Bianca Arztroman Band 69 - Sarah Morgan - E-Book

Bianca Arztroman Band 69 E-Book

Sarah Morgan

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Beschreibung

Der spanische Chefarzt von Morgan, Sarah Niemals erlischt die erste verzehrende Liebe. Das spürt Dr. Katy Westerling, als sie nach elf Jahren Dr. Jago Rodriguez wiedertrifft. Während sie Seite an Seite in der Notaufnahme Leben retten, kann sie sich dem Charme des heißblütigen Spaniers nur schwer entziehen. Aber warum bloß verließ er sie damals so plötzlich? Höchstgebot für die Liebe von Morgan, Sarah Nach einer bitteren Enttäuschung will Libby Westerling nichts mehr von Männern wissen. Einzige Ausnahme: Für einen guten Zweck wird ein Rendezvous mit ihr versteigert. Das Höchstgebot gibt ausgerechnet Dr. Andreas Christakos ab -der neue Chefarzt, der ihr Herz gegen ihren Willen höher schlagen lässt... Überraschung für Dr. Westerling von Morgan, Sarah Dr. Alex Westerlings unbeschwertes Singledasein hat ein Ende, als er sein Haus mit Schwester Jenny und ihrem Baby teilen muss. Allerdings gefällt ihm das Familienleben wider Erwarten immer besser, von Tag zu Tag fühlt er sich stärker zu Jenny hingezogen. Wenn sie doch nur mehr als einen Vater für das Kind suchen würde!

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Sarah Morgan

Bianca Arztroman Band 69

IMPRESSUM

Bianca Arztroman Band 69 erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag:

Postfach 301161, 20304 Hamburg

Telefon: 040/60 09 09-361

Fax: 040/60 09 09-469

E-Mail: [email protected]

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v.l.S.d.P.)

Produktion:

Christel Borges

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

©

2004 by Sarah Morgan Originaltitel: „The Spanish Consultant“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Nicole Selmer

©

2004 by Sarah Morgan Originaltitel: „The Greek Children’s Doctor“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Nicole Selmer

©

2004 by Sarah Morgan Originaltitel: „The English Doctor’s Baby“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Nicole Selmer

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Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA ARZT SPECIAL THEMA Band 0069 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg

Veröffentlicht im ePub Format im 08/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: readbox, Dortmund

ISBN 978-3-86494-437-6

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

CORA Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

ROMANA, BIANCA, BACCARA, TIFFANY, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL

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Sarah Morgan

Der spanische Chefarzt

1. KAPITEL

Sie hatte vergessen, wie sehr sie es hasste, nach Hause zu kommen.

Katy atmete schneller, als sie sich in dem sorgfältig gepflegten Garten umsah, wo Menschen in Grüppchen zusammenstanden, Champagner schlürften und plauderten. Der Duft der Blüten vermischte sich mit dem Geruch frisch gemähten Grases – ein perfekter englischer Sommertag.

Katy jedoch fühlte sich erschöpft und angespannt. Sie sehnte sich nach der Geborgenheit ihres Londoner Apartments am Fluss.

Nur wegen ihrer Mutter war sie hergekommen.

„Herzlichen Glückwunsch, Dr. Westerling!“

Als sie die vertraute Stimme hinter sich hörte, drehte Katy sich erleichtert um. Beim Anblick ihrer Schwester blieb ihr der Mund allerdings offen stehen.

„Was hast du denn mit deinem Haar gemacht?“

Elizabeth, genannt Libby, schüttelte ihre lange Mähne und grinste etwas boshaft. „Das soll eine Überraschung für Dad sein. Der Farbton nennt sich Erdbeerblond. Gefällt er dir?“

„Es ist pink“, stellte Katy mit schwacher Stimme fest. Libbys Grinsen wurde breiter.

„Ich weiß. Großartig, oder?“ Ihr Blick wanderte herausfordernd über die durchweg konservativ gekleidete Menge. Kopfschüttelnd betrachtete Katy die für gewöhnlich leuchtend blonde Haarpracht ihrer Schwester.

„Wäscht sich das raus?“

„Na klar.“ Schnell griff Libby sich ein Glas Champagner von einem der Tabletts, die die Kellner durch den Garten trugen. „Aber bestimmt nicht, bevor ich unserem verehrten Vater damit einen Heidenschreck versetzt habe.“

Bei dem Gedanken an den Zorn ihres Vaters verstärkte sich Katys Anspannung. „Du legst es immer darauf an, ihn zu provozieren. Hättest du nicht wenigstens ein etwas längeres Kleid anziehen können?“

„Auf keinen Fall.“ Demonstrativ bewegte Libby die Hüften. „Meinst du, er weiß es zu würdigen?“

Katy musterte das eng anliegende Kleid, das Libbys schlanke Beine beinahe in ihrer ganzen Länge enthüllte. In einem Nachtclub wäre es vielleicht ein angemessenes Outfit gewesen, aber ganz sicher nicht auf dieser Gartenparty.

