Butler Parker 111 – Kriminalroman - Günter Dönges - E-Book

Butler Parker 111 – Kriminalroman E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Diesen Titel gibt es nur als E-Book. Sie lag in dekorativer Schönheit auf dem breiten Bett und wußte nicht, daß sie innerhalb der nächsten Minuten sterben sollte. Sie war fünfundzwanzig, groß, schlank und hatte langes, blondes Haar, das ihr schmales Gesicht umrahmte. Die leichte Bettdecke hatte sich verschoben und gab den Blick frei auf das spitzengesäumte Nachthemd, das mehr als nur die Ansätze ihrer festen Brüste zeigte. Der Tod kam in Gestalt einer unheimlichen Erscheinung. Diese war hager und trug einen schwarzen Umhang, der aus einem anderen Jahrhundert stammte. Das Gesicht flößte Grauen ein. Es war bleich und bestand aus Haut und Knochen und einem Augenpaar, von dem ein mörderisches Glühen ausging. Die Erscheinung hatte das Fenster des Schlafzimmers hochgeschoben und verharrte einen Augenblick, als die junge Frau im Bett sich bewegte. Dann schlug der Tod den Umhang zur Seite und zeigte seine unwirklich langen Finger, die an die Beine einer Riesenspinne erinnerten. Auf leisen Sohlen näherte sich die graueneinflößende Gestalt dem Bett und beugte sich über ihr Opfer. Die junge Frau schien instinktiv zu spüren, in welcher Gefahr sie sich befand. Sie wurde unruhig, fuhr mit der Hand übers Gesicht und … schrie plötzlich gellend. Dann starrte sie die Gestalt neben ihrem Bett an, streckte abwehrend die Arme aus, zog die Bettdecke hoch bis zum Hals, drückte sich mit den Füßen ab und schob sich gegen das Kopfende des Bettes zurück. Die unheimliche Erscheinung blieb völlig unbeeindruckt. Sie schien das Schreien und das hastige, fast erstickte Keuchen der jungen Frau überhaupt nicht zu hören. Die Erscheinung öffnete die eben noch fest zusammengepreßten Lippen, doch sie lächelte nicht. Sie entblößte nur lange spitze Reißzähne, die Zähne eines Vampirs! "Nein, nein", wimmerte die junge Frau mit versagender Stimme, "nein!" Der Vampir griff nach der Bettdecke und riß sie vom Körper der jungen Frau, beugte sich weiter vor und streckte seine schrecklichen Hände nach ihr aus.

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Butler Parker – 111 –

Der Vampir

Günter Dönges

Günter Dönges

Der Vampir mit den blonden Locken

Sie lag in dekorativer Schönheit auf dem breiten Bett und wußte nicht, daß sie innerhalb der nächsten Minuten sterben sollte. Sie war fünfundzwanzig, groß, schlank und hatte langes, blondes Haar, das ihr schmales Gesicht umrahmte.

Die leichte Bettdecke hatte sich verschoben und gab den Blick frei auf das spitzengesäumte Nachthemd, das mehr als nur die Ansätze ihrer festen Brüste zeigte.

Der Tod kam in Gestalt einer unheimlichen Erscheinung. Diese war hager und trug einen schwarzen Umhang, der aus einem anderen Jahrhundert stammte. Das Gesicht flößte Grauen ein. Es war bleich und bestand aus Haut und Knochen und einem Augenpaar, von dem ein mörderisches Glühen ausging.

Die Erscheinung hatte das Fenster des Schlafzimmers hochgeschoben und verharrte einen Augenblick, als die junge Frau im Bett sich bewegte. Dann schlug der Tod den Umhang zur Seite und zeigte seine unwirklich langen Finger, die an die Beine einer Riesenspinne erinnerten. Auf leisen Sohlen näherte sich die graueneinflößende Gestalt dem Bett und beugte sich über ihr Opfer.

Die junge Frau schien instinktiv zu spüren, in welcher Gefahr sie sich befand. Sie wurde unruhig, fuhr mit der Hand übers Gesicht und … schrie plötzlich gellend. Dann starrte sie die Gestalt neben ihrem Bett an, streckte abwehrend die Arme aus, zog die Bettdecke hoch bis zum Hals, drückte sich mit den Füßen ab und schob sich gegen das Kopfende des Bettes zurück.

