Das China Projekt - Heiger Ostertag - E-Book

Das China Projekt E-Book

Heiger Ostertag

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Beschreibung

2024 – Deutschland ist fest in chinesischer Hand. Nach Jahren der Investitionen und Übernahmen vor allem in den Schlüsselindustrien sowie flächendeckenden Einkäufen von Immobilien und Agrarland bemüht sich das Reich der Mitte vermehrt um direkten politischen Einfluss. Die aktuelle Bundesregierung wird, unbemerkt von der Öffentlichkeit, mehr und mehr zum Handlanger Pekings. Eine Gruppe von Abgeordneten der Opposition und Gewerkschaftsführer versuchen nun, den chinesischen Einfluss aufzudecken und abzuwehren. Sie stellen eine Taskforce auf, die den Kampf gegen die fremden Agenten aufnimmt. Dann überstürzen sich die Ereignisse …

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HEIGER OSTERTAG

DAS CHINA PROJEKT

HEIGER OSTERTAG

DAS CHINA PROJEKT

Thriller

swb media publishing

Die Handlung und die handelnden Personen sind frei erfunden.

Jede Ähnlichkeit mit lebenden und bereits verstorbenen Personen ist zufällig.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die über die

Grenzen des Urheberrechtsgesetzes hinausgeht, ist unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Speicherung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2018

ISBN 978-3-946686-45-3

© 2018 swb media publishing, Gewerbestraße 2, 71332 Waiblingen

Lektorat: Johanna Ziwich, Waiblingen

Titelgestaltung: Dieter Borrmann

Titelfotoanimation: © Dieter Borrmann

Satz: swb media publishing

Druck, Verarbeitung: Rosch-Buch, Scheßlitz

Für den Druck des Buches wurde chlor- und säurefreies Papier verwendet.

www.suedwestbuch.de

Inhalt

1.Kuángfēng – Orkan

2.Bēncuàn – Flucht

3.Huǒyàn – Feuer

4.Jíbìng – Leiden

5.Fènnù – Empörung

6.Kǒnghuāng – Entsetzen

7.Kǒngbù – Grauen

8.Kǒngjù – Angst

9.Die zehn Höllen: Dizang – Wànsǐ – Tod

Die neue gelbe Gefahr? Eine Analyse

1. Kapitel

Die acht Unsterblichen: Cao Guojiu

Kuángfēng - Orkan

Regierung widerspricht Opposition scharf. Kontakte mit Peking sind keine Einbahnstraße! Wie Regierungssprecher Saubert mitteilte, sei Kanzler Hillger Anfang des Monats lediglich zu Sondierungsgesprächen nach China gereist, von einer Einflussnahme auf die deutsche Politik seitens der dortigen Staatsführung könne nicht die Rede sein. Äußerungen von AfD, Linken und Grünen im Bundestag, Hillger sei Sprachrohr und Marionette der chinesischen Großkonzerne, seien eine bösartige Verleumdung und der Würde des Hauses nicht angemessen.

Tagesspiegel Berlin, 2. Mai 2023

Kuángfēng – Orkan

Der Befehl war am frühen Morgen gekommen: Take off 12.00! Pünktlich am Mittag starteten die Maschinen von ihrer Trägerbasis. Steil hoben sie sich in die Luft. Der Kurs ging schräg der Sonne entgegen nach Südsüdosten, mitten hinein in eine dunkel drohende Schlechtwetterfront. Der Target-Point würde in 22 Minuten erreicht sein.

Kapitän Peter Hansen betrachtete aufmerksam den Horizont. Dunkle Wolken zeigten sich überraschend im Nordosten. Finsterschwarze Haufenwolken, in denen gelbliche Streifen zu sehen waren und die schnell näherkamen. Es blitzte, Donner rollte – das Wetter schlug endgültig um. Hansen strich sich über den Bart und holte aus seiner Brusttasche ein silbernes Etui hervor. Diesem entnahm er eine Zigarette und zündete sie bedächtig an. Ein plötzlicher Wetterwechsel, etwas Normales in diesem Teil des Indischen Ozeans. Besonders die Straße von Malakka, durch die die „Golden Horn“ soeben fuhr, war für diese Phänomene bekannt.

Draußen kam jetzt ein kräftiger Wind auf. Das Meer wurde unruhig und bildete immer höhere Wellen. Hansen nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. Er kannte das Schiff wie seine Westentasche, ob Sturm oder nicht, die 250.000 Bruttoregistertonnen würden auf Kurs bleiben und mitsamt ihren 20.000 Containern und den Passagieren in zwei oder spätestens drei Tagen den Hafen von Singapur erreichen. Der Zweitakt-Dieselmotor mit dem Festpropeller hielt die „Golden Horn“ auf Kurs und trotzte allen Wellen.