„Er wird vermutlich einen Tobsuchtsanfall bekommen.“ Sie warf einen kurzen Blick zu Westerling senior, der in ein ernstes Gespräch mit einigen Kabinettsmitgliedern vertieft war und die Ankunft seiner Töchter noch nicht bemerkt hatte. Es würde garantiert Ärger geben. Katy biss sich auf die Lippen. „Warum musst du dich immer so aufführen, Lib? Warum kannst du dich nicht wenigstens einmal zusammennehmen?“

„Warum sollte ich?“ Sanft berührte Libby die Perlenkette um Katys Hals. „Ich bin nun einmal keine Perlenkettenträgerin. Und das bist du auch nicht, du willst es dir nur nicht eingestehen.“

Katy schaute zur Seite.

Sie hatte keine Ahnung, wie sie wirklich war.

Die Direktheit ihrer Schwester hatte sie wie so oft aus dem Gleichgewicht gebracht. „Nur weil ich mich für die Gartenparty unserer Eltern passend anziehe, heißt das noch lange nicht …“

„Unsere Geburtstagsparty“, unterbrach sie Libby. „Wir haben heute Geburtstag, schon vergessen? Du, ich und Alex.“ Sie drehte sich um, blickte über die gestutzten Hecken und die elegant gekleideten Gäste und verdrehte die Augen. „Ich wette, wir sind die einzigen Drillinge auf der Welt, zu deren Geburtstag die Eltern eine Party schmeißen, bei der sie nur ihre eigenen todlangweiligen Freunde einladen und das Ganze hinterher als Firmenveranstaltung von der Steuer absetzen. Nun ja, ich zumindest weigere mich, bei dieser Farce mitzuspielen. Und du tust es nur, weil du so ein lieber Mensch bist und schreckliche Angst vor Konflikten hast.“

Das Funkeln in Libbys Augen verunsicherte Katy. „In ein paar Stunden sind wir wieder zu Hause“, versuchte sie ihre Schwester zu besänftigen. „Nimm doch ein bisschen Rücksicht, Libby. Mum zuliebe.“

„So wie du?“ Libby blickte Katy direkt in die Augen. „Hast du nie den Wunsch, diese ganze aufgeblasene Bande zu schockieren? Dich sinnlos zu betrinken, laut zu fluchen oder dir die Kleider vom Leib zu reißen und nackt im Springbrunnen zu tanzen?“

„Alles zugleich?“ Katy lächelte leicht und sah dann zu einer Gruppe von jungen Männern hinüber, die den Champagner wie Wasser hinunterkippten.

„Oh, entschuldige, ich vergaß. Natürlich kannst du so etwas nicht tun. Lord Frederick Hamilton würde dieses Verhalten gar nicht billigen.“ Libby schwieg einen Augenblick, dann seufzte sie, und ihr hübsches Gesicht wurde ernst. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du diesen Mann wirklich heiraten willst.“

Katy schluckte.

Manchmal konnte sie es selbst nicht glauben.

Aber es war die richtige Entscheidung.

„Ich meine, schau ihn dir doch an! Ihr habt euch seit Tagen nicht gesehen, warum zerrt er dich nicht für eine wilde Knutscherei hinter ein Gebüsch?“ Libby legte den Kopf zur Seite und musterte ihren zukünftigen Schwager skeptisch. „Er ist so damit beschäftigt, Kontakte zu knüpfen, dass er nicht einmal gemerkt hat, dass du hier bist. Auch wenn du splitternackt und mit Schlagsahne bedeckt vor ihm stündest, würde er sich lieber mit diesen unheimlich wichtigen Leuten unterhalten.“ Der Sarkasmus in ihrer Stimme war unüberhörbar.

Ihre Schwester hatte mit allem, was sie sagte, Recht, und Katy fragte sich, warum es ihr so wenig ausmachte. Vielleicht lag es daran, dass sie überhaupt nicht wollte, dass Freddie sie hinter ein Gebüsch zerrte und wild küsste. Es war ihr sehr viel lieber, wenn er sich mit seinen Geschäftsfreunden unterhielt und sie in Frieden ließ.

Mit Freddie war sie auf der sicheren Seite.

In diesem Moment schaute ihre Mutter zu ihnen herüber, und ein entsetzter Ausdruck trat in ihr Gesicht. Sichtlich in Panik, warf sie einen Blick auf ihren Ehemann, der jedoch immer noch in sein Gespräch vertieft war.

Libby atmete hörbar ein und grinste dann. „Bereit zum Abheben? Zehn, neun, acht …“

Die beiden warteten, während ihre Mutter auf sie zueilte: Katy nervös und angespannt, Libby trotzig und ein wenig amüsiert.

Entnervt schaute Katy ihre Schwester an. Wieso nur hatte sie so gar keine Angst vor ihrem Vater?