Die unheimliche Erscheinung blieb völlig unbeeindruckt.

Sie schien das Schreien und das hastige, fast erstickte Keuchen der jungen Frau überhaupt nicht zu hören. Die Erscheinung öffnete die eben noch fest zusammengepreßten Lippen, doch sie lächelte nicht. Sie entblößte nur lange spitze Reißzähne, die Zähne eines Vampirs!

»Nein, nein«, wimmerte die junge Frau mit versagender Stimme, »nein!«

Der Vampir griff nach der Bettdecke und riß sie vom Körper der jungen Frau, beugte sich weiter vor und streckte seine schrecklichen Hände nach ihr aus. Dann packte er ihre Schultern brutal und gierig, fand keinen Widerstand mehr und schlug seine Zähne in ihren Hals.

Genau in diesem Moment vernahm man eine sehr sachliche Stimme, laut und auch ein wenig verärgert.

»Stopp, ihr Lieben, das ist doch ausgemachter Käse! Das geht doch gar nicht unter die Haut. Von mir aus kannst du so dein Bier trinken, Rob aber als Vampir mußt du schon ’ne Portion mehr Blutdurst zeigen. Und du, May, könntest ruhig mehr Brust und Beine einsetzen, du weißt doch wie die Leute darauf reagieren!«

»Recht amüsant«, sagte Agatha Simpson und wandte sich an ihrer Butler. »Ich hoffe, Sie sind meiner Meinung, Mister Parker.«

»Wenn Mylady gestatten, möchte ich mir die Kühnheit herausnehmen und ein wenig anderer Ansicht sein«, gab Josuah Parker in seiner gemessenen Art zurück und deutete eine knappe, höfliche Verbeugung an.

»Natürlich, Sie müssen ja mal wie der opponieren«, raunzte die stets streitbare Dame, »aber dennoch, ich glaube, ich werde mich mal mit einem Drehbuch für einen Horrorfilm befassen. Ich fühle, daß mir solche Themen liegen.«

Lady Agatha und ihr Butler befanden sich in einer Ecke des großen Ateliers und hatten bisher den Aufnahmen zugesehen. Inzwischen war es Zeit für den Tee, und die Aufnahmen wurden unterbrochen. Die Schauspieler und das gesamte technische Personal beeilten sich, zu den bereits gefüllten Tassen zu kommen, die auf einem überdimensional großen Teewagen hereingerollt worden waren.

Der Vampir und sein Opfer standen einträchtig nebeneinander und unterhielten sich gerade über die Vorzüge und Nachteile eines neuen Automodells. Sie schienen sich, zumindest nach außen hin, recht gut zu verstehen und alberten miteinander. Der Biß des Vampirs war am Hals des attraktiven Opfers noch deutlich zu sehen, was aber niemand störte und unsicher machte. Schein und Sein gingen hier im Atelier nahtlos ineinander über.

Butler Parker hatte schweigend zur Kenntnis genommen, daß Lady Agatha gewillt war, einem neuen Hobby zu frönen. Sie arbeitete schon seit Monaten an ihrem ersten Krimi, mit dem sie eine gewisse Agatha Christie ausstechen und vom Markt fegen wollte. Sie war fest davon überzeugt, einen internationalen Bestseller zu fabrizieren, obwohl sie bisher über die erste Manuskriptseite noch nicht hinaus war.

»Ich bin froh, daß Sie endlich hier sind«, sagte der Vampir, der wie zufällig vor Lady Simpson und Butler Parker erschien.

»Sind Sie wieder belästigt worden?« erkundigte sich Agatha Simpson ungeniert laut.

»Bitte, etwas gedämpft«, bat der Vampir nervös. »Man könnte uns belauschen, Lady Simpson.«

»Wer?« fragte die streitbare Dame.

»Der Vampir«, erwiderte der Vampir, was irgendwie komisch wirkte.

»Darf ich davon ausgehen, daß Sie keiner Sinnestäuschung erlegen sind?« schaltete sich Butler Parker gemessen ein.

