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Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! E-Book 21: Gangster und Kanonen E-Book 22: Der große Fisch E-Book 23: Der Weg zum Ziel E-Book 24: Der Geheimbund E-Book 25: Der Todes Park E-Book 26: Der Freitag-Killer E-Book 27: Auf der Jagd E-Book 28: Die Falle E-Book 29: Die gelben Drachen E-Book 30: Vergeltung E-Book 1: Gangster und Kanonen E-Book 2: E-Book 3: Der große Fisch E-Book 4: E-Book 5: Der Weg zum Ziel E-Book 6: E-Book 7: Der Geheimbund E-Book 8: E-Book 9: Der Todes Park E-Book 10: E-Book 11: Der Freitag-Killer E-Book 12: E-Book 13: Auf der Jagd E-Book 14: E-Book 15: Die Falle E-Book 16: E-Book 17: Die gelben Drachen E-Book 18: E-Book 19: Vergeltung E-Book 20:

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Inhalt

Gangster und Kanonen

Der große Fisch

Der Weg zum Ziel

Der Geheimbund

Der Todes Park

Der Freitag-Killer

Auf der Jagd

Die Falle

Die gelben Drachen

Vergeltung

Butler Parker – Staffel 3 –

E-Book 21-30

Günter Dönges

Gangster und Kanonen

Roman von Günter Dönges

Butler Parker hielt den recht eigenartigen Humor dieser vier Männer für völlig unangebracht. Schließlich war es Mittag, und um diese Zeit trug man nach Parkers Ansicht keine falschen Bärte und rote Pappnasen. Die so kostümierten und verunstalteten Männer kamen sehr schnell aus dem Portal der Bankfiliale und trugen nicht nur vollgefüllte, große Taschen aus Segeltuch, sondern auch Maschinenpistolen. Sie liefen auf einen parkenden Wagen zu und genierten sich nicht, nach allen Seiten zu schießen.

Parker, der seine Bankauszüge kontrollieren wollte, kannte das augenblickliche Datum sehr genau. Da der Thanksgiving-Day erst in einigen Monaten zu erwarten war, mußte es sich, so schloß er messerscharf, um einen Bankraub handeln.

Er stand den vier Männern im Weg, doch er wollte nicht weiter stören. Im Bestreben, das Feld zu räumen, lief Parker den vier kostümierten Gangstern direkt in die Arme. Er wußte sich im Moment nicht anders zu helfen, als höflich seine schwarze Melone zu lüften und zu grüßen. Er glich einem alten, leicht verwirrten Mann, der die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt hat.

Vielleicht rettete Parker damit sein Leben. Die vier Gangster stießen ihn zwar zur Seite, doch sie schossen nicht auf ihn. Es war aber auch ein zu komisches Bild: Butler Parker übersah die drohend auf ihn gerichteten Maschinenpistolen und deutete nun sogar eine Verbeugung an.

Dennoch konnte er es nicht verhindern, mit einem der vier Gangster zu kollidieren. Ein heftiger Stoß schleuderte ihn zur Seite. Parker verlor das Gleichgewicht, fiel zu Boden und rettete damit zum zweiten Mal sein Leben. Denn kaum lag er flach auf dem Pflaster, da peitschten die ersten Schüsse los. Zwei Angestellte der Bank standen im Portal neben den imitierten griechischen Säulen. Sie schossen aus allen Rohren, und zwar sehr schlecht.

Die Gangster hüpften ungeniert in den bereits anfahrenden Ford und hielten es nicht mehr für nötig, die Schüsse zu beantworten. Der ganze Spuk dauerte nur wenige Sekunden, so schnell arbeiteten die Gangster. Als Parker sich vom Pflaster erhob, mißbilligend den Kopf schüttelte, da war der Stationswagen bereits hinter der nächsten Straßenbiegung verschwunden.

Einige weibliche Passanten fielen erst jetzt in Ohnmacht, oder stießen grelle, spitze Schreie aus. Die beiden Bankangestellten ließen sich als Helden feiern. Männliche Besucher der Bank fanden es an der Zeit, ihr Leben für die Allgemeinheit zu opfern. Aus Mangel an Gelegenheit verzichteten sie dann allerdings darauf. Die Polizei, schnell und bestens informiert wie immer, schickte bereits einige jaulende Streifenwagen auf die Reise. Dieser ganze Überfall erinnerte lebhaft an einen Operettenulk, wenn die beiden erschossenen Bankangestellten im Schalterraum nicht gewesen wären. Sie nämlich erinnerten an die harte, grausame Wirklichkeit. Die »Rotnasen« hatten wieder einmal zugeschlagen wie so oft in den vergangenen Wochen. Jene vier Gangster also, die stets mit falschen Rauschebärten und roten Pappnasen auftauchten und ihren Spitznamen von der Presse erhalten hatten. Doch das hatte sich inzwischen längst herausgestellt, die »Rotnasen« waren hartgesottene Gangster, die keine Rücksicht kannten und gnadenlos schossen, wenn ihnen Widerstand geleistet wurde …

*

»Mich wundert es nicht, daß Sie mal wieder Augenzeuge eines Verbrechens wurden«, sagte Strafverteidiger Mike Rander, der junge Herr Josuah Parkers. Er hatte sich den Bericht seines Butlers gerade angehört und schüttelte in komischer Verzweiflung den Kopf. Sie befanden sich in dem großen Arbeitszimmer des Penthouse, hoch über den Dächern von Chikago. Von dem riesigen, breiten Fenster aus ging der Blick über den Michigan-See.

»Nach meinen Informationen erbeuteten die vier Gangster insgesamt 86000 Dollar, Sir, wenn ich mir diesen Hinweis gestatten darf.«

»Das ist bereits der dritte Raub in diesem Monat«, meinte Rander, ein sympathisch aussehender Mann von etwa 38 Jahren. Den erfolgreichen Anwalt sah man ihm nicht an, er glich mehr einem durchtrainierten Sportsmann, was seine Figur betraf. Vom Gesicht mit den braunen Augen und der hohen Stirn war durchaus zu vermuten, daß er Lehrer an einer Hochschule war.

»Nach meiner privaten Statistik, Sir, raubten die ›Rotnasen‹ bisher insgesamt 281000 Dollar. Und zwar in einem Zeitraum von genau sieben Wochen. Bis auf eine Ausnahme bevorzugten sie bei ihren Besuchen Bankfilialen in den Außenbezirken der Stadt.«

»Ihr Interesse kommt mir verdammt verdächtig vor, Parker«, wehrte Mike Rander ab. Er kannte schließlich die Leidenschaft seines Butlers, Verbrechen aufzuklären und Gangster zu jagen.

»Die Behörden waren bisher leider nicht in der Lage, die ›Rotnasen‹ in ihrer Arbeit zu hemmen, Sir. Ich gebe zu bedenken, daß bisher vier Personen erschossen und zwei Personen lebensgefährlich verletzt wurden. Von den Leichtverwundeten ganz zu schweigen. Das dürfte für die Brutalität und Rücksichtslosigkeit dieser vier Gangster sprechen.«

»Parker, geben Sie sich keine Mühe, ich werde nicht anbeißen«, knurrte Mike Rander, der sich jedoch bereits in die Verteidigung gedrängt fühlte.

»Ich versage es mir, Sir, von der ausgesetzten Belohnung zu sprechen«, haspelte Josuah Parker seinen Fäden hartnäckig weiter herunter. »Die einzelnen Belohnungen der geschädigten Banken, sowie der Staatsbehörde betragen insgesamt 10 000 Dollar.«

»Parker, wir sollten zur Tagesordnung übergehen«, schlug Mike Rander vor. »Ich möchte meinen Kaffee haben. Heute abend bekomme ich Besuch. Zwei meiner Klienten wollen Verträge mit mir durchsprechen.«

»Sir, Sie können sich auf mich verlassen«, antwortete Josuah Parker würdevoll. »Wenn Sie gestatten, komme ich noch einmal auf die ›Rotnasen‹ zurück.«

»Ich gestatte es nicht, Parker! Das ist mein letztes Wort. Persönlich sind wir überhaupt nicht angesprochen, wir werden uns diesmal heraushalten.«

»Sir, ich widerspreche nur sehr ungern«, entgegnete Josuah Parker, »Tatsache ist jedoch, daß ich mir bereits die Freiheit nahm, mich persönlich sehr stark zu engagieren.«

»Was soll denn das schon wieder heißen?«

»Als ich mit einer der Rotnasen zusammenstieß, Sir, hatte ich das Unglück, beim schnellen Losreißen eine Anstecknadel des betreffenden Gangsters …«

»… mitzunehmen, vornehm ausgedrückt«, unterbrach Mike Rander seinen Butler. »Sie brauchen sich gar nicht so gewunden auszudrücken. Ich kenne doch Ihre Geschicklichkeit. Wenn es sein muß, beschämen Sie einen ausgelernten Taschendieb.«

»Sir, Sie schmeicheln meinen bescheidenen Fähigkeiten«, antwortete Parker leicht verschämt. »Wenn ich Ihnen diese Anstecknadel vielleicht einmal zeigen darf?«

»Ausgeschlossen, versuchen Sie es erst gar nicht, Parker.« Mike Rander war fest entschlossen, nicht anzubeißen. »Ich will mit dieser Geschichte nichts zu tun haben. Ich werde Ihnen aber einen guten Rat geben. Werfen Sie diese Anstecknadel schleunigst in den Müllschlucker, sonst werden Sie eines Tages noch sehr viel Ärger haben. Oder noch besser, senden Sie sie anonym an die Polizei. Sie wird dafür bezahlt, die ›Rotnasen‹ zu erwischen.«

»Ich bedanke mich in aller Form für diesen Hinweis«, sagte Josuah Parker. »Allein der Name dieser Anstecknadel wird bei der Polizei eine Sensation hervorrufen.«

»Wie bitte?« erkundigte Mike Rander sich gegen seinen Willen, doch sofort danach merkte er bereits, daß er sich schon viel zu sehr interessierte. Unwillkürlich lachte er leise auf. Er war wieder einmal auf einen echten Parker-Trick hereingefallen.