Auseinandersetzungen mit ihm vermied sie nicht, nein, sie schien sie sogar zu genießen.

Als hätte sie ihre Gedanken gehört, zog Libby jetzt an ihrem Kleid, um den ohnehin weiten Ausschnitt noch zu vergrößern.

„Elizabeth.“ Lady Caroline Westerling blickte nervös zwischen ihren Töchtern und ihrem Ehemann hin und her. „Dein Haar ist unmöglich, und was um Gottes willen hast du da an?“

„Ein Partykleid“, entgegnete Libby munter. „Für meine Geburtstagsparty.“

Bei dieser mehr als deutlichen Anspielung auf den eigentlichen Anlass der Feier zuckte Katy zusammen, aber ihre Mutter wirkte gänzlich unberührt von der Spitze.

„Es sieht unanständig und billig aus.“ Caroline schüttelte den Kopf. „Dein Vater wird sich fürchterlich aufregen.“

Libbys Augen funkelten. „Das will ich hoffen.“

„Warum nur, Elizabeth? Warum musst du dich so benehmen?“ Caroline wies mit der Hand über die Gästeschar. „Es sind einige junge passende Männer gekommen, die ich dir gerne vorgestellt hätte. Aber nicht in diesem Aufzug. Geh bitte ins Haus, und lass dir von Sally etwas anderes zum Anziehen heraussuchen.“

Libbys Grinsen wurde noch breiter. „Mum, ich interessiere mich nur für unpassende junge Männer, das weißt du doch. Ich mag dieses Kleid, und es interessiert mich nicht, was Dad denkt. Und dich sollte es auch nicht interessieren. Du lässt dich viel zu sehr von ihm einschüchtern.“

„Lass es jetzt gut sein, Lib“, mischte Katy sich ein.

Aber Libby wandte den Blick nicht von ihrer Mutter. „Du solltest ihm nicht immer nachgeben.“

Caroline Westerling ignorierte die Worte ihrer Tochter und schaute nervös zur Seite. „Euer Vater hat heute einige wichtige Leute eingeladen.“ Mit einem gezwungenen Lächeln schaute sie Katy an. „Freddie ist wirklich wunderbar. Er kommt so gut mit allen zurecht. Dein Vater ist sicher, dass er es noch weit bringen wird.“

„Sehr weit weg, hoffe ich“, murmelte Libby, woraufhin Katy ein Lächeln nicht unterdrücken konnte.

Was würde sie nur ohne Libby tun? Sie liebte die impulsive und furchtlose Art ihrer Schwester.

Niemand würde Libby dazu bringen, etwas zu tun, das sie nicht wollte.

Nicht einmal ihr Vater.

Währenddessen war Caroline noch immer beim Thema. „Freddie ist eine großartige Partie, Katy. Jetzt müssen wir uns nur noch um deine Arbeit kümmern. Ich hoffe doch sehr, dass du diesen Unsinn mit der Medizin sein lässt, wenn du erst verheiratet bist.“

Katy richtete sich auf. „Das werde ich nicht.“

„Aber Liebes, du hast jetzt deine Ausbildung beendet. Du hast allen bewiesen, dass du etwas leisten kannst. Es ist wirklich nicht nötig, jetzt noch weiterzumachen. Freddie ist äußerst wohlhabend, du hast die Einkünfte aus deinem Treuhandfonds und bist wirklich nicht auf einen Beruf angewiesen. Freddie wird erwarten, dass du dich um euer Heim kümmerst. Du wirst gar keine Zeit für einen Beruf haben.“

„Und was ist mit mir?“ fragte Libby. „Ich bin Krankenschwester – ist das etwas anderes? Und Alex ist ebenfalls Arzt. Wollt ihr, dass wir auch unsere Arbeit aufgeben?“

„Aber Katy wird doch bald heiraten“, wiederholte Caroline.

Mit einem unterdrückten Stöhnen entgegnete Katy: „Ich werde nicht aufhören zu arbeiten.“

Manchmal hatte sie das Gefühl, ihre Arbeit wäre das Einzige, das sie bei Verstand hielt.

Nervös rieb sich Caroline die Hände. „Aber du kannst doch nicht weiter dauernd Überstunden machen und die Nächte durcharbeiten, wenn du verheiratest bist.“

Katy liebte Nachtschichten und Überstunden. Sie waren die perfekte Ausrede für ihr fehlendes Privatleben.

„In zwei Wochen fängt mein neuer Job an“, erinnerte sie ihre Mutter. „Ich werde als Notfallärztin in der Unfallambulanz arbeiten.“

Und sie konnte es kaum abwarten. „O Katherine, wie kannst du nur?“ Entsetzt verzog ihre Mutter das Gesicht. „All diese gewalttätigen und betrunkenen Menschen, die man in den Nachrichten sieht. Warum willst du das nur tun, wenn du es doch gar nicht musst?“

Weil sie die Medizin liebte. Und weil sie sich so weit wie möglich von der Welt der Finanzen und des Hochadels entfernen wollte, in der ihre Eltern lebten.

