Catalina Königin im Weltreich Portugal - Christa de Beer - E-Book

Catalina Königin im Weltreich Portugal E-Book

Christa de Beer

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Beschreibung

Catalina (Katharina von Kastilien 1507-1578), Infantin von Kastilien, war die posthum geborene Tochter des Erzherzogs Philipp von Burgund (Philipp der Schöne) und der Johanna von Kastilien (Johanna die Wahnsinnige), die angeblich nach dem frühen Tod ihres Vaters in den Wahnsinn verfiel und wegen ihres Zustandes auf Tordesillas verbannt war. Bis zu ihrem 17. Lebensjahr teilt Catalina das Los der Gefangenschaft mit ihrer Mutter und gibt ihr Trost, bis ihr kaiserlicher Bruder Karl V. sie mit João (Johann III.) dem letzten regierenden König Portugals verehelicht. Der glücklichen Ehe werden neun Kinder geschenkt, die alle früh sterben. König João zerbricht an diesem Schicksal. Catalina bleibt nur ein Enkel, für den sie sechs Jahre lang die Regentschaft überrnimmt. Sie erweist sich als eine starke, kluge Königin, die den stetigen Abstieg Portugals als Weltmacht zwar nicht verhindern kann, die aber die Liebe des Volkes gewinnt und ihm bis zu ihrem Rücktritt mit Herz und Verstand dient. Christa de Beer, die bereits Johanna der Wahnsinnigen (JOHANNA KÖNIGIN OHNE THRON 2004) eine eindrucksvolle Romanbiografie gewidmet hat, bringt dem Leser mit ihrem neuen Buch eine zu Unrecht von der Geschichtsschreibung vergessene Frau nahe, darüber hinaus gibt sie ein Bild der Zeit.

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Christa de Beer

Catalina

Königin im Weltreich Portugal

Die Romanbiografie

BsB

Best Select Book Digital Publishers

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Christa de Beer Catalina

ISBN 978-3-86466-104-4 E-Book

Digitalised in Germany © 2012

All Rights reserved by Medienbuero Muenchen

www.bestselectbook.com

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Meinen Kindern Elke, Wilhelm und Insa mit ihren Familien gewidmet

Tordesillas

1.

Sie lehnte an einer Säule jener Galerie, die den Innenhof überden Stallungen und Soldatenunterkünften dreiseitig einrahmte, und wandte ihr helles, fein geschnittenes Gesicht der Mittagssonne zu. Ein lauer Wind streifte ihre Wangen. Sie vernahm weder das behagliche Grunzen der Schweine, die sich in einer Senke des Innenhofs suhlten, noch die Kommandos der Offiziere und die Stimmen der Wachsoldaten, die die Pferde versorgten. Seit zwölf Jahren war das ihr Alltag.

Catalina träumte von der Welt, von der sie nur die Ausschnitte kannte, die durch die winzigen Fenster

ihrer Räume zu sehen waren. Die Festung lag auf einem Felsen oberhalb des Flusses Duero, umgeben von Wäldern aus Steineichen und spanischem Wacholder. Die stolzen Städte Kastiliens waren weit entfernt, doch hatte ihre Mutter sie ihr so lebhaft geschildert, dass sie glaubte, schon dort gewesen zu sein. Ihre Gedanken wanderten von Madrid nach Toledo und weiter in den Süden nach Sevilla, Granada und Córdoba mit den phantasievollen Bauten und Gärten der Mauren. Sie mussten wunderschön sein, denn immer dann, wenn ihre Mutter von ihnen erzählte, verklärte sich deren Antlitz.

Catalina erfasste eine große Sehnsucht. Sie wollte heraus aus dieser Enge und Kälte. Die schreiende Ungerechtigkeit, die sie und ihre Mutter hier festhielt, musste ein Ende haben. Während Catalinas fünf Geschwister an den Königshöfen Europas im Zentrum des Weltgeschehens lebten, ließ Kaiser Karl, der mächtigste von ihnen, sie hier vermodern.

Catalina seufzte. Wie aus weiter Ferne vernahm sie die mahnende Stimme ihrer Erzieherin, Donna Maria de Mendoza, einer sehr alten Dame, wie es Catalina schien. Ihre Haut war grau und ihr Gesicht überzogen von einem dichten Netz aus Falten. Ihre heruntergezogenen Mundwinkel drückten Vorwurf und Verbitterung aus. Die Gräfin war Karls Befehl gefolgt und teilte nun die Gefangenschaft mit ihnen.

„Hebt Euren Fächer, Prinzessin. Es ist unschicklich, sich den Soldaten entblößt zu zeigen. Außerdem wird die Sonne Euren Teint verderben.“ Die Gräfin saß mit einer Handarbeit im Schatten der Galerie.

„Wen kümmert es, wie ich aussehe? Es ist lächerlich, mich in dieser Umgebung auf höfische Sitten hinzuweisen.“

Auf der gegenüberliegenden Seite der Galerie hatte sich eine Tür geöffnet, und die Marquesa Denia mit ihren beiden Töchtern betrat die Bildfläche, angetan mit Gewändern aus den kostbaren Stoffen, die sie aus den Truhen der königlichen Gefangenen gestohlen hatten. Tief dekolletiert und mit Rüschen überladen umspannten sie die fülligen Körper der Damen, und die weiten Röcke schwangen beim Gehen in einer Art und Weise hin und her, als steckten Marktfrauen in ihnen.

Die Töchter würdigten Catalina keines Blickes, schließlich war sie die Gefangene ihres Vaters, des Burgvogts Denia, der im Auftrag des Kaisers für die strikte Isolierung der Königin von Kastilien und deren jüngster Tochter Catalina sorgte.

