Parker probt das Überleben - Günter Dönges - E-Book

Parker probt das Überleben E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Meine Wenigkeit möchte keineswegs verhehlen, Sir, daß sich eine gewisse Besorgnis aufbaut«, sagte Josuah Parker zu Mike Rander und Kathy Porter, die gerade das Haus der Lady Simpson in Shepherd's Market betreten hatten, »Mylady geruhen, seit Stunden überfällig zu sein, um es mal so auszudrücken.« »Überfällig, Parker?« fragte der Anwalt. Mike Rander, groß, lässig und an einen bekannten James-Bond-Darsteller erinnernd, blickte Josuah Parker erstaunt an. »Mylady verließ vor vier Stunden das Haus, Sir, wollte aber bereits seit zwei Stunden wieder zurück sein.« »Wohin ist sie denn gefahren?« erkundigte sich Kathy Porter. Sie war die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady Agatha, eine Dreißigerin und attraktive Erscheinung. »Mylady folgte einer Einladung nach Chelsea, Miß Porter« beantwortete Parker die Frage, »ein gewisser Mr. John M. Mullway hatte zu einer Galerieeröffnung eingeladen.« »Wer, zum Teufel, ist John M. Mullway?« wollte der Anwalt wissen. »Ein Galerist, Sir, der sogenannte moderne Kunst vermittelt und zu ausgesprochen horrenden Preisen verkauft.« »Haben Sie dort schon angerufen, Mr. Parker?« fragte Kathy Porter.

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Butler Parker – 172 –

Parker probt das Überleben

Günter Dönges

»Meine Wenigkeit möchte keineswegs verhehlen, Sir, daß sich eine gewisse Besorgnis aufbaut«, sagte Josuah Parker zu Mike Rander und Kathy Porter, die gerade das Haus der Lady Simpson in Shepherd’s Market betreten hatten, »Mylady geruhen, seit Stunden überfällig zu sein, um es mal so auszudrücken.«

»Überfällig, Parker?« fragte der Anwalt. Mike Rander, groß, lässig und an einen bekannten James-Bond-Darsteller erinnernd, blickte Josuah Parker erstaunt an.

»Mylady verließ vor vier Stunden das Haus, Sir, wollte aber bereits seit zwei Stunden wieder zurück sein.«

»Wohin ist sie denn gefahren?« erkundigte sich Kathy Porter. Sie war die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady Agatha, eine Dreißigerin und attraktive Erscheinung.

»Mylady folgte einer Einladung nach Chelsea, Miß Porter« beantwortete Parker die Frage, »ein gewisser Mr. John M. Mullway hatte zu einer Galerieeröffnung eingeladen.«

»Wer, zum Teufel, ist John M. Mullway?« wollte der Anwalt wissen.

»Ein Galerist, Sir, der sogenannte moderne Kunst vermittelt und zu ausgesprochen horrenden Preisen verkauft.«

»Haben Sie dort schon angerufen, Mr. Parker?« fragte Kathy Porter.

»Insgesamt viermal«, lautete Parkers Antwort, »in allen Fällen wurde meiner Wenigkeit bedeutet, Mylady schicke sich gerade an, die Galerie zu verlassen.«

Josuah Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, groß und mit der Andeutung eines leichten Bauchansatzes versehen, war der Prototyp des hochherrschaftlichen Butlers, wie man ihn eigentlich nur noch auf der Leinwand oder auf dem Bildschirm zu sehen bekommt. Gemessenheit der Bewegung und Würde zeichneten ihn aus. Er verfügte über das glatte, undurchdringliche Gesicht eines professionellen Pokerspielers. Er war der Butler der Lady Agatha Simpson und ihr männlicher Schutzengel zugleich.

Parkers Brötchengeberin hielt sich für eine einmalige Kriminalistin und nutzte jede sich bietende Gelegenheit, mit verrückten Abenteuern zu imponieren. Ihre ungenierte Offenheit und Direktheit sorgten immer wieder dafür, daß zwielichtiges Gesindel und Gangster aller Kaliber sie attackierten. In solchen Fällen hielt Parker seine schützende Hand diskret über sie und mußte dazu immer tiefer in seine reichhaltige Trickkiste greifen.

