Dark Land - Folge 016 - Logan Dee - E-Book

Dark Land - Folge 016 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Einen ganzen Tag war Sir Roderick durchgeritten, nun jedoch zögerte er, als er den düsteren Wald vor sich aufragen sah. Er hielt seinen Rappen an und betrachtete die riesigen Bäume, durch die kein Pfad mehr führte. Von nun an würde er sich zu Fuß einen Weg bahnen müssen. Immerhin hatte er sein Ziel erreicht, und er war sich sicher, dass seine Suche erfolgreich enden würde. Er war hierhergekommen, um dem Wald einen seiner kostbarsten Schätze zu entreißen: das Herz der Erkenntnis ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah

Hexenmoor

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

»Geisterjäger«, »John Sinclair« und »Geisterjäger John Sinclair« sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4903-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Was bisher geschah

Johnny Conolly hat seine Mutter verloren. Sie wurde von einem Schnabeldämon brutal ermordet. Als dieser Dämon durch ein Dimensionstor flieht, folgt Johnny ihm.

Kurz darauf wird das Tor für immer zerstört, sodass es für Johnny keine Möglichkeit zur Rückkehr gibt. Das Dimensionstor spuckt ihn schließlich wieder aus – in einer anderen Welt. Er ist in Dark Land gelandet, genauer gesagt in Twilight City, einer Stadt voller Geheimnisse.

Menschen und Dämonen leben hier mehr oder weniger friedlich zusammen, und doch ist Twilight City voller Gefahren. Die Stadt ist zudem von einem dichten Nebelring umgeben, den kein Einwohner jemals durchbrochen hat. Niemand weiß, was hinter den Grenzen der Stadt lauert …

In dieser unheimlichen Umgebung nennt sich Johnny ab sofort Wynn Blakeston – für den Fall, dass irgendjemand in Twilight City mit seinem Namen John Gerald William Conolly etwas anfangen kann und ihm möglicherweise Übles will. Schließlich wimmelt es hier von Dämonen aller Art – und die hat Wynn in seiner Heimat immer bekämpft.

Wynn findet heraus, dass der Schnabeldämon Norek heißt und skrupelloser und gefährlicher ist als alle seine Artgenossen, die sogenannten Kraak.

Noreks Fährte führt ihn in einen Nachtclub, wo er mit der Polizei aneinandergerät. Er wird abgeführt und zu einer Geldstrafe verurteilt – die er allerdings mangels hiesiger Mittel nicht begleichen kann. Daraufhin wird aus dem Bußgeld eine Haftstrafe: Fünfzig Jahre soll er einsitzen!

Doch der geheimnisvolle Sir Roger Baldwin-Fitzroy zahlt das Bußgeld für Wynn und nimmt ihn in bei sich auf – warum, das weiß Wynn nicht.

Er lernt Sir Rogers Tochter Abby und seinen Diener Esrath kennen, die auch in Sir Rogers Villa leben. Er freundet sich mit Abby an, sie wird schon bald zu seiner engsten Vertrauten in dieser mysteriösen Welt. Abby hilft Wynn bei der Suche nach Norek, und so wird sie immer wieder in Wynns gefährliche Abenteuer mit hineingezogen.

Doch auch Sir Roger und Esrath sind auf der Suche nach Norek, denn Sir Roger hat noch eine Rechnung mit dem Dämon offen.

Als es Sir Roger schließlich gelingt, Norek zu schnappen, verrät er Wynn davon nichts. Er sperrt Norek in eine Zelle tief verborgen in der geheimnisvollen Villa, wo niemand ihn jemals finden soll.

Denn Sir Roger weiß: Wenn Wynn zu seiner Rache an Norek kommt, gibt es keinen Grund mehr für ihn, in Twilight City zu bleiben. Er wird einen Weg zurück in seine Welt suchen, und das will Sir Roger um jeden Preis verhindern. Er braucht Wynn noch …

Als es Norek jedoch fast gelingt, zu fliehen, weiß Sir Roger, dass er handeln muss. Er liefert den Kraak dem Wissenschaftler Dr. Shelley aus, der gleichzeitig Leiter des Sanatoriums Dead End Asylum im Deepmoor ist. Dieser verpflanzt Noreks Gehirn in einen anderen Körper und sperrt Norek in seinem Sanatorium ein.

Sir Roger aber präsentiert Wynn Noreks toten Körper, sodass der glaubt, der Kraak wäre für immer besiegt.