„Seht doch ihr geckenhaftes Gehabe“, wandte sich Catalina hämisch lachend Donna Maria zu. „Den Damen fehlt jegliches Gefühl für Stil und Adel. Wie lächerlich sie aussehen in dieser primitiven Umgebung! Dabei sind sie Gefangene wie wir.“

„Euer Verhalten ist töricht und einer Infantin von Kastilien und Aragon unwürdig, Prinzessin,“ tadelte Maria de Mendoza sie nachdrücklich und zog ihre Mundwinkel noch weiter hinunter. „Entweder beachtet man Menschen niederen Standes nicht oder man sieht souverän über ihr unangemessenes Verhalten hinweg. Mir scheint, ihr befindet Euch seit einiger Zeit in einer Krise. Euren kindlichen Liebreiz habt Ihr verloren, und auf Anzeichen beginnender Reife warte ich vergebens. Ihr scheint verwirrt und nicht zu wissen, wohin Ihr gehört.“

Mit einer schroffen Bewegung wandte sich Catalina zu ihr um. Ihr Gesicht war rot vor Zorn und ihre Augen funkelten wild, als sie die Gräfin mit unterdrückter Stimme anfuhr: „Erstaunt Euch das etwa?“

Sie atmete tief durch, bevor sie fortfuhr. Mit einer theatralischen Geste wies sie über das Eingangstor der Festung hinaus.

„Dort in der Ferne geht das Leben an uns allen vorüber“, stieß sie hervor und schluchzte.

Das Gesicht der Gräfin war weißgrau und starr.

„Ihr seid nicht nur töricht, sondern auch undankbar. Der Kaiser hat Euch die Verantwortung für die Gesundheit Eurer königlichen Mutter übertragen. Das ist ein großer Vertrauensbeweis. Ihr gebt der Königin Halt und Kraft zum Leben, und der Kaiser weiß das zu schätzen. Seiner Großmut habt Ihr es zu verdanken, dass Ihr über eigene Gemächer verfügen könnt und Euch auf der Galerie frei bewegen dürft. Sicher wird er auch bald einen königlichen Gemahl für Euch auswählen. Unser Herrscher vergisst seine Geschwister nie.“

Die Absurdität dieser Sichtweise erregte Catalina immer wieder, und nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihr, nicht ihren Hass auf ihre Geschwister samt ihren Rachegelüsten herauszuschreien. Niemand sollte wissen, dass sie auf die Ehe mit einem mächtigen König hoffte, mit dessen Hilfe sie ihre Mutter befreien und Karl bloßstellen könnte. Doch wer sollte das sein? Ihre Tante, Catharina von Aragon, war die Gemahlin des englischen Königs Heinrich VIII, ihre Schwester Eleonore dem König Franz von Frankreich versprochen und Christine war Königin von Dänemark und Schweden. Karl beherrschte mit Hilfe seines Bruders Ferdinand und seiner Schwester Maria, Königin von Ungarn, fast ganz Europa. Wer blieb für sie noch übrig?

Catalina sog geräuschvoll die Luft ein, als sie an das Jahr 1517 zurückdachte. Karl und Eleonore, die ihre Mutter zwölf Jahre nicht gesehen hatten, waren überraschend aus Flandern eingetroffen. Vierzig Schiffe waren notwendig gewesen, sie mit ihrem glanzvollen Gefolge und allen erdenklichen Luxusgütern nach Kastilien und für einen kurzen Besuch nach Tordesillas zu bringen. Gleichgültig hatten beide die elenden Lebensbedingungen ihrer Mutter zur Kenntnis genommen, und um als Thronfolger anerkannt zu werden, hatte Karl sie belogen und betrogen. Die Geschwister hegten keinerlei Gefühle für ihre Mutter, denn schon als Kinder waren sie von ihr getrennt worden.

Nur mit ihrer kleinen Schwester hatten sie Mitleid gehabt. Nachdem sie weitergezogen waren, hatten starke Männerarme Catalina mitten in der Nacht aus dem Bett gezerrt und von ihrer Mutter weg an den Hof von Valladolid entführt. Plötzlich war Catalina dort Mittelpunkt einer glanzvollen Gesellschaft gewesen, die ihre Anwesenheit als Sieg über die rechtmäßige Königin feierte.

Catalina war von der Pracht und dem geselligen Leben beeindruckt gewesen, doch bevor sie Zeit fand, ihre verwirrenden Erlebnisse zu ordnen, hatte man sie ohne Erklärung nach Tordesillas zurückgebracht. Die Bewohner der Stadt hatten die Verzweiflung der Königin über den Verlust Catalinas im Land verbreitet und so die Stimmung gegen Karl angeheizt. Catalina war für ihren Bruder zum Stolperstein auf dem Weg zur Macht geworden und Hindernisse dorthin mussten beseitigt werden.

Liebevoll hatte die Königin ihr Kind bei der Rückkehr in die Arme geschlossen, doch Catalinas Scham darüber, ihre Mutter über all dem Glanz vergessen zu haben, wollte nie mehr weichen. Das Gefühl, auch sie habe sich an ihrer Mutter ebenso schuldig gemacht, wie ihre Geschwister, verfolgte sie ständig.

Catalina spürte, dass Donna Maria sie beobachtete, und presste ihre Fäuste fest gegen die Augen, als wolle sie die Bilder verdrängen. Dann richtete sie sich auf.

„Ich bin gerührt, wie besorgt der Kaiser um uns ist und wie er mich auf meine angeblich großen Aufgaben vorbereiten lässt, sagt ihm das“, zischte sie, wandte sich ab und ging in ihr Zimmer.

Donna Marias Blicke folgten ihr besorgt. Es konnte dem Kaiser nicht verborgen bleiben, wie sehr Catalina ihn hasste, sodass die Gefahr bestand, dass er sie für immer in Tordesillas festhalten würde.

2.

