Butler Parker 105 – Kriminalroman - Günter Dönges - E-Book

Butler Parker 105 – Kriminalroman E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Das Wetter war alles andere als angenehm. Kathy Porter, die attraktive Gesellschafterin Lady Agathas, saß am Steuer ihres Mini-Cooper und war auf der Heimfahrt nach London. Es goß aus Kübeln. Der Regen peitschte gegen die Windschutzscheibe. Die Sicht war scheußlich und ließ kein schnelles Fahren zu. Kathy hatte das Autoradio eingeschaltet und dachte nicht daran, sich leichtfertig den Hals zu brechen. Von Reading aus hatte sie Josuah Parker verständigt und ihm ihr späteres Ankommen angekündigt. Der But-ler hatte sie beschworen, kein unnötiges Risiko einzugehen, und ihr Hinweise auf die Gefahren des Aqua-planing gegeben. Davon schien der Fahrer nichts zu wissen, dessen Scheinwerfer plötzlich im Rückspiegel des Mini-Cooper erschienen und sich ungewöhnlich schnell näherten. Der Mann hatte die Lichter voll aufgeblendet und scherte sich den Teufel darum, daß er lästig war. Kathy Porter minderte unwillkürlich das Tempo ihres kleinen Wagens. Sie war zwar eine ausgezeichnete Fahrerin, wollte aber diesen rücksichtslosen Flegel so schnell wie möglich an sich vorbeilassen. Daß es sich um einen männlichen Chauffeur handeln mußte, stand für Kathy so gut wie fest, denn eine Frau hätte solch ein riskantes Tempo wohl nie gewählt. Kathy erkannte im Lichtkegel der Scheinwerfer die langgestreckte Haube eines Sport-Jaguar, der wie ein Blitz vorbeihuschte, und sah dann die Rücklichter, die sehr schnell klein wurden und hinter einer leichten Wegbiegung verschwanden. Kathy befand sich nicht auf der Hauptstraße von Bristol nach London. Wegen eines Verkehrsstaus infolge eines Massenunfalls auf der Schnellstraße Nr. 4, von dem sie im Autoradio gehört hatte, war sie nach Ba-singstoke ausgewichen, um über die Autostraße Nr. 30 nach London zu kommen. Diese Verbindungsstraße zeichnete sich nicht gerade durch eine besondere Breite aus, dafür war sie aber streckenweise geteert, deshalb also noch nicht griffig und eingefahren, was der Fahrer des Jaguar wohl zu spät bemerkte. Kathy Porter hörte nichts von dem Unfall, dazu trommelte der Regen zu intensiv auf das Wagendach.

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Butler Parker – 105 –

Killer für zwei schlanke Beine

Günter Dönges

Günter Dönges

Killer für zwei schlanke Beine

Das Wetter war alles andere als angenehm.

Kathy Porter, die attraktive Gesellschafterin Lady Agathas, saß am Steuer ihres Mini-Cooper und war auf der Heimfahrt nach London. Es goß aus Kübeln. Der Regen peitschte gegen die Windschutzscheibe. Die Sicht war scheußlich und ließ kein schnelles Fahren zu.

Kathy hatte das Autoradio eingeschaltet und dachte nicht daran, sich leichtfertig den Hals zu brechen. Von Reading aus hatte sie Josuah Parker verständigt und ihm ihr späteres Ankommen angekündigt. Der But-ler hatte sie beschworen, kein unnötiges Risiko einzugehen, und ihr Hinweise auf die Gefahren des Aqua-planing gegeben.

Davon schien der Fahrer nichts zu wissen, dessen Scheinwerfer plötzlich im Rückspiegel des Mini-Cooper erschienen und sich ungewöhnlich schnell näherten. Der Mann hatte die Lichter voll aufgeblendet und scherte sich den Teufel darum, daß er lästig war.

Kathy Porter minderte unwillkürlich das Tempo ihres kleinen Wagens. Sie war zwar eine ausgezeichnete Fahrerin, wollte aber diesen rücksichtslosen Flegel so schnell wie möglich an sich vorbeilassen. Daß es sich um einen männlichen Chauffeur handeln mußte, stand für Kathy so gut wie fest, denn eine Frau hätte solch ein riskantes Tempo wohl nie gewählt.

