Bibliodiversität - Susan Hawthorne - E-Book

Bibliodiversität E-Book

Susan Hawthorne

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Beschreibung

Aus dem Englischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Doris Hermanns Der Begriff Bibliodiversität, den Susan Hawthorne in ihrem Buch erklärt, bezeichnet die kulturelle Vielfalt innerhalb des Verlagswesens – und begründet, warum es unabhängige Buchhandlungen und Verlage braucht. Ihr Begriff ist inspiriert vom strukturell verwandten Begriff der Biodiversität. Wie diese unverzichtbar für das gesunde Funktionieren eines Öksystems ist, ist die Bibliodiversität ein Indikator für ein funktionierendes Buchwesen. Verlage und Buchhandlungen sind hierbei vergleichbar mit den Bewohnerinnen und Bewohnern eines Ökosystems. Hawthorne kritisiert, dass Großverlage und Großbuchhandlungen ihren Fokus allein auf hohe Auflagen und Verkaufszahlen legen, weshalb die Bibliodiversität aus dem Gleichgewicht gerate. Gerade Bücher von und über Minderheiten sowie Werke aus kleineren Sprachgemeinschaften oder anspruchsvolle literarische Texte finden so keine Verbreitung mehr. Das aber führt letztlich dazu, dass die kulturelle Vielfalt schwindet. Bibliodiversität bietet dagegen eine stolze Selbstdefinition für unabhängige Buchhandlungen und Verlage. Denn diese sind es, die die kulturelle Vielfalt abbilden – und somit erhalten.

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Susan Hawthorne
BIBLIODIVERSITÄT
Manifest für unabhängiges Publizieren
Aus dem australischen Englisch und mit einem Nachwort von Doris Hermanns
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
BIBLIODIVERSITÄT lesen...
Danksagungen
Von Wagnissen und Veränderungen
Bibliografie
Impressum und Copyright
Ich werde weiterhin Wagnisse eingehen, mich verändern, meinen Geist & meine Augen offenhalten, mich weigern, abgestempelt & stereotypisiert zu werden. Worum es geht, ist, das Selbst zu befreien, es seine Dimension finden, es nicht einschränken zu lassen.
Virginia Woolf: Tagebücher 4

