Bloodshot Vivi - P. J. Boettcher - E-Book

Bloodshot Vivi E-Book

P. J. Boettcher

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Beschreibung

"Was wissen Sie über Vega?" "Sie ist ein Ex-Militär. Der einzige weibliche Scharfschütze, den es jemals beim Militär gab. Ein guter noch dazu. Einige halten sie für eine gefährliche Irre mit Hang zur Gewalttätigkeit. Sie ist bekannt für ihr aggressives Vorgehen. Andererseits hört man, sie sei eine Frau, die kontrolliert und gefasst agiert. Ein Widerspruch in sich. Ich denke, sie hat eine ungestüme Seite. Eine Mischung aus Kühnheit, Mut, aber auch Besonnenheit. Sagen wir, Vega besitzt Fingerspitzengefühl in brenzligen Situationen. Auf alle Fälle ist sie jemand, den man sich besser nicht zum Feind macht.

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Bloodshot Vivi Ein Vivien Vega Roman

von

Imprint

Bloodshot Vivi P. J. Boettcher published by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de Copyright: © 2015 P. J. Boettcher Konvertierung: Sabine Abels - www.e-book-erstellung.de

Zum Buch

Gefangen in einem Albtraum. Mit einem tödlichen Virus infiziert. Eine scheinbar ausweglose Situation.

P.J. Böttcher geboren 1964 wohnhaft in München und wahlweise in einem Steinhäuschen in Vodice, Kroatien. Ist Kletterer, Taucher, Feuerwehrmann. Zur Entspannung kocht er gerne. Arbeitet derzeit als Gärtnermeister. „Bloodshot Vivi “ ist sein 1. Vivien Vega-Roman.

1.

Wie lange ich weg war, wusste ich nicht. Es war die Erschöpfung, die mir half, Schlaf zu finden. Erst die wärmenden Sonnenstrahlen, die mein Gesicht berührten, brachten mich dazu, meine Augen zu öffnen. Ich blickte durch ein vergittertes Fenster. Inmitten des hellblauen Himmels thronte eine einzelne Wolke. Ein weißes schwebendes Gebilde, das sich nicht von der Stelle bewegte.

Weder wo ich war, noch was für ein Ort das hier war, vermochte ich zu sagen. Der furchtbare Albtraum der letzten Tage raubte mir meine letzten Nerven. Für die kurze Zeit, in der ich endlich Ruhe fand, vergaß ich die Hilflosigkeit und Furcht. Jetzt, nach dem Erwachen, kehrte die Angst zurück. Sie breitete sich aus, schlich bis in den hintersten Winkel meines Verstandes. Zögernd raffte ich den linken Ärmel. Ungewollt schreckte ich zusammen.

Da war er! Der Einstich!

Ein tiefblauer hässlicher Punkt. Mein Gehirn spuckte ein Bild aus, wie das Virus, in meiner Vorstellung kleine stachlige Kugeln, den Blutstrom durchfluteten. Nur mit einem Ziel, zu zerstören. Ein Feind über den ich nicht das Geringste wusste außer, dass er den Tod brachte.

Ich erinnerte mich daran, wie die beiden Männer nach mir fassten, um mich in den Lieferwagen zu zerren. Ihre Umklammerung war fest, und bereits nach kurzer Dauer, schmerzte mein Handgelenk. Einer der beiden, der große Blonde, zog eine Pistole aus seinem Edelzwirn, die er mir in die Rippen bohrte. Durch seinen leicht geöffneten Mund konnte ich erkennen, dass ihm die oberen Vorderzähne fehlten. Der andere, auf den ersten Blick einer der hässlichsten Menschen dem ich jemals begegnet war, lächelte kurz. In seinem Gesicht gab es eine Ansammlung von Narben, eine mehrmals gebrochenen Nase sowie regungslose Augen, die mich kalt anblickten. Die Lachfalten, die seinen Mund umspielten, änderten nichts an den grausamen Zügen.