Ein Wagen zischte an ihr vorbei …

Kathy erkannte im Lichtkegel der Scheinwerfer die langgestreckte Haube eines Sport-Jaguar, der wie ein Blitz vorbeihuschte, und sah dann die Rücklichter, die sehr schnell klein wurden und hinter einer leichten Wegbiegung verschwanden.

Kathy befand sich nicht auf der Hauptstraße von Bristol nach London. Wegen eines Verkehrsstaus infolge eines Massenunfalls auf der Schnellstraße Nr. 4, von dem sie im Autoradio gehört hatte, war sie nach Ba-singstoke ausgewichen, um über die Autostraße Nr. 30 nach London zu kommen.

Diese Verbindungsstraße zeichnete sich nicht gerade durch eine besondere Breite aus, dafür war sie aber streckenweise geteert, deshalb also noch nicht griffig und eingefahren, was der Fahrer des Jaguar wohl zu spät bemerkte.

Kathy Porter hörte nichts von dem Unfall, dazu trommelte der Regen zu intensiv auf das Wagendach. Sie sah nur plötzlich einen steil in die Luft schießenden Feuerschein und wußte im selben Moment, daß der Ja-guar nicht mehr auf seinen vier Reifen stand.

Helfen, das war das einzige, woran die junge Frau sofort dachte. Kathy steigerte das Tempo, vielleicht kam es auf jede Sekunde an. Sie näherte sich der Straßenbiegung und entdeckte den bereits lichterloh bren-nenden Wagen, der von der Fahrbahn abgekommen war. Der Jaguar lag auf dem Dach und produzierte im-mer neue Feuergarben, die auch von dem strömenden Regen nicht gelöscht wurden.

Hart hielt sie an, griff nach dem Feuerlöscher, drückte die Tür auf und rannte zur Unfallstelle. Kathy trug sportlich lange Hosen und konnte sich frei bewegen. Sie war in Sekunden bis auf die Haut durchnäßt. Sie achtete nicht weiter darauf, daß die leichte Bluse bereits an ihrem Körper klebte, löste den Sicherungsstift des Feuerlöschers und brauchte für ihr Gefühl fast eine kleine Ewigkeit, bis sie endlich den brennenden Wa-gen erreicht hatte.

Kathy sah auf den ersten Blick, daß der Fahrer nicht mehr im Wagen saß.

Er mußte herausgeschleudert worden sein.

Kathy kämpfte sich ah die sengende Hitze heran, um nach einem etwaigen Beifahrer Ausschau zu halten. Erleichtert stellte sie fest, daß der Sitz leer war. Der Jaguar konnte also ausbrennen, hier war nicht mehr viel zu machen. Doch wo war der Fahrer?

Der Feuerschein reichte aus, um die nähere Umgebung des Wagens abzusuchen.

Kathy stolperte über Grasbüschel, versank bis zu den Fußknöcheln in der sumpfigen Wiese und ging in einem weiten Bogen um den Wagen herum, doch den Fahrer entdeckte sie nicht. Schließlich blieb sie nach-denklich am Ufer eines Baches stehen. Als gerade wieder eine Flammengarbe zum Himmel schoß, glaubte sie Schleifspuren an der Böschung zu erkennen.

Hatte der Fahrer des Jaguar sie hinterlassen? Hatte er nach diesem schrecklichen Unfall noch die Kraft gehabt, bis hierher an den Bach zu kommen?

Sie rief laut „Hallo“, ging ein Stück am Ufer entlang, schüttelte ratlos den Kopf und drehte sich wieder zu dem brennenden Wagen um.

Endlich entdeckte sie den Fahrer!

Er lag in einer flachen Mulde, hatte sich halb aufgerichtet und winkte ihr mit der Hand matt und kraftlos zu. Kathy konnte sich zwar nicht erklären, wieso sie den Mann übersehen hatte, doch darauf kam es jetzt überhaupt nicht an. Sie rannte hinüber zu dem Mann und wollte helfen.

Als sie sich zu ihm hinunterbeugte, wurde der Verunglückte allerdings sehr munter.

Seine Hände schossen blitzschnell vor und legten sich um ihren Hals, worauf Kathy Porter unter gewissen Luftschwierigkeiten litt …

*

Butler Parker war leicht verstimmt.

Er stand in der Vorhalle des Stadthauses von Lady Agatha Simpson und musterte sehr distanziert die bei-den Bücherkisten, die vor einer halben Stunde abgeliefert worden waren. Sie gehörten zu einer Massensen-dung, die seine Herrin bestellt hatte.