Am Ufer des Rio Duero, unterhalb von Tordesillas, hatte sich eine Frau mittleren Alters niedergelassen. Sie hoffte, der kleine Felsen, der hinter ihr aus dem Boden aufstieg, würde verhindern, dass jemand sie sah. Ihr brauner Umhang mit der Kapuze glich einer Kutte, wie die Pilger sie trugen. Es hatte den Anschein, als konzentriere sie sich darauf, ihre Füße von den Leinenstreifen zu befreien. Dabei hielt sie die Stadt und besonders die Festung ständig im Blick, als warte sie darauf, jemanden zu erspähen.

Das klare Wasser des Duero umspülte wohltuend die Füße der Pilgerin. Sie lehnte sich zurück in das frische Grün der Wiese und lauschte den fernen Geräuschen der Stadt. Kein Kinderlachen war zu hören, nur raue Männerstimmen, begleitet vom Klirren der Waffen, drangen an ihr Ohr. Die Männer beaufsichtigten einige Bauern, die freudlos den Boden ihrer Felder für die Saat vorbereiteten.

Zwei Frauen mit einem großen Korb voll Wäsche zwischen sich näherten sich plaudernd dem Fluss. Trotz der Last bewegten sie sich mit bemerkenswerter Anmut und Würde. Sie könnten Schwestern sein und Mütter erwachsener Kinder, dachte die Frau am Fluss.

Sie hielten einen Augenblick neugierig an, als sie die Fremde sahen, denn schon lange mieden Pilger und Händler ihre einst so belebte Stadt. Dann setzten sie ihren Korb ein wenig entfernt von ihr ab.

„Wer mag die Fremde sein, und was will sie hier?“ fragte die Jüngere der beiden.

„Kümmere dich nicht um sie. Du weißt, wie heftig die Soldaten auf jeden Fremden reagieren, da sie immer wieder einen Aufstand gegen die Gefangennahme der Königin befürchten.“

„Zum Teufel mit ihnen! Ich möchte endlich einmal wieder ein anderes Gesicht sehen und Neuigkeiten hören. Wir waschen dort hinter dem Gebüsch. Da sieht uns niemand.“

Entschlossen wandte sie sich der Fremden zu und gab ihr mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass sie ihnen folgen möge. Ihrer Begleiterin schaute sie trotzig in die Augen. Sie nahmen den Korb wieder auf und verschwanden hinter einer dichten Gruppe von Sträuchern, an deren Zweige sich die ersten Knospen geöffnet hatten, um die eng zusammengefalteten Blätter frei zu geben.

„Schau, hier liegen viel mehr Kieselsteine am Grund, und das Wasser ist sauberer als dort drüben. Haben wir nicht eine wunderbare Erklärung dafür, warum wir uns gerade für diesen Platz entschieden haben?“

Inzwischen hatte die Fremde sie erreicht und setzte ihr kleines Bündel ab. Sie grüßte leise, schöpfte mit der Hand ein wenig Wasser aus dem Fluss und trank es.

„Seid ihr hungrig?“ fragte die Jüngere. Sie sahen sich prüfend an, bevor die Pilgerin antwortete.

„Ich habe noch einen Kanten trockenes Brot. Das muss reichen.“

„Woher kommt ihr, und was ist euer Ziel?“

„Ich bin auf dem Weg nach Santiago de Compostella.“ Das freundliche Gesicht der Fremden machte die knappe Antwort erträglich.

Die Jüngere ließ sich nicht entmutigen, während ihre Begleiterin bereits das erste Wäschestück auf einem Felsen ausgebreitet hatte und mit Seife bearbeitete, als ginge sie das Gespräch nichts an.

„Ich heiße Clara und sie ist meine Schwester Beatrix. Wollt ihr uns euren Namen nennen?“

Beatrix warf ihrer Schwester einen warnenden Blick zu und schüttelte missbilligend den Kopf. Mit einer Kopfbewegung in Claras Richtung bemerkte sie: „Clara ist sehr vertrauensselig und neugierig. Nehmt es ihr nicht übel. Sie ist die Letzte in ganz Kastilien, die nicht begreifen will, dass derlei Eigenschaften gefährlich sind.“

„Ich heiße Martha“, war die freundliche Antwort, „von mir habt ihr nichts zu befürchten.“

Der Bann schien gebrochen, denn beide Gesichter wandten sich ihr aufmerksam zu. „Ich habe diesen Weg gewählt, weil ich mit eigenen Augen sehen wollte, wo die Königin lebt. Tordesillas ist berühmt für seine idyllische Lage, “ fuhr sie fort.

Beatrix zuckte zusammen, doch Clara sprudelte über.

„Und wir dachten, alle hätten sie längst vergessen.“

„Ist sie sehr krank?“

„Pah!. Königin Johanna war nie krank. Das Gerücht, sie sei krank im Kopf, wahnsinnig sogar, haben die Habsburger nur in die Welt gesetzt, um ungestört über Spanien herrschen und es ausbeuten zu können. In unserm eigenen Land sind wir rechtlose Gefangene von Ausländern, die ungestraft die Unwahrheit sagen und uns demütigen dürfen.“

„Schweig, Clara! Bist du von Sinnen?“

Clara hatte rote Flecken auf den Wangen vor Aufregung. Nichts konnte ihr Mitteilungsbedürfnis aufhalten.

„Unsere Stadt stand in der Vergangenheit immer wieder im Mittelpunkt des Landes. Die Könige Kastiliens mit ihrem Hofstaat jagten jedes Jahr in unseren Wäldern. Wir kannten alle Granden und sie uns.“

Martha lächelte ein wenig. Wenn sich auch alles in Tordesillas verändert haben mochte, - die edlen Gesichter und die stolze Haltung ihrer Bewohner waren ein untrüglicher Beweis dafür, dass sie schon bessere Zeiten erlebt hatten und das Blut manches Granden in ihnen floss.