»Ich sprach in aller Zurückhaltung und Bescheidenheit von der bewußten Anstecknadel, Sir.«

»Dann sagen Sie schon endlich, was auf ihr steht.«

»Wenn Sie sich vielleicht selbst vergewissern wollen, Sir?« Josuah Parker griff hinter sich und zog ein kleines silbernes Tablett von einem Anrichtetisch. Darauf lag die Nadel, ein Zeichen, daß Parker sicher gewesen war, sie seinem jungen Herrn zeigen zu können.

Mike Rander verlor seine Abwehrbereitschaft. Er hob die kleine, ovale Nadel hoch und hielt sie gegen das Licht. Die Nadel bestand aus Silber, der ovale Kopf aus Goldblech mit einem kobaltblauen Emailüberzug. Das geschwungene dunkelrote Schriftband darauf lautete: St. John’s Junior Club.

»Donnerwetter«, bemerkte der Anwalt und pfiff leise. »St. John’s Junior Club, das klingt sehr exclusiv, ist es ja schließlich auch.«

»Wenn Sie es wünschen, Sir, kann ich Ihnen mit wenigen Worten einige Tatsachen über diesen Club berichten.«

»Schön, ich kenne ihn zwar, bin aber gespannt, was Sie dazu zu sagen haben.« Rander lächelte verschmitzt.

»Dieser sogenannte ›St. John’s Club‹, Sir, ist in der Wahl seiner Mitglieder sehr vorsichtig. Nur die sogenannten Spitzen der Gesellschaft werden nach längerer Wartezeit und nach Stellung zweier Bürgen in einem speziellen Rituell aufgenommen. Der Beitrag ist enorm hoch und sichert so allein schon die Sonderstellung. Das Clubhaus befindet sich in unser unmittelbaren Nachbarschaft. Neben den Senioren gibt es auch Junioren, die sich in einem gesonderten Club treffen. Hier handelt es sich zumindest um die Töchter und Söhne der Mitglieder. Nachteiliges wurde bisher nicht bekannt. Der St. John’s Club legt keinen Wert auf Publicity.«

»Stimmt genau, Parker. Um so mehr wundert es mich, daß eine der Rotnasen diese Nadel trug.«

»Das, Sir, war geeignet, mein Interesse zu wecken.«

»Es wird sich natürlich um eine verlorengegangene Nadel handeln, anders kann ich mir das nicht vorstellen.« Mike Rander sprach immer leiser und stellte sich vor das große Fenster. »Auf der anderen Seite ist es natürlich nicht ausgeschlossen, daß irgendein Junior des Clubs zum Verbrecher geworden ist.«

»So deutlich, Sir, wagte ich es nicht auszudrücken«, warf Parker respektvoll ein. »Könnte man nicht diskrete Ermittlungen einziehen, bevor ich die Anstecknadel der Polizei übersende?«

Mike Rander wandte sich um, grinste niederträchtig.

»Der Angelhaken sitzt bereits«, sagte er dann. »Wir werden dieser Sache mal so nebenbei nachgehen, Parker. Es trifft sich wunderbar, daß einer meiner Gäste heute abend dem St. John’s Club angehört.«

»Auf diese Tatsache wollte ich Sie gerade aufmerksam machen, Sir.«

»Sie haben schon gründliche Vorarbeit geleistet, Parker.«

»Wenn Sie es wünschen, kann ich bereits mit einer vollständigen Mitgliederliste aufwarten, Sir. Sie betrifft allerdings vorerst die Senioren.«

»Wie, zum Henker, sind Sie denn an dieses Staatsgeheimnis geraten?«

»Ich möchte weder ungezogen noch unhöflich sein, Sir, bitte jedoch, mir die Antwort vorerst zu erlassen.«

»Genehmigt«, erwiderte Mike Rander. »Aber wenn schon, denn schon. Besorgen Sie auch die Mitgliederliste der Junioren.«

»Sie wird für mich gerade angefertigt und kopiert, Sir. Ich denke, daß ich sie bereits in wenigen Stunden in Besitz haben werde.«

Parker verbeugte sich und verließ das Arbeitszimmer des Anwalts. Mike Rander starrte auf die ovale Anstecknadel und schüttelte zweifelnd den Kopf.

Ob das hier wirklich eine brauchbare Spur war …?

*

Ein seltsames, hochbeiniges Fahrzeug rollte durch Chikagos Straßen. Es handelte sich um ein ehemaliges Londoner Taxicab, an dem selbst mit einer Lupe keine einzige abgerundete Ecke zu entdecken gewesen wäre.

Dieser Wagen machte einen jämmerlichen Eindruck. Passanten glaubten schnaufende und asthmatische Geräusche des Motors zu vernehmen, doch das war reine Einbildung. Sie konnten schließlich nicht wissen, daß sich unter der eckigen Motorhaube ein äußerst gepflegter Rennmotor befand, der zu Höchstleistungen fähig war.

Der Wagenaufbau verbarg zudem die supermoderne technische Einrichtung. Dieser Wagen, den man nur als ein Monstrum bezeichnen konnte, war nichts anderes als eine Tarnung. Butler Parker bevorzugte solche technischen Spielereien.

Steif wie ein hoher Würdenträger saß er am Steuer. Seine schwarze, stahlgefütterte Melone saß untadelig auf seinem Kopf. Das glattrasierte Pokergesicht mit den großen Augen zeigte keine Regung. Korrekt war der Sitz des schneeweißen Eckkragens, fleckenlos sein Covercoat. Die nervigen Hände Parkers staken in schwarzen Handschuhen. Der obligate Universal-Regenschirm mit seinen diversen Überraschungen hing am gewohnten Platz neben dem Fahrer.

Der Butler ignorierte das Grienen und Grinsen seiner Mitmenschen. Er übersah das ängstliche Ausweichen der überholenden Wagen. Ihn interessierte einzig und allein sein Ziel. Vor dem grauen und massigen Bau des St. John’s Club verringerte er die Fahrt seines hochbeinigen Monstrums und bog in das Grundstück ein. Da er als privater Besucher kam, fuhr er um den großen Gebäudekomplex herum und hatte Zeit und Gelegenheit, die ausgesuchten Häßlichkeiten des Clubs zu bewundern. Das Haus stammte wohl noch aus der Zeit der Jahrhundertwende. Die Zahl der Kamine auf dem winkligen Dach war nur abzuschätzen. Der Architekt hatte keine Chance versäumt, immer noch einen zusätzlichen Erker oder Turm anzubringen.

Josuah Parker wurde erwartet. Er hatte sich telefonisch angesagt. Er ließ sein Monstrum, auf dem Parkplatz für Lieferanten stehen und klingelte am Hintereingang.

Ein Clubdiener öffnete. Als er Butler Parker sah, zuckte er diensteifrig zusammen und verbeugte sich. Erst dann ging ihm auf, daß er ja den Eingang für Lieferanten und Dienstboten geöffnet hatte. Entsprechend knurrig fiel danach seine Frage aus.

»Mr. Senfton erwartet mich«, antwortete Parker würdevoll.

»Jetzt, um diese Zeit?«

»In der Tat, junger Freund, wollen Sie mich bitte anmelden. Mein Name ist Parker, Josuah Parker, um korrekt zu sein.«

»In welcher Angelegenheit …«

Parker ließ den Clubdiener nicht ausreden. Ein Blick aus seinen kühlen Augen reichte vollkommen aus, um den Clubdiener in sich zusammenfallen zu lassen. Der Mann verzichtete darauf, seine Frage zu vervollständigen. Er nahm die Beine in die Hand und verschwand im Innern des Hauses.

Josuah Parker haßte es, vor offenen Türen zu stehen. Um seinen Besuch zudem abzukürzen, genierte er sich nicht, mit der größten Selbstverständlichkeit das Haus zu betreten. Mit fein ausgebildetem Instinkt fand er den richtigen Weg. Das lag zum Teil wohl auch daran, daß er in jungen Jahren in ähnlichen Clubs als Butler gearbeitet hatte.

Im Lichthof neben der Küche kam der Clubdiener ihm schon wieder entgegen. Obwohl, er’s nicht wollte, verbeugte er sich vor Parker.

»Mr. Senfton ist nicht zum Dienst erschienen, Sir«, meldete er diensteifrig.

»Sein Dienstzimmer ist leer.«

»Wurde Mr. Senfton angerufen?«

»Äh, das nicht, er …!«

»Ich rege an, diesen Anruf nachzuholen«, meinte Parker fast freundlich. »Mr. Senfton wurde vielleicht von einem Unwohlsein befallen.«

»Wenn Sie bitte ins Sekretariat mitkommen wollen, Sir …!«

»Eine gute Idee, junger Freund, Sie machen Fortschritte.« Parker zwinkerte andeutungsweise und folgte dem Clubdiener in das Sekretariat. Der Clubdiener beeilte sich, Parkers Anregung in die Tat umzusetzen. Er wählte die Nummer von Senftons Wohnung, ließ mehrfach durchläuten und legte den Hörer schließlich enttäuscht in die Gabel.

»Er meldet sich nicht, Sir«, fügte er überflüssigerweise hinzu.

»Geben Sie mir seine Privatadresse.«

Der junge Freund stand im Banne Parkers. Nur so war es zu erklären, daß er Senftons Privatadresse tatsächlich nannte. Sein Kratzfuß war direkt klassisch, als Parker sich am Eingang mit einem Kopfnicken verabschiedete.