„Es ist doch eine echte Verschwendung“, sagte ihre Mutter. „Ich erzähle noch immer all meinen Freundinnen, wie erfolgreich du mit siebzehn als Model warst. Du warst auf allen Titelseite und wenn du dir das mit dem Medizinstudium nicht in den Kopf gesetzt hättest, wärst du jetzt eines von diesen Supermodels.“

„Ach Quatsch“, mischte Libby sich ein. „Katy hat inzwischen zum Glück ein bisschen Fleisch auf den Knochen, für so eine Karriere hätte sie sich zu Tode hungern müssen.“

Caroline presste die Lippen aufeinander. „Versprich mir, dass du diesen Unsinn mit der Notfallambulanz aufgibst. Freddies Eltern machen sich auch ihre Gedanken. Es ist einfach keine passende Tätigkeit für dich, Katy.“

Passend. Da war wieder dieses Wort.

Katy hatte das Gefühl, als würde ihr Kopf gleich explodieren.

Was war nur mit ihr los?

Für gewöhnlich tat sie alles, um ihrer Mutter zuliebe den Hausfrieden zu wahren, aber heute wäre sie am liebsten schreiend davongelaufen.

„Tritt die Stelle an, wenn du unbedingt musst“, fuhr Caroline fort. „Aber in drei Monaten heiratest du Freddie, und dann wirst du auf jeden Fall kündigen müssen. Oh, schau nur, da ist Freddies Mutter. Ich muss mit ihr noch einige Dinge für die Hochzeit besprechen.“ Mit einem weiteren verzweifelten Blick auf Libbys Kleid drehte sie sich um und bahnte sich mit einem strahlenden Lächeln ihren Weg durch die Menge.

Laut seufzte Libby auf. „Sieh sie dir nur an“, sagte sie mit einer Kopfbewegung zu ihren Eltern, die jetzt nebeneinander standen. „Sie wirken immer so, als würden sie sich nicht einmal besonders mögen. Manchmal glaube ich, ihre Ehe ist eine rein geschäftliche Vereinbarung. Kein Wunder, dass wir beide und Alex völlig beziehungsgestört sind. Wir hatten keine besonders positiven Vorbilder.“

Katy fuhr sich mit der Zunge über ihre ausgetrockneten Lippen. Diese Party wurde langsam zu einer völligen Katastrophe. „Wir sind doch nicht beziehungsgestört.“

„O doch, das sind wir. Du verbringst dein Leben so sehr damit, Dad zu gefallen, dass du nicht mehr weißt, wer du eigentlich bist. Ich bin so damit beschäftigt, mich ihm und Mum in allem zu widersetzen, dass ich auch schon ganz verwirrt bin. Und was Alex angeht …“ Libby drehte sich um, und ihr Blick schweifte auf der Suche nach ihrem Bruder über die Menge. „Alex ist so desillusioniert von der Ehe, dass er jede Beziehung zu einer Frau nach drei Monaten beendet, nur um sicherzugehen, dass nichts Ernstes daraus wird. Er ist die perfekte Verkörperung des Wortes ‚beziehungsgestört‘.“

„Das bist du auch“, entgegnete Katy.

„Sag ich doch.“ Mit einer dramatischen Geste breitete Libby die Arme aus und wies auf ihre Eltern. „Kein Wunder. Wenn ernste Beziehungen so aussehen, dann sterbe ich hoffentlich als Single.“

„Wie kannst du so etwas nur sagen, Libby.“

Ihre Schwester wurde jedoch von dem Surren einer Biene abgelenkt. Schnell trat sie einen Schritt zurück. „Oje, Killerinsekt im Anflug.“

Katy schaute besorgt. Libby war allergisch gegen Bienenstiche. „Hast du dein Kortison dabei?“

Lächelnd klopfte Libby auf ihre winzige Handtasche. „Lippenstift und Kortison – die Lebensretter der modernen Frau.“

Trotz ihrer leichtfertigen Antwort nahm sie ihre Allergie sehr ernst. Die ganze Familie tat das. Vor einigen Jahren hatte Libby eine äußerst heftige Reaktion auf einen Bienenstich gehabt und wäre beinahe erstickt. Nur Alex’ rascher Hilfe war es zu verdanken, dass sie überlebt hatte. Seitdem hatte auch Katy immer ein Gegenmittel dabei und ihr Bruder ebenfalls. Nur zur Sicherheit.

Die Biene flog davon, und Katy schaute wieder über den sorgfältig gepflegten Rasen zu Freddie hinüber, der gerade in sein Handy sprach.