Eine dritte Person, ein Mann mit weißem Kittel, starrte mich einige Zeit an, bevor er anfing zu sprechen.

»Nun, Miss Vega, wie ich feststellen muss, sind Sie eine Schönheit. Umso mehr bedauere ich es, Ihnen Leid zufügen zu müssen.«

Erschrocken stellte ich fest, dass er meinen Namen kannte. Der Mann zog eine Spritze, die auf einem Silbertablett lag, mit einer Flüssigkeit auf. Nadeln! Alleine der Anblick schaffte es spielend ein mulmiges Gefühl in meinem Magen zu erzeugen. Unbekümmert lachte er.

»Diese beiden Herren, Dornhelm und Koblenko, werden für die nächsten Tage Ihre persönlichen Betreuer.«

Mein Versuch, mich aus ihrem Griff zu befreien, blieb erfolglos. Sie ließen nicht locker. Dornhelms Blick lauerte, so als wolle er sagen: „Versuchs nur!“. Mein gegenüber forderte.

»Würden Sie bitte Ihren linken Arm frei machen!?«

Ich warf einen Blick auf die Spritze in seiner Hand.

»Was zum Teufel ist das?«, fragte ich.

»Das? Na schön, warum nicht. Ich werde Ihnen das Experiment, an dem Sie teilnehmen, begreiflich machen.«, sagte der Verrückte mit seinem fleckigen Arztkittel, während er mit der Pinzette einen Wattebausch nahm, den er in eine Flüssigkeit tauchte. Alkohol, nahm ich an.

»Ich versuche den Verlauf eines Erregers zu erforschen.«

»Und ich bin das Versuchskaninchen!«

»Wie Sie sich vorstellen können, ist es nicht einfach, Freiwillige zu finden. Noch habe ich zu wenig Information, als dass ich auf eine solche Möglichkeit verzichten könnte. Außerdem sind Sie uns im Weg.«

Damit hatte er seinen Standpunkt klar gemacht.

»Das werden Sie schön bleiben lassen!«,sprach ich langsam vor mich her.

Er wartete einen Augenblick, bis er fortfuhr.

»Sonst passiert was?«,wollte er wissen.

»Das werden wir herausfinden.«

Ich trat ihn fest gegen sein Schienbein. Sein Gesicht wurde zu einer schmerzerfüllten Fratze. Der Wattebausch fiel zu Boden. Wegen des Erfolges trat ich nach. Der Zahnlose rammte mir seine Pistole in die Seite. Der Doktor rieb sich das Bein. Noch rot im Gesicht kicherte er leise vor sich hin.

»Sie finden das komisch?«, fragte ich.

Meine beiden Bewacher drückten mich fest in den Sitz. Langsam kam die Nadel auf mich zu. Zu nah für meinen Geschmack.

»Spritzen Sie sich Ihren Müll selbst!«, brüllte ich ihn an.

»Wir können Sie nicht einfach herumschnüffeln lassen. Das macht uns nervös. Und wir wollen doch nicht, dass unser Vorhaben auffliegt.«, antwortete er.

Würde sich der Griff nur lockern? Nein, da war nichts zu machen.

»Gott verdammt! Lassen Sie mich gehen!«

Natürlich wusste ich, bevor ich den Satz zu Ende sprach, dass die Worte nutzlos waren.

»Die ersten, die infiziert wurden, hat es mit atemberaubender Geschwindigkeit dahin gerafft. Nach den damaligen Erkenntnissen lag die Überlebenschance bei dreißig Prozent aber diese Zahl ist nicht repräsentativ, da sie sich lediglich auf vierzehn Versuche beschränkt.«

Ich übte mich im Kopfrechnen. Dreißig Prozent. Das bedeutete vier hatten überlebt.

» Alle bis auf vier sind gestorben?«, fragte ich.