*

»Ulkiger Bursche, was, Norman?« meinte ein junger Mann von etwa 25 Jahren, der nachlässig, dennoch aber teuer gekleidet war. Er stand plötzlich neben dem Clubdiener Norman und grinste dem hochbeinigen Monstrum Parkers nach. »Wer war denn das?«

»Den Namen habe ich vergessen, Sir«, entschuldigte sich Norman Aldine. »Er wollte zu Senfton.«

»Zu unserem Haus- und Hofmeister?« spöttelte der junge Mann, der sich Gerald Thorne nannte. Nachlässig zündete er sich eine Zigarette an und schüttelte dankend den Kopf, als Norman Aldine ihm Feuer reichen wollte. Thorne ging in das Haus und schien diesen kleinen Zwischenfall bereits vergessen zu haben. In Wirklichkeit aber prägte er sich das Kennzeichen von Parkers hochbeinigem Monstrum sehr genau ein. Um es nur ja nicht zu vergessen, notierte er sich später sogar die Nummer. Bei seinem Namen konnte es keine Schwierigkeiten bedeuten, den Eigentümer des Wagens ausfindig zu machen. Die Thornes gehörten schließlich zum Geldclan dieser großen Stadt Chikago. Ihre Wünsche waren fast so etwas wie ein Gesetz.

Josuah Parker wußte davon nichts. Er hatte den jungen Mann noch nicht einmal gesehen. Der Butler beeilte sich, in die Walton Street zu gelangen. Da sein Bekannter Senfton sich nicht gemeldet hatte, stiegen in ihm einige drückende Sorgen hoch.

Harold Senfton, der Butler des St. John’s Club, wohnte in einem Apartment-Hotel. An der Rezeption erfuhr Parker Etage und Nummer des Apartments. Ein Lift brachte ihn hinauf in den vierten Stock. Auf sein Klingelzeichen rührte sich nichts hinter der Tür.

Josuah Parker ließ sich von solchen Kleinigkeiten niemals aufhalten. Er griff in eine seiner unergründlichen Manteltaschen und suchte einen passenden Spezialöffner. Ohne groß Maß zu nehmen, öffnete er das Schloß innerhalb von 30 Sekunden. Ein gewerbsmäßiger Einbrecher hätte Parker bestürmt, bei ihm noch einmal in die Lehre gehen zu dürfen.

Mit der Spitze seines Universal-Regenschirms stieß Parker die Tür zum Wohnraum auf. Er blieb im Türspalt stehen und registrierte die Einzelheiten. Er zuckte mit keiner Wimper, als er den ermordeten Harold Senfton neben einem schweren Ledersessel ausmachte.

Daß Senfton tot war, unterlag keinem Zweifel. Das Messer in seiner Brust redete eine sehr deutliche Sprache …!

*

Josuah Parker, korrekt wie immer, meldete diesen Mord der Polizei. Vom Zimmer des Toten aus rief er das Hauptquartier an und beschränkte sich in bewährter Art nur auf die nackten Tatsachen. Er vergaß allerdings, seinen Namen zu nennen, als der diensttuende Beamte ihn danach fragte. Das hing bestimmt nicht mit Parkers innerer Aufgewühltheit zusammen. Ihm kam es wohl nur darauf an, einen gewissen Vorsprung zu gewinnen.

Auf eine gründliche Durchsuchung der kleinen Wohnung verzichtete er. Parker glaubte zu wissen, daß dieser Mord in einem engen Zusammenhang mit seiner Bitte stand, Senfton solle ihm eine Liste der St. John’s Junioren besorgen. Parker ging in Gedanken sogar noch einen Schritt weiter. Hatte der Besitzer der Anstecknadel seinen Verlust bereits bemerkt und seine Vorkehrungen getroffen, um alle Spuren zu verwischen? Dann, so folgerte er weiter, mußte der Täter unter den Junioren des Clubs zu finden sein.

Josuah Parker, der keinen Wert darauf legte, von der Polizei bereits zu diesem Zeitpunkt verhört zu werden, fuhr mit dem Lift zurück in die Halle. Als er die Straße betrat und auf seinen Wagen zuschritt, schnitten zwei dunkel gekleidete Männer ihm den Weg ab. Sie schienen auf den Butler gewartet zu haben.

»Was kann ich für Sie tun?« erkundigte sich Parker, der stehenbleiben mußte.

»Bekomm nur keinen Schlaganfall, Alterchen«, sagte der größere der beiden Männer. Er besaß straff zurückgekämmtes Haar und unruhige Augen in einem bleichen Gesicht. Die Hand in der Manteltasche ließ darauf schließen, daß sie einen Revolver umspannte.

»Ich fühle mich geehrt, daß Sie sich um meine Gesundheit sorgen«, erwiderte Parker.

»Klopfen Sie keine Sprüche«, unterbrach ihn der zweite Mann. Er war untersetzt und schien keinen Hals zu haben, so kurz war er. Die Knorpelnase deutete unverkennbar an, daß er einmal Boxer gewesen sein mußte. Seine kleinen Augen blickten Parker tückisch an.

»Bitte, was soll ich nicht klopfen?« fragte Parker indigniert.

»Los, machen Sie schon, dort wartet unser Wagen. Beim geringsten Fluchtversuch werden wir Sie niederknallen, Alter.«

Das Bleichgesicht schob sich hinter Parker und trat ihm in die Hacken. Der Butler sah sich gezwungen, auf einen recht mitgenommenen Ford zuzugehen. Er wußte, daß er keine leeren Drohungen gehört hatte. Als Fachmann auf diesem Gebiet war ihm bekannt, daß er es mit zwei ganz üblen Halsabschneidern zu tun hatte.

Sie verfrachteten ihn in dem Ford. Parker mußte neben dem Bleichgesicht auf dem Rücksitz Platz nehmen. Der Strolch mit der Knorpelnase übernahm das Steuer. Sie lösten sich gerade vom Gehsteig, als weit hinten auf der Straße der erste Streifenwagen heranheulte. Zu spät, viel zu spät für den Butler, der im Moment nichts unternehmen konnte, vielleicht auch nicht wollte. Es gehörte zu seinen Gepflogenheiten, niemals etwas zu überstürzen. Kontakte dieser Art schätzte er, sie trieben die Dinge nämlich schnell voran.

»Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen«, begann Parker nach einer Weile, »darf man fragen, wohin diese Fahrt gehen soll?«

»In die Hölle, wenn du nicht spurst«, antwortete das Bleichgesicht und lachte reichlich albern.

»Was stellen Sie sich, wenn ich neugierig sein darf, unter meinem Spuren vor?«

»Das wird dir der Boß sagen, Alter. Und nun halt endlich deinen Rand, die Quasselei geht mir auf die Nerven!«

»Ich empfehle Ihnen, bei Gelegenheit einen Kursus für angewandte Höflichkeit zu besuchen«,! entrüstete sich Parker. »Ihr Benehmen mißfällt mir.«

»Was denkst du, was dir gleich alles mißfallen wird.« Das Bleichgesicht amüsierte sich und gluckste vor Lachen. »Dir werden wir mal ordentlich die Hammelbeine langziehen, Alter. Auf so einen Vogel haben wir schon lange gewartet.«

»Ich beabsichtige nicht, auf das Niveau Ihrer Unterhaltung und Ausdrucksweise herunterzusteigen«, entgegnete Josuah Parker und hielt ab sofort den Mund. Dafür beobachtete er aber sehr genau, welchen Weg sie nahmen. Schon daran ließ sich sein Optimismus abmessen. Es war für ihn ganz selbstverständlich, daß er auch diesmal wieder freikommen würde. Ob er sich diesmal darin täuschte, stand allerdings auf einem ganz anderen Blatt. Daß ein sehr scharfer Wind wehte, merkte er beim Aussteigen in einer unterirdischen Garage, die zu einem alten Bürohaus in der Nähe des Hafens gehörte.

Kaum stand Parker auf dem schmutzigen Betonboden, da rammte das Bleichgesicht ihm den Revolverlauf in den Rücken. Die Knorpelnase kam um den Ford herum und hatte ein Stück ausgefranstes Kabel in der Hand.

Josuah Parker wich ein wenig zaghaft gegen das bereits geschlossene Kipptor der Tiefgarage zurück. Den beiden Schlägern gefiel das außerordentlich. Sie weideten sich an Parkers Vorsicht und Angst.

»Kleine Abreibung gefällig?« fragte die Knorpelnase. Zischend schlug er mit dem Kabelstück durch die Luft.

»Meine Herren, ich appelliere an Ihre Großmut«, rief Josuah Parker aus. »Sie werden einen alten, verbrauchten Mann wie mich doch nicht in gesundheitliche Schwierigkeiten bringen …!«

In den Augen der Knorpelnase glühte blanker Sadismus. Langsam hob er das Stück Drahtkabel. Parker schloß geschwächt die Augen, als könnte er den Anblick nicht mehr ertragen. Der Druck des Revolvers in seinem Rücken ließ nach. Das Bleichgesicht wich zur Seite aus, um vom Kabel nicht getroffen zu werden.

In diesem Augenblick erlitt der Butler einen bösen Schwächeanfall. Diese Anspannung war nun doch zu groß für ihn. Er taumelte gegen das Stahltor der Garage und strich sich mit der rechten, freien Hand über die Stirn.

»Komm, laß ihn noch ’nen Moment in Ruhe«, rief das Bleichgesicht seinem Partner zu. »Der sackt ja gleich ab.«

Mit diesen Worten verschwand auch der Revolver in der Tasche des Gangsters. Josuah Parker merkte von alledem nichts. Er hatte genug damit zu tun, auf den Beinen zu bleiben. Er sah wirklich aus wie ein alter, müder und verbrauchter Mann.

Die Knorpelnase sah sich um ihr Vergnügen betrogen. Wenigstens einen Schlag noch wollte sie anbringen. Zischend teilte das Stück Kabel die stickige Luft der Tiefgarage.

Genau in diesem Moment entwickelte Parkers Regenschirm Eigenleben. Er schnellte hoch und prellte gegen den Unterarm des Schlägers. Die Knorpelnase schrie auf und starrte verdutzt auf die leere Hand.

Der Butler, nun in Fahrt, dachte nicht daran, eine Kunstpause einzulegen. Der Regenschirm beschrieb einen kleinen Halbkreis. Dann senkte sich der bleigefütterte Griff auf den Schädel des Bleichgesichts.

