Butler Parker 102 – Kriminalroman - Günter Dönges - E-Book

Butler Parker 102 – Kriminalroman E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Diesen Titel gibt es nur als E-Book. "Sie sind ein Flegel!" stellte Lady Agatha Simpson grollend fest und langte gleichzeitig sehr herzhaft mit ihrem Pompadour zu. Der kräftige, breitschultrige Mann, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, hatte sie eben gnadenlos zur Seite gedrängt und ihr dabei ein kleines Paket aus der Hand geschlagen. Dafür hatte Mylady sich revanchiert. Der "Glücksbringer" im perlenbestickten Handbeutel enthielt ein leicht überschweres Hufeisen, das mal für ein stämmiges Brauereipferd gedacht war. Entsprechend war die Wirkung. Der breitschultrige Mann war bereits in die Knie gegangen und hielt sich mit letzter Kraft an der Stange jenes Baldachins fest, der den Weg vom Hoteleingang bis zum Straßenrand überspannte. Seine Augen waren verglast. Er stierte auf die kriegerische ältere Dame, die ihn bereits vergessen zu haben schien. Sie nickte ihrer Begleiterin zu, die sich um das zu Boden gefallene Paket kümmerte, es aufhob und der passionierten Detektivin reichte. "Natürlich in Scherben, wie?" fragte Agatha Simpson verärgert. "Ich fürchte, ja, Mylady", erwiderte die attraktive junge Dame, die nur wenig über zwanzig sein mochte. "Lümmel!" Lady Agatha Simpson marschierte auf äußerst stämmigen Beinen auf den jungen Mann zu, der schutzsuchend seinen linken Unterarm vors Gesicht hob. Er zog sich jetzt hoch, baute sich auf und schüttelte benommen den Kopf. Dazu massierte er mechanisch seine linke Kinnlade, die von Myladys Glücksbringer voll getroffen worden war. "Sie werden mir Ersatz leisten"

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Butler Parker – 102 –

Der Tiger

Günter Dönges

»Sie sind ein Flegel!« stellte Lady Agatha Simpson grollend fest und langte gleichzeitig sehr herzhaft mit ihrem Pompadour zu.

Der kräftige, breitschultrige Mann, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, hatte sie eben gnadenlos zur Seite gedrängt und ihr dabei ein kleines Paket aus der Hand geschlagen.

Dafür hatte Mylady sich revanchiert.

Der »Glücksbringer« im perlenbestickten Handbeutel enthielt ein leicht überschweres Hufeisen, das mal für ein stämmiges Brauereipferd gedacht war. Entsprechend war die Wirkung.

Der breitschultrige Mann war bereits in die Knie gegangen und hielt sich mit letzter Kraft an der Stange jenes Baldachins fest, der den Weg vom Hoteleingang bis zum Straßenrand überspannte. Seine Augen waren verglast. Er stierte auf die kriegerische ältere Dame, die ihn bereits vergessen zu haben schien. Sie nickte ihrer Begleiterin zu, die sich um das zu Boden gefallene Paket kümmerte, es aufhob und der passionierten Detektivin reichte. »Natürlich in Scherben, wie?« fragte Agatha Simpson verärgert.

»Ich fürchte, ja, Mylady«, erwiderte die attraktive junge Dame, die nur wenig über zwanzig sein mochte.

»Lümmel!« Lady Agatha Simpson marschierte auf äußerst stämmigen Beinen auf den jungen Mann zu, der schutzsuchend seinen linken Unterarm vors Gesicht hob. Er zog sich jetzt hoch, baute sich auf und schüttelte benommen den Kopf. Dazu massierte er mechanisch seine linke Kinnlade, die von Myladys Glücksbringer voll getroffen worden war.

»Sie werden mir Ersatz leisten«, stellte Agatha Simpson fest, worauf der kräftige junge Mann mit dem etwas dümmlichen Gesicht sich hilfesuchend nach dem Rolls-Royce umsah, der am Straßenrand parkte. Er wußte offensichtlich nicht, wie er sich verhalten sollte.

Vor dem Rolls-Royce stand ein zweiter Mann, fast eine Zwillingsausgabe des ersten. Das Gesicht dieses Mannes wirkte höchstens noch dümmlicher. Seine rechte Hand war unter dem linken Revers des Jacketts verschwunden und beulte den Stoff aus. Liebhaber von Kriminalfilmen hätten sofort gewußt, daß diese Finger den Griff einer Schußwaffe umspannte.