Gleichzeitig ist Abby zusammen mit ihrer Freundin Marylyn auf der Suche nach deren Schwester Vicky. Diese wurde ins Dead End Asylum eingewiesen und verschwand kurz danach spurlos …

Hexenmoor

(2. Teil)

von Logan Dee

Einen ganzen Tag war Sir Roderick durchgeritten, nun jedoch zögerte er, als er den düsteren Wald vor sich aufragen sah. Er hielt seinen Rappen an und betrachtete die riesigen Bäume, durch die kein Pfad mehr führte. Von nun an würde er sich zu Fuß einen Weg bahnen müssen.

Immerhin hatte er sein Ziel erreicht. Er war sich sicher, dass seine Suche erfolgreich enden würde. Er war hierhergekommen, um dem Wald einen seiner kostbarsten Schätze zu entreißen: das Herz der Erkenntnis …

Während er abstieg und sich zunächst um seinen erschöpften Rappen kümmerte, bedauerte er, dass seine dunkle Dienerin nicht an seiner Seite stand. Aber Mygavar hatte daheim auf Blackstone Abbey eine andere wichtige Aufgabe zu erfüllen.

Nachdem er den Rappen versorgt und an einem Wurzelstock angebunden hatte, betrat er den finsteren Wald. Dabei hatte er das Gefühl, dass ihm von überallher heimliche Blicke folgten. Er sah sich nach allen Seiten um, aber kaum ein Mondstrahl drang durch das dichte Dach der Wipfel.

Die Blendlaterne, die Sir Roderick mit sich führte, spendete gerade mal so viel Licht, dass er den Boden vor seinen Füßen ausleuchten konnte, um nicht über die Wurzeln zu stolpern. Die Bäume standen so dicht, dass er mehrmals die Richtung wechseln musste, um vorwärtszukommen. Immer dann ritzte er einen Pfeil in eine Baumrinde, um nachher den Weg zurückzufinden. Dabei hatte er das Gefühl, dass die Bäume sich sträubten, dass sie sich unter der scharfen Klinge wanden, als er ihre Borke verletzte. Einmal schoss eine warme, klebrige Flüssigkeit daraus hervor und brannte in seinem Gesicht. Ein anderes Mal vernahm er ein tiefes Seufzen, so als würde ihm der Baum seinen Schmerz mitteilen wollen.

Bereits nach wenigen Dutzend Schritten hatte er die Orientierung verloren. Doch man sagte, dass der, der reinen Gewissens kam, sich in dem Wald nicht verirren konnte. Unweigerlich würde er zum Ziel gelangen.

Doch kein Ziel erreicht man ohne Anstrengung. Die weisen Worte hatte er in dem alten Buch gelesen, das ihn letztlich auch hierhergeführt hatte. Aber welche Anstrengungen auf ihn warteten, das hatte ihm das schlaue Buch nicht verraten.

Er zuckte unwillkürlich zusammen, als ein schriller Schrei von irgendwoher aus der Tiefe des Waldes zu ihm herüberwehte. Reflexartig zog er sein Schwert. Sir Roderick war kein Mann, der leicht zu beeindrucken war, aber der Schrei war ihm durch Mark und Bein gegangen. Er hatte von den Todeskrähen gelesen, die in diesem Wald hausten. Sie warteten auf jene, die unrein im Herzen waren und sich verirrten. War das bereits ein erstes Zeichen, dass er sich überschätzt hatte? Dass sein Gewissen nicht so rein war, wie er glaubte?

Nein, er würde sich von einer einzigen Todeskrähe nicht verwirren lassen! Er fasste sein Schwert fester und setzte trotzig seinen Weg fort.

Doch mit jedem Schritt kamen ihm plötzlich Zweifel. Wäre es nicht doch besser gewesen, zunächst die Aufgabe zu vollenden? Und damit selbst die Wahrheit herauszufinden? Er wusste, es war ein Zeichen seiner Schwäche, nicht der Stärke, dass er nun hier war.

Seine Aufgabe war es, der Frau, die er in der Zelle seines Anwesens gefangen hielt, das Hexenfeuer zu entreißen. Er hatte Merryl dem Folterknecht entzogen, weil er erkannt hatte, dass sie nicht wie so viele Unschuldige zuvor zu Unrecht angeklagt worden war.