»Sagen wir einfach, dass es sich bei diesen Personen um Querulanten handelte. Um Neugierige, die versuchten, mich bei meiner genialen Forschung zu stören.«

»Sie sind wahnsinnig!«

»Es ist mir gelungen, das Virus zu verbessern. Bisher gab es keine Möglichkeit einer weiteren Erprobung. Bis jetzt.«

Ohne Vorwarnung schlug mir der Zahnlose seine Pistole auf den Hinterkopf.

Benommen verspürte ich den Schmerz der Nadel, die mir der Doktor in den Arm jagte. Der brutale Stich fühlte sich an, als würde die Nadel abbrechen.

»Neiiiiiiiinnnnnnn!«, schrie ich verzweifelt.

»Nein!«, sagte ich noch einmal.

Hilflos vernahm ich seine nächsten Worte.

»Es ist zu spät. Jetzt, nachdem das Virus injiziert ist, wird man bald eine Reaktion nachweisen können. Nach drei bis fünf Tagen Inkubationszeit wird die Infektion ausbrechen. Die ersten äußerlichen Anzeichen werden zu erkennen sein. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist das Virus ansteckend.«

Sein Kichern erfüllte den Innenraum des Vans. Ich war eine tickende Zeitbombe.

Die lange Fahrt führte an nicht enden wollenden Weinreben vorbei. Irgendwann türmte sich ein Drahtzaun vor uns auf. Das Verbindungstor öffnete sich wie von Geisterhand. Niemand hatte nach der Injektion ein Wort gesprochen. Wozu auch? Mein Widerstand war gebrochen. Zitternd holte ich tief Luft und versuchte die ausweglose Situation zu begreifen.

Kurze Zeit darauf näherten wir uns kleinen Bungalows. Inmitten der weitläufigen Anlage gab es einen mehrstöckigen Komplex, bei dem wir anhielten. Der Zahnlose stieg zuerst aus. Ich sah ihm in die Augen und mir wurde klar, sie würden mich hier begraben. Er schob mich vor sich her.

Die Türe des Zimmers hatte keinen Griff. Wir traten ein. Das Fenster, zu dem mich mein Begleiter hinführte, war vergittert. Ich sah hinaus. Bis auf einen gepflasterten Weg und ein paar Bäumen gab es nichts zu sehen. Einige Zeit blickte ich benommen ins Nichts. Mein Bewacher zog mich zurück und drückte mich aufs Bett. Hier also sollte sich die letzte Episode meines Lebens abspielen.

2.

Mein Spiegelbild zeigte tiefe auf der Stirn eingegrabene Sorgenfalten, die mich älter wirken ließen als zweiunddreißig. Das lange schwarze zerzauste Haar, es war schon immer schwer zu bändigen, band ich mit einem Haargummi nach hinten. Der Raum erweckte den Anschein klein zu sein. Tatsächlich beherbergte er Waschbecken, Toilette, Schrank sowie Bett. Je länger ich mich umschaute desto unglaubwürdiger erschien es, dass der begrenzte Raum dafür ausreichte. Eine Staubschicht klebte am Fenster meiner neuen Heimat. Das bläuliche Grau des Himmels verfärbte sich zusehends zu einem dunklen Schwarz und tauchte die Umgebung ringsum in melancholische Finsternis.

Auf dem Tisch stand eine Mahlzeit. Eine knappe Ration irgendwas. Schon der Anblick genügte, um Widerwillen hervorzurufen. Ich nahm einen Bissen. Meine Geschmacksnerven empfanden es als ungenießbar aber ich musste bei Kräften bleiben, deshalb würgte ich es mir mit Mühe runter.