»Ich habe doch Augen im Kopf«, sagte der Vampir, »ich habe den Vampir deutlich gesehen. Er stand neben meinem Bett. Und als ich hochfuhr, streckte er seine Krallen nach mir aus.«

»Sie hätten ihm gegen das Schienbein treten sollen«, bemerkte die ältere Dame grimmig, »aber Sie werden es wahrscheinlich nicht getan haben.«

»Ich war wie versteinert«, gestand der Vampir, »ich war nicht fähig, auch nur einen Finger zu rühren, obwohl ich es wirklich wollte. Ich war wie gelähmt.«

»Und dennoch leben Sie erfreulicherweise«, warf Parker höflich ein.

»Reiner Zufall«, behauptete der Vampir, »als er mein Blut saugen wollte, erschien meine Haushälterin. Sie war durch das Klirren der Fensterscheibe geweckt worden. Als sie gegen die verschlossene Schlafzimmertür klopfte, ließ das grauenvolle Wesen von mir ab und verschwand«.

»Sie sind gebissen worden?« stellte der Butler die entscheidende Frage.

»Am Hals«, erwiderte der Vampir, mit versagender Stimme, »die Bißstelle ist noch genau zu sehen. Ich weiß, daß der Vampir in der kommenden Nacht wieder erscheint. Ich fühle es.«

»Ist es möglich und gestattet, sich die Bißstelle mal aus der Nähe anzusehen?« erkundigte sich Josuah Parker, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich muß gestehen, daß ich eine solche Wunde nur aus einschlägigen Filmen kenne.«

»Gleich in meiner Garderobe«, sagte der Vampir. »Werden Sie mich vor diesem Untier überhaupt schützen können?«

»Wir werden dem Vampir schon die Zähne ziehen«, versprach Lady Agatha gutmütig. »Sie sind sich doch hoffentlich klar darüber, daß man Sie auf den Arm nehmen will, oder?«

»Sie glauben nicht an Vampire?« staunte der Vampir sichtlich und sah Lady Simpson irritiert an.

»Nicht die Bohne«, versicherte die passionierte Detektivin ihm offen. »Das ist doch dummer Schnickschnack, mein Bester! So etwas gibt es nur in Horrorromanen.«

»Dann wissen Sie nicht, daß es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, von denen wir noch nicht mal etwas ahnen«, widersprach der Vampir. »Früher dachte ich kaum anders, doch seit einigen Tagen weiß ich genau, daß sie existieren!«

Agatha Simpson hatte keine Lust mehr, weiterhin im großen Atelier zu bleiben. Es zog sie zurück in die bequeme Kantine des Filmstudios, um bei einer Tasse Tee und einem doppelten Kognak den Aufriß einer Filmidee niederzuschreiben. Sie hatte diesen Stoff genau im Kopf und konnte es kaum erwarten, ihn in die passenden Worte umzusetzen.

Auf die Begleitung ihres Butlers hatte die exzentrische Dame verzichtet. Er solle im Atelier bleiben und sich die Leute unauffällig ansehen, die möglicherweise mit diesem Fall zu tun hatten. Zudem wollte Lady Simpson sich nicht ablenken lassen. Sie war sicher, daß sie die Idee diesmal packen konnte.

Die Detektivin erregte Aufsehen, als sie die Kantine betrat.

Obwohl in dem großen, düsteren Raum weibliche und männliche Filmkomparsen waren, die durchweg abenteuerlich gekleidet waren, obwohl diese Menschen kaum zu beeindrucken waren, schauten sie doch fast ohne Ausnahme und wie auf ein geheimes Kommando zur Tür.

Agatha Simpson erinnerte an eine Walküre aus einer Wagneroper. Sie war eine majestätische Erscheinung und kein Durchschnittsmensch, trug eines ihrer leicht ausgebeulten Chanel-Kostüme und dazu derbe Straßenschuhe. An ihrem linken Handgelenk baumelte der unvermeidliche Pompadour, in dem sich Myladys Glücksbringer befand, ein echtes Hufeisen, das sie allerdings aus Gründen der Humanität mit dünnem Schaumstoff umgeben hatte.