Agatha Simpson, die Dame des Hauses, steinreich und skurril, hatte sich nämlich entschlossen Schriftstel-lerin zu werden. Das hatte sie ihrem Butler vor einigen Tagen erst am Frühstückstisch offenbart, worauf Parker sicherheitshalber vorerst mal mit keiner Wimper gezuckt hatte. Er kannte die exzentrischen Hobbys seiner Herrin und wußte aus Erfahrung, daß sie selten von langer Dauer waren.

Diesmal schien die Sache allerdings ernst zu werden.

Lady Agatha hatte sich eine elektrische Schreibmaschine kommen lassen, Diktiergeräte und Wagenladun-gen von Manuskriptpapier. Sie war fest entschlossen, Bestseller zu schreiben, und wollte sich auf dem Spe-zialgebiet des Kriminal-Thrillers einen Namen machen. Wie sie ihrem Butler gegenüber geäußert hatte, be-saß sie auf diesem Fachgebiet genug Erfahrung.

Während Mylady seit Tagen die Technik ihrer Kollegen eingehend studierte, hatte Parker die Arbeit. Er mußte nämlich die Kisten auspacken, die Bücher ordnen und unterbringen. Seiner bescheidenen Ansicht nach quoll das altehrwürdige Haus in Shepherd’s Market fast über, und er wußte kaum noch, wo er all die vielen Bände unterbringen sollte. Sie waren bereits über sämtliche Zimmer verteilt, doch Lady Agatha er-wartete von ihrem Butler, daß er selbstverständlich auf Anhieb zu sagen wußte, wo sich welches Buch be-fand.

Die leidenschaftliche Amateurdetektivin hatte sich für Fachliteratur entschieden und sämtliche Standard-werke eingekauft, die auf dem Buchmarkt zu haben waren. Angefangen von der Gerichtsmedizin bis zur Psychologie des Verbrechens stand ihr alles zur Verfügung. Es war Myladys Ehrgeiz, eine gewisse Agatha Christie zu übertreffen. Für die nahe Zukunft hatte Lady Agatha sogar Bühnenwerke angekündigt. Darüber hinaus gedachte sie, die BBC mit Fernseh-Kriminalspielen zu beglücken, und zweifelte nicht eine einzige Sekunde lang an ihrer einmaligen Begabung.

Butler Parker deutete eine höfliche Verbeugung an, als Agatha Simpson in der Vorhalle erschien.

Sie erinnerte an eine Walküre, war groß, majestätisch und 60 Jahre alt, wovon sie aber nicht gern sprach. Nach dem Tod ihres Mannes war sie die Alleinerbin eines sagenhaften Vermögens geworden. Lady Agatha war eine ungewöhnliche Frau. Sie liebte das Abenteuer und witterte hinter alltäglichen Banalitäten stets ei-nen großen Kriminalfall.

Sie war auf ihre Art liebenswert.

Verschwistert und verschwägert mit dem Hochadel des Landes, stand ihr praktisch jede Tür offen. Auf der anderen Seite konnte sie noch derber sein als eine Blumenfrau vor Covent Garden. Wenn sie in Rage geriet und schimpfte, spitzten selbst abgebrühte Taxifahrer die Ohren und lernten freudig dazu. Ihre Unge-niertheit selbst höchstgestellten Personen gegenüber war erfrischend.

In jungen Jahren hatte Lady Agatha sich sportlich betätigt. Auch jetzt spielte sie noch hervorragend, wenn auch sehr regelwidrig. Golf, Tennis und war eine Meisterin im Sportbogenschießen. Beim Tontaubenschie-ßen war ihre Trefferquote bestürzend hoch und gut. Kurz, sie stand mit ihren stämmigen Beinen immer noch fest auf dem Boden.

Als sie in der Vorhalle des Stadthauses erschien, trug sie ein wallendes Gewand, eine Kreuzung zwischen Nachthemd und Morgenmantel. Sie hielt ein dickes Buch in der Hand, schlug es auf und präsentierte dem leicht indignierten Butler einige Tatortfotos aus der Gerichtsmedizin.

„Sehen Sie diese wunderbaren Nahaufnahmen an“, begeisterte sie sich.

„Die Würgemale am Hals des Opfers sind geradezu einmalig.“

„Wie Mylady meinen“, erwiderte Parker mit deutlicher Zurückhaltung.