Vorwort

Das globale Verlegen ist der neueste Trend in einer Reihe von Fusionen und Übernahmen in der Buchbranche, die während des letzten Jahrhunderts stattgefunden haben. Als die Kirche im 15. Jahrhundert den Buchdruck für eigene Zwecke schnell professionell zu nutzen wusste, wurden viele Bücher und Pamphlete von AutorInnen und DenkerInnen zuhause geschaffen und kursierten im kleinen Kreis. Für Frauen und Angehörige von kolonialisierten und versklavten Völkern war es immer schon schwierig, ihre Ideen drucken zu lassen, trotzdem haben Minderheitengruppen Wege gefunden, ihr Wort in die Öffentlichkeit zu tragen.
Während des 20. Jahrhunderts hat sich das Buch über die ganze Welt verbreitet, vor allem über die Taschenbuch-Ausgaben mit ihrem billigen Papier und flexiblen Einband. Allen Lane, der Gründer von Penguin, machte sie in den 1930er Jahren zugänglich. Er verlangte nur ein paar Pence dafür. Ich erinnere mich an die Reihen von orangefarbenen Penguins, blauen Pelicans und grünen Krimis in unserem Buchladen im ländlichen Australien. Die schwarzen Klassiker hatten es noch nicht bis dorthin geschafft, den Puffins für Kinder war ich damals bereits entwachsen, aber die anderen populären Farben füllten die Regale.
Im 21. Jahrhundert wird uns versprochen, dass das »Digitale« uns retten wird, dass E-Books zu Schleuderpreisen der richtige Weg sind, dass wir mit nur einem Mausklick unsere eigenen Texte veröffentlichen können. Aber stimmt das wirklich? Befinden wir uns im ersten Zeitalter des Massen-Self-Publishing? Brauchen wir noch LektorInnen? Und welche Rolle können unabhängige Verlage in einer durch den Markt gesteuerten globalen Wirtschaft spielen?
Unter dem Deckmantel der stark kapitalisierten Verlagskonzerne, deren Namen jede/r LeserIn kennt, verspricht uns die Marktökonomie Massen von günstigen Büchern. Der Prozess der Verlagskonzentrationen ist ähnlich verlaufen wie in anderen Industriezweigen. Es wird versucht, immer mehr Kontrolle über Menschen zu erlangen, deren Bedürfnisse sie mit eigenen Produkten zu erfüllen versprechen. Während die »Pharma-Großindustrie« in landwirtschaftliche Anbaumethoden eingreift, lenkt uns die »Buch-Großindustrie« mit stets neuen Sortiment, Great Deals und Büchern, die fast nichts mehr kosten, ab. Aber ähnlich wie von der Milchbäuerin, die ihre Milch unter dem Kostpreis an den Supermarkt verkaufen muss, so wird auch von Verlagen erwartet, dass sie jetzt Bücher, an denen sie Jahre lang gearbeitet haben, die sie gründlich lektoriert und für deren Gestaltung, Haptik und Qualität sie viel Sorge getragen haben, für ein paar Dollar verkaufen.
Unabhängige Verlage (die Definition folgt später) produzieren neue Titel nicht am Fließband. Wahrscheinlich sind die meisten Leute dabei unterbezahlt und unterversorgt, schaffen es aber dennoch, neue und gute Bücher zu produzieren.
Globale Verlagskonzerne fördern nicht das Skurrile, das Originelle, das Risikovolle, das Innovative – gerade diese werden aber die wichtigen Bücher für die nächste Generation, da sie etwas Neues und Relevantes zu sagen haben. Bei Verlagskonzernen geht es nur um Zahlen und um Nachahmung. Darum folgen sie einer Formel, die auf dem letzten Megaerfolg aufbaut, seien es Geschichten, die den Büchern von J.K.Rowling ähneln, eine neue erotische Version von »Seventy Shades« oder eine Twilight-Zone-Kopie mit Zombie-Charakteren, die sich wie Holzsoldaten in roten Mänteln bewegen. Großverlage und Großbuchhandlungen werden alles aussortieren, was ihnen als »anders« erscheint, es glatt bügeln und daraus ein One-Size-fits-All-Produkt machen. Eine Buch-Linie wie eine