Clara fuhr fort, hatte aber inzwischen die Arbeit aufgenommen:

„Es ging den Menschen hier sehr gut, wie die Alten berichten. Erst mit dem Tod Königin Isabellas zogen Schleier vor die Sonne. Nach dem Tod des Thronfolgers Juan wurde seine Schwester Johanna Königin v. Kastilien, Leon und der Neuen Welt. Sie war mit dem Habsburger Philipp dem Schönen von Burgund verheiratet, den sie abgöttisch liebte.“

Clara sah dem Seifenschaum hinterher, der sich auf kleinen Wellen entfernte.

„Als das Königspaar, von den Niederlanden kommend, Spanien erreichte und ihre niederländischen Begleiter wie Eroberer selbst die entlegensten Winkel des Landes stürmten und ausbeuteten, erlosch der königliche Glanz unserer Stadt endgültig. Die Wirtschaft lag am Boden, und steigende Steuern lähmten alle Unternehmungen.

Dann starb der „Schöne Habsburger“, und König Ferdinand brachte seine Tochter Königin Johanna mit ihrem sechsten Kind, der kleinen Infantin Catalina, als Gefangene hier her in das Kastell.“ Sie richtete ihren Blick zum Kastell empor. „Als dann König Ferdinand starb, atmeten alle auf, denn nun war Königin Johanna auch rechtmäßige Herrscherin über Aragon, Katalonien, Sizilien und Neapel. Wir erwarteten, dass sich das Tor zur Freiheit für uns alle öffnete. Als nichts geschah, machten wir unserer Enttäuschung und Wut in einem Aufstand Luft. Unsere Männer stürmten die Festung, und wir alle schlugen mit Knüppeln auf Denia und seine treuesten Gefährten ein, bis sie flohen.“

Die Frauen hatten begonnen, die Wäsche zu spülen, wrangen die einzelnen Stücke gemeinsam aus und breiteten sie zum Trocknen auf der Wiese aus.

Beatrix sah Martha nachdenklich an. „Wo habt ihr gelebt in all den Jahren? Vermutlich erzählt Clara Euch nichts Neues.“

„Ich war lange Zeit im Ausland und zuletzt bei Verwandten in Segovia. Ich habe als Heilerin gearbeitet, bis ich mich zu einer Wallfahrt entschloss.“

Martha sah Beatrix in die Augen und las darin neu erwachtes Misstrauen. Beatrix wusste, dass eine Christin nicht Heilerin war, Jüdinnen aber keine Wallfahrt unternahmen. Martha kannte diesen Blick seit frühester Kindheit. Ihr Vater war konvertierter Jude und ihre Mutter Christin gewesen, und obwohl sie ihre Herkunft im Allgemeinen verschwieg, hatte sie wegen ihrer medizinischen Kenntnisse oft Misstrauen ausgelöst. Die Inquisition hatte mit Ketzer – und Hexenverbrennungen in den Köpfen und Herzen der Menschen Brandmale hinterlassen – auch bei Beatrix.

Clara hatte den Blickwechsel nicht bemerkt und starrte ihre Schwester fassungslos an, als diese sagte: „Bleibt hier, bis es dunkel ist. Ich hole Euch ab. Ihr könnt bei uns wohnen.

3.

Das kleine Fenster von Catalinas Wohnraum erhellte selbst im Sommer den spärlich möblierten Raum nur wenig. Ein kleines sonniges Viereck wanderte am Nachmittag über den Steinfußboden und den verschlissenen Bilderteppich. Die Sonne war nicht in der Lage, die feuchte Kälte aus den dicken Mauern des Kastells zu verdrängen, und so empfand Catalina ihren Aufenthaltsort als Gruft.

Sie legte die Feder beiseite und überflog zum wiederholten Mal den Brief an ihren Bruder Kaiser Karl V. Ihr ebenmäßiges Gesicht war aschfahl, ihr graziler Körper angespannt, wie ein Bogen und ihre Hände zitterten, als sie das Schreiben hastig zu einem kleinen Format zusammenfaltete und versiegelte.

Catalina hatte lange mit sich gerungen, ob sie ihrem Bruder Karl schildern sollte, wie sehr sich der Gesundheitszustand ihrer Mutter verschlechterte und die Lebensbedingungen in der Burg immer unerträglicher wurden. Sie hatte gehofft, dass die wenigen Besucher, die in den vierzehn Jahren ihrer Gefangenschaft zu ihr vorgelassen worden waren, ihn längst darüber informiert und auch ermahnt hatten, diesen demütigenden Zustand zu ändern. Doch nichts war geschehen. Im Gegenteil: Der Kaiser hatte seinem Kerkermeister Denia alle erforderlichen Vollmachten erteilt, die Gefangenschaft und Isolation der Königin im Sinne von Kaiser und Papst ohne Einschränkung sicherzustellen. Catalina befürchtete, dass sich nach diesem Brief die Repressalien gegen ihre Mutter noch verstärken könnten, doch sie konnte nicht anders, als an das Gewissen ihres Bruders zu appellieren. „An die allerchristlichste Majestät...“ hatte sie geschrieben und alle Schikanen aufgezählt, die sie beide zu erdulden hatten.

Am Tag zuvor hatte die Dienerin ihr zugeraunt:

„Der Marquis hat schon wieder die Dienerschaft ihrer Majestät ausgewechselt. Es ist grausam. Immer, wenn sie gerade Vertrauen zu jemandem gefasst hat, schafft er Fremde herbei. Sie hat aus Protest seit Tagen nicht gegessen. Wie immer ohne Erfolg. Der Marquis hat das Bett seiner geschwätzigen Tochter in das Schlafgemach der Königin stellen lassen. Nun ist ihre Majestät nicht einmal nachts ohne Bewachung.“

Die Dienerin schwieg und sah Catalina unsicher an.