Der Gangster sah, wie man im Volksmund so treffend sagt, ziemlich dumm aus der Wäsche. Er riß weit die Augen auf, spürte eine seltsame Lähmung in seinen Gliedern und … verlor das Bewußtsein. Aufseufzend rutschte er an der rauhen Wand herunter und blieb leblos auf dem Betonboden liegen.

Die Knorpelnase brüllte vor Wut auf. Noch konnte er seinen rechten Arm nicht bewegen, dafür versuchte er es nun mit dem rechten Fuß. Er hatte die feste Absicht, ihn in Parkers Unterleib zu treten. Auf den Gedanken, seine Waffe zu ziehen, kam der Mann in seiner Wut nicht.

Parkers Regenschirm erwies sich wieder einmal als universell. Der Fuß des Gangsters schwebte noch in der Luft, da hakte der Griff unter die Ferse des Mannes. Ein schneller, kurzer Ruck, und der Gangster verlor das Gleichgewicht. Er knallte mit dem Hinterkopf gegen den Ford, verdrehte die Augen und landete krachend auf dem Boden. Josuah Parker schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. Er haßte die Anwendung von Gewalt. Er mußte sich jedesmal überwinden, aus sich herauszugehen.

Um die beiden Gangster nicht unnötig in Versuchung zu führen, entwaffnete er sie. Er steckte ihre Revolver ein und schob zwei veritable Klappmesser durch das Gitter des Garagen-Gullies.

Damit war seine Arbeit noch nicht beendet. Um zu einem späteren Zeitpunkt von ihnen nicht überrascht zu werden, öffnete er die Kofferhaube des Ford und verstaute die beiden Gangster im Kofferraum. Als Krönung dieser Vorsicht schloß er eine seiner Handschellen an Hand und Bein der Gangster. Falls sie wieder zu sich kamen und den Kofferraum verlassen konnten, mußte ihre Bewegungsfreiheit darunter ungemein leiden. Falls die Knorpelnase nämlich aufrecht ging, mußte das Bleichgesicht sich mit dem angefesselten Handgelenk tief verbeugen. Bestand jedoch das Bleichgesicht darauf, aufrecht zu gehen, so hatte die Knorpelnase das zweifelhafte Vergnügen, sein rechtes Bein extrem hoch in die Luft zu strecken.

Josuah Parker war mit seinen Vorbereitungen zufrieden. Nach einem letzten Blick auf den bereits wieder geschlossenen Kofferraum machte er sich auf den Weg, seinen eigentlichen Gastgeber aufzusuchen. Noch hatte er keine Ahnung, zu welcher Gang das Bleichgesicht und die Knorpelnase gehörten.

Es war frappierend, mit welcher Selbstverständlichkeit und Sicherheit Parker sich bewegte. Er schien hier zu Hause zu sein. Den Regenschirm korrekt über den linken Unterarm gelegt, schritt er würdevoll durch die kleine Seitentür und stieg eine Treppe empor.

Er landete in einem kleinen Korridor, in dem es nach frischer Farbe roch. Parker entdeckte eine nur angelehnte Tür, stieß sie auf und grüßte höflich. Am Schreibtisch des schäbig eingerichteten Büros saß ein älterer Mann und blätterte lustlos in einem dicken Kontobuch.

Dieser Mann ließ sich zuerst täuschen. Er nickte grüßend zurück, sah wieder in das Kontobuch und merkte mit einer erstaunlichen Verzögerung erst, wer da am Schreibtisch stand. Als er es merkte, schoß er jedoch blitzartig von seinem Stuhl hoch und sah den Butler fassungslos an.

»Parker ist mein Name«, stellte der Butler sich vor und lüftete seine schwarze Melone. »Wenn mich nicht alles täuscht, werde ich hier erwartet.«

»Sie sind dieser … Parker?« antwortete der ältere Mann zögernd. Er strich sich durch das schüttere Haar und rückte sich die Nickelbrille zurecht.

»Melden Sie mich bitte an …!« Parker wies mit der Spitze seines Regenschirms auf eine dickwattierte Tür, hinter der seiner Ansicht nach der Chef des Unternehmens sitzen mußte. Die schwammigen Gesichtszüge des Mannes gerieten in Bewegung und Konfusion. Ohne weitere Fragen zu stellen, stürzte er auf die Tür zu und verschwand hinter ihr.

Josuah Parker war mit seinem Auftreten zufrieden. Da das Kontobuch unbewacht war, blätterte er darin herum. Mit geschultem Auge entdeckte er schnell, daß diese Firma einen Autoverleih betrieb. Der Umsatz war nicht besonders groß.

Die wattierte Tür wurde jäh aufgestoßen. Der Mann mit dem schütteren Haar kam heraus, stotterte herum und gab die Tür frei.

»Wenn ich Ihre Worte richtig interpretiere, soll ich wohl eintreten, ja?« fragte Parker. Der Schwammige nickte und schluckte ein paarmal vor Erregung. Josuah Parker lächelte milde und betrat das Büro.

Hier war die Einrichtung nun doch wesentlich vornehmer. Der Chef des Unternehmens schien sehr viel Geld investiert zu haben. Er saß in einer Sitzecke und rauchte eine Zigarette.

Parker verbeugte sich und lüftete seine schwarze Melone. Sein Gegenüber mochte etwa 45 Jahre alt sein. Der hochgewachsene, breitschultrige Mann schien eine Art Playboy zu sein. Er sah sehr gut und sehr kühn aus. Das scharfgeschnittene Gesicht mit den dunklen Augen und dem schwarzen Haar erinnerte Parker an einen italienischen Briganten.

»Ich muß mich über das Benehmen Ihrer Angestellten beschweren«, begann Parker mit wohlgesetzten Worten. »Es gehört sich einfach nicht, mit einem Drahtkabel zu spielen.«

Der Brigant stand langsam auf. Seine dunklen Augen blitzten. Er musterte Parker wie ein Ausstellungsstück, lächelte gewinnend, aber doch irgendwie gefährlich.

»Sie beschweren sich also?« erkundigte er sich fast sanft.

»In der Tat, das war keine Art, einen neuen Kunden für Ihren Autoverleih zu gewinnen.«

»Sie werden sich gleich wundern«, reagierte der Brigant scharf. »Ich kann zwar ’ne Menge Spaß verstehen, doch Sie dürfen nicht frech werden.«

»Der Ton Ihrer Angestellten scheint an Ihren Manieren geschult worden zu sein«, entgegnete der Butler. »Darf ich nun endlich erfahren, was Sie von mir wollen? Wie ich heiße, ist Ihnen ja bekannt. Bevor ich mich auf eine Diskussion einlasse, müßte ich erst einmal wissen, mit wem ich das möglicherweise zweifelhafte Vergnügen habe.«

»Ich bin Lern Barry«, stieß der Brigant hervor und warf sich in die Brust.

»Aha …!«

»Das sagt Ihnen wohl nichts, oder?«

»Sie unterschätzen mich, Mr. Barry. Ich weiß, daß Sie in zwei Fällen zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Es geht zur Zeit das Gerücht, Sie unterhielten eine Gang, die sich mit gestohlenen Autos befaßt. Was wahr daran ist, weiß ich zur Zeit nicht zu sagen.«

Lern Barry, der kühn aussehende Brigant, war perplex. Er kannte eine Menge Leute. Er war es gewohnt, daß man vor ihm kuschte. Seine Brutalität war stadtbekannt, wenigstens in einschlägigen Kreisen. Ein Mann wie Parker war ihm allerdings noch nie über den Weg gelaufen.

»Dann wissen Sie ja, was Ihnen blüht«, zischte Barry gereizt. »Falls Sie spuren, werde ich Ihnen eine Chance geben, haben Sie mich verstanden?«

»Sie drücken sich ungewöhnlich deutlich aus, Mr. Barry.«

»Schön, daß Sie begreifen, Parker. Im Auftrag eines meiner Bekannten suche ich eine Anstecknadel.«

»Ich fürchte, Sie verwechseln mich mit einem Fundbüro, Mr. Barry.«

Der Brigant grinste und drückte seine Zigarette aus.

»Ich weiß genau, daß Sie diese Anstecknadel besitzen. Rücken Sie sie heraus, und der Fall ist erledigt. Falls Sie aber stur sind, werde ich Sie aufschwänzen lassen.«

»Ich möchte doch um mehr Sachlichkeit bitten«, schlug Josuah Parker vor. »Um welche Nadel handelt es sich eigentlich?«

»Ich merke schon, daß Sie Schwierigkeiten machen wollen, Parker.« Lern Barry trat an den Schreibtisch und drückte auf einen dort angebrachten Klingelknopf. Nach wenigen Sekunden erschien der Buchhalter mit dem schwammigen Gesicht.

»Zum Teufel, wo stecken Georg und Joel?« hauchte Barry seinen Buchhalter an.

»Die sind …, also …, ich weiß nicht.«

»Sie müssen doch dasein, sie haben schließlich Parker hierhergebracht«, brüllte Barry wütend.

»Vielleicht kann ich gewisse Irrtümer aufklären«, mischte Josuah Parker sich ein. »George und Joel, wie Sie die beiden Angestellten nennen, befinden sich augenblicklich, wenn mich nicht alles täuscht, im Kofferraum des Ford unten in der Tiefgarage. Ich bezweifle doch sehr, ob sie ohne fremde Hilfe hier im Büro erscheinen können.«

»Wie war das?« Lern Barry runzelte die Stirn, um seinen Buchhalter dann hinauszuscheuchen. Er zündete sich eine neue Zigarette an und hüstelte nervös.

»Ich möchte Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen«, verabschiedete sich Parker von seinem Gastgeber. »Empfehlen Sie mich Ihrem Freund, der die bewußte Anstecknadel vermißt. Ich bedaure es ungemein, daß der Butler des St. John’s Clubs deshalb ermordet wurde. Die Täter werde ich selbstverständlich zur Rechenschaft ziehen.«

»Sind Sie wahnsinnig, Parker?« Lern Barry brüllte auf und lachte verzerrt. »Sie glauben doch nicht im Traum, daß ich Sie gehen lassen werde?«

»Ich bin sicher, daß Sie sich das sehr schnell überlegen werden, Mr. Barry.« Der Universal-Regenschirm zuckte vor wie ein langer Schleppdegen. Aus der Spitze schnellte plötzlich eine nadelspitze Klinge, sie stoppte Barrys Bewegung. Der Gangster wollte nämlich gerade seine Waffe aus dem Schulterholster ziehen.