Ein dritter Mann stand hinter dem Rolls-Royce und beobachtete die gegenüberliegende Straßenseite. Seine rechte Hand war erstaunlicherweise ebenfalls unter dem linken Revers seines Jacketts verschwunden.

»Äußern Sie sich!« herrschte Agatha Simpson den jungen Mann an, den sie Lümmel und Flegel genannt hatte. Sie hielt ihm das Paket so abrupt, unter die Nase, daß der Mann zusammenzuckte. Er befürchtete offensichtlich, die kriegerische Dame würde ihm das kleine Paket auf die Nasenspitze setzen.

»Wieviel hat das Gerümpel denn gekostet?« schnarrte in diesem Moment eine herrische Stimme aus dem Rolls-Royce. Dieses unangenehme Organ gehörte einem untersetzten, kompakten Mann von etwa fünfzig Jahren. Er saß im Fond des Wagens und trug eine Sonnenbrille, die er abnahm. Der Mann hatte ein grobes Gesicht und kalte stechende Augen.

Agatha Simpson trat an das geöffnete Fenster des hochherrschaftlichen Fahrzeugs.

»Das Gerümpel hat rund fünfzig Pfund gekostet«, sagte sie mit ihrer baritonal gefärbten, weittragenden Stimme.

Der Mann im Rolls-Royce lächelte dünn und abfällig.

Er mußte Lady Agatha einfach falsch verstehen.

Sie trug eines ihrer üblichen, sehr weit geschnittenen und faltenreichen Kostüme. Ihre Füße steckten in ausgetreten wirkenden, einfachen Schuhen. Agatha Simpson, immens vermögend, erinnerte tatsächlich ein wenig an eine einfache Frau aus dem Volk, die so spricht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist.

»Fünfzig Pfund!« Der Mann im Rolls-Royce zückte bereits die Brieftasche und entnahm ihr eine Banknote, die er an den Jungen weiterreichte, der sich noch immer die Kinnlade massierte.

»Schicken Sie sie weg, Artie! Ich will nicht länger belästigt werden …«

Der Mann, der Artie hieß, beeilte sich, Mylady die Banknote in die Hand zu drücken. Dabei schielte er aber sicherheitshalber nach dem Pompadour an ihrem Handgelenk. »Hauen Sie ab, Mädchen«, sagte er und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. »Kaufen Sie sich etwas Hübsches!«

Lady Agatha Simpson erstarrte.

Es war geradezu empörend, wie Sie sie behandelte. Ein wenig verdutzt sah sie auf die Banknote. Es handelte sich um eine Fünfpfundnote.

Der junge Mann bestieg bereits hastig den Wagen und nahm neben dem Fahrer Platz. Die beiden anderen Männer verdrückten sich nach hinten zu dem Mann, der die Sonnenbrille wieder aufgesetzt hatte. Der Rolls-Royce fuhr an.

»Das ist doch eine ausgemachte Frechheit!« Lady Agathas Stimme grollte.

»Ich habe mir das Kennzeichen des Wagens eingeprägt«, sagte die junge attraktive Begleiterin. Sie hieß Kathy Porter, war Myladys Gesellschafterin und erinnerte ein wenig an ein scheues, empfindsames Reh. »Worum ich auch gebeten haben möchte«, antwortete Lady Agatha. »Wo steckt denn Mister Parker? Immer, wenn man ihn mal wirklich braucht, ist er nicht zur Stelle …«

*

Nachdem Mike Rander, der junge, erfolgreiche Anwalt, sich notgedrungen in seine Londoner Anwaltskanzlei zurückgezogen hatte, um der vielen Fälle einfach Herr zu werden, war Josuah Parker in die Dienste von Lady Agatha Simpson getreten.

Widerwillig, wie korrekterweise gesagt werden muß.

Jahrelang war Parker zusammen mit seinem jungen Herrn durch die Welt gezogen und hatte teilweise haarsträubende Kriminalabenteuer erlebt. Dies alles war aber nichts gegen die Zwischenfälle, die Lady Agatha förmlich provozierte.