„Ihr werdet es ohnehin bald erfahren: Sogar ihr Beichtvater und euer Lehrer, Juan de Avila, soll in den nächsten Tagen die Festung verlassen. Die Königin war darüber empört und hat es abgelehnt, einen anderen Geistlichen zu akzeptieren. Eher würde sie für immer auf Messe und Beichte verzichten.“ Beschwörend fügte sie hinzu: „Das ist Ketzerei! Denia wird sie dafür nur zu gern bestrafen. Schreibt an den Kaiser, Prinzessin! Ich habe einen Boten, der ihm den Brief bringen wird.“

Catalina hatte die Dienerin zweifelnd angesehen und geschwiegen. Wer sollte ein solches Risiko eingehen? War es eine Falle, hatte Denia sie geschickt, suchte er einen Anlass, sie der Subversion zu bezichtigen?

Sie zuckte zusammen, als sich hinter ihr leise die Tür öffnete. Es war die Dienerin. Ohne Zögern ergriff sie Catalinas Hand, entwand ihr den Brief und verbarg ihn unter ihrem Rock. Als sie Catalinas erstaunten Blick sah, lächelte sie verschmitzt: „Wer dort hinfasst, bekommt was auf die Finger“, und huschte hinaus.

Catalina spürte, wie alle Anspannung aus ihrem Körper wich. Sie hörte Pferde im Hof ungeduldig mit den Hufen scharren. Sie konnte sie nicht sehen, schloss aber aus den Geräuschen, dass sie gesattelt wurden. Kraftlos sank sie vor ihrem Hausaltar auf die Knie und faltete die Hände. Sie wollte im Gebet Kraft schöpfen für den Besuch bei ihrer Mutter, doch ihr Kopf war leer. Stattdessen übermannte sie ein Weinkrampf, dem sie sich widerstandslos hingab. Sie wusste aus Erfahrung, dass sie danach gelassen und stark sein würde.

Der Wohnraum der Königin war klein und hoch. Die kahlen Wände wirkten erdrückend, und der Anblick der funkelnden Salzkristalle verursachte Kälteschauer. Denia hatte verhindert, dass flämische Teppiche aus dem Besitz der Königin aufgehängt wurden. Nichts sollte Wärme ausströmen, kein Bild oder Muster dem Blick Ruhe gönnen oder den Geist anregen. Nach jahrelanger Dunkelhaft galt das winzige Fenster als wohlmeinendes Zugeständnis an die Königin.

Sie stand allein am Fenster, ein glücklicher Umstand für Catalinas Besuch.

Catalina eilte zu ihr, wollte ihr die Hand küssen, wie es sich geziemte, doch Johanna schloss ihre Tochter in die Arme. Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich an sie.

Sie sah ihre Mutter an und vermisste den gewohnten Trotz und Kampfgeist in deren Augen. Sie waren Trauer und Melancholie gewichen.

Behutsam berührte Catalina den Rücken ihrer Mutter und sprach beruhigend mit ihr.

„Seht ihr die Reiter dort drüben? Sie sind auf dem Weg zu Karl.“

Johanna folgte dem Blick ihrer Tochter und sah sie dann fragend an.

„Woher willst du das wissen?“

„Ich habe einen Brief an ihn geschrieben, und wenn es gelungen ist, ihn vor Denias Kontrolle zu verbergen, wird er bald wissen, unter welchen Demütigungen Ihr zu leiden habt. Er schuldet Euch Respekt, “ fügte sie trotzig hinzu.

Entsetzen trat in Johannas Augen „Du weißt, in welche Gefahr du dich damit gebracht hast?“

Catalina schüttelte den Kopf.

„Für mich fürchte ich nichts, was ich nicht ertragen könnte,...“

„Aber...?“

„Ich hoffe, dass Karl nicht Euch noch mehr Leid zufügt“, stotterte sie. „Das würde ich mir niemals verzeihen.“ Eine Strähne ihrer schwarzen Haare hatte sich aus dem langen Zopf gelöst und ringelte sich über Catalinas Gesicht.

Liebevoll strich Johanna sie zur Seite.

„Es geht nicht mehr um mich. Es geht nur noch um deine Zukunft, die irgendwo dort draußen liegt, in einem fremden Land. Du bist sechzehn Jahre alt und heiratsfähig. Wie deine Schwestern wirst auch du einst an der Seite eines Königs leben. Du bist darauf nicht vorbereitet, und deshalb bekümmert es mich, dass dein Lehrer Juan de Avila uns verlassen muss.“

„Er ist Euer Beichtvater und Vertrauter. Für Euch ist der Verlust viel größer als für mich. Ich weiß doch alles, was ich wissen muss. Ihr habt mich Französisch und Latein gelehrt und Juan hat mit mir die Bibel gelesen und mich in Mathematik unterrichtet. Ich kann mir sogar vorstellen, wie es in Eurem Reich aussieht. Ihr braucht nur die Namen der großen Städte zu nennen und schon erstehen vor mir die Bilder von Toledo, Madrid, Burgos, Segovia, Granada und Córdoba, wie Ihr sie mir geschildert habt. Ich sehe die Berge und Flusstäler, die braune Hochebene und die zerklüfteten Küsten mit den schäumenden Wellen.“

Catalinas Augen glänzten, als sie leise weiter sprach: „Die Alhambra möchte ich sehen, um meine phantastischen Vorstellungen bestätigt zu bekommen. Ich möchte ihre prachtvollen Fliesen und Stuckaturen berühren und mich an den Farben und Formen satt sehen.“

Einen Augenblick hielt sie inne, als sie Tränen in den Augen ihrer Mutter sah. Sie sollte nicht glauben, dass Catalina sich von hier fortsehnte, und fügte hinzu:

„Ich sehe Euch und Eure Freundin Martha sogar wild ins Wasser des römischen Bades von Córdoba eintauchen, als könntet Ihr Eure Furcht, bei Eurem sündigen Treiben entdeckt zu werden, fortspülen.“

Erleichtert sah sie das kleine Lächeln in dem grauen Gesicht ihrer Mutter.