Mit verzerrtem Gesicht und hervorquellenden Augen starrte der Gangsterboß auf die Degenklinge. Er schwitzte vor Angst und wagte sich nicht zu rühren.

»Ich könnte jetzt sehr nachdrücklich fragen, wer Ihr Freund ist, der die Anstecknadel vermißt«, redete Parker weiter. »Doch ich schätze gewisse Methoden nun einmal nicht. Die ›Rotnase‹ werde ich auch mit normalen Mitteln zu finden wissen.«

»Was sagen Sie da?« wunderte sich Lern Barry sichtlich. »Was hat das mit den ›Rotnasen‹ zu tun?«

»Benutzen Sie Ihren Kopf, aber seien Sie vorsichtig«, riet Parker dem Gangsterboß. »Selbst Haie können sich an zu großen Brocken verschlucken …!«

*

»Parker, Parker, eines Tages werden Sie mal an den falschen Mann geraten«, sagte Mike Rander warnend, mußte aber gegen seinen Willen lachen. »Wie haben Sie es geschafft, diese Gangsterhöhle zu verlassen?«

»Ich räume ein, daß ich mir meinen Weg mühsam suchen mußte, Sir«, gestand Parker. »Mr. Barry war nicht in der Lage, mich zur Tür zu begleiten.«

»Wieso nicht?«

»Er litt unter den Folgen meines höflichen Abschiedsgrußes, Sir. Der Rand meiner Kopfbedeckung traf seine Nase. Mr. Barry brach daraufhin in unmännliche Tränen aus.«

»Mit anderen Worten, Sie schlugen ihn mit Ihrer Melone nieder?«

»So kann man es allerdings auch ausdrücken, Sir.«

»Damit haben Sie sich einen unversöhnlichen Feind geschaffen.«

»Und einen sehr nachdenklichen, Sir.«

»Was soll denn das schon wieder heißen?«

»Als ich von den ›Rotnasen‹ sprach, Sir, hatte ich den Eindruck, daß Mr. Barry von dieser Querverbindung nichts wußte. Im Auftrag eines seiner Freunde wollte er mir die Anstecknadel abjagen, daß dieser Freund möglicherweise aber eine Rotnase ist, verblüffte ihn.«

»Wenn Sie sich nur nicht getäuscht haben, Parker.«

»Ich beobachtete genau das Gesicht des Mr. Barry, Sir. Seine Verblüffung war augenscheinlich. Er wird meiner Anregung ganz gewiß folgen.«

»Und was versprechen Sie sich davon?«

»Eine Entfremdung zwischen Mr. Barry und seinem Freund.«

»Daraus wollen Sie also Kapital schlagen?«

»Gewiß, Sir. Die notwendigen Vorgeplänkel können unserer Sache nur förderlich und dienlich sein. Je mehr unsere Gegner sich gegenseitig verschleißen, desto sicherer werden wir das Geheimnis der Anstecknadel und der ›Rotnasen‹ lösen. Ihr Einverständnis natürlich voraussetzend.«

»Sie wissen doch genau, daß ich Ihnen keine Vorschriften mache, Parker. Passen Sie nur auf, daß Sie nicht angefallen werden. Bald wird auch die Rotnase wissen, wie gefährlich Sie sind. Dann helfen die alten Tricks nicht mehr weiter!«

»Sir, ich will es getrost darauf ankommen lassen. Was ich übrigens vermeiden möchte, Leutnant Custer von der Mordkommission wartet in der Diele.«

»Custer, was will denn der?«

»Ich fürchte, Sir, einige Fragen an mich richten. Ich bin ziemlich sicher, daß er mich auf Grund einer genauen Personenbeschreibung identifizierte. Sie wissen doch, als ich nach der Feststellung des Mordes an Mr. Senfton das Apartment-Hotel verließ.«

»Er wird Ihnen Vorwürfe machen, daß Sie das Eintreffen der Polizei nicht abwarteten.«

»Er wird, wenn ich das Voraussagen darf, Sir, nach dem Grund meines Besuchs fragen. Ist es angebracht, die ›Rotnasen‹ ins Gespräch zu bringen?«

»Natürlich«, entschied Mike Rander sofort. »Wir werden der Polizei nichts verschweigen.«

»Gewiß, Sir, ich pflichte Ihnen vollkommen bei. Ich werde die mir gestellten Fragen so beantworten, wie ich es vor meinem Gewissen verantworten kann.«

»Dann sehe ich schwarz für die Antworten, Parker.« Mike Rander lächelte. »Ich weiß doch, wie weit Ihr Gewissen sein kann, wenn Sie hinter Gangstern her sind …!«

*

Etwa gegen 21 Uhr erschien Josuah Parker im St. John’s Club. Er verlangte Mr. Cardiff zu sprechen, den Sekretär des Clubs. Ein Clubdiener brachte ihn in das Sekretariat. Ein sehr glatter und übertrieben höflicher Mann von etwa 40 Jahren kam ihm an der Tür entgegen und stellte sich als Sekretär vor. Geoffrey Cardiff, wie er mit vollem Namen hieß, trug einen dunklen Anzug. Seine grauen Augen wurden von einer Hornbrille unterstrichen. Dünne, blutleere Lippen und ein fliehendes Kinn paßten zu diesem mageren Gesicht mit den hervorstehenden Backenknochen.

»Mr. Rander kündigte Sie bereits an«, sagte er und lud Parker ein, näherzutreten. »Hoffentlich kann ich Ihnen helfen. Ich weiß allerdings nicht, um was es geht, Mr. Parker.«

»Es handelt sich um eine Clubnadel«, begann Parker. Steif, als habe er einen Ladestock verschluckt, saß der Butler auf der Kante des tiefen, modernen Ledersessels. »Wenn meine Annahme mich nicht sehr täuscht, trug sie eine der berüchtigten ›Rotnasen‹. Das hier ist die bewußte Nadel.«

Geoffrey Cardiff sah Parker entsetzt an, als habe er ein Sakrileg begangen, dann nahm er die Nadel vorsichtig in die Hand und hielt sie gegen das Licht seiner Schreibtischlampe.

»In der Tat, das ist eine unserer Juniorennadeln«, bestätigte er nach kurzer Prüfung.

»Läßt sich feststellen, wer von den Junioren diese Nadel verlor?«

»Da müßte ich erst einen Aushang ans Schwarze Brett schlagen.«

»Die Nadeln sind nicht registriert? Ich suchte vergeblich nach einer Mitgliedsnummer.«

»Nein, die Anstecknadeln werden nicht registriert. Nach Aufnahme in den Club werden sie ausgegeben, das ist alles.«

»Und auch immer getragen?«

»Oh, das möchte ich nicht sagen, Unser Club ist derart exclusiv, daß darauf kaum Wert gelegt wird.«

»Bleibt also nur der Aushang?« erkundigte sich Parker knapp.

»Allerdings, Mr. Parker. Um auf die ›Rotnasen‹ zurückzukommen, ich halte es selbstverständlich für ausgeschlossen, daß irgendein Junior gemeinsame Sache mit Gangstern machen könnte. Sie wissen sicher nicht, aus welchen Kreisen sich unsere Mitglieder zusammensetzen.«

»Sie glauben also, daß eine wohlgefüllte Geldbörse immun gegen Verbrechen macht?«

»Das natürlich nicht, ich möchte nicht mißverstanden werden, Mr. Parker, ich kann mir nur nicht vorstellen …«

»Die Junioren bewegen sich in welchen Altersklassen?« Parker konnte seine Frage durchaus direkt stellen, wenn er wollte.

»Eine Grenze ist da kaum gesetzt«, erläuterte Cardiff widerwillig. »Meist wechseln die Mitglieder erst nach ihrer Heirat zu den Senioren über. Eine Trennung ist da kaum gegeben. Das lockerte sich im Laufe der Zeit sehr auf.«

»Wer gibt die Anstecknadeln aus?« wollte Parker wissen.

»Das gehört zu meinen Pflichten, Mr. Parker. Hat das Präsidium des Clubs über einen Antrag entschieden, kann ich die Nadel ausgeben.«

»Sie verfügen über einen größeren Vorrat davon?«

»Nun, das kann man nicht gerade sagen, Mr. Parker. Die Nadeln sind echt, daher auch sehr teuer.«

»Mich würde interessieren zu erfahren, wie viele Nadeln Sie zur Zeit aufbewahren.«

»Oh, da kann ich Ihnen schnell helfen, Mr. Parker. Wenn Sie sich einen Moment gedulden wollen.«

Geoffrey Cardiff stand auf und trat vor einen altertümlichen und mit Schnörkeln bedeckten Stahlschrank. Umständlich öffnete er ihn und hob dann eine kleine Kassette heraus. Auch sie mußte er erst noch öffnen.

»Ich schätze, daß es etwa ein Dutzend sind«, meinte Cardiff, als er den Deckel der Kassette hochdrückte. »Sehen Sie hier … Oh, was ist denn das …? Das ist doch unmöglich …! Ich weiß genau, daß die Nadeln in der Kassette waren.«

Parker beugte sich kaum vor. Mit einem Blick sah er, daß die Kassette leer war. Sie enthielt nicht eine einzige Nadel. Cardiffs Kopf färbte sich rot, seine Lippen wurden noch blutleerer und schmaler.