Die streitbare Dame, so um die sechzig Jahre alt, stand mit beiden Beinen im Leben. Nach dem Tod ihres Mannes, des Lord John Simpson, war sie die Alleinerbin eines riesigen Vermögens geworden. Sie besaß hochkarätige Anteile an Brauereien, Fabriken, Werften und Reedereien. Lady Agatha war mit dem Hoch- und Geldadel Englands eng verschwistert und verschwägert. Man schätzte und fürchtete sie gleichzeitig. Als Detektivin war sie geradezu berüchtigt, was ihr ungeniertes Benehmen anbetraf. Sie konnte fluchen wie ein Fuhrknecht, ordinär sein wie die Wirtin einer Kaschemme oder eine unnahbare herzogliche Würde verbreiten, die lähmend wirkte.

Lady Agatha hatte ihre Vermögensanteile in eine Stiftung umgewandelt, aus deren Erlös begabte junge Menschen kostenlos studieren konnten. Als Realistin hatte sie selbstverständlich ihre persönlichen Belange nicht vergessen. Sie verfügte über das Geld, um das zu tun, was sie zu tun wünschte.

Parker stand also seit einiger Zeit in ihren Diensten und hatte seitdem Hochbetrieb, um Mylady vor Schaden zu bewahren. Sie ging keinem Ärger aus dem Weg und hatte die seltsame Gabe, immer wieder auf interessante Kriminalfälle zu stoßen. Sie war Amateurdetektivin aus Leidenschaft, die einfach nicht zu bremsen war.

Als Lady Agatha zurück ins Hotel kam, sah der Butler sofort, daß sich wieder mal ein peinlicher Zwischenfall ereignet hatte.

»Sie sehen mich empört«, stellte Lady Simpson fest und nahm ihren unmöglichen Kapotthut ab.

»Mylady werden dafür Gründe haben«, gab der Butler vorsichtig und abwartend zurück.

»Ich bestehe darauf, daß Sie diese Flegel zur Ordnung rufen«, grollte sie.

»Wie Mylady befehlen.« Parker blieb reserviert.

»Es geht mir nicht um das Geld«, erklärte Lady Agatha. »Es sind die schlechten Manieren, die mich ärgern.«

»Könnten Mylady vielleicht mit Einzelheiten dienen?« erkundigte sich Parker gemessen.

»Zuerst brauche ich eine Erfrischung«, verlangte Agatha Simpson und ließ sich in einem Sessel nieder.

»Ich werde sofort Tee kommen lassen«, versprach der Butler.

»Tee! Ich brauche eine Erfrischung …«

Josuah Parker hatte verstanden.

Würdevoll und gemessen begab er sich hinüber zu dem Wandtisch, wo Flaschen und Gläser standen. Er füllte ein Glas mit Whisky und servierte es auf einem Silbertablett.

»Das ist es, Mister Parker!« Sie nickte beifällig und nahm einen mehr als herzhaften Schluck. Dann strahlte sie ihren Butler aus funkelnden, unternehmungslustigen Augen an. »Ein zumindest eigenartiges Individuum, das mir da begegnet ist … Was sagen Sie dazu, Kindchen?«

Lady Agatha drehte sich zu Kathy Porter um, die das kleine Paket auspackte.

»Ich glaube, Mylady, daß die drei jungen Männer Schußwaffen trugen«, erklärte Kathy Porter. »Sie schienen eine Art Leibwache zu sein.«

»Das finde ich auch!« Agatha Simpson nickte bestätigend und erfreut.

»Vielleicht haben Mylady sich nur getäuscht.«

»Kathy und ich haben doch Augen im Kopf«, grollte die Detektivin. »Sie wollen diese Geschichte doch nur wieder herunterspielen, Mister Parker. Ich kenne Ihre Methode.«

»Die Vase ist zerbrochen«, meldete Kathy Porter, die das kleine Paket geöffnet hatte. Sie hielt einige Scherben hoch, die zu einer Jugendstilvase gehörten.

»Dieser Flegel behandelte mich wie eine Bettlerin«, ärgerte sich Lady Agatha. »Ich glaube, ich werde Sie zu diesem Individuum begleiten. Sie könnten sonst vielleicht etwas zu höflich sein.«

»Mylady bestehen darauf?« Parkers Gesicht blieb maskenhaft unbeweglich.

