Blutspuren - Hans Girod - E-Book

Blutspuren E-Book

Hans Girod

4,9

Beschreibung

Ein Ehemann will seine von ihm getrennt lebende Ehefrau ermorden und "übt" die Tat vorher an zwei anderen Frauen. Ein Einbrecher findet in einem Einfamilienhaus einen kranken 10jährigen Jungen vor und "beseitigt" den unverhofften Zeugen. Eine Mutter von neun Kindern plant mit diesen das Familienoberhaupt zu töten, das ihr lästig geworden ist. Der Horror realer Verbrechen hat auch den Staat der Arbeiter und Bauern nicht verschont. Kriminalistikprofessor Hans Girod zeigt in diesem, seinem dritten Buch über ungewöhnliche Mordfälle aus der DDR wieder Psychogramme, Tatmotive, Tatanlässe und das Verhalten der Täter nach ihren abscheulichen Verbrechen.Die packende Schilderung vom Tathergang wird ergänzt durch kriminaltechnische und spurenkundliche Untersuchungen der Kriminalisten und Mediziner, die oft unter schwierigen Bedingungen die Täter überführten. Wieder einmal erweist sich Hans Girod als profunder Kenner der DDR-Kriminalgeschichte.

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Impressum

ISBN eBook 978-3-360-50013-7

ISBN Print 978- 3-360-00957-6

© 2001 Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH

Neue Grünstr. 18, 10179 Berlin

Umschlagentwurf: Jens Prockat

Fotos/Dokumente: Archiv Autor

Die Bücher des Verlags Das Neue Berlin

erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

www.das-neue-berlin.de

Hans Girod

Blutspuren

Weitere ungewöhnliche Mordfälleaus der DDR

Vorbemerkungen

Nach den Büchern »Das Ekel von Rahnsdorf«, »Leichensache Kollbeck« und »Der Kannibale« geht es im vorliegenden Band »Blutspuren« erneut um gewaltsame Todesfälle im Land des real existierenden Sozialismus, über die die Öffentlichkeit so gut wie nichts erfuhr.

Ein junger Mann streunt wochenlang ruhelos von Ort zu Ort, lebt von der Beute aus Einbrüchen, bis er einen Mord begeht, der von der Polizei zunächst nicht erkannt wird. Ein anderer kann seine sexuelle Erregung nicht im Zaum halten, vergeht sich an einem Kind, tötet es aus Angst vor Entdeckung und beseitigt die Leiche auf absurde Weise. Da mordet sich eine Frau den Weg zu ihrem Geliebten frei und ist sich dabei der aktiven Mithilfe ihrer strafunmündigen Kinder gewiß, die schließlich das Verbrechen auf sich nehmen. Im Erzgebirge sucht ein Ortspolizist monatelang nach einem vermißten Mädchen, dessen Mörder er selbst ist. Da will ein Mann seine abtrünnige Gattin töten und erprobt die Mordtechnik zuvor an zwei anderen Frauen …

Wieder sind es authentische Fälle, die belegen: Auch im Arbeiter- und Bauernstaat wurde vergewaltigt, geraubt und gemordet wie anderswo. Freilich, die statistischen Zahlen fielen geringer aus als im Westen. Aber Motive, Anlässe und Begehungsweisen für derlei Delikte waren in beiden Teilen Deutschlands ebenso gleichartig wie die kriminalistische Methodik ihrer Aufdeckung und Aufklärung.

Bislang blieb die Situation der gewaltsamen Todesfälle in der DDR weithin unbekannt. Kaum jemand weiß, daß jährlich etwa 20000 Todesfälle angezeigt wurden, die kriminalistisch untersucht werden mußten. Daß sich darunter fast 5000 natürliche Todesfälle befanden, spricht vor allem für die hohe Sensibilität der Leichenschauärzte.

Die restlichen 15000 Todesfälle bildeten den eigentlichen Gegenstand der polizeilichen Todesermittlungssachen. Sie verteilten sich in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit auf Unfälle, Suizide, fahrlässige Tötungen sowie Mord und Totschlag. Hinzu kamen aufgefundene unbekannte Tote, die identifiziert werden mußten, auch wenn kein Verbrechen vorlag, und unzählige Vermißtenvorgänge, unter denen sich so mancher Mordfall verbarg.

Im Mord zeigt sich auf besondere Weise die Einheit von Täter und Tat, auch wenn diese mitunter schwer auszumachen ist und problematisch erscheint. Manche Mordtat steht im vermeintlichen Widerspruch zur sonstigen Persönlichkeit, doch persönlichkeitsfremde Taten gibt es ebenso wenig wie Morde ohne Motiv.

Um, bei aller Unterschiedlichkeit der Tatentwicklung und -durchführung, diese These zu stützen, liefern die Fallberichte täterbezogen wichtige biografische Eckdaten. Sie sollen deutlich machen, daß die unheilvolle Verquickung von Erziehungsdefiziten, Mangel an sozialen Fähigkeiten und ungenügende Selbstkontrolle – auf welche Art und aus welchem Grund sie sich auch immer herausgebildet haben – nahezu alle Mörder kennzeichnet.