Was hatte der Irre mit der Spritze gesagt? Zwischen drei und fünf Tage blieb Zeit, bis die Krankheit ausbrach. Oder sagte er zwei Tage? Nein! Er sagte zwischen drei und fünf Tage. Dann war ich ansteckend. Was bedeutete, das Virus vermehrte sich unterschiedlich schnell. Bei jedem anders. Im schlimmsten Fall drei Tage, um diesem Mistkerl die Kehle durchzuschneiden. Im günstigsten fünf.

»Wie gefällt Ihnen Ihr neues Zuhause?«

Wie in aller Welt hatte Koblenko, das Narbengesicht, es geschafft das Zimmer zu öffnen ohne dass ich es bemerkte? Schwerfällig drehte ich mich. Auf einen Dialog mit einem meiner neuen Freunde verspürte ich nicht die geringste Lust.

Die Worte, die aus meinem Mund hervorbrachen, versuchte ich trotzdem nicht einmal ansatzweise aufzuhalten.

»Die Wände benötigen dringend einen neuen Anstrich.«, gab ich zur Antwort.

»Für die Dauer Ihres Aufenthalts? Wohl kaum.«

»Ich werde Sie eigenhändig erwürgen, wissen Sie das?«, erwiderte ich.

Bei einem Kerl, bei dem sich mir kurz vorher noch die Frage auftat, wie er durch die schmale Türe des Zimmers passte, eine lächerliche Drohung.

»Ich wünsche Ihnen…nein, Vega, …ich wünsche MIR, dass Sie diese Gelegenheit bekommen.«

Meine Kraft würde auf keinen Fall reichen. Was mir den Gedanken schenkte in mit Benzin zu übergießen um ihn abzufackeln.

Ein Typ mit weißem Shirt betrat die Räumlichkeit. Um seinen Hals baumelte eine Stoffmaske. Um meine Demütigung komplett zu machen, musste ich mich bis auf die Unterwäsche entkleiden. Eine Aufforderung, der ich zögernd nachkam. Koblenko nahm meinen Gürtel.

»Nicht, dass Sie sich aufknüpfen.«, spottete er.

Der Arzt betrachtete meinen Körper eingehend.

»O.K., keine Merkmale einer Veränderung.«

„Keine Veränderungen. Lange wird das nicht so bleiben“ , schoss es mir durch den Kopf.

Kurze Zeit verharrte sein Blick bei den Narben, die Schussverletzungen hinterlassen hatten. Er notierte meine Größe, mein Gewicht und noch etliches mehr.

Ein Tropfen Blut, welchen er mir entnahm, strich er auf eine dünne Glasplatte, die er mit einer zweiten abdeckte. Anschließend gab er mir einen dünnen, knielangen Baumwollkittel und Hausschuhe. Durch ein Nicken gab er Koblenko zu verstehen, dass die Untersuchung zu Ende war. Ich streifte den Kartoffelsack über. Noch während er nach unten rutschte spürte ich Koblenkos kraftvollen Griff am Arm.

»Kommen Sie, Vega, gehen wir.«, sagte er.

Er schob mich aus dem Zimmer. Eine alte Frau wischte mit einem Mob den Flur hinauf. Koblenko führte mich zu einer benachbarten Türe. Eine von vielen Zugängen, die bis zum Ende des Ganges in den kahlen Betonwänden eingemauert darauf warteten, dass sie jemand aufsperrte. Durch ein Sichtfenster blickte ich in das Innere. Das Zimmer, meinem ähnlich, der Unterschied bestand darin, dass es einen bequemen Sessel gab, den die Frau mit dem Rücken zu uns aber nicht benutzte. Auf dem Fußboden kauernd bewegte sich ihr Kopf von links nach rechts, so als verfolge sie eine unsichtbare Maus, die unermüdlich die Wand hin und her lief. Koblenko klopfte gegen das Sicherheitsglas.

»Das ist Lisa. Ich fürchte ihre Situation hat sich nach der langen Zeit, die sie hier schon verbringt, nicht wirklich verbessert.«

Lisa drehte den Kopf, ein Lächeln machte sich breit und sie fing an wie blöd in die Hände zu klatschen.