Innerlich gestattete er sich jedoch ein leichtes Beben. Er wußte schon jetzt ganz genau, was auf ihn zukam. Mylady konnte ausgesprochen aggressiv werden, wenn man ihr zu nahe trat. Und dies war hier schließlich der Fall gewesen.

»Ich weiß, daß Ihnen mein Vorschlag nicht gefällt, Mister Parker«, stellte Agatha Simpson wegwerfend fest, »aber das stört mich überhaupt nicht. Ich werde mitkommen! Mit Höflichkeit allein erreicht man bei diesen Flegeln selten etwas …«

*

Josuah Parker stoppte sein hochbeiniges Monstrum und stieg aus dem Wagen. Er öffnete die hintere Tür und lüftete respektvoll seine schwarze Melone.

Das Fahrtziel war erreicht.

Leider war es eine Kleinigkeit gewesen, den Besitzer des Rolls-Royce ausfindig zu machen. Er hieß Stephan Waters und wohnte ganz eindeutig in dem turm- und zinnenbewehrten Castle, das über eine Hängebrücke zu erreichen war.

Das Castle aus alter Zeit befand sich in tadellosem Zustand. Die Renovierung mußte ein kleines Vermögen gekostet haben. Die Trossen der Zugbrücke waren schneeweiß gestrichen. Diese Farbe harmonierte sehr gut mit dem ehrwürdigen Gemäuer, das auf der abgeflachten Kuppe einer Art Felsnadel stand. Nur diese Hängebrücke allein gab den Zugang zum Castle frei. Die Flanken der Felsnadel waren steil und nur von Hochalpinisten mit entsprechender Ausrüstung zu besteigen.

Hinter dem Schloß, das mehr einer alten Festung glich, war die breite, bayartige Mündung des Fal zu sehen, eines an sich kleinen Flusses, der sich dann bei Falmouth in den Atlantik ergoß. Man befand sich, um die Beschreibung abzurunden, im Süden Cornwalls in England, einem Landstrich, der fast mittelmeerähnlichen Charakter aufwies.

»Ein beneidenswert schönes Castle«, sagte Agatha Simpson, »ich möchte nur wissen, wie dieser Lümmel an dieses Schloß gekommen ist. Nun, ich werde ihn danach fragen, Mister Parker. Fahren wir weiter.«

Butler Parker sah keine Möglichkeit, Myladys Wunsch zu torpedieren. Nachdem Agatha Simpson zurück in den Fond des hochbeinigen Wagens gestiegen war, setzte sich Parker an das Steuer des ehemaligen Londoner Taxis, das nach seinen speziellen Wünschen gründlich umgebaut worden war. Dieser Wagen war eine technische Überraschung auf Rädern und zeichnete sich vor allen Dingen durch einen sehr leistungsstarken Motor aus.

Josuah Parker wußte mehr als Lady Simpson. Er besaß bereits einige Informationen über diesen Stephan Waters und hütete sich bisher, ihr davon Mitteilung zu machen. Der Besitzer des Castle war eine sehr dubiose Gestalt, die vor Jahren in der Unterwelt von London eine gewichtige Rolle gespielt hatte. Wie gesagt, davon hatte Parker seiner energischen Herrin nichts gesagt und hoffte inständig, daß sie ahnungslos blieb.

Der Weg von der sanften Bergkuppe hinunter zur Hängebrücke war schmal, aber gut gepflegt. Vor der Hängebrücke gab es eine Art Vorburg, deren Fallgitter hochgezogen war. Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum durch den Torbogen und mußte dann anhalten. Ein starkes Gitter versperrte die Fahrt über die Hängebrücke hinüber zum eigentlichen Schloß.

Bevor Josuah Parker sich nach einem geeigneten Meldemittel umsehen konnte, erschien ein junger Mann mit dümmlichem Gesicht. Es war der Zwilling jenes Mannes, der Myladys »Glücksbringer« ausgiebig gekostet hatte.

»Lady Simpson wünscht Mr. Stephan Waters zu sprechen«, sagte Parker, der ausgestiegen war. Mit einem einzigen prüfenden Blick hatte der Butler den Mann abtaxiert. Er sah sofort, daß er es mit einem Profi aus der Unterwelt zu tun hatte. Die Dümmlichkeit war nichts als Tarnung. Hinter dem schafsmäßigen Aussehen verbargen sich Härte und Brutalität.