„Aber das ist noch gar nichts gegen diese herrlichen Fotos“, stellte Lady Agatha fest und blätterte weiter in dem dicken Band. „Interessieren Sie sich für Vergiftungen?“

„Nur bedingt, Mylady“, sagte Parker, „falls sie sich nämlich nicht auf meine bescheidene Wenigkeit be-ziehen.“

„Dann werde ich Ihnen Aufnahmen eines Opfers zeigen, das von seinem Mörder in Stücke zerlegt wur-de.“

„Darf ich mir erlauben, Myladys Aufmerksamkeit auf die Bücherkisten zu lenken?“ Parker war an einem Wechsel des Themas sichtlich interessiert.

„Und?“ Sie sah ihn ein wenig enttäuscht an und klappte den dicken Fachband zu.

„Ich sehe mich außerstande, noch weitere Bücher im Haus unterzubringen, Mylady.“

„Aber wir haben doch Platz genug“, stellte Agatha Simpson erstaunt fest und deutete ins Treppenhaus. „Lassen Sie Bücherregale anbringen, Mr. Parker. Bücher sind die schönste Tapete, die ich mir vorstellen kann.“

„Sehr wohl, Mylady.“

„Ich werde in den nächsten Tagen mit meinem ersten Romankapitel beginnen, Mr. Parker.“

„Das war zu erwarten, Mylady.“

„Sorgen Sie dann dafür, daß ich auf keinen Fall gestört werde! Ich brauche absolute Ruhe und Konzentra-tion.“

„Darf ich mir eine Frage erlauben, Mylady?“

„Natürlich, Mr. Parker. Ich ahne schon, worauf Sie hinauswollen.“

„Mylady?“ Parker fühlte sich mißverstanden.

„Ihr Wunsch sei Ihnen gewährt“, versprach Agatha Simpson großzügig, obwohl Parker nun wirklich kei-nen Wunsch geäußert hatte. „Sie dürfe die ersten Seiten selbstverständlich anlesen.“

„Eine hohe Auszeichnung, Mylady!“

„Habe ich Ihnen schon gesagt, worüber ich meinen ersten Thriller schreiben werde?“

„Mylady waren in dieser Hinsicht sehr verschwiegen.“

„Ein Spionagethema“, redete Agatha Simpson weiter und wanderte in der Vorhalle auf und ab. „Der Fall wird bis in höchste Regierungskreise hineinspielen.“

„Bemerkenswert, Mylady.“

„Es wird sich aber nicht um einen normalen Spionagefall handeln.“

„Eine äußerst geschickte Variante, Mylady.“ Parker war ein höflicher Gesprächspartner. „Demnach ist mit einem unnormalen Spionagefall zu rechnen, Mylady?“

„Richtig, diese Formulierung trifft es haargenau. Ich muß mir allerdings erst noch überlegen, was ich spe-ziell wählen soll. Vielleicht sollten wir uns mal darüber ausführlich unterhalten, Mr. Parker.“

„Sobald ich die Bücher ausgepackt habe, Mylady.“

„Das hat Zeit.“ Man sah es ihr an der Nasenspitze an, daß sie einen Menschen brauchte, der ihr eine Idee lieferte.

„Sehr wohl, Mylady, dann wäre für Miß Porter noch ein kleiner Imbiß zu richten“, entschuldigte sich Par-ker weiter, „danach stehe ich Mylady sofort zur Verfügung.“

„Ja, wo bleibt eigentlich Kathy?“ wunderte sich Agatha Simpson und sah auf die alte Standuhr in der Vorhalle. „Sie müßte doch längst hier sein. Hoffentlich ist nichts passiert. Die Zeiten sind so unsicher!“

Es war nicht Sorge, die aus ihr sprach, sondern freudige und hoffnungsvolle Erwartung.

Mylady sehnte sich wahrscheinlich wieder mal nach einem Fall!

*

Im ersten Moment war sie keiner Gegenwehr fähig.

Zu überraschend war der Angriff gekommen, zu fest schlossen sich die stahlharten Finger um ihren Hals und schnitten ihr die Luft ab. Doch dann besann Kathy sich auf all das, was sie von einem gewissen Josuah Parker gelernt hatte und was sie von sich aus konnte.