Ein Schatten zog über Libbys Gesicht. „Heirate ihn nicht, Katy“, sagte sie mit leiser Stimme. „Es ist noch nicht zu spät, deine Meinung zu ändern.“

„Ich will meine Meinung nicht ändern.“

Ungläubig schüttelte Libby den Kopf. „Das Leben mit Lord Frederick wird eine endlose Reihe von Abendgesellschaften mit langweiligen Bankern sein. Er heiratet dich nur wegen Daddy.“

„Das ist mir klar.“ Die harten Worte ihrer Schwester hätten sie empören müssen, aber sie taten es nicht. Schließlich war es die Wahrheit. Der Einfluss und das Vermögen ihres Vaters waren der Grund für Freddies Heiratsantrag.

Erschüttert starrte Libby sie an. „Aber warum heiratest du ihn, Katy?“

„Weil ich es will.“

Weil diese Beziehung sicher und vorhersehbar war.

„Es ist nicht richtig. Willst du nicht einen Mann heiraten, den du liebst?“

Unwillkürlich atmete Katy schneller. Nein. Nein, das wollte sie nicht. Liebe war gefährlich.

Die Liebe hätte sie beinahe umgebracht.

„Na ja, vielleicht kannst du auf Liebe verzichten, aber was ist mit Leidenschaft?“ Mit schmalen Augen betrachtete Libby Freddie. „Mal ehrlich, dieser Mann lässt mich völlig kalt. Ich will jemanden, der so verrückt nach mir ist, dass er mich gegen eine Wand presst, mein Kleid hochschiebt und …“

„Da gibt es aber nicht viel hochzuschieben“, erklang eine trockene Männerstimme hinter den beiden Schwestern. „Dieses Kleid bedeckt ja kaum deinen Po.“

„Alex!“ Mit einem kleinen Freudenschrei umarmte Libby ihren Bruder. „Da bist du ja endlich.“

Sein attraktives Gesicht verriet kaum eine Regung. „Ich war beschäftigt.“ Er ließ sie los, wandte sich Katy zu, und seine Augen schauten plötzlich besorgt. „Hallo, Kleine. Alles in Ordnung?“

Nein.

Katy umarmte ihren Bruder ebenfalls, während sie sich wünschte, seinem durchdringenden Blick ausweichen zu können. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Alex.“

Er hob ihr Kinn an und zwang sie, ihn direkt anzusehen. „Also, was ist los? Sag’s deinem großen Bruder.“

Katy lächelte kurz. Gerade mal drei Minuten machten Alex zum erstgeborenen Drilling.

„Sie lässt sich in eine Ehe mit diesem Deppen Freddie drängen, das ist los“, murmelte Libby düster. „Das macht sie nur, um Dad nicht zu verärgern. Zeit für einen Drillingsrat, wenn ihr mich fragt.“

Katy löste sich von ihrem Bruder. „Das ist doch Unsinn. Mir geht’s gut. Wirklich. Ich bin nur ein wenig müde. Und auch ein bisschen nervös wegen der neuen Stelle.“

„Die Arbeit in der Notaufnahme wird dir gefallen“, sagte Alex. „Ich wünschte mir, du hättest dich nicht nur in London beworben. Wir hätten in unserer Klinik auch eine gute Ärztin gebrauchen können.“

Mit einem weiteren schwachen Lächeln entgegnete Katy: „Du bleibst doch nirgends lange, Alex. So arbeite ich im gleichen Krankenhaus wie Libby, und wegen Freddies Job in der City muss ich auf jeden Fall in London bleiben.“

„O ja, natürlich.“ Libby war noch immer aufgebracht. „Das wollte ich gerade sagen, als du kamst, Alex. Der ehrenwerte Lord Frederick ist so mit seiner Arbeit beschäftigt, dass er für Sex und Leidenschaft keine Zeit hat. Wahrscheinlich musst du dafür mit seiner Sekretärin einen Termin absprechen. Willst du wirklich so leben?“

Katy fühlte sich völlig elend. Sie schloss die Augen, um die besorgten Gesichter ihrer Geschwister nicht mehr sehen zu müssen.

Sie wollte nicht so leben, aber sie wollte auch keinen Sex mit Freddie.

Alex runzelte die Stirn und wollte gerade etwas sagen, als seine Mutter nach ihm rief.

„Bin gleich wieder da.“ Er strich Katy leicht über die Wange und wechselte einen bedeutsamen Blick mit Libby, bevor er mit energischen Schritten über den Rasen zu seinen Eltern ging.

„Er ist verdammt gut aussehend. Wieso sind wir beide eigentlich blond und er dunkelhaarig? Mit seinen blauen Augen sieht das wirklich toll aus.“ Libby beobachtete, wie Alex locker mit den Geschäftsfreunden ihres Vaters plauderte. „Er wirkt immer ein bisschen gefährlich, findest du nicht?“

Wieder schloss Katy die Augen, und ein dumpfes Gefühl machte sich in ihrem Magen breit.

Ein anderer gefährlicher Mann war ihr Verhängnis gewesen.