Merryl war eine Hexe. Er hatte es nicht nur gespürt, sondern sich selbst davon überzeugt … Seine Pflicht wäre es gewesen, die schmutzige Arbeit nun nicht allein seiner Dienerin Mygavar zu überlassen, sondern selbst Hand an Merryl zu legen.

Doch das genau war der Punkt. Hatte er das Recht, ihr Schmerzen zuzufügen? Ihr letztlich das zu entreißen, was nicht nur ihre Hexenkunst, sondern auch ihre Lebensflamme am Lodern hielt?

Aber wenn er ehrlich war, so gab es noch einen weiteren Grund, der den Zweifel in ihm entfacht hatte. Er hatte ihn sich zunächst nicht eingestehen wollen. Und noch immer weigerte er sich, ihn zu akzeptieren.

Sir Roderick hatte stets seiner Pflicht gehorcht. Schon in frühen Jugendjahren hatte er sich der Wissenschaft der Magie gewidmet und – dank seines Vermögens – private Forschungen betrieben. Die Magie, das war für ihn die ewige Suche nach Erkenntnis. Und die Suche erforderte seine ganze Aufmerksamkeit, seinen unbedingten Einsatz und vor allem: seine Zeit.

Die vereinzelten Stunden, die er nicht in seine Forschungen vertieft war, galten seinen wenigen öffentlichen Pflichten, die er schon allein deswegen wahrnahm, um nicht völlig als verschrobener Einsiedler zu gelten. Wenngleich die Gelegenheiten, für die er Blackstone Abbey verließ, immer seltener wurden.

Ein weiterer Schrei durchbrach die Schrille. Und ein dritter, der ganz in seiner Nähe erklang, antwortete ihm. Diesmal schrak Sir Roderick nicht zusammen. Er war entschlossen, sich durch nichts von seinem Weg abhalten zu lassen.

Mehr und mehr der Todeskrähen meldeten sich. Ihr Kreischen wurde lauter, es klang nun fordernder, gieriger. Hungriger. Und es gellte von überallher. Sie saßen hoch oben in den Wipfeln, hockten dort wie Aasgeier und warteten nur darauf, dass er sich eine Schwäche erlaubte und sie sich auf ihn stürzen konnten.

Bald durchdrang ihr sirrendes Kreischen jeden seiner Gedanken. Er hatte das Gefühl, es würden sich glühende Klingen in seinen Kopf bohren. Jeder weitere Schritt wurde zur Qual.

Kehr um! Du hast kein Recht, hier zu sein!

Er wusste, was sie dachten, was ihr Kreischen bedeutete. Und was sie bezweckten. Sie wollten Zweifel in ihm streuen. Aber er ahnte, was geschehen würde, wenn er umkehrte: Er würde sich hoffnungslos verirren, und irgendwann würden sie ihn seiner Seele berauben, wenn er erst einmal geschwächt und mutlos vor ihnen lag.

Dein Gewissen ist unrein, kreischten sie.

Nein, er würde ihnen nicht den Gefallen tun und sich ihnen ausliefern.

Und wieder dachte er daran, warum er eigentlich hierhergekommen war. Weil er nach Erkenntnis strebte. Nach der Antwort auf seine dringende Frage. Nicht das Geringste war daran unrein. Im Gegenteil … Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er etwas erfahren, das das Seelenfeuer in ihm noch mehr entfacht hatte als die Wissenschaft. Er wollte es nicht aussprechen, vielleicht war das das Einzige, das er sich zum Vorwurf machen konnte. Er wollte es nicht aussprechen, nicht bevor …

Die Schatten, die ihn plötzlich umgaben, stammten nicht von der Laterne und den Bäumen. Sie waren vorher nicht da gewesen. Sie hatten ein Eigenleben und tanzten um ihn herum.

»Was wollt ihr?«, schrie er und ließ sein Schwert ein paarmal durch die Luft sausen.

Es traf Zweige, Blätter und dünnes Astwerk, aber die Schatten waren damit nicht zu beeindrucken. Näher und näher kamen sie, umringten ihn, drängten sich dicht an ihn heran. Er spürte die Kälte, die von ihnen ausging. Aber auch etwas Klebriges, das ihn an feines Gespinst erinnerte.