»Sie wollte nicht, daß Sie sie begleiteten, Parker?« fragte Mike Rander.

»Mylady bestand darauf, allein zu gehen«, gab der Butler zurück.

»Man könnte ja vielleicht mal ’rüber nach Chelsea fahren«, schlug Kathy Porter vor.

»Ein Vorschlag, Miß Porter, den man nur begrüßen kann«, fand der Butler und nickte zustimmend.

»Es wird schon nichts passiert sein«, ließ der Anwalt sich vernehmen, »wir alle kennen doch Lady Simpson: Sie verplaudert sich halt gern. Aber einverstanden, setzen wir uns in den Wagen und schaukeln wir nach Chelsea. Es ist ja nur ein Katzensprung.«

Es dauerte einige Minuten, bis das Trio in Parkers hochbeinigem Monstrum Platz genommen hatte. Dabei handelte es sich um ein bereits recht betagt aussehendes, ehemaliges Londoner Taxi, das jedoch nichts anderes als eine raffinierte Trickkiste auf Rädern war. Der Wagen war nach Parkers eigenwilligen Vorstellungen umgebaut worden, was die Technik betraf. Es stellte vieles in den Schatten, was in phantasievollen Kriminalfilmen an Raffinesse dargeboten wurde.

Selbstverständlich saß Parker am Steuer. Er kannte sich in London mehr als gut aus und verzichtete auf die üblichen Durchgangsstraßen. Der Butler benutzte Seitenstraßen und umging so die neuralgischen Verkehrspunkte und die dort immer wieder aufkommenden Staus. Es dauerte knapp fünfzehn Minuten, bis er jene Straße erreichte, in der sich die Galerie des John M. Mullway befand.

»Ich weiß nicht, ob auch Sie’s sehen«, meinte der Anwalt, »aber die Galerie macht einen verdammt geschlossenen Eindruck.«

»Wenn Sie erlauben, Sir, möchte meine Wenigkeit sich Ihrem Eindruck anschließen«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. Er hatte seinen Wagen gestoppt und stieg aus. Mike Rander und Kathy brauchten nur wenige Augenblicke, bis sie zusammen mit Parker die Tür der Galerie ansteuerten.

Diese Tür war nun tatsächlich verschlossen.

Hinter den Scheiben brannte kein Licht. Parker benutzte den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms, um damit gegen den Türrahmen zu klopfen. Er wiederholte dies mehrere Male, doch es erfolgte keine Reaktion.

»Vielleicht ist gar nicht abgeschlossen«, sagte Mike Rander und zwinkerte Parker zu. Die beiden Männer verstanden sich sofort, und Parker griff in eine der vielen Westentaschen unter seinem schwarzen Zweireiher. Er holte ein Lederetui hervor und sichtete dann recht abenteuerlich gebogene Metallzungen und kleine Haken. Dies alles erinnerte an das Besteck eines passionierten Pfeifenrauchers. Der Butler entschied sich für eine flache, konisch zulaufende Metallzunge und näherte sich damit dem Türschloß.

»Das läuft ja wie geschmiert«, stellte Mike Rander fest und trat ein wenig zurück, damit Josuah Parker das Türschloß ungestört überprüfen konnte.

»Geht das nicht alles zu gut, Mike?« fragte Kathy Porter, worauf der Butler umgehend darauf verzichtete, die Metallzunge in das Türschloß zu schieben.

*

»Lieber Himmel, Parker, das war die perfekte Falle«, stelle der Anwalt eine Viertelstunde später fest. Er, Kathy Porter und Josuah Parker hatten einen anderen Weg gewählt, um die Räume der Galerie betreten zu können. Auf Parkers Vorschlag hin hatte man sich dem Haus von der Rückseite genähert und war dann durch den Keller ins Erdgeschoß gestiegen. Dabei hatte sich das kleine Patent-Besteck des Butlers voll und ganz bewährt. Kein Schloß hatte sich dagegen gesträubt, von Parker geöffnet zu werden.