Es herrschte angespanntes Schweigen. „Du denkst immer noch an ihn, nicht wahr?“ Libby schaute sie mit einem eindringlichen Blick aus ihren blauen Augen an. „Es ist elf Jahre her, dass er dir das Herz gebrochen hat, aber du denkst noch immer an ihn.“

Katy musste nicht fragen, wen ihre Schwester meinte. „N…nein, ich …“

Das dumpfe Gefühl wurde stärker, und ihr Herz schlug heftiger.

„Lüg mich nicht an, Katy.“ Libbys Stimme war weich. „Es scheint so lange her. Unser achtzehnter Geburtstag … erinnerst du dich noch an diesen Sommer?“

Regungslos stand Katy da. Ob sie sich noch erinnerte? Jede Minute war in ihr Gedächtnis eingebrannt.

Mit träumerischer Stimme fuhr Libby fort. „Weißt du, dass ich dich beneidet habe? Ich wäre liebend gern an deiner Stelle gewesen.“

„Hör auf, Lib“, sagte Katy schnell.

„Wie hat Dad ihn noch beschrieben?“ Libby legte den Kopf zur Seite. „Brillant, aber gefährlich? Ich werde nie vergessen, wie er zum ersten Mal bei einem von Dads Geschäftstreffen auftauchte. Da waren wir sechzehn, weißt du noch? Alle trugen Anzug und Krawatte, nur Jago Rodriguez kam in schwarzer Lederkluft auf einem Motorrad an. Kein Respekt für die Konventionen der englischen Gesellschaft.“

„Er ist ja auch Spanier“, murmelte Katy. Warum musste Libby eigentlich gerade heute über ein Thema reden, das sie seit Jahren vermieden hatten?

„Das sprach nicht gerade zu seinen Gunsten“, fuhr Libby ungerührt fort. „Er war kein Brite, und er hatte nicht den richtigen Stammbaum. Ich dachte, Mum würde in Ohnmacht fallen. Ich fand es immer toll, dass er sich nicht um die Vorurteile der Leute geschert hat. Als Sohn unserer Haushälterin war er es schließlich nicht gewohnt, sich in diesen Kreisen zu bewegen, aber das hat man ihm nie angemerkt.“

„Das lag daran, dass Mrs. Rodriguez so eine wundervolle Mutter war.“ Katy sprach fast gegen ihren Willen, sie wollte sich nicht an diese Zeiten erinnern. „In Spanien werden die Familienbande sehr gepflegt, und er war immer stolz auf seine Herkunft. Und als Dad ihm eine Chance in der Bank gegeben hat …“

Libby lachte spöttisch. „Sei nicht albern, Katy. Dad hat in seinem Leben noch nie etwas getan, ohne dass er selbst davon profitiert hätte. Er hat Jago Rodriguez eingestellt, weil er sein Talent und wahrscheinlich auch ein paar verwandte Charakterzüge erkannte. Beide können rücksichtslos, ehrgeizig und herzlos sein.“

Die kühle Analyse ihrer Schwester ließ Katy zusammenzucken. „Zu mir war Jago anders, sanft und liebevoll.“

„Er hat dich ohne ein Wort des Abschieds verlassen“, stellte Libby trocken fest. Dieser Aussage hatte Katy nichts entgegenzusetzen. Ihre Schwester hatte Recht und wollte sie nur beschützen. Sie hätte umgekehrt genauso gehandelt. Libby, Alex und sie standen sich so nahe, wie es nur möglich war.

Libby hatte Grund genug, Jago gegenüber negative Gefühle zu hegen. Die Monate, nachdem er Katy verlassen hatte, waren die schlimmsten ihres Lebens gewesen, und Libby hatte ihr geholfen, sie durchzustehen.

Aber hatte er ihr nicht immer gesagt, dass er nicht auf der Suche nach einer dauerhaften Beziehung war?

War es denn seine Schuld, dass sie den Fehler begangen hatte, sich trotzdem in ihn zu verlieben?

„Auch wenn er ein mieser Kerl ist, ich kann verstehen, weswegen er dir immer noch im Kopf herumspukt.“ Verschwörerisch schaute Libby ihre Schwester an. „Jago war der mit Abstand bestaussehende Mann, den ich je gesehen habe. Und du hast tatsächlich mit ihm …“

„Das reicht jetzt, Lib!“ Katy presste die Nägel in ihre Handfläche, während die Erinnerungen über sie hereinbrachen.

Keuchender Atem, das raue Kratzen seiner Bartstoppeln an ihrer Wange. Die erotische Spannung zwischen ihnen. Heiß und brennend.