Der Seegang nahm zu, das riesige, 420 m lange Schiff rollte in der schweren, grüngrauen See. Hansen grinste. Den Reisenden auf dem Kapitänsdeck schmeckten die ständigen Bewegungen sicher wenig. Der eine oder andere würde Neptun kräftig opfern – die Mittagszeit war gerade vorüber! Merkwürdige Leute, ständig mit ihrem Tablet und Smartphone beschäftigt; sogar beim Essen in der Kapitänslounge hatte die Mehrheit mit ihren Geräten herumhantiert. Allesamt Anzugträger, sieben Herren, dazu eine Business-Lady, Frau Dr. Menhardt. Eine attraktive Blonde, die eindeutig das Sagen hatte und ihre Männer auf der bisherigen Reise ständig herumkommandiert hatte. In Kapstadt war die Gruppe an Bord gekommen. Drei Deutsche, ein Australier und zwei Chinesen gehörten zu ihr. Und natürlich Frau Dr. Menhardt. Offiziell vertraten sie verschiedene große Firmen, die – soweit er es mitbekommen hatte – mit Rohstoffhandel zu tun hatten. Von Singapur wollte die Gruppe weiter nach Hongkong. Warum die acht nicht gleich geflogen waren und sich den Strapazen einer Seereise unterzogen hatten, war Hansen unverständlich.

Das Schiff schwankte von Steuer- nach Backbord. Schaumstürze schossen über das Deck, die Gischt machte die Sicht fast unmöglich.

„Maschinen drosseln auf halbe Kraft“, gab Hansen das Kommando. Er musste brüllen, so laut war es mittlerweile geworden. Das Sicherheitsglas dämpfte kaum das blecherne Knattern des Sturms und das dumpfe Grollen des Gewitters. Plötzlich mischte sich ein anderer Ton in das Brausen. Kapitän Hansen horchte auf. Das Geräusch kannte er, ein Düsenjet oder mehrere Maschinen überquerten in sehr geringer Höhe das Schiff. Ein Aufklärungsflug, was sollte das? Er befand sich weitab der Küste in internationalen Gewässern. Hansen drehte am Funkgerät, die einzelnen Frequenzen lieferten Störgeräusche, einen Kontakt konnte er vergessen. Wieder donnerte eine dunkle Silhouette über das Schiff hinweg. Dabei fiel etwas Schwarzes herab – und explodierte mittschiffs! Verdammt, der Kerl bombardierte sie! Der Kapitän starrte einen Augenblick in die hellen Flammen der Explosion, die ihre gelbroten Feuerzungen in die Nacht reckten. Dann griff er hastig zum Mikrofon.

„Brand mittschiffs. Alle Mann an Deck und löschen.“

Knapp eine Minute später war die Crew an Deck. Die Männer rannten zum Brandherd und begannen mit den Löschgeräten Trockenpulver in die Glut zu spritzen. Qualm stieg auf, offenbar gelang es ihnen, mit Hilfe der vom Himmel stürzenden Wassermassen den Brand einzudämmen. Während er das Tun beobachtete, öffnete sich die Außentür und in einem Schwall von Regen drängte Frau Dr. Menhardt, die Business-Lady, in die Steuerkabine.

„Für Passagiere off Limit!“, knurrte Hansen barsch. Eine Frau konnte er hier augenblicklich wirklich nicht gebrauchen.

„Wir sind von einem Kampfflugzeug angegriffen worden, Kapitän, richtig?“

„Ein Irrtum offenbar, wir versuchen, mit dem Piloten Funkkontakt aufzunehmen.“

„Kapitän, ich will mich nicht in Ihre Angelegenheiten mischen. Aber ich empfehle Ihnen, schleunigst die Rettungsboote klar zu machen und von Bord zu gehen. Das ist unsere einzige Chance!“

„So ein Blödsinn …“

Hansen konnte seinen Satz nicht beenden, denn wieder übertönte das ungeheure Donnern eines Jets jedes andere Geräusch. Beinahe schien die Maschine das Dach zu streifen, so knapp flog der Pilot über die Kajüte hinweg. Dann löste er seine Bordwaffen aus und feuerte mitten hinein in die mit der Löschung beschäftigten Männer.

„Herr Gott, das ist ein Massaker. Ich fürchte, Sie haben recht!“

Hansen griff erneut zum Mikrofon:

„Alle Mann in die Boote!“

Er wandte sich um zu Frau Dr. Menhardt.