„Auch ich denke häufig an Martha. Wir waren noch Kinder. Sie wird die Vertreibung der Juden nicht überlebt haben, sonst wäre sie sicher zurückgekehrt. Sie hat es mir in Granada versprochen.“

„Glaubt Ihr, man hätte sie zu Euch vorgelassen?“ fragte Catalina zweifelnd.

Die beiden Frauen zuckten zusammen, als plötzlich die Tür geöffnet wurde und atmeten erleichtert auf, als Juan de Avila von einem Wachsoldaten eingelassen wurde.

Er war ein junger Mann, von zierlicher Statur und mit einem freundlichen Gesicht. Er trug die raue Kutte der Franziskanermönche, obwohl er längst eine gehobene Stellung in der kirchlichen Hierarchie einnahm. Er sollte die Königin von der Allmacht der Kirche überzeugen und ihre ketzerische Kritik an deren Zustand zum Schweigen bringen. Immer wieder hatte sie unverblümt Interesse für die Gedanken der Reformer gezeigt, die auch einen Weg zu Gott suchten, unabhängig vom Anspruch der Kirche, allein im Besitz von Wahrheit und Erkenntnis zu sein. Wiederholt hatte sie sich geweigert zu beichten und damit die Meinung ihres Sohnes Karl bekräftigt, dass man das Volk vor der gottlosen Königin schützen müsse.

Pater Juan de Avila hatte die Königin jedoch schätzen gelernt und empfand Mitgefühl für sie. Selten hatte er einen Menschen getroffen, der so leidenschaftlich um den rechten Glauben rang.

Catalina ging auf den Priester zu und ließ sich segnen. Dann küsste sie die Hand ihrer Mutter und zog sich zurück.

„Salute, Senior“, begrüßte Königin Johanna ihn. „Seid Ihr gekommen, um Abschied zu nehmen?“

„Nein Majestät, es bleiben uns noch einige Tage. Wünscht Ihr zu beichten?“

Johanna schüttelte den Kopf. „Setzt Euch, wir müssen miteinander reden.“

Während der Pater Platz nahm, schritt die Königin nachdenklich auf und ab.

„Ihr wisst, dass ich nach anfänglicher Zurückhaltung Vertrauen zu Euch gefasst habe, obwohl Ihr, wie alle anderen in meiner Umgebung, als Spion hier seid, um herauszufinden, wie ich zu Kaiser und Christentum stehe.“

Johanna hob abwehrend die Hand, als der Priester ihr heftig widersprechen wollte.

„Im Laufe der Zeit seid Ihr ein loyaler Gesprächspartner und insbesondere ein einfühlsamer Lehrer für die Prinzessin geworden, und hättet Ihr den Inhalt unserer vielen Diskussionen und meine Kritik an manchen Konzilbeschlüssen weitergegeben, so befände ich mich längst in den Fängen der Inquisition. Ihr seid damit ein Risiko für Euch selbst eingegangen, und auch dafür möchte ich Euch aufrichtig danken.“

Sie ergriff seine Hände und sah ihn ernst an.

„Ich vermute, dass Ihr zuerst dem Kaiser Bericht erstatten müsst, wenn Ihr Tordesillas verlasst. Ihr werdet ihm hoffentlich versichern, dass ich niemals gegen ihn intrigiert habe. Sagt ihm jedoch, dass ich seine Strafmaßnahmen und die Lügen, die er über mich im Land verbreiten lässt, nicht akzeptiere. Ich verzeihe ihm ebenso wenig, dass er unser Land ausbeutet und demütigt.“

Sie rang einen Augenblick mit sich und fuhr entschlossen fort: „Ich verlange, dass er für die Prinzessin Lehrer sendet, die sie auf ihre zukünftigen Aufgaben angemessen vorbereiten. Sie bedarf eines kleinen Hofstaates, einer gleichaltrigen, standesgemäßen Freundin und absoluter Bewegungsfreiheit.“

Die Königin schwieg und wandte sich dem Fenster zu.

Pater Juan de Avila erhob sich und folgte ihr. In gebührendem Abstand blieb er stehen und fragte betroffen: „Was habe ich an der Prinzessin versäumt, dass Ihr so redet? Sie hat eine schnelle Auffassungsgabe und war eine eifrige Schülerin. Haben wir ihr nicht mehr an Wissen vermittelt, als an vielen Höfen für Prinzessinnen üblich ist?“

Johanna sah ihn nachdenklich an. „Niemand hätte Catalina unter den gegebenen Umständen besser unterrichten können, als Ihr. Aber was für ein Weltbild hat sie? Sie sieht die Welt durch uns, mit meinen Augen, wie sie in meiner Erinnerung lebt. Sie kennt die Menschen nicht und weiß nichts über das Leben bei Hofe noch über das meiner Untertanen. Der Duft von Blumen und das Gefühl über das seidige Fell eines Pferdes zu streichen, sind ihr fremd. Niemals hat sie auf einem Gebirgspass gestanden und den weiten Blick auf das Land und den Himmel genossen. Wie fröhliche Menschen musizieren und tanzen und wie herzzerreißend Kinder weinen, hat sie niemals vernommen. Ihr Wissen hat keinen Bezug zum wirklichen Leben. Sagt dem Kaiser das, und ermahnt ihn, diesen Zustand zu ändern.“

Der Pater verneigte sich tief. Sein Gesicht war besorgt und ernst, als er fragte: „Wünscht Ihr ernsthaft, dass die Prinzessin auf die Ehe vorbereitet wird und Euch verlässt?“

Johanna hatte Tränen in den Augen.

„Es zerreißt mir das Herz, wenn ich mir meine Zukunft ohne sie vorstelle. Catalina hält mich am Leben. Der Kaiser weiß das und wird sie mir nehmen, um sie zur Unterstützung seiner Expansionspolitik zu verheiraten. Ich werde seine Entscheidung respektieren, denn sie kann nicht meinetwegen ihr Leben in Gefangenschaft zubringen.“

Johanna bekreuzigte sich und forderte ihn auf: „Betet mit mir zu Gott, dass er uns Kraft gebe, unser Leben zu ertragen. Wir wollen ihn bitten, sich Catalinas in Gnaden anzunehmen.“

4.