„Du … die Ruhige und Schüchterne und der böse und gefährliche Junge. Wo hast du nur den Mut hergenommen, dich auf ihn einzulassen?“ Jetzt sprach deutliche Bewunderung aus Libbys Stimme. „Ich habe mich immer gefragt, was passiert wäre, wenn Dad es nicht herausgefunden hätte? Wäre es weitergegangen?“

Feste Muskeln und weiche Haut, glühendes Verlangen. Hungrige Münder und verschwitzte Körper in leidenschaftlicher Umarmung …

„Natürlich nicht.“ Katy presste die Hände auf die Schläfen und versuchte, die Bilder zu vertreiben. „Wir waren vollkommen verschieden.“

Libby verzog das Gesicht. „Du klingst wie unser Vater. Er hat Jago für eine Art Aussätzigen gehalten. Das komplette Gegenteil einer passenden Partie. Gut genug, um sich für Dad auf den Finanzmärkten zu prügeln, aber ganz bestimmt nichts für seine Tochter. Schließlich fehlte ihm die edle Herkunft eines Lord Frederick.“

„Vielleicht hatte er ja Recht. Es hätte niemals funktioniert.“ Katy klang leicht panisch. „Und können wir jetzt bitte das Thema wechseln?“

Dunkle magische Augen. Sein Blick verzauberte sie, hielt sie gefangen, während ihre Körper zu explodieren schienen.

Ihre Schwester ging nicht auf ihre Bitte ein. „Warum hätte es nicht funktioniert? Weil du die reiche Erbin warst und er nur der Sohn der spanischen Haushälterin? Dads Angestellter, der sich nach oben gekämpft hatte?“ Libby schenkte ihr ein weiteres Grinsen. „Ich hätte für eine Nacht mit Jago wahrscheinlich ohne weiteres auf meinen Anteil am Familienvermögen verzichtet. Ich wollte dich schon immer etwas fragen …“ Verschwörerisch senkte sie die Stimme. „Wie war es mit ihm, Katy? War er gut?“

Katy vergaß zu atmen.

Gut?

Ja, das konnte man sagen. Sie hatte damals geglaubt, dass Jago Sex erfunden hatte, so gut war er.

Aber sie hatte gelernt, nicht mehr darüber nachzudenken. Sie wollte diese wenigen Sommerwochen für immer vergessen. Der Schmerz wäre nicht zu ertragen.

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund legte ihre Schwester es jedoch heute Abend darauf an, über diese Zeit zu sprechen.

Sie sprach nie darüber.

„Es reicht, Lib.“ Ihre Stimme war rau, und sie fuhr sich mit der Hand über den Nacken, wo ihre Muskeln sich verkrampft hatten.

„Er war deine große Liebe“, sagte Libby leise.

Ihr Vater in einem seiner furchtbaren Wutanfälle. Es ist aus, Katy. Er ist fort. Du wirst ihn nie wiedersehen.

Und ihr fast kindlicher Glaube, dass er dieses Mal Unrecht hatte.

„Ich habe immer gedacht, dass er zu mir zurückkommen würde“, sagte sie mehr zu sich selbst als zu ihrer Schwester. „Ich dachte, unsere Liebe wäre stark genug. Wie hatte ich mich nur so täuschen können?“

„Du warst verrückt nach ihm“, erinnerte Libby sie sanft. „Du hast ihn geliebt, das weiß ich. Und wie kannst du Freddie heiraten – nach dem, was du für Jago gefühlt hast?“

„Gerade wegen der Gefühle, die ich für Jago hatte, heirate ich Freddie. Und Jago hat mich nie geliebt. Wie hätte er mich sonst einfach verlassen können?“

Heute war sie sich darüber im Klaren, dass sie ihm einfach nicht gewachsen gewesen war. Gegen diesen rücksichtslosen und erfahrenen Verführer hatte sie nie eine Chance gehabt. Ihn hatte ihre Unschuld zunächst vermutlich gereizt, aber sie war ihm so rettungslos ausgeliefert gewesen wie ein Fallschirmspringer ohne Schirm. Das Ende ihrer Beziehung hatte ihr Leben für immer verändert.

Katy wusste sehr genau, dass sie einen solchen Gefühlsorkan niemals wieder erleben wollte.

Und genau das war der Grund, warum sie Freddie heiratete.

Das Leben mit ihm wäre sicher und ohne Überraschungen, wohingegen das Zusammensein mit Jago eine Reise ins Ungewisse gewesen war. Eine aufregende und erschreckende Reise, die Narben hinterlassen hatte.

Narben, die niemals verheilen würden.

„Jago würde niemals hier herumstehen, ohne dich zu beachten“, murmelte Libby ihr zu. „Er würde dich garantiert hinter das nächste Gebüsch ziehen und sich nicht darum scheren, was die Leute denken.“

Seine raue männliche Stimme dicht an ihrem Ohr. „Jetzt gehörst du ganz mir, Katy.“

Eine Woge der Verzweiflung überkam sie. Sie ließ ihr Champagnerglas fallen und lief über den Rasen zum Haus. Libbys Versuche, sie aufzuhalten, ignorierte sie.

Sie musste hier weg.

Ihr Auto stand vor dem Haus.

Sie würde einfach davonfahren und alle Erinnerungen hinter sich lassen.

