Ist einfach nur ein Kollege.

BORIS: Und wie kommt es, dass du in seinem Bett landest?

ANDREA: Die Formulierung gefällt mir.

BORIS: Das hat mir heute Abend noch gefehlt.

ANDREA: Hätte ich es dir lieber nicht erzählen sollen?

BORIS: Wie alt?

ANDREA: Sechsundzwanzig …

BORIS: Sechsundzwanzig! … Und hast du … hast du vor, wieder mit ihm …

ANDREA: Wer weiß?

BORIS: Wie soll ich jetzt darauf reagieren? Den modernen Mann geben und eure ekelhafte Emanzipation feiern? …

ANDREA: Boris! … Endlich ein nettes Wort! …

BORIS: Du hast mein Auge kaputtgemacht mit dem Zeug.

ANDREA: Lass sehen … ein bisschen rot … Ich hab Augentropfen in der Handtasche.

BORIS: Nein, lass mich in Ruhe … Sechsundzwanzig. Steht der auf Ältere?

ANDREA: Schon möglich.

BORIS: Der ist also für ihn, dieser Schlampen-Fummel?

ANDREA: Eben hast du noch gesagt, er gefällt dir.

BORIS: Ich kann nicht mehr.

ANDREA: Kommt das nuttig rüber?

BORIS: Ein bisschen.

ANDREA: Also, gehen wir jetzt in den Laden? … Bleiben wir die ganze Nacht auf dem Parkplatz oder essen wir was?

BORIS: Ich hab keinen Hunger mehr.

Andrea steigt ins Auto und macht das Radio an.

Sie sucht mehrere Sender durch und landet dann bei einem Stück im Stil von »Under my thumb« von den Stones. Sie steigt wieder aus.

Sie singt mit, tanzt lässig und schminkt sich dabei wieder.

Boris steigt ein und macht das Radio aus.

BORIS: Also, wenn du’s wissen willst, Andrea, ich hab Riesenprobleme.

ANDREA: Du machst ein Gesicht!

BORIS: Das ist nicht zum Lachen.

ANDREA: Ich versteh nicht, warum ihr Männer immer so ein Gesicht zieht. Ihr könnt doch über ernste Dinge reden, ohne euch gleich zu verunstalten.

BORIS: Ich stehe kurz vor der Insolvenz.

ANDREA: Ich dachte, deine Firma läuft gut …

BORIS: Die Glaserei lief gut. Aber ich wollte meinen Geschäftsbereich erweitern und hab Verandas ins Angebot genommen.

ANDREA: Dieses Spray bringt überhaupt nichts …

BORIS: Dir ist wohl egal, was ich dir erzähle.

ANDREA