»Meine Wenigkeit möchte keineswegs verhehlen, Sir, daß es sich um eine Sprengladung handeln könnte.« Parker deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes auf das Paket, das dicht unter dem Türschloß auf der Innenseite befestigt worden war. Zwei farbige Drähte führten von diesem kleinen Paket zum Türschloß.

»Wir sollten in die Luft gejagt werden«, ließ Kathy Porter sich vernehmen.

»Kompliment, Kathy«, meinte der Anwalt, »und woher kam Ihr Mißtrauen?«

»Reine Gefühlssache«, gab sie achselzuckend zurück, »ich fühlte mich förmlich dazu eingeladen, die Tür mit einem Nachschlüssel zu öffnen.«

Butler Parker untersuchte inzwischen das Paket, das kaum größer war als eine Zigarrenkiste. Nach kurzer Prüfung trat er zurück und blickte Kathy Porter und Mike Rander an.

»Man wird herzlichst willkommen geheißen«, meldete er, »das wenigstens drückt diese Aufschrift auf dem Päckchen aus.«

»Wie war das?« Rander beugte sich vor und überlas die wenigen Worte, die tatsächlich auf dem Päckchen standen. Kopfschüttelnd richtete der Anwalt sich wieder auf und blickte Kathy Porter an.

»Das verstehe, wer will«, meinte er dann, »hier will uns jemand mächtig auf den Arm nehmen.«

»Man könnte versuchen, das Paket zu öffnen«, schlug der Butler vor.

»Wollen wir nicht besser die Polizei verständigen?« fragte Kathy Porter.

»Meine bescheidenen Fähigkeiten werden sicher ausreichen, um die Ladung zu entschärfen«, ließ Josuah Parker sich vernehmen, »doch aus Gründen der Sicherheit empfiehlt es sich, vielleicht ein wenig in Deckung zu gehen.«

»Ich glaube, das Paket ist leer«, vermutete Kathy Porter und deutete auf die wenigen Worte auf dem Karton, »man scheint damit gerechnet zu haben, daß Mr. Parker eben nicht die Haustür benutzt.«

»Ein Hinweis, Miß Porter, den man nicht übergehen sollte«, antwortete Josuah Parker, »auf der anderen Seite könnten diese Worte dafür gedacht sein, eben so zu schlußfolgern, wie Sie es gerade taten. Mit anderen Worten, man könnte zu einem gewissen Leichtsinn einladen.«

»Welcher Knabe will uns da eigentlich hochnehmen oder sogar hochgehen lassen?« Rander zündete sich eine Zigarette an, während Parker seinen Universal-Regenschirm vom linken Unterarm hakte und gegen die Wand stellte. Anschließend machte er sich daran, das Paket zu entschärfen. Seiner bescheidenen Ansicht nach enthielt es Sprengstoff. Er war sich im klaren darüber, daß man es mit einer schlauen und hinterhältigen Person zu tun hatte. Flüchtig dachte er an Lady Agatha Simpson, doch dann konzentrierte er sich ganz auf seine Aufgabe.

Aus einer der vielen Westentaschen zog er ein Taschenmesser, dessen Schneide die eines Skalpells fast übertraf. Damit ritzte er den Karton vorsichtig an, schnitt noch vorsichtiger tiefer ein und hütete sich, Druck auf den Karton auszuüben.

»Nehmen Sie sich Zeit, Parker«, mahnte Mike Rander, der mit Kathy Porter in einen Nebenraum ausgewichen war, »für eine Himmelfahrt ist es immer zu früh ...«

»Sie können versichert sein, Sir, daß meine Wenigkeit Vorsicht walten lassen wird«, meinte Josuah Parker gemessen. Es war schon erstaunlich, daß sein Gesicht selbst in dieser Situation ausdruckslos blieb. Auf seiner Stirn war noch nicht mal die Andeutung einer Schweißperle zu bemerken. Mit ungewöhnlich vorsichtigen und geschmeidigen Fingern schnitt er weiter in die Kartonfläche und konnte schließlich ein Rechteck freilegen.