Auf großen Füßen und mit strammen Waden marschierte die kriegerische Dame zu einer Nische und schien sich jetzt eher einen Oberfeldwebel eines englischen Traditionsregiments zum Vorbild zu nehmen. Sie ließ sich am Tisch nieder, bestellte einen Tee und einen dreifachen Kognak. Nachdem sie ihren Kreislauf in Schwung gebracht hatte, zog sie ein ansehnliches Notizbuch aus der Tasche ihrer Kostümjacke und notierte sich den ersten Einfall. Das schwarze Buch enthielt ihre künstlerischen Einfälle, die sie stets niederschrieb, wenn ihr danach war, mochte es in ihrer näheren Umgebung auch noch so turbulent zugehen.

»Noch einen Wunsch, Madam?« erkundigte sich der Kellner, der sie beobachtet hatte.

»Stören Sie mich nicht, junger Mann«, fuhr sie ihn an, »sehen Sie nicht, daß ich arbeite?«

»Entschuldigung, Madam«, sagte der Kellner, der sich ängstlich zurückziehen wollte.

»Haben Sie sich gefälligst nicht so, ich beiße nicht«, raunzte die resolute Dame. »Bringen Sie mir noch einen kleinen Kognak, aber dann möchte ich nicht mehr gestört werden!«

Mylady trank auch diesen »Kreislaufbeschleuniger« und machte sich an die Arbeit, die ihr aber, wie gewohnt, nicht so recht von der Hand gehen wollte. Sie vermißte natürlich wieder mal ihren Butler, auf den sie eben noch verzichten weilte. Sie fand ihre Idee plötzlich nicht mehr so bestechend, trank den Kognak und entschied sich, zurück ins Atelier zu gehen. Agatha Simpson war der Ansicht, daß sie noch mehr Atmosphäre in sich aufnehmen sollte.

Bekam ihr der Kognak nicht? Hatte sie vielleicht zuviel getrunken?

Als sie in dem langen Korridor war, befiel sie ein leichter Schwindel. Sie war plötzlich nicht mehr sicher auf den Beinen, schwankte, riß sich wieder zusammen, stemmte sich mit der rechten Handfläche gegen die Korridorwand und atmete schnell.

Die Detektivin war froh, daß sie sich allein in diesem langen Korridor befand. Sie war nicht erpicht darauf, daß man sie gerade jetzt beobachtete. Sie ärgerte sich über ihre leichte Schwäche und … sah sich plötzlich einer seltsamen Erscheinung gegenüber.

Ein Vampir!

Er war plötzlich, da, schien sich aus dem Nichts heraus materialisiert zu haben, versperrte ihr den Weg und streckte gierig seine überlangen Arme und Hände nach ihr aus. Der Vampir trug einen wallenden Mantel, der aus dem Mittelalter stammte und bis zu den Füßen reichte. Sein Gesicht war kalkweiß, nur in den dunklen Augen war blutgieriges Leben, zu erkennen. Als die schmalen Lippen sich öffneten, blitzten spitze Reißzähne, dolchartig geformt und grauenerregend lang.

Agatha Simpson war ehrlich beeindruckt.

»Was soll denn das?« fragte sie mit reichlich schwerer Zunge.

Der Vampir gab keine Antwort und kam näher. Aus seinen Mundwinkeln quoll Speichel, die Augen wurden zu glühenden Kohlen.

»Lassen Sie die dummen Späße!« warnte die Sechzigjährige, allerdings ohne den gewohnten Nachdruck. Sie fühlte sich schwach und wehrlos, schon gar nicht in der Lage, ihren Glücksbringer einzusetzen, wie sie es normalerweise bestimmt getan hätte.

»Blut«, preßte der Vampir mit hohler Stimme hervor und warf sich dann auf die Frau, um ihr seine Zähne in den Hals zu schlagen, worauf Lady Simpson verständlicherweise gellend schrie. Sie produzierte dabei eine derart ungewöhnlich hohe Frequenz, daß zwei mittelgroße Fensterscheiben in der Nähe klirrend zersprangen.