„Kommen Sie!“

Aber die Business-Lady hatte die Kabine bereits verlassen. Hansen folgte ihr und eilte über das Deck in Richtung Mittschiffs, um nach seinen Männern zu schauen. Was er sah, war knapp über ihm die Silhouette eines Stealth-Kampfjets vom Typ J-33. Mit einem ungeheuren Krachen schoss eine SideWinder heran und verwandelte das gesamte Oberdeck in ein höllisches Flammenmeer. Ein weiterer Treffer unter der Wasserlinie besorgte den Rest. Das riesige Containerschiff sackte zur Seite.

Eine Viertelstunde später war von der „Golden Horn“ nur noch ein schmieriger Ölfleck zu sehen. An seinem Rand schwamm ein orangerotes Plastikrettungsboot …

*

Im 8. Stock der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt im linken der beiden über 150 Meter hohen Wolkenkratzer saßen der Leiter der hauseigenen Prüfgruppe Lothar Mirbach, sein persönlicher IT-Spezialist Uwe Brandauer sowie der interne Sicherheitschef der Prüfgruppe Georg Birkner um einen Tisch herum. Die Sekretärin hatte Kaffee und Gebäck gereicht und war dann gegangen, die Besprechung sollte intern bleiben. Eben allerdings schwiegen alle. Man blätterte in den Papieren, scrollte durch seine Whatsapp-Nachrichten und wartete. Mirbach, ein kräftiger Mann Anfang 50, der sein lichter werdendes Haar straff nach hinten gekämmt trug, schaute zum wiederholten Male auf die Uhr. Er schüttelte den Kopf und brach das Schweigen.

„Viertel nach elf, wo Frau Dr. Malquist nur bleibt!“

Mirbach griff zum Telefonhörer. Georg Birkner lehnte sich zurück. Immer das gleiche Spiel, nie war die Juristin pünktlich. Stets kam etwas dazwischen, was sie aufhielt/aufgehalten hatte. Mirbach regte sich jedes Mal aufs Neue auf, ganz anders als Uwe. Der IT-Mann war passionierter Langstreckenläufer und Volleyballer. Mittelgroß, von muskulöser, schlanker Gestalt entsprach er, bis auf die Brille, nicht im Geringsten dem Stereotyp des fülligen, bebrillten Nerds. Eben konzentrierte sich Brandauer ganz auf sein Smartphone und war auch sonst durch nichts aus der Ruhe zu bringen.

Birkner ließ seine Blicke durch das Zimmer wandern. Ein kalter, unpersönlich wirkender Raum. Stahlrohrmöbel mit blauen Polstern, an der Wand ein großflächiges, bunt gekleckstes Gemälde. Die Bank förderte junge Künstler aus der sogenannten Avantgarde. Kunst, dachte Birkner verächtlich, Honigwaben und Spritzgebäck! Gelangweilt wandte er sich ab und schaute aus dem Fenster. Die Skyline Frankfurts und seiner grünen Lungen. Das Hochhaus stand an der Taunusanlage nahe der Alten Oper, am Beginn der Mainzer Landstraße und an der Grenze zum Westend. Die Türme, im Haus auch als Soll und Haben oder Zwillingstürme bezeichnet, besaßen einen unregelmäßigen, jedoch in sich gleichen Grundriss mit vielen 45°-Winkeln und waren im Abstand von dreizehn Metern um den Mittelpunkt des Komplexes punktsymmetrisch angeordnet. Moderne Architektur! Das gesamte Gebäude-Ensemble bestand aus einem viergeschossigen Sockelbau und den Doppeltürmen, komplette Stahlbetonkonstruktionen mit vorgesetzten, verspiegelten Glasfassaden.