»Lady Simpson?« Der junge Mann trat an den Wagen und sah sich Parkers Herrin sehr ungeniert an. Er grinste, als er Kathy Porter entdeckte.

Agatha Simpson blickte durch den jungen Mann hindurch. Er existierte für sie überhaupt nicht.

»Und warum will sie ihn sprechen?« erkundigte sich der junge Mann, der zu Parker zurückgekommen war.

»Rufen Sie Mr. Waters an«, erwiderte Parker. »Melden Sie Lady Simpson!«

Parker deutete auf die geöffnete Tür in einem Wachtturm. Das Telefon an der Wand war deutlich zu sehen. Er sprach in einem Ton, daß der junge Mann darauf verzichtete, weitere Fragen zu stellen, in den Rundturm ging und telefonierte.

Nach knapp einer Minute kam er zurück und grinste unverhohlen.

»Ihre Lady soll sich zum Teufel scheren«, sagte er, »genau das soll ich bestellen. Mr. Waters empfängt keinen Besuch!«

»Ich fürchte, Mylady wird diese Auskunft nicht günstig aufnehmen«, prophezeite der Butler. Er kannte doch seine Herrin. Widerstand reizte sie nur, um besonders aktiv zu werden.

»Danke, Sie brauchen mir nichts zu sagen«, meinte Lady Agatha, als er an den hinteren Wagenschlag trat. »Ich habe alles gehört, Mister Parker.«

»Ich möchte betonen, Mylady, daß ich bestürzt bin«, erklärte der Butler gemessen.

»Im Grunde war von diesem ausgedienten Gangster nicht mehr zu erwarten.«

»Mylady wissen?« Parker war überrascht. Er wußte zwar nicht, woher sie ihr Wissen hatte, aber darauf kam es auch gar nicht an. Er sah das angeregte Funkeln in ihren dunklen Augen und spürte, daß gewisse Dinge wieder mal ihren Lauf nahmen.

*

Sie waren nach Falmouth zurückgekehrt und befanden sich wieder im Hotel.

Während der Rückfahrt verharrte Agatha Simpson in Schweigen. Parker fürchtete, seine Herrin könnte über gewisse Vergeltungsmaßnahmen brüten. Eine Lady Agatha Simpson war nicht die Frau, die eine Beleidigung ohne weiteres einsteckte. Sie pflegte sich stets nachdrücklich zu revanchieren.

»Darf ich mir erlauben, daran zu erinnern, daß Mylady morgen in London erwartet wird?« sagte Parker.

»Wir bleiben!«

»Haben Mylady besondere Pläne?«

»Dumme Frage, Mister Parker! Das wissen Sie doch längst! Wir werden es diesem Subjekt zeigen.«

»Mylady sollten daran denken, daß man es mit einem Gangster zu tun hat.«

»Einem ausgedienten, Mister Parker. Auch ich habe so meine Informanten in London. Nicht nur Sie!«

»Mylady mögen meine Diskretion verzeihen«, entschuldigte sich der Butler würdevoll.

»Reden wir davon, wie wir es diesem Lümmel zeigen könnten, Mister Parker. Das ist unser Thema! Was wissen Sie über diesen Waters?«

»Stephan Waters, vierundfünfzig Jahre alt, geboren in Liverpool, zuerst Gelegenheitsarbeiter, dann Zuhälter, erste Kontakte mit den Gerichten, einige unerhebliche Geldstrafen wegen Körperverletzung, dann übergewechselt nach London und hier im Rauschgiftgeschäft tätig gewesen. Die Behörden sahen sich außerstande, Stephan Waters je etwas nachzuweisen. In eingeweihten Kreisen war seine Brutalität sprichwörtlich. Er soll einige Konkurrenten mittels Mord aus dem Weg geräumt haben. Nachzuweisen war ihm nichts. Er blieb unbehelligt. Stephan Waters hat sich vor etwa drei Jahren aus seinen Geschäften zurückgezogen und privatisiert, wenn ich es so ausdrücken darf.«

»Warum ist dieses Subjekt ausgestiegen, wie Sie sich ausdrückten?«

»Mister Waters geriet in Streit mit amerikanischen Syndikats Vertretern, die ihre Rauschgiftgeschäfte auch auf England ausdehnen wollten. Er soll, das sage ich mit allem Vorbehalt, einen dieser Männer erschossen haben.«

»Er hat es also mit der Angst zu tun bekommen, das ist doch die Wahrheit, oder?«

»So könnte man es natürlich auch ausdrücken.«

»Verschaffen wir diesem Strolch doch etwas Angst, Mister Parker.«

»Mylady wollen sich mit solch einem üblen Gangster anlegen?« Parkers Gesicht drückte Widerwillen aus.