Aber es geht nicht nur um die Psychogramme der Täter, die motivationalen Hintergründe und die bisweilen abstrusen Begehungsweisen. Wie von einem kriminalistischen Autor wohl nicht anders zu erwarten, bildet auch der Einblick in das methodische Vorgehen bei der Morduntersuchung einen wichtigen Gegenstand der Berichte. Er macht deutlich, daß der Weg zur Wahrheit, auf dem Erfolg und Fehlschlag dicht beieinander liegen, mitunter lang und beschwerlich ist. Durchweg zeigen die Fälle aber, daß die Kriminalisten ihr Handwerk beherrschten und ihre Ermittlungstätigkeit neben monotoner, aber notwendiger Routine insgesamt voller Hochspannung war. Doch auch die Ausnahmen sollen nicht unerwähnt bleiben, wenn nämlich fachliche Inkompetenz in der Ermittlungstätigkeit den kriminalistischen Erkenntnisprozeß bremste.

Insgesamt wurden solche Fälle ausgewählt, die ungewöhnliche Begehungsweisen, Täterpersönlichkeiten und besondere untersuchungsmethodische, spurenkundliche oder gutachterliche Probleme in sich vereinen, die aber auch den jeweiligen Zeitgeist und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen widerspiegeln.

Und: Wo es sich anbot, wurden die Fallschilderungen durch kurzgefaßte kriminologische und forensische Exkurse aufgelockert.

Nicht alle Fragen lassen sich dadurch abdecken. Einige müssen deshalb unbeantwortet bleiben, weil eine dazu erforderliche Diskussion den Rahmen des Buches gesprengt hätte: So z. B. die Tatbegehung unter Alkoholeinfluß. Sie hatte in der DDR – im Gegensatz zur gegenwärtigen Rechtspraxis – keine Schuldminderung zur Folge, weil ein Täter, der sich schuldhaft in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzte und in diesem Zustand eine Straftat beging, nach dem verletzten Tatbestand bestraft wurde. Oder das System rechtsanwaltlicher Tätigkeit, insbesondere hinsichtlich der Strafverteidigung: Allein die Tatsache, daß in der DDR für mehr als 28000 Bürger nur ein Rechtsanwalt tätig sein konnte (zeitgleich in der Bundesrepublik ein Rechtsanwalt für etwa 1200 Bürger), wirft jede Menge Fragen auf.

Schließlich zählt auch das Problem der Justizirrtümer in der DDR-Rechtsprechung zu den offenen Fragen. Tatsächlich gab es einige Mordfälle, in denen unglücklicherweise Unschuldige in Untersuchungshaft, ja sogar zeitweise in den Strafvollzug gerieten. Meist haben eine ungünstige Beweiskonstellation, belastende Zeugenaussagen oder falsche Geständnisse dazu geführt. Die Frage aber, ob kriminalistischer Übereifer oder Erfolgsdruck zu einer unbewußten oder bewußten Manipulation von Beweisen und damit zu Fehlurteilen geführt haben können, ließe sich, um leichtfertigen Spekulationen zu entgehen, erst nach genaueren Untersuchungen beantworten.

Der Schutz der Persönlichkeitsrechte gebot, die Namen der Tötungsopfer, der Täter und Zeugen zu schützen. Gleiches gilt für die meisten anderen Akteure, die keineswegs erfundene Figuren darstellen. Es war mitunter notwendig, einige Handlungsorte zu verändern. Auch bestimmte Handlungsabläufe galt es zu straffen und auf das kriminologisch Typische zu konzentrieren.

Das Buch ist keine wissenschaftliche Monographie, verzichtet daher auf ausführliche Literaturangaben und verweist nur auf grundsätzliche Quellen.

Bisweilen ergänzen Auszüge aus polizeilichen Ermittlungsakten, Sachverständigengutachten oder Zeitungsausrisse die vorliegenden Berichte.

Es finden sich aber auch im Buch Tatortfotos und Bilddokumente aus Sektionssälen. Sie kommentieren die beschriebenen Geschehnisse auf eigene, erschreckende Weise. Das könnte manchen Leser schockieren. Doch liegt es in der Absicht des Autors, neben der verbalen Beschreibung der verbrecherischen Vorgänge auch über die Bilddokumente einen winzigen Einblick in jene abnorme, befremdliche Realität zu vermitteln, die Außenstehende am liebsten verdrängen möchten, der sich aber die an der kriminalistischen Untersuchung Beteiligten nicht entziehen können.

Zu den einzelnen Fällen wurden die zutreffenden Aktenzeichen genannt, um erforderlichenfalls dem beruflich Interessierten den Zugang zu den Originalunterlagen zu erleichtern.