»Man sollte darauf hinweisen, daß das Paket tatsächlich eine Sprengstoffladung enthält«, meldete Parker, »meiner bescheidenen Schätzung nach dürfte die Ladung innerhalb der nächsten Minuten entschärft sein.«

Josuah Parker befaßte sich mit den beiden bunten Drähten, mit einer Taschenlampen-Batterie und einem dünnen Glasröhrchen, das mit Quecksilber gefüllt war und eine Art Kippschalter bildete. Anschließend präsentierte er Mike Rander und Kathy Porter, die wieder in den Vorraum zurückgetreten waren, die eigentliche Sprengladung. Sie bestand aus Plastiksprengstoff und hätte leicht ausgereicht, nicht nur die Tür zur Galerie in die Luft zu jagen.

»Da steckt ein Zettel«, sagte Kathy Porter, die einen Blick ins Innere des Päckchens geworfen hatte. Parker nickte, zog den Zettel hervor und überlas die wenigen, mit Schreibmaschine geschriebenen Worte.

Man gratulierte ihm zu seinem Erfolg. Mehr stand nicht auf dem Zettel!

*

»Wenn Sie erlauben, Sir, möchte meine Wenigkeit sich gewisse Sorgen machen, was Mylady betrifft«, sagte Josuah Parker. Das Trio hatte die Räume der Galerie verlassen und hielt sich in einem nahen Pub auf.

»Wenn Sie gestatten, schließe ich mich Ihrer Sorge an«, erwiderte Mike Rander und lächelte flüchtig, »und ich glaube, Miß Porter wird da mitziehen.«

»In der Galerie kann keine Ausstellung stattgefunden haben«, sagte die Gesellschafterin der älteren Dame, »wir haben schließlich alles genau durchsucht.«

»Demnach dürfte man Lady Simpson in eine Falle gelockt haben«, vermutete der Anwalt.

»Dem kann man nur beipflichten, Sir«, ließ Parker sich vernehmen, »und man scheute sich nicht, gleich an der Tür zur Galerie eine Sprengladung anzubringen.«

»Eine verdammt mysteriöse Geschichte, Parker.« Rander nickte nachdenklich. »Und dann dieser Zettel im Paket... Man scheint unsere Suche nach Lady Simpson zu einer Art Hindernisrennen machen zu wollen, wie?«

»Eine Bezeichnung, Sir, die man nur als trefflich bezeichnen kann«, sagte Josuah Parker, »hier dürfte es sich um diverse Prüfungen handeln, die man absolvieren muß.«

»Man kann doch wohl davon ausgehen, daß Lady Simpson entführt worden ist, nicht wahr?« fragte Kathy Porter eindringlich.

»Eine andere Deutung, Miß Porter, bietet sich im Augenblick nicht an«, beantwortete Josuah Parker die Frage, »früher oder später dürften Myladys Entführer sich mit Sicherheit melden.«

»Gab es in jüngster Zeit irgendwelche Drohungen?« fragte der Anwalt.

»Keineswegs, Sir«, erwiderte der Butler, »Mylady beklagte sich sogar über mangelnde Betätigung.«

»Dann dürfte da jemand aus dem Nichts heraus tätig geworden sein«, redete Mike Rander weiter, »und ein gewöhnlicher Gangster kann das unmöglich sein.«

»In der Tat, Sir«, pflichtete Parker dem Anwalt bei, »um einen gewöhnlichen Anschlag kann es sich kaum handeln.«

»Hier will irgendeine Person beweisen, daß sie besser ist als Sie, Mr. Parker«, schaltete Kathy Porter sich ein, »so sehe ich es wenigstens. Hier will jemand Katz und Maus mit Ihnen spielen.«

»Was in der Vergangenheit wiederholt der Fall war, wenn man bescheiden daran erinnern darf«, antwortete der Butler.

»Es gibt eben immer wieder neue Versuche«, seufzte der Anwalt, »setzen wir darauf, daß Mylady noch nichts passiert ist.«

»Dies dürfte momentan kaum der Fall sein, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »die mysteriöse Person hätte ja ohne weiteres schießen können, als man sich vor der Galerie befand.«

»Richtig«, sagte Rander und nickte langsam, »hier will es jemand verdammt spannend machen. Und dazu braucht er eine Lady Simpson, die noch mitspielen kann und muß.«

»Sollten wir nicht McWarden informieren?« tippte Kathy Porter an.