Dessous-Linie. Wie André Schiffrin, der Gründer des amerikanischen unabhängigen Verlages New Press, über den freien Markt der Ideen sagt, er kümmere sich nicht um den Marktwert einer Idee, da »… alle möglichen Ideen die Chance bekommen sollten, öffentlich gemacht, ausgedrückt und vollständig erörtert zu werden« (Schiffrin, 2001, zitiert nach Wills, 2001). In Verlagskonzernen wird dagegen erwartet, dass jedes Buch sich selbst finanziert, sowie auch alle externen Kosten des Verlegens wie Büros und Gehälter der Angestellten und GeschäftsführerInnen. Dies führt dazu, dass Bücher, die sich langsamer verkaufen, aber ein langes Leben haben, Bücher, die soziale Normen verändern können, weniger Chancen haben, veröffentlicht zu werden.
Unabhängige Verlage suchen einen anderen Weg, einen Weg mit gesellschaftlichem Engagement und mit Herangehensweisen, die ihre Verortung oder die Nische, die sie versorgen, reflektieren. Unabhängige und kleine Verlage sind wie seltene Pflanzen, die zwischen den größeren auftauchen und etwas anderes hinzutun: Sie nähren den Boden und bringen Farbe oder Gerüche in die Welt.
Die International Alliance of Independent Publishers definiert einen »unabhängigen Verlag« als einen Verlag, der keine Fördermittel oder sonstige Unterstützung von Institutionen wie politischen Parteien, religiösen Organisationen oder Universitäten erhält, also keine finanziellen Mittel oder Sachleistungen, welche ihre verlegerischen Entscheidungen beeinflussen könnten. Diese Definition verhindert nicht, dass Verlage Zuschüsse bekommen, das Verlagsprogramm darf jedoch nicht von der fördernden Instanz bestimmt werden. Ein anderer Punkt der Definition der Alliance beinhaltet das Verbot der aktiven Führung eines Verlages von denjenigen, die die Finanzen zur Verfügung stellen (d.h. ein unabhängiger Verlag kann kein kurzfristiges Profitprojekt einer Bank oder eines Unternehmens sein). Des Weiteren sollten die Neuerscheinungen und die Backlist ein aufeinander abgestimmtes Programm sein. Unabhängige Verlage müssen sich die Frage stellen, wie sie Bibliodiversität im öffentlichen Diskurs, bei der Zusammenarbeit mit unabhängigen Buchhandlungen, öffentlichen Bibliotheken, regionalen Organisationen sowie in internationalen Partnerschaften mit anderen unabhängigen Verlagen, durch Koeditionen und Übersetzungen fördern können. Das Verlegen von Werken in Originalsprache ist ebenso ein wichtiger Faktor; im Gegensatz dazu steht der Ankauf von Lizenzen einer Massenmarktbücherware.1
Bei den unabhängigen Verlagen handelt es sich keineswegs um Hybride, sondern um den Ursprung der kulturellen Vielfalt. Mit ihrer Bibliodiversität treten sie den gewaltigen Konzernverlagen und dem Großbuchhandel entgegen. Dieses Manifest ist eine Gratwanderung zwischen langfristigem Optimismus und kurzfristigem Pessimismus. Es gibt viele Herausforderungen für unabhängige Verlage, die auf dem globalen Marktplatz agieren. Das digitale Publizieren eröffnete neue Möglichkeiten, während es gleichzeitig eine Bedrohung in Form einer Rekolonisierung von Ideen und geistigem Eigentum in sich birgt. AutorInnen, VerlegerInnen, BuchhändlerInnen, BibliothekarInnen, LeserInnen und RezensentInnen agieren in einem veränderten Umfeld. Das Verlegen ist eine soziale, kulturelle und transformierende Tätigkeit, aber es ist auch eine, die von denjenigen, die nicht auf der Seite von sozialer Gerechtigkeit und fairer Sprache stehen, besetzt werden kann.
Ein/e unabhängige/r VerlegerIn zu sein, braucht Kraft, Ideen und Mut, sich gegen Konzerne durchzusetzen, und das mit Originalität, Leidenschaft und großem Arbeitseinsatz.