Ich musste nicht eins und eins zusammenzählen. Meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich.

»Eine Klapsmühle«, flüsterte ich.

»Gott verdammt, ich bin in einer Klapse!«

Mit jedem Schritt den Flur entlang wurde mir zunehmend unwohler.

»Sehen Sie es ein wenig positiv. Es gibt drei Mahlzeiten am Tag.«, sagte Narbengesicht.

»Trotz Ihres teuren Anzuges passen Sie gut hierher, zu all den Verrückten.«, antwortete ich.

»Sie haben ein loses Mundwerk. Seien Sie vorsichtig, bei dem was Sie sagen. Ich bin ein unberechenbarer Sadist. Anderen Schmerzen zuzufügen macht mir Spaß.«

»Da bin ich mir sicher.«

Wir kamen in einen Frühstücksraum. Keiner der Personen beachtete mich großartig. Unterschiedlich gekleidet mit Sportkleidung oder Morgenmänteln, blieb ihnen eine Gemeinsamkeit. Sie wirkten gleichgültig. Um den Fernseher, der auffällig hinter Sicherheitsglas flimmerte, versammelten sich die meisten. Stumpf verfolgten sie die Morgennachrichten. Während wir auf den Fahrstuhl warteten, stellte sich ein etwas dicklicher Mann, von seinem Arm hing ein Verbindungsschlauch, der verbunden mit einem transparenten Infusionsbeutel in einem Gummistopfen endete, zu uns.

»Darf ich euch bekannt machen. Das ist Harold.«

Koblenko nickte mit dem Kopf.

»Na, Harold trinkst du immer noch acht Tassen Kaffee zum Frühstück?«.

Völlig verwirrt, unfähig zu antworten, verharrte er eine Weile. Schließlich zog er von dannen und nahm wankend die Treppe.

Die Ausmaße des seltsamen Gartens, den wir über den Aufzug erreichten, konnte ich nur erahnen. Auf der Dachterrasse stützen Stahlbinder eine gewaltige Glaskuppel, unter der eine Vielzahl verschiedenster Pflanzentypen ihr zu Hause fanden. Da gab es Baumriesen, deren Kronen bis unter das Dach der Kuppel reichten. Kletterpflanzen benutzen die Stämme als Leiter, um weiter nach oben ans Licht zu gelangen. In den Zweigen und Astgabeln hingen Farne. Überzogen von einem durch seine Wachsschicht glänzenden Blätterwald färbte sich die Umgebung in ein vorherrschendes Grün. Ein Boden bedeckendes mit Wasserperlen benetztes Moos erstreckte sich über die Humusdecke am Boden. Rankende Wurzeln verzweigten sich in alle Richtungen. Die Artenvielfalt, die sich hier versammelte, erstaunte mich. Es herrschte feuchtwarmes Klima. Der Geruch frischer Erde hing in der Luft. Was für ein ungewöhnlicher Ort! Zu dem Rest der Anstalt wirkte der Glaspalast wie ein Fremdkörper. Als könne er meine Gedanken erraten gab mein Bewacher die Antwort.

»Das was Sie hier sehen, ist der Geburtsort.«

»Der Geburtsort?«

»Sie müssen wissen, Marenkov ist nicht nur Mikrobiologe. In seiner Freizeit ist er Botaniker.«

Der Mann, der mir das angetan hatte, bekam einen Namen.

»Immer wenn Marenkov mit seiner Forschung nicht weiterkam, zog er sich zurück. Hierher, in sein privates Reich.«, sagte Koblenko. »Hier hat er das Problem gelöst, wie das Virus die Eintrittsschranke in das Immunsystem umgeht.«

»Schon einmal einen Gedanken gemacht, was passiert, wenn sein selbstgebastelter Erreger außer Kontrolle gerät?«, wollte ich wissen.