»Unser guter Chief-Superintendent«, sagte Mike Rander und lächelte flüchtig, »aber wirklich, Kathy, keine schlechte Idee. Wir sollten jede Möglichkeit nutzen, Lady Simpson aus der Patsche zu helfen.«

»Zumal Mylady dazu neigt, recht ungewöhnlich zu reagieren«, ließ Josuah Parker sich vernehmen, »diese Bemerkung sollte man tunlichst nicht als Kritik betrachten.«

»Sie haben es sogar noch sehr vornehm ausgedrückt.« Rander lächelte. »Machen wir uns doch nichts vor; wenn Lady Simpson sich in den Händen von Entführern befindet, liegt Zündstoff in der Luft. Sie weiß doch überhaupt nicht, was Gefahr ist.«

»Wir könnten umgehend zum Chief-Superintendent fahren«, erinnerte die Sekretärin und Gesellschafterin der älteren Dame, über deren Schicksal man sich gerade unterhielt. Bevor Parker dazu Stellung nehmen konnte, wurde sein Name vorn am Tresen gerufen. Der Butler erhob sich.

»Meiner Wenigkeit liegt es unendlich fern, den Propheten spielen zu wollen«, sagte er und lüftete die schwarze Melone, »aber nach Lage der Dinge will man wohl meine Wenigkeit mit der nächsten Aufgabe vertraut machen.«

Parker schritt würdevoll zum Tresen, wo der Telefonapparat sich befand.

»Was kann diesen Mann eigentlich aus der Ruhe bringen«, frage Mike Rander und schüttelte bewundernd den Kopf.

»Ich warte seit Jahren auf solch einen Moment«, bekannte Kathy Porter, »und wahrscheinlich werde ich noch viele weitere Jahre warten müssen, Mike.«

*

»Und was wurde am Telefon gesagt?« fragte Chief-Superintendent McWarden, der sich im Haus der Agatha Simpson in Shepherd’s Market eingefunden hatte. McWarden, etwa fünfundfünfzig, untersetzt, mit leichtem Bauch ausgestattet, erinnerte schon allein wegen seiner Basedow-Augen an eine stets leicht gereizte Bulldogge. Er leitete im Yard ein Sonderdezernat, das sich mit der Bekämpfung des organisierten Bandenverbrechens befaßte. McWarden war dem Innenministerium direkt unterstellt und genoß große Handlungsfreiheit.

McWarden war Butler Parker zutiefst verpflichtet, denn wenn er wieder mal im Zug einer Ermittlung nicht weiterkam, suchte und fand er die volle Unterstützung des Butlers. McWarden hatte Parker wiederholt angeboten, in den Polizei- oder Geheimdienst überzuwechseln, doch Parker hatte stets abgelehnt. Früher in Diensten Mike Randers und jetzt für Lady Simpson tätig, verfügte er über genau jene Freiheiten, die er schätzte.

»Hat sich da vielleicht der Entführer Myladys gemeldet?« fragte der Chief-Superintendent erneut.

»So sollte man in der Tat sagen, Sir«, erwiderte Parker, »es handelt sich um eine Stimme, die man durchaus als freundlich und gepflegt bezeichnen muß, Sir. Meiner Wenigkeit wurde mitgeteilt, Mylady wäre noch im Zustand des allgemeinen Wohlbefindens. Die erwähnte Stimme teilte ferner mit, man habe keine Einwände zu erheben, falls man die Polizei einzuschalten gedenke. In diesem Zusammenhang wurde Ihr Name erwähnt, Sir, was man als bemerkenswert registrieren sollte. Es wurde ferner darauf verwiesen, Mylady sei inzwischen ein wenig ungeduldig und warte dringend auf den Tag der Befreiung.«

»Es wurde nicht gesagt, wie man sie entführte?« erkundigte sich darauf McWarden.