1. Bibliodiversität

Die reichen Länder, Verfechter des freien Handels, betreiben einen rigorosen Protektionismus zu Lasten der armen Länder. Sie verwandeln alles, was sie anfassen, in Gold für sich und in Blech für die anderen – die Produktion in den unterentwickelten Ländern eingeschlossen.
Eduardo Galeano: Die offenen Adern Lateinamerikas (2009)
So wie die Biodiversität ein Indiz für die Gesundheit des Ökosystems ist, kann der Zustand eines ökosozialen Systems an seiner Vielfältigkeit gemessen werden und der Zustand der Verlagswelt an ihrer Bibliodiversität.
Biodiversität ist ein komplexes, sich selbst erhaltendes System einer ökologischen Nische an einem sehr spezifischen Ort. Es umfasst genetische Unterschiede, sowohl innerhalb der Arten als auch innerhalb von Ökosystemen. Es umfasst Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Es »umfasst alle Arten, die gegenwärtig auf der Erde existieren, die Variationen, die innerhalb einer Art existieren, und alle Wechselwirkungen, die zwischen all diesen Organismen existieren und deren biotische und abiotische Umwelt als auch die Integrität dieser Interaktionen« (Gowdy and McDaniel, 1995, S. 182). Ich möchte den Begriff der Biodiversität erweitern, um die kulturelle Diversität hinzufügen zu können, sodass diese zur Inspiration des Begriffes Bibliodiversität wird.
Multiversität ist eine erkenntnistheoretische Herangehensweise, die den Ort und den Kontext des/der Wissenden miteinbezieht. Sie schätzt den Wert von lokalem Wissen. Sie versucht nicht diejenigen in ein Korsett zu zwängen, die die originellsten Ideen einbringen, Ideen, die dem Mainstream mit seiner globalen Unterstützung von Religion, Kapital, libertären Konsumverhalten und Militarismus widersprechen.
Bibliodiversität ist ein komplexes sich selbst unterstützendes System von Storytelling, Schreiben, Veröffentlichen und anderen Arten der Produktion von Oratur2 und Literatur. Die AutorInnen und ProduzentInnen sind mit den BewohnerInnen eines Ökosystems vergleichbar. Bibliodiversität trägt zu einem lebendigen kulturellen Leben und zu einem gesunden öko-sozialen System bei.
Es ist sinnvoll, sich Bibliodiversität als eine Sicht von unten vorzustellen. Wie alte Bäume in der richtigen Erde, so reichen auch die Wurzeln der Kultur tief. Die Zeit hat eine reichhaltige Schicht des Wissens angelegt, und wenn ein Baum diesen Boden des Wissens nicht anzapfen kann, wird er an Nahrungsmangel sterben. Aber der Baum ist nicht alleine. Er ist zwar autonom, wird aber von Organismen, Pflanzen und Tieren um ihn herum versorgt.3
So wie ein Ökosystem biodivers ist, wenn es ein »dynamisches Gleichgewicht«4 hat, d.h. wenn eine Art die anderen nicht überwuchert und bis zu ihrer Ausrottung dominiert, so ist auch ein ökosoziales System nur in einem dynamischen Gleichgewicht, wenn alle möglichen Versorger gehört werden können. Homogenisierung eines Ökosystems geschieht, wenn globale Landwirtschaft, Massentierhaltung, Agrarwirtschaft und genetisch manipulierte Organismen die Umwelt dominieren. Dies sind die feindlichen Auswirkungen der Globalisierung. Ebenso wird im ökosozialen System durch das Fehlen unterschiedlicher Medien und die Konzentration in Konzernverlagen und Buchhandelsketten die Möglichkeit, unterschiedliche Stimmen zu hören oder zu lesen, eingeschränkt. Diese werden zu »Monokulturen des Geistes« (Shiva, 1993) und sie sind genauso zerstörerisch wie landwirtschaftliche und militärische Monokulturen. Wenn die soziale Umwelt von erkenntnistheoretischen Monokulturen – einzelne Stimmen, die alle das Gleiche sagen – überrollt wird, kommt es zu einem Verlust des dynamischen Gleichgewichts und diejenigen, die etwas Neues oder Anderes zu sagen haben, werden ignoriert. In diesem Zusammenhang ist die Suche nach einem Ansatz, der die Multiversität betont, ein erster Schritt. Damit Multiversität erfolgreich werden kann, ist eine begleitende Art des Publizierens notwendig, die eine Annäherung an Bibliodiversität betont.
Zur Bibliodiversität kommt es dann, wenn sowohl der tiefe Boden der Kultur genährt wird, als auch die Vielfalt der erkenntnistheoretischen Haltungen gefördert wird. Ich bezeichne dies als kulturelle Multidiversität. Kleine und unabhängige Verlage tragen zur kulturellen Multidiversität bei, indem sie einerseits Bücher verlegen, die inhaltliche Tiefe besitzen (z.B. Bücher, die aus unterschiedlichem kulturellem Wissen entstanden sind), und andererseits Bücher produzieren, die eine große Bandbreite von Standpunkten und erkenntnistheoretischen Positionen vertreten.
Eine Gruppe chilenischer VerlegerInnen, die die Gruppe Asociación de Editores Independientes de Chile in den 1990ern gegründet hat, erfand das Wort bibliodiversidad [Bibliodiversität].
Die derzeitige finanzielle Orientierung innerhalb der Verlagswelt – in der große Aktiengesellschaften ohne Bezug zur Verlagsbranche Verlage aufkaufen und ein hohes Produktivitätsniveau durchsetzen – führt zu einem Verlust der verlegerischen Unabhängigkeit. (International Alliance of Independent Publishers, 2007, S.1)