Sie versuchte erst gar nicht, die Klammer um ihren Hals zu lösen. Dabei hätte sie mit Sicherheit zuviel Zeit verloren. Kathy stieß nicht nur mit dem Knie zu, sondern langte auch nach den Ohren des Angreifers und drehte sie wie einen Lichtschalter nachdrücklich zur Seite, was dem Mann überhaupt nicht bekam.

Er brüllte, gab ihren Hals frei und merkte kaum, daß Kathy hochsprang.

Leider war das aber auch alles, was Kathy erreichte.

Als sie die Flucht ergreifen wollte, erhielt sie einen harten Schlag auf den Hinterkopf und verlor augen-blicklich das Bewußtsein. Sie merkte nicht, daß der Mann, der hinter ihr aufgetaucht war, sie auffing, und sah nicht, daß der angeblich Verunglückte blitzschnell aufstand und nach ihren Beinen griff.

Die beiden Männer hatten es es eilig. Der lichterloh brennende Wagen schien sie sehr zu stören.

Sie schleppten die junge, bewußtlose Frau in einem weiten Bogen um das Wrack herum und steuerten ei-nen schmalen Feldweg an, der bis hinunter zum Bach verlief. Hier erreichten sie einen dunklen Kastenlie-ferwagen, der hinter hohen Sträuchern stand.

Während dieser Minuten träumte Kathy Porter einen Traum, der mit der harten Realität überhaupt nichts zu tun hatte. In diesem Traum lag sie auf einer Luftmatratze und ließ sich von den sanften Wellen eines Sees wiegen. Das sanfte Wiegen wurde allerdings plötzlich sehr hart. Kathy erwachte, schaute sich verwirrt um und begriff dann, daß sie sich auf der harten Ladefläche eines Wagens befand, der durch tiefe Schlaglöcher rumpelte.

Die Entführte wußte sofort, was passiert war, richtete sich auf und merkte bei dieser Gelegenheit, daß man sie an Händen und Füßen gefesselt hatte. Isolierband ersetzte die sonst üblichen Stricke und war wesentlich wirkungsvoller.

Kathy Porter ließ sich vorsichtig zurückgleiten und dann weiter durchschütteln.

Warum man sie gekidnappt hatte, war ihr rätselhaft.

Daß Sie es mit zwei Gegnern zu tun hatte, war ihr hingegen klar. Der scheinbar verunglückte Mann mußte noch einen Helfershelfer gehabt haben. Es mußte sich schon um sehr eigenartige Retter handeln, die herun-ter zu dem brennenden Autowrack gekommen waren.

Wie lange Kathy besinnungslos war, ließ sich nicht berechnen. Demnach konnte sie auch noch nicht mal schätzen, seit wann sie sich in diesem scheußlichen Wagen befand. Sie ärgerte sich nur, auf diese heimtücki-sche Art hereingelegt worden zu sein. Handelte es sich um ehemalige Gegner, die ihr während der ganzen Heimfahrt auf der Spur gewesen waren? Oder hing dieser Überfall mit dem brennenden Jaguar zusammen?

Bevor Kathy Porter sich in weiteren Spekulationen ergehen konnte, hielt der Wagen jäh an.

Haltlos rollte die junge Frau herum und landete vor der Längsseite des Wagens. Sie hörte das Öffnen und Zuschlägen der beiden Türen, dann Schritte. Wenig später blinzelte Kathy in das grelle Licht einer Taschen-lampe.

„Schreien ist wohl völlig sinnlos, nicht wahr?“ fragte sie.

„Kluges Kind“, sagte eine Männerstimme. „Wer schreit, kriegt eins aufs Maul!“

Sie zerrten Kathy wenig sanft an den Rand der Ladefläche. Starke Arme lifteten sie an und legten sie über eine breite Männerschulter, dann wurde sie über einen mit Steinplatten ausgelegten Weg in ein Haus getra-gen, von dem sie nur die Umrisse erkannte. Der Regen war noch stärker geworden.

Der zweite Mann schloß hinter ihr die Tür, dann landete Kathy Porter mit viel Schwung und wenig Liebe auf einem Sofa, dessen Federn ausgeleiert waren.

Neugierig sah sie die beiden Männer an, die Licht gemacht hatten.

Einer von ihnen – der sie getragen hatte – war groß und breitschultrig. Er wirkte ein wenig beschränkt. Der zweite Mann hingegen behagte Kathy überhaupt nicht. Er war mittelgroß, schlank und litt noch eindeu-tig unter dem Kniestoß, den sie ihm versetzt hatte. Seine Augen rissen ihr die Kleider vom Leib, waren in ununterbrochener Bewegung und gehörten einem Menschen, der mit Sicherheit ein Sadist war.