»Ich will ihm aufspielen«, präzisierte Lady Agatha unternehmungslustig. »Ein wahrer Zufall, daß er meinen Weg kreuzte. Und sein Pech, daß seine Subjekte mir die Vase zerschmetterten.«

»Mister Waters wird sich kaum etwas bieten lassen, Mylady. Ich möchte entschieden warnen.«

»Lady Simpson läßt sich ebenfalls nichts bieten«, kommentierte die streitbare Dame. »Und wer warnt Waters?«

Bevor Josuah Parker darauf antworten konnte, griff die Detektivin bereits nach dem Telefonhörer und verlangte von der Hotel Vermittlung eine Verbindung mit Stephan Waters. Während sie auf diese Verbindung wartete, sah sie Parker und ihre Gesellschafterin kriegerisch an. Sie zupfte ihr undamenhaft solides Taschentuch aus dem Pompadour und legte es über die Sprechmuschel. Agatha Simpson hatte zu viele Kriminalfilme gesehen, um nicht zu wissen, wie man seine Stimme am Telefon verzerrt.

»Sie haben drei Tage, Waters«, sagte sie dann gedehnt, als sich die Gegenseite meldete, »drei Tage … Ich würde sie nutzen!«

Sie legte auf, stopfte das Taschentuch zurück in den Pompadour und sah sehr zufrieden aus.

»Waters könnte herausfinden, von wo aus angerufen wurde«, warnte Josuah Parker.

»Na, hoffentlich.« Lady Agatha ließ sich nicht beeindrucken.

»Er könnte seine Leibwächter aktivieren, Mylady.«

»Seit wann haben Sie Angst, Mister Parker?« wunderte sich die streitbare Dame. »Lassen Sie sich gefälligst etwas einfallen, wie wir dieses Subjekt auf Trab bringen.«

»Ich werde mich bemühen, Mylady.«

»Ich erwarte zündende Ideen, Mister Parker.«

»Deuten die drei Leibwächter nicht darauf hin, daß er Angst hat?« ließ Kathy Porter sich vernehmen. Sie errötete sanft und wirkte leicht verlegen.

»Natürlich, Kindchen.« Agatha Simpson freute sich, daß sie verstanden wurde. »Daher ja auch mein Anruf. Dieser Strolch wird noch auf Knien heranrutschen und darum bitten, daß er mir den Schaden ersetzen darf. Für mich ist das eine Frage des Prinzips!«

Lady Agatha Simpson reckte sich hoch auf und glich in diesem Moment einer Bühnenheroine aus längst vergangenen Zeiten. Mit einem gewaltigen Speer in der Hand hätte sie aber auch durchaus mit einer Walküre konkurrieren können.

*

Stephan Waters war gereizt.

Er selbst hatte den Anruf angenommen, der einer unverhüllten Drohung glich. Er dachte nicht einen Moment lang daran, diese Lady Simpson zu verdächtigen. Er hatte sie eigentlich schon wieder vergessen. Was hatte er schließlich mit einer alten Frau zu tun, die nun Lady sein mochte oder nicht.

Nein, Waters dachte selbstverständlich sofort an London. Genauer gesagt, er dachte an seine jüngste Vergangenheit. Seine früheren Konkurrenten fühlten sich jetzt wohl stark genug, ihm ihre Rechnung zu präsentieren. Es ging da um einen Ritchie Romney, den er aus dem Weg geräumt hatte.

Artie, sein erster Leibwächter kam zurück.

»Festgestellt?« fragte Waters. »Von woher kam das Gespräch?«

»Aus Falmouth.«

»Falmouth …?«

»Hotel Atlantik. Mehr war im Moment nicht rauszubekommen.«