*

»Fühlen Mylady sich inzwischen ein wenig besser?« erkundigte sich Josuah Parker besorgt.

»Was … Was ist passiert?« fragte seine Herrin und richtete sich unvermittelt auf.

»Zwei Fensterscheiben gingen zu Bruch, Mylady«, antwortete der Butler wahrheitsgemäß. »Mylady müssen wahrscheinlich mit einem ungewöhnlichen Phänomen konfrontiert worden sein.«

»Der Vampir«, sagte Agatha Simpson und erinnerte sich. »Wo bin ich, Mister Parker?«

»In der Garderobe des Mister Rob Penwood«, erklärte Parker, »sie war am schnellsten zu erreichen, um Mylady behandeln zu können.«

»Wie lange war ich ohnmächtig? Ich war doch ohnmächtig, oder?«

»Nur indirekt, Mylady«, antwortete Parker. »Mylady wurden von einem, leichten Unwohlsein befallen, was wohl mit dem erwähnten Vampir zusammenhängen muß.«

»Ich verbitte mir Ihre Impertinenz«, fuhr die ältere Dame ihren Butler an. »Dieser Vampir existierte nicht nur in meiner Einbildung, ich wurde tatsächlich von ihm angefallen.«

»Gewiß, Mylady«, erwiderte Parker gemessen.

»Dieses Untier hat mir seine Zähne in den Hals geschlagen«, versicherte Agatha Simpson, der man ihre sechzig Jahre nicht ansah.

»Sind Mylady sicher?« erkundigte sich Parker und reichte ihr einen Handspiegel. Sie nahm ihn ärgerlich aus seiner Hand und untersuchte ihren Hals, der zu ihrer Überraschung nicht die Spur einer Bißwunde aufwies.

»Ich … Ich begreife das nicht«, meinte Agatha Simpson irritiert und schüttelte ratlos den Kopf.

»Haben Sie den Kreislauf vielleicht zu sehr angeregt?« fragte Parker höflich und vorsichtig.

»Ich habe tatsächlich einen kleinen Kognak getrunken«, gestand die kriegerische Dame. »Es können auch zwei gewesen sein. Aber ich war auf keinen Fall betrunken.«

Sie hatte sich inzwischen in einen Sessel gesetzt und ordnete ihr Haar. Dann strich sie sich das Kostüm glatt und schien in sich hinein zu hören. Agatha Simpson war immer noch ein wenig verwirrt.

»Um Myladys Frage zuvorzukommen«, schickte Parker voraus, »zu der Zeit, als Mylady den kleinen Schwächeanfall erlitten, befand Mister Penwood sich im Atelier, daran besteht kein Zweifel.«

»Ja. Diese Frage wollte ich gerade stellen.« Lady Simpson nickte grimmig.

»Dann hatte ich es also mit einem zweiten Vampir zu tun!«

»Gewiß, Mylady.« Parker ließ nicht erkennen, was er von dieser Aussage hielt, dazu war er zu höflich und zu geschult. Er war das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers, wie er eigentlich nur noch in Komödien zu sehen ist.

»Ich verlange von Ihnen, daß Sie diesen Lümmel finden«, forderte Lady Simpson. »Er hat mich fast zu Tode erschreckt.«

»Bemerkenswert, Mylady.«

»Der Vampir stand plötzlich vor mir, wie durch Zauberei aus dem Boden gewachsen«, erklärte Agatha Simpson, »er erinnerte mich flüchtig an diesen Rob Penwood.«

»Der, das darf ich noch mal wiederholen, Mylady, es auf keinen Fall gewesen sein kann. Mister Penwood verließ die Dreharbeiten im Atelier nicht für eine einzige Minute.«

»Dann muß hier noch ein zweiter Vampir sein«, stellte die ältere Dame energisch fest. Sie hatte ihren kleinen Schwächezustand wieder überwunden und sprühte vor Tatendrang. »Das wird ein interessanter Kriminalfall, Mister Parker. Mit einem Vampir wollte ich mich schon immer mal befassen.«

Lady Simpson kam, was das anbetraf, voll auf ihre Kosten, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür, ohne daß vorher angeklopft worden war.