*

„Ihre Ruhe möchte ich haben, Mr. Parker.“

Lady Agathas Stimme grollte verärgert. Sie hatte sich hinter ihrem Butler aufgebaut und räusperte sich nachdrücklich.

„Mylady?“ Parker wandte sich höflich um und wußte, was ihm blühte. Agatha Simpson hatte sich in der Zwischenzeit umgekleidet und machte einen äußerst unternehmungslustigen Eindruck. Sie trug ein derbes Tweed-Kostüm, flache Wanderschuhe und einen Hut, der an den Südwester eines Segelschiffkapitäns erin-nerte. An ihrem linken Handgelenk baumelte der Pompadour, diesmal allerdings handelte es sich um eine wettersichere Ausführung. Der Pompadour war ein Lederbeutel, der neben Myladys „Glücksbringer“ noch einige andere nützliche Utensilien enthielt.

„Worauf warten Sie noch?“ grollte die Detektivin.

„Mylady haben bestimmte Pläne?“

„Wir werden nach Kathy suchen“, ordnete die walkürenhafte Dame energisch an. „Ich erwarte, daß wir in weniger als drei Minuten losfahren können.“

„Wie Mylady wünschen.“ Widerspruch war sinnlos, das wußte der Butler seit geraumer Zeit. Wenn Lady Agatha sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie auch nicht mehr von einem Kampfpanzer zu bremsen. Parker griff nach seinem schwarzen, knielangen Covercoat, der im Vorflur an der Garderobe hing, setzte die schwarze Melone auf und versorgte sich mit seinem altväterlich gebundenen Universal-Regenschirm. Nach insgesamt zwei Minuten saß er am Steuer seines hochbeinigen Monstrums, während Mylady im Fond des ehemaligen Londoner Taxis Platz genommen hatte. Sie machte einen äußerst zufriedenen Eindruck, denn endlich gab es für sie etwas zu tun. Vielleicht war sie aber auch nur erleichtert, daß sie nicht mehr vor der Schreibmaschine zu sitzen brauchte.

Die Fahrt durch das dunkle, regenüberflutete London war erstaunlich problemlos, der Verkehr geradezu harmlos. Schon nach einer halben Stunde hatten sie die Ausfallstraße Nr. 30 erreicht.

„Wollen Sie an einem Wettrennen für Schnecken teilnehmen, Mr. Parker“, erkundigte Lady Agatha sich vorwurfsvoll, „oder soll ich das Steuer übernehmen?“

Josuah Parker bekam fast so etwas wie einen elektrischen Schlag, als Mylady diese Ankündigung vom Stapel ließ. Er kannte die einmalige Fahrkunst der unternehmungslustigen Dame. Dennoch war er der An-sicht, auf die schlechte Sicht der Straßenverhältnisse hinweisen zu müssen. Er machte auf die Gefahren des Aquaplaning aufmerksam und deutete an, man könne unter Umständen von der Straße fliegen.

„Ich denke, Sie haben Ihr Pilotenexamen“, war Myladys grollende Antwort. „Verschonen Sie mich mit diesen unwesentlichen Kleinigkeiten, ich bitte mir etwas mehr Tempo aus, Mr. Parker!“

Bruchteile von Sekunden später wurde Lady Agatha sehr nachdrücklich in ihren Sitz zurückgeworfen, denn Parker hatte wunschgemäß Gas gegeben.

*

Pete Malbert war ein Stromer, Trinker und Schnorrer.

Der Mann, etwa 50 Jahre alt und klein, hatte ein gedunsenes Gesicht und eine rote Schnapsnase. Pete schlug sich mehr schlecht als recht durchs Leben, machte lange Finger, wo die Gelegenheit sich bot, hatte schon ein paar Jahre gesessen und war im Grunde harmlos.

In diesen Minuten fühlte er sich prächtig.

Er hatte sich eigentlich schon seit langem gewünscht, wieder mal am Steuer eines Wagens sitzen zu kön-nen. Der letzte Versuch war böse für ihn ausgegangen und hatte ihn ein halbes Jahr Gefängnis gekostet, doch das lag inzwischen schön gut ein Jahr zurück.