»Die Nadeln sind gestohlen worden«, krächzte er entgeistert. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Mr. Parker.«

»Wann sahen Sie sie zuletzt?«

»Vor etwa drei Tagen, als ich den Bestand aufnahm. Ich kann es einfach nicht fassen, ein Diebstahl in unserem Club, so etwas ist noch nie passiert.«

»Die Mitglieder scheinen nicht alle ehrenwert zu sein, wie?«

»Das will ich damit auf keinen Fall gesagt haben, Mr. Parker. Ich werde den Diebstahl sofort melden müssen.«

»Die Kassette ist nicht erbrochen worden«, stellte Parker ungerührt fest. »Wer außer Ihnen besitzt noch einen Schlüssel?«

»Wir haben noch einen Ersatzschlüssel. Er wird im Büro aufbewahrt?«

»Und wer verwaltet ihn, wenn ich mich so ausdrücken soll?«

»Miss Warner, meine Sekretärin.«

»Ich schlage vor, wir gehen zu ihr.«

Geoffrey Cardiff ging voraus. Er zappelte vor Nervosität. Unentwegt schüttelte er den Kopf, als könnte er diesen seltsamen Diebstahl noch immer nicht verstehen.

*

»Elsie«, wandte er sich an die junge Dame, die vor einer Schreibmaschine saß und ihnen den Rücken zukehrte, »Elsie, wo ist der Schlüssel zur Kassette?«

Sie drehte sich langsam um. Parker hätte um ein Haar anerkennend genickt. Elsie Warner sah reizend und apart aus. Sie war höchstens 20 Jahre alt, mittelgroß und besaß eine sehr schlanke Taille. Ein einfacher Faltenrock und ein Pulli unterstrichen die erfreulichen Linien ihres Körpers. Das blonde Haar fiel in sanften Wellen auf die schmalen Schultern herunter. Elsies Gesicht erinnerte mit seinem kleinen Schmollmund entfernt an Brigitte Bardot.

Elsie sah den Butler überrascht an, dann wandte sie sich ab und suchte nach dem Kassettenschlüssel. Sie konnte ihn nicht finden, obwohl sie sich genau erinnerte, ihn in die Blechdose in der Schreibtischschublade gelegt zu haben.

»Ich bin entsetzt«, stöhnte Geoffrey Cardiff. »Nein, ich will und kann es nicht glauben.«

»Mit der Zeit werden Sie sich an diese Vorstellung gewöhnen müssen«, tröstete Parker den gebrochenen Sekretär. Er hatte die Zeit und die Nerven, Elsie Warner freundlich anzulächeln, obwohl seine ursprüngliche Theorie durch den Diebstahl der Nadeln einen bösen Stoß erhalten hatte. Der Kreis der möglichen Täter erweiterte sich damit ungemein, wurde unübersehbar.

»Entschuldigen Sie mich, Mr. Parker«, sagte Cardiff, »ich muß dem Präsidium des Clubs sofort Bericht erstatten.«

»Warten Sie noch einen Moment«, bat Parker freundlich. »Wer von den Clubmitgliedern hat Zugang zu Ihrem Büro? Wie ich sah, gibt es zwei Zugänge, nicht wahr?«

»Das ist richtig, einmal hier durch das Büro, dann den direkten Weg vom Korridor aus. Ich weiß, worauf Ihre Frage abzielt, Mr. Parker. Praktisch jedes Clubmitglied könnte mein Büro betreten haben.«

»Ist es allgemein bekannt, daß ein zweiter Schlüssel existiert, Mr. Cardiff?«

»Ich glaube schon.«

»Ist es leicht, sich Zutritt zum Club zu verschaffen? Ich meine, wird das Haus bewacht?«

»Selbstverständlich, schon wegen der vielen Kunstschätze in unseren Mauern.«

»Woraus besteht diese Wache?« Parker ließ sich durch die Ungeduld Cardiffs von seinen präzisen Fragen nicht abhalten.

»Ich engagierte zwei Männer, die nach Schließung der Clubs die Wache übernehmen.«

»Diese beiden Männer möchte ich selbstverständlich noch sprechen«, antwortete Josuah Parker. »Bei einigem Geschick müßte es möglich sein, die Öffentlichkeit herauszuhalten.«

»An die Öffentlichkeit darf auch nicht der geringste Hinweis durchsickern«, beschwor Cardiff den Butler. »Stellen Sie sich mal die Presse vor, die wir dann hätten. Zudem ist durch den Diebstahl der Nadel ja wohl eindeutig bewiesen, daß keines unserer Mitglieder mit den ›Rotnasen‹ in Verbindung gebracht wird.«

»Warten wir’s ab«, meinte Parker lächelnd. Ihm entging nicht, wie konzentriert und aufmerksam Elsie Warner zuhörte. Als das Stichwort »Rotnasen« erklang, senkte sie den Kopf und ordnete Papiere. Wollte sie ihren erschreckenden Gesichtsausdruck verbergen?

Parker verabschiedete sich vom Sekretär des Clubs und lehnte jede Begleitung zur Tür ab. Er verband damit eine bestimmte Absicht. Von der Treppe aus beobachtete er den Korridor. Als Sekretär Cardiff in höchster Eile aus dem Vorzimmer kam und hinter einer Biegung des Korridors verschwand, ging Parker zurück zur Tür des Vorzimmers. Da seine Schuhe ohnehin mit Gummi besohlt waren, ging er leiser als eine Katze, die auf Mäuse Jagd macht.

Vor der Tür blieb er stehen und genierte sich nicht, sein Ohr gegen die Füllung zu legen. Er hörte das Surren der Wählscheibe. Vorsichtig und geräuschlos öffnete er die Tür. Elsie Warner sprach leise und schnell. Sie telefonierte tatsächlich. Bevor Parker jedoch einzelne Worte davon aufschnappen konnte, wehte ein leichter Durchzug durch den Raum und wirbelte einige Papiere auf dem Schreibtisch auf.

Elsie wußte sofort, was das bedeutete. Hastig warf sie den Hörer in die Gabel und sah Parker starr und kalt an.

»Ich dachte mir, daß Sie noch einmal zurückkommen würden«, sagte sie dann mit müder Stimme. »Wer konnte denn auch ahnen, daß Sie mir ausgerechnet hier über den Weg laufen würden …!«

*

Als Butler Parker nach knapp fünfzehn Minuten den Club durch den Hinterausgang verließ, durfte er mit seinen bisherigen Ermittlungen mehr als zufrieden sein. Er hatte den ersten Schock, durch den Diebstahl der Anstecknadeln ausgelöst, längst überwunden. Neue Aspekte ergaben sich für den Butler.

Da er nicht beabsichtigte, in dieser Nacht noch etwas zu unternehmen, gestattete er sich den Luxus einer seiner spezialangefertigten Zigarren. Er stand bereits in der Tür, als ihm dieser Gedanke kam. Parker stoppte seine Schritte und trat noch einmal wieder zurück in den Hausflur.

Das rettete ihm das Leben …!

Der Mann mit der Maschinenpistole, der sich in einem Gebüsch verborgen hielt, konnte mit dieser Rückwärtsbewegung nicht rechnen. Er löste den Abzug und feuerte eine erste Bleigarbe auf die Tür.

Unter der Wucht der vielen, sehr genauen Einschläge wurde die schwere Eichentür zurück ins Schloß geworfen. Und zwar so heftig, daß Parker um ein Haar an der Nase getroffen worden wäre.

Parker warf sich instinktiv auf den Boden. Dadurch entging er einigen Schüssen, die durch die Türscheibe zischten und die Glassplitter herumstäuben ließen.

Der Butler blieb nicht unnötig lange liegen. Wenn er den Schützen noch erreichen wollte, mußte er ihm den Weg abschneiden. Dabei durfte er keine Zeit verlieren. Parker sprang hoch, lief in geduckter Haltung bis zur Biegung des Korridors und entwickelte beim Durchlaufen der großen Clubhalle ein atemberaubendes Tempo, das man sonst nicht an ihm gewohnt war. Immerhin bestand ja die Chance, den Schützen zu erwischen.

Vorerst ging seine Rechnung auf.

Als er das Portal verließ, schoß ein geschlossener Buick vom Parkplatz herunter und nahm Kurs auf das breite, geöffnete Tor. Josuah Parker ging hinter einer Säule in Deckung und zog seinen Colt, ein Modell, das in den Tagen der Westpioniere wahrscheinlich schon Seltenheitswert besessen hatte. Dieses Schießgerät erwies sich allerdings als Präzisionsinstrument. In schneller Folge drehte sich die Trommel und spuckte Geschosse vom Kaliber 45 in die Dunkelheit.

Wie von einer Panzerkanone getroffen, wurde die Fahrt des Buick jäh gestoppt.

Panier, der mit einer Antwort in Blei nicht mehr rechnete, verließ den Schutz der Säule und lief über die breiten Stufen nach unten. Er wollte noch näher an sein Ziel herankommen.

Der Buick führte einen recht seltsamen Tanz auf. Zuerst schwänzelte das Heck seitlich weg und krachte scheppernd und kreischend mit einem Torpfosten zusammen. Der Fahrer des Wagens steuerte den wegrutschenden Wagen geschickt aus, brachte es sogar fertig, ihn wieder auf das schmale Asphaltband hinunter zur Straße zu bringen.

Parker wollte bereits weitere Schüsse lösen, als der Buick wie von einer riesigen Faust getroffen, jede Richtung verlor und auf einen Baumstamm zuhielt. Parker – geistesgegenwärtig wie immer – schloß die Augen. Er hörte bereits im voraus, was jetzt passierte. Der Buick legte sich nämlich kragenförmig um den Stamm und verlor jede ursprüngliche Form.

Es gab einen Krach, als würden etwa zehn Bleche und zwanzig Schaufensterscheiben aus höchster Höhe auf den Boden geworfen. Kurz danach, Parker öffnete bereits wieder seine Augen, ertönte eine dumpfe Explosion. Stichflammen schossen hoch, erhellten die Dunkelheit. Der scharfe Geruch brennenden Benzins kitzelte Parkers Nase.

Der Butler versuchte selbstverständlich zu retten, was noch zu retten war. Im Widerschein der Flammen sah er die Umrisse zweier Gestalten, die sich aus dem lichterloh brennenden Wagen retteten und auf der Straße verschwanden.

Der Butler nahm sofort die Verfolgung auf, zumal er deutlich gesehen hatte, daß eine der beiden Gestalten nicht besonders gut zu Fuß war. Sie humpelte nämlich beträchtlich.