Meine Frage überging er.

»Genießen Sie Ihren Aufenthalt, Vega. Ich komme Sie später holen.«

Die Glasscheiben waren in Stahlsprossen eingebettet. Im Glas selbst war ein feines Metallgewebe eingearbeitet. Sollte jemand versuchen das Glas zu zertrümmern, gab es genug Widerstand, der verhinderte, dass es splitterte. Zudem gab es Stahlklammern, die das herausnehmen unmöglich machten. Also, keine Fluchtmöglichkeit, zumindest was die Scheiben anging. Ich hielt Ausschau nach Lüftungen. Sie mussten nicht einmal groß sein, nur ausreichend um mich hindurch zu zwängen. Aber nichts dergleichen war zu finden. Verzweifelt überlegte ich wie meine Flucht aussehen könnte.

Ich spürte ein Beben in der Luft. Das Geräusch herumwirbelnder Ventilatoren unterbrach die Stille. Die Blätter der Bäume tanzten in einem Luftstoß. Ich verschloss die Augen und konnte die Frischluft riechen. Bevor der Lärmpegel weiter zunahm, ging ich bereits darauf zu. Eingebettet in die Stehwände des Gewächshauses wirbelten riesige Schrauben umher. Unermüdlich saugten sie Frischluft an, die sich in der Anlage verteilte. Neben einer Reihe Umwälzpumpen entdeckte ich einen Anbau. Das Tor stand weit geöffnet. Ich trat hinein und stand vor einem Rolltisch, auf dem sich leere Töpfe schichteten. Ein orangefarbener Totenkopf sprang mir entgegen. Ich war nicht in der Lage meinen Blick davon abzuwenden. Mit meinem Zeigefinger fuhr ich an der Glastür des Schrankes entlang, an dem er klebte. Dahinter stapelten sich Pflanzenschutzgifte. Bei besonders giftigen Präparaten reichten kleine Mengen um Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Eine durchaus wirksame Waffe. Leider verhinderte ein dickes Vorhängeschloss an eins der Mittelchen heranzukommen. Die Düngesäcke, die neben einer Erdaufbereitungsmaschine lagerten, weckten mein Interesse. Ammoniumnitrat diente zur Verbesserung des Pflanzenwachstums. Für mich gab es mehr als nur diese Bedeutung. Ich las die Aufschrift der Verpackung. Dünger oder Unkrautvernichter, gemischt mit Diesel, waren die Basis für Sprengstoffe. Glücklicherweise hatte ich die Anleitung zum Bau von Bomben in meinem Kopf. Erlernt in Schulungen, damals als ich einer Anti-Terror-Einheit angehörte.

3.

Gerade einmal drei Tage in der Vergangenheit am 13. Mai kam der Anruf. Das Klingelzeichen riss mich aus dem Schlaf. Noch benommen drückte ich die Taste. Eine Stimme sagte „Hallo“ und schwieg. Ich schwieg ebenfalls.

»Sind sie Vega?«

»Ja«, antwortete ich im Halbschlaf.

Ein aufmerksamer Zuhörer hätte merken können, dass etwas nicht stimmte.

»Ich bin nicht sicher ob Sie sich noch an mich erinnern. Mein Name ist Barelio.«

Bei jedem Wort schwang ein besorgter Tonfall mit. Aber in meinem schläfrigen Zustand schenkte ich den Worten keine Beachtung. Auch den Namen konnte ich nicht zuordnen.

»Schön und weiter?«

>Wir haben einen gemeinsamen Freund.«

»Beeilen Sie sich einfach.«, murmelte ich verständnislos.

»Ich rede von Jack Rydell.«

»Jack.«

Mein Geist war jetzt wacher.

»Warum ruft er nicht selbst an?«

»Ich habe seit vierundzwanzig Stunden nichts von ihm gehört.«, antwortete Barelio.

»Wie darf ich das verstehen?«