»Darüber wurde kein Wort verloren, Sir«, bedauerte der Butler, »es wurde allerdings deutlich gemacht, der Galerist John M. Mullway habe mit Myladys Entführung nichts zu tun.«

»Das werden wir noch herausfinden«, meinte der Chief-Superintendent grimmig, »wir werden jeder Spur nachgehen. Wurde Ihnen eine neue Aufgabe zugeteilt, Mr. Parker?«

»Eben nicht, Sir«, erwiderte der Butler, »bevor meine Wenigkeit eine entsprechende Frage stellen konnte, wurde auf der Gegenseite aufgelegt.«

»Was ich eigenartig finde«, sagte Mike Rander, »offen gestanden, McWarden, damit hatte ich fest gerechnet.«

»Er will die Sache eben spannend machen«, urteilte Kathy Porter.

»Der Hinweis, Mr. John M. Mullway habe mit der Entführung nichts zu tun, dürfte bereits die neue Aufgabe sein, der man sich wohl unterziehen soll«, ließ Josuah Parker sich vernehmen.

»Wie kommen Sie denn darauf?« wunderte sich McWarden umgehend.

»Diesen Namen dürfte man nicht ohne Grund genannt haben, Sir.«

»Richtig«, bestätigte Mike Rander, »wir sollen auf eine ganz bestimmte Fährte gesetzt werden.«

»Die mit Schwierigkeiten aller Art gespickt sein wird«, vermutete Kathy Porter.

»Okay, ich schließe mich dieser Auffassung an«, sagte McWarden, »zum Teufel, wer mag dieser Gangster sein? Geld will er offensichtlich nicht haben, wie?«

»Bisher wurden keine diesbezüglichen Wünsche geäußert«, bestätigte der Butler, »möglicherweise werden zu einem späteren Zeitpunkt noch Forderungen in materieller Hinsicht erhoben.«

»Also gut, er soll seinen Willen haben.« McWarden, der längst unruhig vor dem großen Kamin hinund herwanderte, blieb jäh stehen. »Meine Leute werden sich umgehend mit diesem Mullway befassen. Lady Simpson dürfte ja nicht ohne Grund zu ihm gelockt worden sein. Wie war es eigentlich damit, Mr. Parker?«

»Mylady erhielten mit der gewohnten Morgenpost die Einladung zu einer Ausstellung«, entgegnete Josuah Parker, »Mr. John M. Mullway wollte demnach junge Londoner Künstler bekannt machen.«

»Aber wieso nahm sie diese Einladung an?« wunderte sich McWarden.

»Mr. John M. Mullway teilte auf dieser Einladung mit, die Gäste erwarte ein reichhaltig ausgestattetes Büfett mit Sekt und Kaviar.«

»Das sagt natürlich bereits alles«, gab der Chief-Superintendent zurück und lächelte wider Willen. Er kannte die Leidenschaft der passionierten Detektivin, die ungemein gern und gut aß. Und wenn sie dies zudem kostenlos tun konnte, war sie zu Einladungen leicht zu verführen.

Gewiß, Agatha Simpson war immens vermögend, doch sie konnte ungemein sparsam bis geizig sein. Auf der anderen Seite, aber war sie durchaus in der Lage, das Geld mit vollen Händen auszugeben, wenn sie sich mit einem Kriminalfall beschäftigte.

»Noch eine Frage am Rand«, bat McWarden nach einer kleinen Pause und wandte sich weiterhin an den Butler, »warum sind Sie nicht mit zu diesem Galeristen gegangen?«

»Mylady bestand darauf, allein zu gehen«, antwortete Josuah Parker.

»Weil Lady Simpson nicht an ihre Diät erinnert werden wollte«, erklärte Mike Rander. »Und Parker wäre die leibhaftige Mahnung gewesen.«

»So hätte Mylady meine bescheidene Anwesenheit zweifellos ausgelegt«, pflichtete der Butler dem Anwalt bei, »dennoch soll keineswegs verhehlt sein, daß man sich gewisse Vorwürfe macht. Meine Wenigkeit hätte wohl Mylady begleiten müssen.«

»Unsinn, Parker«, sagte Rander, »Sie hauen sie ja wieder heraus. Und wir werden Ihnen dabei helfen, so gut es geht.«

*

Parker befand sich allein im großen, altehrwürdigen Fachwerkhaus seiner Herrin.