Parker lief an dem Wagen vorbei, erreichte die Straße und erkannte tatsächlich weit vor sich die beiden Männer, die auf einen Rohbau zuhielten, um dort erst einmal in Deckung zu gehen.

Da stolperte eine der beiden Gestalten. Der humpelnde Mann kam wohl nicht weiter. Parkers Chancen stiegen ungemein. Wenn es ihm gelang, einen der beiden Männer zu stellen, konnte er seine Ermittlungen schnell vorantreiben.

Doch er rechnete nicht mit der Brutalität der Gangster, die ihre Spuren um jeden Preis verwischen wollten.

Der unverletzte Gangster blieb einen knappen Moment neben seinem verwundeten Partner stehen, schrie etwas auf ihn ein, was Parker nicht verstehen konnte. Sekunden später fiel dann ein einzelner Schuß. Der Gangster neben seinem am Boden liegenden Partner richtete sich auf und flüchtete weiter. Er verschwand hinter dem löchrigen Bauzaun.

Josuah Parker war ehrlich entrüstet. Nicht wegen der Flucht des Gangsters, sondern wegen des Mordes an dessen Partner. Daran gab es nämlich keinen Zweifel. Der flüchtende Gangster hatte seinen fußlahmen Partner einfach niedergeschossen, um jede Aussage zu verhindern.

Parker sah ein, daß eine weitere Verfolgung sinnlos gewesen wäre. Auf dem unübersichtlichen Gelände des Neubaus wäre er zu leicht in eine tödliche Falle geraten. Er kümmerte sich also um den verkrümmt am Boden liegenden Gangster, der kein Lebenszeichen mehr von sich gab.

Dieser Mann war tatsächlich erschossen worden. Und zwar aus allernächster Nähe. Der Abzug über der Herzgegend war bereits blutgetränkt.

Josuah Parker kümmerte sich nicht weiter um das allgemeine Tohuwabohu, das sich jetzt auf der Straße bildete. Autos hielten an, Schreie und Rufe ertönten. Die ersten Neugierigen schoben sich bereits heran. Schnell und geschickt durchsuchte Parker die Taschen des toten Gangsters.

Unbemerkt von den neugierigen Zuschauern, die empört nach der Polizei riefen, steckte der Butler einen Hotelschlüssel ein, an dem eine Kunststoffmarke mit dem Namen des Hotels hing.

Parker wollte und durfte, keine Zeit verlieren, wenn er am Mann bleiben wollte. Um das sicherzustellen, mußte er sich den Fragen eines Streifenpolizisten entziehen, der gerade von seinem Funkkrad stieg.

»Dort der Herr war Augenzeuge«, sagte Parker unverfroren und wies auf einen ahnungslosen Zuschauer, der besonders neugierig war und sich nach vorn drängelte.

Der Streifenpolizist war dankbar für diesen diskreten Hinweis, änderte die Richtung und schritt auf den erstaunten Mann zu, der von seiner Rolle noch gar nichts wußte. Parker aber mischte sich unter das Volk, schob sich vorsichtig an das Motorrad heran und schwang sich in den Sattel. Der Motor der super-schweren Harley-Davidson war sofort da. Parker ließ die Kupplung kommen, und er preschte los.

Er fühlte sich auf der schweren Maschine ganz wie zu Hause, entwickelte sofort ein atemberaubendes Tempo. Die erste Kurve steuerte er derart scharf an, daß die Zylinderblöcke bedenklich nahe dem Erdboden kamen.

Es war schon ein recht unheimliches und auch unwirkliches Bild. Parker, angetan mit Melone und schwarzem Covercoat, zischte wie ein Schemen durch die belebten Straßen. Den Regenschirm hatte er hinter das Funkgerät am Hinterrad geklemmt. In verwegener Slalomfahrt kurvte Parker sich so an das »Middleton-Hotel« heran …!

*

Da Parker den Zimmerschlüssel des Gangsters besaß, hielt er sich in der Halle erst gar nicht auf, sondern fuhr sofort mit dem Lift hinauf in die vierte Etage. Auch das Innere des Hotels machte einen recht ungepflegten Eindruck. Die roten Kokosläufer waren abgetreten und schrien förmlich nach einem Staubsauger. Die blinden Fenster auf dem Korridor forderten noch lauter nach einem Ledertuch und sehr viel Wasser. Parker überhörte jedoch dieses Geschrei und schritt auf das Zimmer Nr. 52 zu. Bevor er den erbeuteten Schlüssel probierte, untersuchte er das Schloß und die Metallabdeckung nach Spuren eines gewaltsamen Öffnens.

Es schien alles in bester Ordnung zu sein.

Nach einem kurzen, prüfenden Blick in die Runde schob der Butler den Schlüssel ins Schloß und sperrte auf. Er rechnete damit, auf den zweiten Gangster zu stoßen, der hier ausräumte und Spuren verwischte. Parker wurde aber enttäuscht. Das einfache Hotelzimmer mit der spärlichen Einrichtung war leer und offensichtlich nicht durchsucht worden.

Bevor Parker sich an die Arbeit machte, verschloß er die Tür, um nicht überrascht zu werden. Anschließend ging er in bewährter Art methodisch und gewissenhaft vor. Er zerlegte, um es übertrieben auszudrücken, das Zimmer in seine Bestandteile.

Der eintürige Schrank enthielt einen grauen Anzug. Sämtliche Taschen waren leer. Dafür entdeckte Parker aber im äußeren Hutband eines einsamen Hutes eine Dauereintrittskarte zu einem Boxring. Diese schmuddelige und abgegriffene Karte steckte er selbstverständlich ein.

Die kleine Kommode enthielt nur schmutzige Wäsche, einige sehr anzügliche Fotos und Magazine. Nach zwanzig Minuten beendete Parker seine Arbeit. Die einzige interessante Ausbeute bestand in der Dauereintrittskarte. Immerhin etwas …!

Der Butler setzte sich auf die Kante eines Stuhls und wartete. Er leistete sich selbst in dieser Abgeschiedenheit keine Nachlässigkeit in der Haltung. Er hätte das für unverzeihlich gehalten. Es störte ihn nur, daß er sich keine seiner spezialangefertigten Zigarren anzünden konnte. Er fürchtete, der aromatische Rauch, wie er es immer ausdrückte, könnte durch die Türritzen kriechen und im Hotel Gasalarm auslösen.

Obwohl es längst weit nach Mitternacht war, wurde er nicht müde. Er beschäftigte sich sehr angeregt mit seinem Problem und spielte Schach mit den bisher bekannten Personen.

Nach etwa 30 weiteren Minuten bemerkte der Butler ein Geräusch an der Tür. Endlich traf also der erwartete Besuch ein. Er hatte sich wohl aus Vorsicht sehr viel Zeit gelassen. Josuah Parker rührte sich nicht, verzichtete auf alle Vorbereitungen, obwohl doch mit einigem Ärger zu rechnen war.

Da er im dunklen Zimmer saß – das Licht hatte er selbstverständlich abgeschaltet – brauchte er nur zu warten, bis der Eindringling sich gegen das Licht im Korridor abhob. Nach wenigen Sekunden war es dann auch soweit. Die Tür schwang auf, die Silhouette eines Mannes wurde erkennbar. Der Besucher fingerte an der Wand herum, bis er den Lichtschalter fand. Es knackte unangenehm laut, als das Licht aufflammte.

Der Besucher übersah Parker. Er schloß die Tür und ging sofort zum Kleiderschrank. Da der Butler in der Fensterecke saß, vom Vorhang halb verdeckt wurde, wartete Parker freundlichst ab. Vielleicht stieß ihn der Besucher auf Dinge, die er übersehen hatte. Parker nutzte jedoch die Zeit und prägte sich das Bild des noch recht jungen Mannes ein.

Er mochte höchstens 20 Jahre alt sein, war recht gut gekleidet und bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Tieres. Sein noch glattes Gesicht war gut geschnitten, das Haar sehr kurz.

Dieser junge Mann wußte genau, wo er zu suchen hatte. Er öffnete die Schranktür und bückte sich. Butler hörte das Knarren und Knacken eines Bretts. Dann richtete der junge Mann sich auf und hielt eine Brieftasche gegen das Licht. Er öffnete sie, entnahm ihr ein dickes Bündel Geld und … zuckte zusammen. Endlich hatte er den Butler gesehen.

»Ich muß gestehen, daß ich dieses Versteck nicht fand«, sagte Josuah Parker. »Erfreulich, daß Sie mir im Endeffekt doch noch halfen.«

Der junge Besucher war nicht in der Stimmung, Konversation zu machen. Er zog sich zusammen, ließ die Brieftasche und die Geldscheine fallen und griff nach seiner Waffe. Da sie sich aber in der Rocktasche befand, hatte er einige Schwierigkeiten mit ihr.

»Ich empfehle Ihnen, die Waffe stecken zu lassen«, meinte Parker ruhig. »Seien Sie versichert, daß ich, wenn es sein muß, schneller sein werde als Sie!«

Der junge Mann hielt sich nur zum Teil an Parkers Empfehlung. Da es mit seiner Schußwaffe nicht so klappte, wie er es vorgestellt hatte, warf er sich auf den Butler und wollte ihn niederschlagen. Parker hob jedoch nur seinen Universal-Regenschirm und ließ durch einen Knopfdruck die nadelspitze Degenklinge herausspringen. Nur mit äußerster Mühe und Anstrengung vermochte der Angreifer seine Fahrt zu bremsen. Dicht vor der Spitze des Degens blieb er stehen.

»Es dürfte wenig Sinn haben, Sie nach Ihrem Auftraggeber zu fragen«, schickte der Butler voraus. »In Ihrem Alter will man hart und verschwiegen sein. Ich achte diese Einstellung, muß Sie jedoch bitten, Ihre Papiere auf den Tisch zu legen. Wenn ich Papiere sage, meine ich auch die Papiere. Hüten Sie sich, etwa Ihre Schußwaffe ziehen zu wollen!«

Der junge Mann drehte durch, anders konnte man es nicht bezeichnen. Er schob mit einer blitzschnellen Bewegung die Klinge zur Seite und schnitt sich dabei ordentlich in den Finger. Angestachelt vom Schmerz, verdoppelte er seine Anstrengungen, den Butler niederzuschlagen.