Er versuchte, ihren Kokon zu durchdringen, dabei kam es ihm so vor, als würde er sich mit jeder Bewegung mehr darin verheddern. Sein Schwertarm, seine Beine … alles wurde schwerer und schwerer. Bald konnte er keinen Schritt mehr setzen. Sie spannen in ein! Die Erkenntnis kam zu spät, als dass er etwas dagegen unternehmen konnte. Wehrlos war er ihnen ausgeliefert.

Dafür waren die Schreie der Todeskrähen verhallt. Was hatte das zu bedeuten? War das die Stille, bevor sie sich auf ihn stürzen würden?

Er hielt noch immer die Laterne in der Hand, aber ihr Licht nützte ihm nicht viel. Das Glas war ebenso von den klebrigen Schattenfäden umhüllt wie er selbst. Dabei hatte er das Gefühl, dass sie ihn nicht festhielten, sondern ihn forttrugen. Ihm war, als würde er schweben. Was hatte das alles zu bedeuten? Betrachteten sie ihn als Beute? Verschleppten sie ihn in das Innere des Waldes? Und dennoch, er spürte nicht das geringste Bedauern, den Weg hierher gewagt zu haben. Ohne die Erkenntnis, die Antwort, nach der er so lechzte, würde er sowieso sein altes Leben nicht mehr fortführen können.

Sein Leben, es war ihm nicht gleichgültig, aber sollte es hier ein Ende finden, so würde er es akzeptieren.

Plötzlich fand das Gefühl zu schweben ein jähes Ende. Er fiel zu Boden. Die Laterne musste er loslassen, um sich abzufangen. Ihre Flamme verlosch nun vollends.

Dafür durchdrang jetzt ein anderes Licht die Spinnfäden. Es war von einem eigenartigen flirrenden Grün. Sir Roderick versuchte, das Schattengespinst abzustreifen und war verwundert darüber, wie leicht es plötzlich ging. Er hatte sogar den Eindruck, als würde es von selbst von ihm abfallen.

Als er sich befreit hatte, erkannte er, dass er sich auf einer Lichtung befand. Ein einziger knorriger Baum stand in der Mitte. Er war nicht sehr hoch, überragte ihn noch nicht einmal. Das flirrende Leuchten ging von ihm aus. Sir Roderick hatte Mühe, hineinzublicken, so sehr blendete es ihn. Erst als er die Augen zusammenkniff, erkannte er, dass der Baum …

… seltsam war. Und erst beim zweiten Hinsehen begriff er, dass es sich gar nicht um einen Baum handelte, sondern um …

… etwas anderes. Etwas Lebendiges! In der knorrigen Borke glaubte er eine missmutig dreinschauende Fratze auszumachen. Augen, Nase und ein Schlitz mit nach unten gezogenen Mundwinkeln.

»Wer ist er?«, fragte das Wesen.

»Sir … Roderick Blackstone«, sagte er mit fester Stimme. »Und was – wer …« Er geriet ins Stocken. Was war das für ein Ding?

»Seinen Namen kenne ich. Er ist Schall und Rauch. Wer ist er?«, wiederholte es unwirsch.

»Du meinst, wer ich bin? Was mich in diesen Wald treibt? Nun, ich bin ein Mann der Aufklärung. Ein Wissenschaftler. Ein Forschender …«

»Genug! Es langweilt mich.« Das baumartige Wesen erzitterte, und seine Blätter raschelten. Aber waren es überhaupt Blätter? Sir Roderick gewöhnte sich immer mehr an das eigenartige grüne Licht, und er musste sich korrigieren: Das waren Augen, keine Blätter, und vielleicht waren es auch keine Äste und Zweige, wie er zunächst vermutete hatte, sondern ein Geflecht aus dicken und dünnen Adern …

»Was willst du dann hören?«, fragte Sir Roderick ungehalten.

»All das war er. Aber was ist er?«

»Ein … ein Zweifelnder«, gestand Roderick.

»Und was sieht er?«

»Was ich sehe?«, wiederholte er verwundert. »Ich sehe dich. Bist du ein Baum? Nein, es gibt keine sprechenden Bäume, nicht wahr?«

»Genug!«, entschied das Wesen und vollführte mit einem der Äste eine herrische Bewegung. »Er sieht eine Spiegelung seines Inneren: Es ist hässlich, es ist verschrumpelt wie eine alte Frau, es ist mickrig …«

Sir Roderick durchfuhr es wie ein Blitz: »Du bist … das Herz der Erkenntnis?«

Er fühlte sich betrogen. Er hatte nicht gewusst, wie es aussehen würde, aber ganz gewiss hatte er nicht mit solch einem Geschöpf gerechnet. Er spürte, wie die Enttäuschung die Wut in ihm entfachte.