Kaiser Karl hatte den maurischen Alcazar in Madrid zu einem Stadtschloss umbauen lassen. Es war auf die Bedürfnisse seiner aufwendigen Hofhaltung zugeschnitten, doch schien er seine Annehmlichkeiten nicht zu genießen. Der vierundzwanzigjährige Herrscher schwankte zwischen Rastlosigkeit und Lethargie. Sein Arbeitszimmer hatte die Ausmaße eines Saales. Rechts und von links der reich verzierten Tür stand regungslos je ein Wachsoldat mit aufgepflanzter Hellebarde. Zwei Knappen befanden sich vor den Stufen jenes Podestes, auf dem der Kaiser an seinem Schreibtisch saß. Das Licht der großen Fenster fiel auf Depeschen und Briefe aus allen Teilen des Reiches.

Er schrieb an die Statthalterin der Niederlande, seine Tante Margarethe von Savoyen, einen Brief. Es ging um den Krieg gegen Frankreich in Italien.

„…Die Hülfe kann scheinen ein guter Krieg. Aber ich habe nichts, um mein Heer zu unterhalten, noch weniger es zu verstärken, wenn es nötig ist...Meine Freunde haben mich verlassen und in der Not betrogen; die einen wie die andern tun alles, mich nicht mächtiger zu sehen und mich in der Notlage zu halten, in der ich bin.“ Er fuhr fort: „In Anbetracht dieser Verhältnisse und dass es nicht geht mit dem Frieden, der, wie gesagt, nicht sein kann ohne den Willen des Feindes, noch mit dem Krieg, den zu führen ich schlechte Aussichten sehe, und ich sehe und fühle, dass die Zeit vergeht und wir bald vergehen mit ihr, und da ich nicht so vergehen möchte ohne eine rühmliche Erinnerung an mich zurück zu lassen...sehe ich keinen Grund dafür, dass ich das länger hinausschieben könnte und dass es mir nicht gelingen sollte, mir zu helfen mit Gottes Gnade mich mächtiger zu machen und in Frieden und Ruhe das zu besitzen, was ihm gefallen hat, mir zu schenken...

Man könnte Bedenken erheben wegen des Geldes... und aus anderen Gründen. Um alledem abzuhelfen, sehe ich kein besseres Mittel, als dass man alsbald die Heirat der Infantin von Portugal und mir betreibe... und das Geld, dass man mir mit ihr zur Verfügung stellte, eine möglichst große Summe Bargeld wäre...“

Karl sah in den herbstlichen Park hinab, ohne seine Schönheit wahrzunehmen. Er hatte nicht einmal gehört, dass die Tür geöffnet wurde, um seinen Großkanzler Mercurio Gattinara einzulassen. Der näherte sich ehrerbietig seinem jungen Herrscher, dessen wechselnde Stimmungen ihm seit Jahren bekannt waren.

Er hatte in Karl das Ziel zur Schaffung eines starken, geschlossenen Reiches verankert, als er ihm nach der Kaiserwahl schrieb:

„Sire, da Euch Gott der Schöpfer die Gnade erwiesen hat, Euch unter allen Königen und Fürsten zu erhöhen, indem er Euch zum größten Kaiser und König seit Eurem Vorgänger Karl dem Großen gemacht hat, weist er Euch den Weg zur Monarchie, die die gesamte Welt unter einem Hirten vereint.“

Gattinara stammte aus dem Piemont. Sein niederer Adel hatte ihn nicht für ein so hohes Amt prädestiniert, doch sein starker Wille, seine umfassende Bildung und seine Weitsicht hatten ihn dorthin gebracht. Lebhafte Augen, eine ausgeprägte Nase und seine geschwungenen Lippen, von einem melierten Vollbart umrahmt, machten ihn sympathisch und erweckten Vertrauen.

Gattinara zwang sich den melancholischen Ausdruck im Gesicht seines Herrschers zu übersehen.

„Majestät, ich grüße Euch und hoffe, Gott schenkte Euch eine ruhige Nacht!“

Karl winkte unwillig ab. Gnädig wies er seinem langjährigen Vertrauten einen Stuhl unterhalb seines Podestes zu.

„Was führt Euch zu mir?“

„Ich störe Euch beim Verfassen eines wichtigen Briefes, wie mir scheint.“ Da der Kaiser nicht reagierte, fuhr er fort: „Ziehen Eure Majestät es vor, sich zunächst mit der Lösung harmloserer Probleme zu beschäftigen?“

Karl nickte ein wenig ungeduldig, doch sein Gesicht entspannte sich leicht.

„Unsere Feinde beherrschen unsere Gedanken. Wir vergessen darüber, unsere Freundschaften zu pflegen. Der junge portugiesische König João III., Euer Cousin, scheint ein Bewunderer Eurer Majestät zu sein. Sein Vater, König Emanuel der Glückliche, hat ihm ein Land mit enormen Einkünften aus seinen zahlreichen Handelsniederlassungen bis nach Indien und China hinterlassen. Er ist ein frommer Mann und steht sicherlich an Eurer Seite im Kampf gegen die Feinde der Römischen Kirche, seien es die Osmanen oder die Aufrührer im eigenen Land.

„Traditionsgemäß unterhält Portugal enge Handels – und Freundschaftsbeziehungen zu England“, warf der Kaiser ein.