Oder wie es Françoise Benhamou in einer Rede bei einem Treffen der International Alliance of Independent Publishers formulierte:
Biodiversität bezieht sich auf die Anzahl der verschiedenen Arten; in der Buchbranche wäre das mit der Anzahl der Titel zu vergleichen. Aber es wäre unzureichend, es dabei zu belassen. Ich werde später auf diesen Punkt zurückkommen. Der zweite Faktor, der vom Konzept der Biodiversität betont wird, ist Gleichgewicht, das Gleichgewicht zwischen den Arten. Wenn wir uns ansehen, was dies für die Biodiversität bedeutet, dann sehen wir die ganz einfache Idee, dass wenn es mehrere Arten gibt, aber einige davon in großen Mengen, während andere sehr selten sind, die vielen Gleichartigen die anderen vermutlich auffressen oder beherrschen. Das Gleiche geschieht in der Buchbranche, wo es eine besorgniserregende Entwicklung gibt, dass die Dominanz von Bestsellern in Supermarktregalen und vor allem in den Auslagen der Buchhandlungen andere Angebote, die schwieriger zu vermarkten sind, verdrängt. (Benhamou, 2009, S.28–29)
Als Feministinnen sich in den 1970er und 1980er Jahren der von Männern dominierten internationalen Verlagsindustrie gegenüberstellten, sahen sie sich mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, die Benhamou benennt. Das Ergebnis war ein Zusammentreffen von Verlegerinnen, Buchhändlerinnen und Autorinnen, um ihre Erfahrungen auszutauschen und Netzwerke zu bilden, die wiederum Möglichkeiten für Koeditionen5 schufen.
1984 fand die erste Internationale Feministische Buchmesse in London statt. Auf dieser Buchmesse trafen sich Verlegerinnen und Autorinnen verschiedener Kontinente – und im nachfolgenden Jahrzehnt trafen sich tausende Autorinnen, Leserinnen, Übersetzerinnen, Verlegerinnen, Buchhändlerinnen, Bibliothekarinnen und viele andere alle zwei Jahre auf Messen in Oslo, Montreal, Barcelona, Amsterdam und Melbourne. Dies war die Basisbewegung der Bibliodiversität. Wir wussten, dass das, was wir taten, wichtig war. Was wir nicht wussten, war, dass dieses florierende internationale Netzwerk so schnell zusammenbrechen würde. Als autonome, von Feministinnen geführte Organisationen hatten wir keine Strukturen, keine dauerhafte Finanzierung und kein permanentes Verwaltungszentrum (ironischerweise wurden viele unserer Messen an Orten abgehalten, die kurz danach die Olympischen Spiele mit ihren gigantischen Infrastrukturen ausrichteten).
Die Internationalen Feministischen Buchmessen waren möglich, weil es einen intensiven Aufschwung des Interesses an feministischem Schreiben und Publizieren gab. Aber auch dies wurde schnell durch entpolitisierende theoretische »Positionen« geschwächt, wie auch durch die Entwicklung der großen Supermärkte.
In den 1980ern wurde die Postmoderne Theorie schrittweise an Universitäten eingeführt. PostmodernistInnen wandten ihre Aufmerksamkeit Feminismus, Lesbenforschung und radikaler Analyse von »class« und »race« zu. Bald schon hörten wir Begriffe wie »Gender«, »queer«, »Hybridität«, »Ethnisierung« statt »Sexismus« und »Frauenfeindlichkeit« und Vorurteile, die auf sexueller Orientierung, Klasse und Race basieren. Diese neuen Begriffe rissen das radikale Herz aus den sozialen Massenbewegungen. Wer kann an einer Demonstration teilnehmen und etwas über Ethnisierung herausschreien? Niemand möchte etwas über Gender brüllen. Was für einen Slogan würde ‘auf Gender basierte sexuelle Gewalt’ ergeben, wenn bereits das Wort ‘Vergewaltigung’ existiert, das deutlich macht, um was es geht? Es sind Hass, Unterdrückung, Frauenfeindlichkeit und Ausbeutung, die die DemonstrantInnen anprangern wollen. Frauen schreien: »Wir erobern uns die Nacht zurück« oder »Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat«; Aktivistinnen demonstrieren gegen Krieg, Rassendiskriminierung, Armut und die Zerstörung der Umwelt. Protestierende äußern sich über Eugenik und Diskriminierung aufgrund von Behinderungen, Alter oder sozialem Ausschluss. Die linguistische Schwächung der sozialen Massenbewegungen, die Vorstellung, dass die eigene Position in der Gesellschaft bedeutet, nicht für andere, die nicht genauso wie frau/man selber ist, sprechen zu können, bringt Millionen von Stimmen zum Schweigen.
Der Postmodernismus hat politische Energie verschwendet (Brodribb, 1992; Bell und Klein, 1996). Er ließ die Theorie aus den Treffen der AktivistInnen verschwinden und brachte sie in den Elfenbeinturm. Politische Energie wurde im Keller vergraben, wo sie Staub ansetzte.
Die Erfindung der Großbuchhandlungen war ein anderer Sargnagel des feministischen Publizierens. Feministische Verlegerinnen begannen die Strategie der Großbuchhandlungen 1993 auf der American Book Expo zu diskutieren. Feministischen Buchhändlerinnen war aufgefallen, dass Borders6