Alex trat neben seine Schwester und schaute sie fragend an. „Und? Hat es funktioniert?“

Libby biss sich auf die Unterlippe und starrte Katy hinterher. Schuldgefühle spiegelten sich in ihrem Gesicht. „Nach ihrem überstürzten Aufbruch würde ich sagen, es hat ein bisschen zu gut funktioniert. O Gott, Alex, bist du sicher, dass wir das Richtige tun? Du weißt, wie sehr sie es hasst, über diese Zeit zu sprechen.“

Alex rieb sich mit der Hand die eine Schläfe, seine übliche Gelassenheit schien auf einmal verflogen. „Sie hat vor, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebt. Und das auch noch aus den falschen Gründen.“

„Aber ich habe ihr wehgetan.“

„Es wird ihr noch mehr wehtun, wenn ihr irgendwann klar wird, was für einen Fehler sie begangen hat. Und außerdem …“ Alex nippte an seinem Champagner. „Du hast sie nur dazu gebracht, über etwas zu sprechen, woran sie ohnehin dauernd denkt.“

„Aber ich komme mir so gemein vor, weil ich ihr nicht von Jago erzählt habe.“ Libby schaute ihren Bruder unglücklich an. „Was wird passieren, wenn sie ihre neue Stelle antritt und herausfindet, dass er im selben Krankenhaus arbeitet?“

„Es wird ihr sicher einen Schock versetzen, aber sie muss sich endlich der Vergangenheit stellen, statt immer alles in sich hineinzufressen.“ Alex sprach mit fester Stimme. „Das ist wichtig für sie.“

Libby schüttelte den Kopf. „Wie kannst du dir nur immer so sicher sein? Machst du dir nicht wenigstens ein bisschen Sorgen, dass er sie wieder verletzen könnte?“

„Wir beide wissen, dass Dad damals seine Finger im Spiel hatte. Deswegen habe ich Jago auch nicht zur Rede gestellt, aber wenn er ihr dieses Mal wehtut, dann …“ Er unterbrach sich, und eine gefährliche Kälte schlich sich in seine Stimme. „Dann bringe ich ihn höchstpersönlich um. Und jetzt lass uns das Thema wechseln. Dad hat dich endlich bemerkt und kommt gerade zu uns herüber. Zieh dein Kleid doch noch ein wenig höher, Libby, damit er sich auch richtig ärgert.“

2. KAPITEL

„Gleich wird ein Verkehrsunfall eingeliefert, Jago.“ Charlotte, eine der Schwestern in der Notfallambulanz, beendete das Telefonat und wandte sich dem Arzt zu. „Eine junge Frau, die aus ihrem Auto befreit werden musste.“

Jago schaute von den Röntgenaufnahmen auf, die er gerade betrachtete. Mit seinen tiefdunklen Augen blickte er sie aufmerksam an. „Wissen wir schon Näheres?“

„Nicht viel. Verletzungen an Kopf und Brust, mehr nicht.“ Charlotte musterte sein Gesicht. Er sah wirklich unglaublich gut aus. Wie eine ihrer Kolleginnen einmal gesagt hatte: „Wir brauchen keine Poster von Hollywoodstars an der Wand, wir haben einen wahren Adonis direkt im Behandlungszimmer.“ Sie konzentrierte sich wieder auf die vor ihr liegende Arbeit. „Ich kann die Sirene hören.“

Mit einem kurzen Nicken marschierte Jago Richtung Ausgang. Er machte kurz Halt, um einer jungen Ärztin das Röntgenbild in die Hand zu drücken. „Wenn Sie sich die Aufnahme genau ansehen, Alison, werden Sie bei der lateralen Ansicht eine Fraktur bemerken. Das haben Sie übersehen.“

Der Blick der Ärztin verriet leichte Panik. Jago war dafür bekannt, dass er keinerlei Fehler tolerierte.

„Aber die AP-Ansicht sah normal aus, und solche Verletzungen sind sehr selten, Mr. Rodriguez“, stotterte sie.

„Nächstes Mal gehen Sie auf Nummer Sicher“, entgegnete Jago mit bedrohlich sanfter Stimme. „In meiner Abteilung dulde ich keine Nachlässigkeit. Seien Sie auch auf das Unerwartete vorbereitet. Jetzt überweisen Sie den Patienten in die Orthopädie, dann kommen Sie in den Schockraum.“

Rot vor Verlegenheit, drehte Alison sich um und ging davon. Unwillig schüttelte Jago den Kopf. Die junge Kollegin war unzuverlässig und zu selbstsicher. Gut, dass ihr Dienst in seiner Abteilung in zwei Wochen zu Ende war. Manche Leute waren für die Arbeit in der Notfallambulanz einfach nicht geeignet. Und im Übrigen begannen ihre sehnsüchtigen Blicke ihm auf die Nerven zu gehen. Er hatte sich immer davor gehütet, Arbeit und Privates miteinander zu vermischen. Fast immer.

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