Gattinara schwieg einen Augenblick und meinte nachdenklich:

„Darin liegt eine gewisse Gefahr für Eure Majestät. Die Politik König Heinrichs von England ist wankelmütig und daher unberechenbar. Bindet das portugiesische Könighaus an das Haus Habsburg, bevor es sich andere Verbündete sucht. Noch ist König João nicht verheiratet. Ich bin sicher, dass die Avisdynastie ebenso an einer ehelichen Verbindung interessiert ist, schließlich hat es in der Vergangenheit wiederholt dynastische Verbindungen zwischen Kastilien und Portugal gegeben. Euren spanischen Untertanen wird das gefallen.“

Karl sah Gattinara amüsiert an. Es erwies sich erneut, dass ihre Gedanken in die gleiche Richtung gingen.

Zwei Schwestern seiner Mutter waren mit König Emanuel verheiratet gewesen. Die zweite, Maria, war die Mutter des jungen Königs João. Nach deren Tod hatte Karl seinem betagten Onkel seine ältere Schwester Erzherzogin Eleonore zur Frau gegeben.

„Solltet Ihr für João an meine verwitwete Schwester Königin Maria von Ungarn denken, muss ich Euch enttäuschen. Sie steht vorläufig fest an der Seite unseres Bruders Erzherzog Ferdinand und ist bemüht, ihm die Krone Ungarns und Böhmens zu erstreiten “, warf Karl ein.

Gattinara schüttelte den Kopf.

„Ich dachte an die Erzherzogin Catalina in Tordesillas. Sie ist jung, klug und schön, wie man sagt. Sie hat in fast klösterlicher Umgebung ein gottgefälliges Leben geführt und wird ihrem liebenswürdigen Cousin João eine liebevolle Gemahlin sein.“

Karl schwieg ein wenig betreten. Er dachte an Catalinas Brief, in dem sie unverblümt die Lebensumstände ihrer Mutter beklagt hatte. Sie schien seinen willensstarken Schwestern zu gleichen, hatte aber offensichtlich keine Vorstellung davon, welche Last, Verantwortung und Geldnot ihn drückten. Wie von weither sagte er: „Man soll ihr klarmachen, dass sie keine Forderungen zu stellen hat, sondern einen Teil unserer aller Pflichten zugunsten des Hauses Habsburg übernehmen muss.“

Gattinara runzelte die Stirn. „Die Infantin hat bisher nichts anderes getan, Majestät“, wagte er zu sagen.

Ärgerlich wandte sich Karl ab und nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz.

„Sollen wir also die Verhandlungen mit König João aufnehmen?“

Karl nickte ihm aufmunternd zu und meinte trocken:

„Ja, doch vrsprecht ihm keine Mitgift. Die Schwestern meiner Mutter erhielten ebenfalls keine und dennoch fühlten sich die Portugiesen geehrt, sie zur Königin zu haben. Sagt König João , dass ich mich glücklich schätzen würde, meine Schwester an seiner Seite zu sehen.“

Der Kaiser beobachtete seinen Vertrauten und lächelte verschmitzt, als er fortfuhr:

„Wie schon so oft, gehen unsere Gedanken in die gleiche Richtung. Ob die Bewunderung des Königs für mich wohl soweit geht, dass er mir darüber hinaus seine Schwester, die Infantin Isabella, einschließlich einer beachtlichen Mitgift zur Gemahlin gibt? Unsern Dauerkonflikt mit Frankreich könnte ich dann endgültig beenden, ohne einen weiteren Kredit beim Hause Fugger in Anspruch nehmen zu müssen.“

Er hatte sich erhoben, den Arm um die Schultern Gattinaras gelegt und ging plaudernd mit ihm auf und ab.

Wenige Monate später reiste ein spanischer Emissär nach Tordesillas, um Catalina das bevorstehende Ende ihrer Gefangenschaft und ihre Heirat mit dem portugiesischen König mitzuteilen. Es blieb ihm erspart, Königin Johanna die Nachricht zu überbringen zu müssen. Die Königin war schwer erkrankt, sodass er allein mit der Infantin war.

Catalina war erschüttert, als sie von den Plänen des Kaisers erfuhr. Wie konnte sie als Königin eines so kleinen Landes ihre Mutter befreien? Doch sie schwieg, denn es blieb ihr keine Wahl.

Sie stand hoch aufgerichtet vor dem Emissär.

„Sagt dem Kaiser, dass ich seinem Befehl Folge leisten werde. Ich habe jedoch eine Bitte. Ich möchte ihn sehen, bevor ich das Land verlasse. Außerdem möchte ich über Granada und Sevilla nach Portugal reisen, um wenigstens einen kleinen Teil meiner Heimat kennen zu lernen.“

5.

Seit Monaten lebte Martha im Haus der Schwestern. Ohne viele Worte, hatten sie sich die Arbeit geteilt. Martha pflegte die Mutter, versorgte das Haus und bereitete die Mahlzeiten. Beatrix und Clara melkten frühmorgens die Ziegen und verarbeiteten die überschüssige Milch zu Butter und Käse. Nach dem Frühstück trieb eine der Schwestern die Tiere auf die Wiesen am Fluss, die im Frühsommer von Blüten übersät waren und nun von Woche zu Woche brauner wurden. Es erschien Martha wie ein Wunder, dass die Muttertiere überhaupt noch Milch in den Eutern hatten, nachdem ihre Futterration immer kärglicher geworden war.

„Solange die Tiere genug Wasser bekommen, reicht das braune Gras aus“, erklärte ihr die Mutter, „und der Rio Duero sprudelt nach wie vor durchs Tal, wenn er nun auch eher einem Bach gleicht“.

Die Arbeiten auf dem Feld verrichteten die Bewohner von Tordesillas, ehe die Sonne ihren Höchststand erreicht hatte und mit sengender Hitze alles Leben zum Erliegen brachte. Einen großen Teil ihrer Erträge hatten sie am Burgtor abzuliefern, um die Versorgung der Wachsoldaten sicher zu stellen. Geld erhielten sie dafür nicht, nur wenig blieb für den eigenen Bedarf und zum Tausch.

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