Gewiß, der junge Mann mit dem gut geschnittenen Gesicht war geschmeidig, auch verstand er einiges von der edlen Kunst des Boxens, wie gewisse Leute immer wieder behaupten. Kurz, er schwingerte los und war recht verwundert, nur die Luft zu treffen. Parker stand nämlich auf. Er war etwas unwillig. Er hatte es nicht besonders gern, wenn man seine Ratschläge mißachtete.

Den nächsten Schlag des jungen Mannes blockte er mit seinem Unterarm ab. Es sah sehr mühelos aus, war aber die Frucht langjährigen Trainings. Bevor sein Gegner sich erneut aufbauen und zuschlagen konnte, schickte Parker seine Linke auf die Reise. Sie landete genau im Ziel und traf die Leberpartie, wie es im Fachjargon heißt.

Zuerst merkte der junge Mann nichts. Ein Schlag auf die Leber hat erwiesenermaßen die Eigenart, erst nach Bruchteilen von Sekunden zu wirken. Parker, der seinem Spezialhaken vertraute, blieb unbeweglich stehen, als der junge Mann erneut auf ihn eindringen wollte.

Doch der Schlag blieb bereits im Ansatz stecken. Der Leberhaken zeigte Wirkung. Der junge Mann verdrehte die Augen und ließ sie anmutig in den Höhlen rotieren. Der Mund öffnete sich zu einem unhörbaren, qualvollen Schrei. Dann, wie vom Blitz getroffen, rutschte Parkers Gegner in sich zusammen, fiel gegen einen Stuhl und riß ihn um. Es gab einigen Lärm, als Gegner und Stuhl auf dem Boden landeten.

»Nein, nein, diese Jugend«, seufzte Parker mitfühlend, »Sie muß sich tatsächlich die Hörner einrennen, wie es so treffend heißt.«

Unter Murmeln weiterer Lebensweisheiten bückte sich Parker und durchsuchte die Taschen seines jungen, noch recht unfertigen Gegners. Er fand einige recht aufschlußreiche Hinweise auf die Person des jungen Mannes. Er hieß Henry Harrison und war Junior des St. John’s …!

*

Noch berichteten die Zeitungen vom Überfall der »Rotnasen«, als die vier Gangster zu einem neuen Schlag ausholten. Am frühen Morgen, als die ersten Kunden der Morgan-Bankfiliale noch recht lustlos die Schalterhalle betraten, waren sie plötzlich da.

Eine ältere Frau mit einem kleinen Schoßhund bemerkte die »Rotnase« zuerst. Sie stand vor einem Schreibpult und füllte einen Scheck aus. Als sie sinnierend hochschaute, um über ihr Konto nachzudenken, fiel ihr Blick auf einen jüngeren Mann von etwa dreißig Jahren, der sich gerade blitzschnell einen Rauschebart umlegte. Später sagte sie aus, er habe ihn einfach vor Kinn und Mund hochschnellen lassen. Genauso blitzschnell zierte eine Pappnase das Gesicht, das sofort unerkennbar wurde.

Die ältere Dame tat sofort das einzig richtige, was in solch einer Situation zu machen war, sie wurde ohnmächtig und sank neben das Schreibpult. Der kleine Schoßhund jedoch entwickelte den Mut eines gereizten Löwen und rannte kläffend auf den vermummten Gangster zu, der etwas irritiert wurde, zumal der kleine Pekinese sein Hosenbein annagte. Mit einem Fußtritt schleuderte er das Tier von sich. Es landete neben einem Papierkorb und beschwerte sich kläffend über diese schlechte Behandlung.

Drei andere Herren im Schalterraum der Bankfiliale kostümierten sich ebenfalls blitzschnell. Daß es sich um keinen schlechten Scherz handelte, war an den Revolvern und Maschinenpistolen zu erkennen, die sie drohend auf das Schalterpersonal und die wenigen Kunden richteten.

Die vier »Rotnasen« arbeiteten mit größter Schnelligkeit. Während zwei Gangster den Raub absicherten, schaufelten die beiden anderen Verbrecher Banknoten in umgebundenen Bauchtaschen aus grobem Segeltuch. Nach genau drei Minuten hörten sie mit dieser Arbeit auf, obwohl noch sehr viel mehr Geld zu holen gewesen wäre.

Die beiden Banknotensammler schwangen sich zurück über die breite Theke und liefen auf den abgesicherten Eingang zu. Die beiden Gangster mit ihren Maschinenpistolen warteten, bis ihre Partner ins Freie liefen. Dann wandten auch sie sich ab und wollten die Schalterhalle verlassen.

Ausgerechnet in diesem Augenblick griff der Pekinese zum zweiten Male an. In Deckung der Schreibpulte rannte er den beiden Gangstern nach und interessierte sich erneut für ein Hosenbein. Der betroffene Gangster schrak zusammen, fuhr blitzschnell herum und löste dabei den Abzug seiner Maschinenpistole. Er traf zwar nicht den Pekinesen, sondern zersägte mit einer Bleigarbe die schweren Glasplatten an der Decke. Ein Regen von Scherben prasselte in die Halle.

Als die erste Polizeisirene aufjaulte, saßen die vier »Rotnasen« bereits in einem Ford und preschten davon. Der geringe Vorsprung genügte ihnen. Sie verschwanden in einer Seitenstraße und jagten mit dem Ford in eine große Tiefgarage hinunter. So verschwanden sie für wichtige Minuten von der Bildfläche. Mit kreischenden Bremsen stoppte der Ford vor dem hinteren Ausgang der Tiefgarage. Die vier Männer stiegen sehr schnell aus und machten sich zu Fuß davon. Die Beute stak in großen Ledertaschen wie sie Vertreter gern benutzten. Die vier Gangster, jetzt ohne Rauschebärte und Pappnasen, mischten sich unter das Fußvolk auf der Straße und trennten sich. Nach Lage der Dinge waren sie unauffindbar für die Polizei.

Die Planung dieses Bankraubs ließ immerhin darauf schließen, daß die vier »Rotnasen« die Örtlichkeiten genau kannten und sich die Einzelheiten des Raubes sehr gut überlegt hatten. Die Flucht durch die Tiefgarage war raffiniert einfach.

Fast erfreulich war es nur zu nennen, daß bei diesem Banküberfall keine Menschen zu Schaden gekommen waren. Selbst der aggressive Pekinese konnte nach dem Überfall in die Arme seines erholten und wieder zu sich gekommenen Frauchens zurückeilen. Einziger Schönheitsfehler war der Verlust von etwa 96000 Dollar …!

*

Parker erstattete Bericht.

Er hatte das reichhaltige Frühstück serviert und baute sich in steifer Haltung vor dem Tisch auf. Er trug eine dunkle Hose und eine gelb-schwarz gestreifte Weste. Der Eckkragen saß untadelig.

»Die Sache mit dem Polizei-Krad wird sich einrenken lassen«, meinte der Anwalt Rander und konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. »Ich fürchte nur, Sie werden sich bei dem betreffenden Polizist entschuldigen müssen.«

»Dazu bin ich selbstverständlich bereit, Sir«, entgegnete Butler Parker. »Immerhin gelang es mir, Henry Harrison zu stellen.«

»Der Junge ist also Junior des St. John’s?«

»Sein Vater, Sir, verfügt über einige Millionen. Henry darf und kann sich jede Extravaganz leisten. Das stellte ich inzwischen durch diskrete Ermittlung fest.«

»Dennoch arbeitet er mit Gangstern zusammen …! Das wird eine Sensation werden.«

»Vorerst würde ich die bereits bekannten Tatsachen nicht an die Öffentlichkeit dringen lassen, Sir. Ich rechne damit, daß Henry Harrison sich melden wird, um eine Erklärung abzugeben. Er weiß schließlich, daß ich seinen Namen kenne.«

»Er gehört zu den beiden Männern, die Sie erschießen wollten, Parker. Ist der von seinem Partner erschossene Gangster bereits identifiziert worden? Kann der Mörder nicht Henry Harrison heißen?«

»Mit Sicherheit weiß ich diese Frage nicht zu beantworten, Sir. Der erschossene Gangster gehört einwandfrei zur Barry-Gang. Sein Name ist in diesem Zusammenhang unwichtig.«

»Könnte die Barry-Gang mit den ›Rotnasen‹ identisch sein?«

»Diese Frage versuche ich im Moment zu lösen, Sir. Durch den Diebstahl der Anstecknadeln haben die Akzente sich erheblich verschoben.«

»Sagen Sie das Leutnant Custer, Parker. Wir dürfen mit unserem Wissen nicht länger hinter dem Berg halten.«

»Gewiß, Sir, sobald ich Leutnant Custer sehe, werde ich ihn über die Einzelheiten meiner Ermittlungen informieren.«

»Ich fürchte nur, Sie werden ihm betont aus dem Weg gehen, Parker.« Mike Rander lächelte und trank den Rest des Morgenkaffees aus. Es wurde Zeit für ihn, ins Büro zu fahren. Er arbeitete augenblicklich an einer sehr wichtigen Verteidigung. Deshalb konnte er sich nicht in gewohnter Weise um diesen Fall kümmern. Er wußte jedoch, daß er sich auf den Butler verlassen konnte. Josuah Parkers Methoden mochten ungewöhnlich sein, seine Erfolge gaben ihm allerdings in den meisten Fällen recht.

»Noch etwas, Parker, was ist mit dieser Elsie Warner los?«

»Sie arbeitet als Sekretärin des Clubsekretariats.«

»Das weiß ich inzwischen. Sie deuteten aber an, daß Sie diese Elsie von früher her kennen, Parker. Ich muß doch wohl annehmen, daß eine alte Liebe von Ihnen aufgetaucht ist?«