Ein Vampir torkelte ins Zimmer, fiel auf die Knie und blieb, nach Luft ringend, liegen. An seinem Hals war eine gräßliche Bißwunde, aus der im Takt des Herzschlags das Blut sprudelte.

»Was sollen diese Mätzchen?« fragte Lady Simpson unwillig. »Mister Penwood, ich hätte Ihnen etwas mehr Geschmack zugetraut.«

Nun, der Schauspieler Rob Penwood hätte vielleicht liebend gern geantwortet, doch er schaffte es nicht mehr, weil er in dieser Sekunde starb!

*

»Es gibt durchaus Vampire«, sagte William P. Petters mit einer Selbstverständlichkeit, als würde er vom Wetter reden. »Diese Wesen gab es, gibt es und wird es immer geben, verstehen Sie? Die Wissenschaft streitet die Existenz von Vampiren zwar ab, doch die Wissenschaft irrt ja unentwegt, nicht wahr? Sie wirft heute über den Haufen, was sie gestern noch als Tatsache behauptet hat. Gehen Sie mir weg mit den Wissenschaftlern! Alles Leute, die eigentlich wissen sollten, daß sie nichts wissen können!«

William P. Petters war ein bemerkenswerter Mann, rund fünfundfünfzig Jahre alt, groß, hager, und mit ausgeprägter Glatze. Er hatte seine beiden Gäste im Arbeitszimmer empfangen, das einem kleinen Museum glich. An zwei Wänden standen Regale, die bis zur Decke reichten und mit alten Büchern und erstaunlicherweise auch mit Aktenordnern vollgestopft waren.

Zur optischen Auflockerung hatte er große, fest verschlossene Glasgefäße untergebracht, in denen seltsames Gewürm in Formaldehyd oder Spiritus schwamm: Eidechsen, Spinnen und Schlangen, von einigen Skorpionen, Taranteln und Kröten ganz zu schweigen.

»Mylady möchte nicht mißverstanden werden«, ließ der Butler sich vernehmen. »Sie denken nicht an die Spezies Fledermäuse.«

»Das möchte ich auch sehr hoffen«, antwortete William P. Petters, »sonst wären Sie nämlich bei mir an der falschen Adresse. Ich befasse mich ausschließlich mit Urphänomenen, verstehen Sie?«

»Nicht die Spur«, warf Lady Simpson trocken ein. »Könnten Sie mir das näher erklären?«

»Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, Mylady, die unerklärbar sind und bleiben werden«, schickte William P. Petters voraus und massierte sich sein spitzes Kinn. »Nehmen wir zum Beispiel die Vampire, die mein Spezialgebiet sind, also Verstorbene, die aus ihren Gräbern steigen und das Blut lebender Menschen brauchen, um weiter existieren zu können.«

»Das ist doch ein Widerspruch«, bemerkte Agatha Simpson und schüttelte den Kopf. »Wieso kann ein Verstorbener weiterleben?«

»Das gehört bereits mit zu den unerklärbaren Geheimnissen«, dozierte William P. Petters und hüstelte nervös. »Im menschlichen Sinn sind diese Bedauernswerten natürlich tot, im übertragenen Sinn allerdings nicht.«

»Schön, sie erheben sich also aus ihren Gräbern und fallen harmlose Mitmenschen an, deren Blut sie brauchen. Warum tun sie das?«

»Um bis zu ihrer Erlösung aus ihrem Zustand durchhalten zu können, lassen Sie mich das mal so banal ausdrücken.«

»Seit wann gibt es Vampire, Mister Petters?« mischte sich Josuah Parker ein.

»Sie haben schon immer existiert, vom Beginn aller Zeiten an«, behauptete der Vampirkenner mit ernster Miene. »Seit dem Mittelalter aber werden sie genau beobachtet und bekämpft. Sie traten vor allen Dingen in den Balkanländern auf, aber warum das so war, weiß ich nicht, daran arbeite ich noch.«

»Es sind also Verfluchte?« Lady Simpson funkelte den Vampirkenner an, hütete sich aber, aggressiv zu werden. Sie wollte schließlich aus erster Hand erfahren, was es mit den Vampiren auf sich hatte.