Die Kreatur begann weiter zu schrumpfen, und er begriff, dass sie auf seine Gefühle reagierte. Und so sehr sich auch alles in ihm dagegen sträubte: Sie waren eins – er und … es.

»Ich weiß, was er wollte«, lästerte das Geschöpf. »Er ist hier reinspaziert, herrisch und arrogant wie stets, und wollte sich nehmen, was ihm seiner Meinung nach zusteht …« Das Wesen gab ein raschelndes Geräusch von sich, das Sir Roderick als spöttisches Lachen deutete. »Diesem Wald kann er nichts entreißen, was er ihm nicht freiwillig gibt. Den Todeskrähen war er nicht unrein genug, mir ist er nicht demütig genug.«

»Demut ist ein Ausdruck der Schwäche!«

»Und doch zweifelt er?«

Sir Roderick presste die Lippen zusammen. So hatte er sich das Herz der Erkenntnis nicht vorgestellt. Nicht so, dass er vor ihm zu Kreuze kriechen musste.

»Ich gehe wohl besser wieder«, entschied er.

»Er weicht der Erkenntnis aus?« Die Stimme klang nun voller Spott und Hohn. »Der starke Sir Roderick verspürt Furcht? Hat er Angst vor der Wahrheit?«

Sir Roderick senkte den Kopf. »Ich habe immer nur an das geglaubt, was ich sah. Daher habe ich mein Leben der Wissenschaft gewidmet. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich mir nicht sicher …«

»Weil er es nicht kennt und es nicht in Formeln auszudrücken vermag, noch in seinen schlauen Büchern etwas dazu findet, ist es ihm fremd. Und dennoch existiert es, sonst wäre er nicht hier.« Das Geschöpf begann wieder zu wachsen. Nun war es bereits einen Kopf größer als Roderick. »Sei er ehrlich zu sich selbst. Nenne er den Namen, der ihn hierhergetrieben hat!«

»Merryl«, antwortete Roderick leise.

Sein Stolz war wie fortgeblasen, seine Unsicherheit größer denn je, und dennoch schoss die Kreatur vor ihm geradezu in die Höhe. Weil ich wahrhaftig bin, erkannte Roderick. Weil ich endlich aufrichtig bin.

»Will er wissen, ob sie eine Hexe ist? Die Antwort kann ich ihm nicht geben.«

»Nein, ich will wissen, ob meine Zuneigung, die ich bei ihrem Anblick empfinde, unrecht ist.«

Das Geschöpf schrumpfte erneut. »Er nennt es Zuneigung? Ist es nicht mehr?«

»Also schön«, bekannte Roderick. Er zögerte noch immer, es beim Namen zu nennen. Endlich aber presste er es heraus: »Nenn es meinetwegen – Liebe!«

»Kann Liebe etwas Unrechtes sein?«

»Ich weiß es nicht! Ich bin zu unerfahren in diesen Dingen!«

»Und ausgerechnet von mir will er eine Antwort? Ich bin kein Mensch!«

»Du bist die Erkenntnis!«, beharrte Roderick.

»Hat er es noch immer nicht begriffen? Die Erkenntnis liegt in ihm selbst!«

»Nur einen Hinweis!« Sir Roderick flehte nun fast. »Die Gewissheit, dass ich auf dem richtigen Pfad bin.«

»Nun gut, aber jeder Rat verlangt seinen Preis!«

»Ich bin gewillt, ihn zu zahlen!«

»Auch, wenn er nicht ihn betrifft, sondern seine Nachkommen?«

»Was scheren mich meine Nachkommen?« Roderick schrie es fast hinaus. Seine Geduld war erschöpft, zerrte nicht nur an seinen Nerven, sondern auch an seinem Verstand. Je länger er sich mit dem Geschöpf unterhielt, desto mehr spürte er, wie es seine Tatkraft schwächte.

»Der Preis ist, dass jede Generation mindestens ein Mitglied hervorbringt, das von unserem Blute ist.«

»Von unserem Blut?«

»Dämonenblut.«

»Das ist …«

»Unfair? Er will also behaupten, die Menschen stünden über den Dämonen?«

»Nein, das steht mir nicht zu. Aber gut, ich gehe den Pakt ein. Was also rätst du mir?«