Den Abschluß des Buches bildet ein kurzes Nachwort über das Strafvollzugssystem in der DDR sowie ein Glossar mit der Erläuterung wichtiger Begriffe und Abkürzungen.

Und schließlich: Das vorliegende Buch soll die Rückschau auf einen eng begrenzten Teil der DDR-Realität, nämlich ihre unbekannten Tötungsdelikte, beschließen. Inzwischen haben sich verschiedene Autoren dem Thema der Kriminalität in der DDR gewidmet. Nun gilt es wieder, den Blick in die Gegenwart zu richten.

Die Explosion der Gewaltkriminalität und ihr gewaltiges Dunkelfeld stehen einem sich fortwährend vergrößernden forensischen Dilemma entgegen: Einerseits verfügt die kriminalistische Spurenkunde in der Bundesrepublik über ausgefeilte, hochempfindliche Verfahren, andererseits werden die forensischen Fachgebiete durch rigorose Einsparmaßnahmen gefährlich bedroht, fehlen gesetzgeberische Innovationen, die den aktuellen Ansprüchen an die Bekämpfung der Mord- und Totschlagsdelikte Rechnung tragen. Es gibt also noch unendlich viel zu tun!

Altdorf im Juni 2001

Hans Girod

Der Einzelgänger

(Tagebuchnummer 8285/72 Dezernat II, MUK, BdVP Leipzig)

Messestadt Leipzig, 9. Juli 1972, ein angenehm warmer Sonntag, und Schulferien. Viele Großstädter hat es zum Wandern in das waldreiche Umland hinausgezogen. Andere erquicken sich beim Bade. Auch die vierköpfige Familie Teige, die in der Saefkow-Straße im Stadtgebiet Gohlis wohnt, verbringt den Tag im Strandbad Auensee, nahe des Leipziger Stadtforstes. Zwar bietet die große Wiese im Garten hinterm Wohnhaus ausreichenden Platz für muntere Spiele, doch heute ist Baden angesagt.

Mutter, Vater und die beiden Kinder genießen so die Vorfreude auf die bevorstehende Urlaubsreise an die Mecklenburger Seenplatte: Der neunjährige Michael, ein aufgewecktes Kerlchen, und seine zwei Jahre jüngere Schwester Sabine tummeln sich in den kühlenden Fluten, erproben Schnorchel und Taucherbrille, während die Eltern auf der Liegewiese sich ihrer Lektüre und den bräunenden Sonnenstrahlen hingeben. Die Mutter, Manuela Teige (32), Stenotypistin im VEB Anlagenbau, hat bereits seit einigen Tagen Urlaub. Nur der Vater, Karsten Teige (33), Diplomingenieur im VEB Kombinat ORSTA-Hydraulik, muß noch eine lange Woche am Zeichenbrett stehen, ehe sein lang ersehnter Jahresurlaub beginnt. Und weil er am nächsten Morgen bereits vor dem ersten Hahnenschrei aus den Federn muß, drängt er kurz nach 17.00 Uhr zum Aufbruch. Der Widerspruch der Kinder verfliegt schnell, denn nun entgeht ihnen das abendliche Fernseh-Sandmännchen nicht. Gut gelaunt begibt sich die glückliche Familie Teige auf den Heimweg. Unterwegs eine freudige Überraschung: Als sie nämlich am Konsum Ecke Wiederitzschstraße vorbeigehen, bemerken sie, daß Mitarbeiter der GHG Obst und Gemüse gerade einige Kisten von einem Lieferfahrzeug abladen und im Ladeninneren verstauen. Der Inhalt der Kisten: Bananen. Eine Delikatesse mit hohem Seltenheitswert. Die Eltern vermuten richtig, daß der sozialistische Einzelhandel die exotischen Raritäten am nächsten Tag verkaufen wird. Die Kinder betteln: »Mama, wir wollen Bananen!« Frau Teige kann diesen Wunsch aber nur erfüllen, wenn sie sich morgen früh rechtzeitig der üblichen Warteschlange anschließt. Doch der kleine Michael erklärt sich prompt bereit, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen. In freudiger Erwartung klingt so der schöne Familiensonntag aus.

Daheim kümmert sich Manuela Teige um das Abendessen und versorgt die Kinder. Karsten Teige erledigt unterdessen seine abendlichen Gartenarbeiten: Zierrasen und Blumen erhalten ihre Wasserration, Terrassenmöbel und Geräte werden zusammengestellt, die selbstgebaute Hollywoodschaukel verschwindet unter einer Abdeckplane, Türen, die ins Haus führen, werden sorgfältig verriegelt. Kurz nach 20.00 Uhr sinken Michael und seine kleine Schwester in ihre Betten und schlafen alsbald ein. An diesem Abend bleibt der Einschaltknopf des elterlichen Fernsehers unberührt. Zwei Stunden später verlöschen alle Lichter im Haus. Denn auch Manuela Teige und ihr Gatte haben sich zur Nachtruhe zurückgezogen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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