Alles Symbole von Geld, wirtschaftlicher Macht und politischem Einfluss. Er, Georg Birkner, befand sich mitten in diesem Zentrum. Dass er hier einmal sitzen würde, das hätte er sich vor fünfzehn Jahren, als der junge Georg kurz vor dem Abitur als Schüler gegen das Großkapital auf Frankfurts Straßen demonstrierte, gewiss nicht träumen lassen. Dann waren plötzlich beide Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ohne Mittel stand er da und ging – alle im Freundeskreis waren überrascht gewesen – zur Bundeswehr. Zum Glück war Georg verdammt fit gewesen, und was ihm an Kondition noch fehlen mochte, vermittelte ihm die harte Ausbildung bei der KSK in Calw. Glänzend geschliffen und aufgrund einiger Einsätze in Afghanistan und in Afrika kriegserfahren, doch nicht traumatisiert, war er nach zwölf Jahren als Hauptmann a.D. ins Zivilleben zurückgekehrt. Schnell fand Georg im Security-Bereich eine neue Anstellung und stieg binnen dreier Jahre zum internen Sicherheitschef der Prüfgruppe der Deutschen Bank auf. Er hatte in den letzten Jahren diverse Fortbildungen besucht und zudem noch zu Bundeswehrzeiten, parallel zum Kampf gegen die weiterhin aktiven Taliban, den IS und Boko Haram, per Fernstudium einen Abschluss in Betriebswirtschaft erworben. Groß gewachsen, schlank und trainiert sowie intellektuell gut ausgestattet konnte der aktive Kampfsportler auch auf eine weitere Karriere hoffen. Dies insbesondere, da sich die interne Prüfgruppe mit sehr speziellen Fällen beschäftigte und sozusagen, wie Mirbach gern scherzend bemerkte, eine Mischung von MI5, MI6, BND und Stasi darstellte.

Worum es bei dem aktuellen Meeting ging, wusste Georg nicht. Mirbach hatte sich bedeckt gehalten und auf seine Frage lediglich etwas von „Internen Ermittlungen“ gemurmelt. „Interne Ermittlungen“, diesen Chargon hatte Mirbach aus seiner Zeit als Chef der Frankfurter Kriminalpolizei mitgebracht. Nach einem steilen Aufstieg war er mit Anfang vierzig dort überraschend ausgeschieden, aus persönlichen Gründen, wie er betonte. Man munkelte, Mirbach habe mit der Frau des Polizeipräsidenten eine Affäre gehabt, was sich Georg angesichts der Dame nicht vorstellen konnte, ihm letztlich auch ziemlich gleichgültig war. Er schätzte Mirbach als kompetenten Fachmann und als einen Vorgesetzten, auf den man sich verlassen konnte und der seinen Leuten stets die notwendige Rückendeckung gab.

Die Tür ging auf, der ersehnte Auftritt der Hausjuristin Frau Dr. Katharina Malquist. Lange, sehr lange Beine und eine Traumfigur, kontrastiv dazu das dunkle, zu einem Knoten streng aufgesteckte Haar. Dunkelgrüne, forschende Augen, wunderbar volle Lippen, überhaupt der Mund … Georg riss sich zusammen, die Dame war kalt wie Eis und in keiner Weise für Komplimente oder für ein Lächeln zugänglich. Das hatte er bereits mehrfach erfahren. Schneekönigin hatte er sie für sich getauft, kühl, unnahbar – und schön.

Mirbach sprang auf und begrüßte sie überschwänglich, was sie kaum zur Kenntnis nahm. Brandauer legte sein Phone zur Seite und grinste breit. Georg selbst hob die Hand zum Gruß, was mit einem knappen Nicken erwidert wurde.

„Meine Herren, Sie entschuldigen meine leichte Verspätung. Es hat sich etwas von Bedeutung ereignet“, ergriff Dr. Malquist sofort das Wort. „Etwas, das die Lage verändert und seitens der Bank eine Neubewertung erforderlich werden lässt.“

„Was muss neu bewertet werden?“, unterbrach Mirbach den Redefluss. „Sie sprechen in Rätseln, könnten Sie bitte konkret werden.“

Die Juristin warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, fasste sich kurz und begann einen Abriss des Hintergrunds ihrer Aussagen zu geben.

„Sie alle kennen unsere ökonomische Lage. Die deutsche Wirtschaft boomt im zehnten Jahr hintereinander, der Exportüberschuss steigt, trotz aller Proteste der EU-Partner und der Amerikaner sowie der Engländer in immer schwindelerregendere Höhen. Die Schattenseiten allerdings, von denen die Öffentlichkeit nichts weiß, offenbaren neuere Studien unserer Bank.“

Sie holte einen Chip aus ihrer Handtasche hervor und reichte ihn Brandauer, der diesen in den zum Raum gehörigen Rechner steckte, einen Beamer anschaltete und eine Leinwand hochfuhr.

„Präsentation Volkswirtschaft“, wies Dr. Malquist ihn an. In Sekundenschnelle produzierte der Beamer eine Reihe von farbigen Grafiken mit Wirtschaftsdaten und Verteilungsdiagrammen.

„Es geht vordergründig um die aktuelle Lage unserer Volkswirtschaft“, begann Malquist. „Offensichtlich bleibt der erwirtschaftete Wohlstand nicht im Land. Fast 30 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung ist auf staatliche Hilfen angewiesen, auch der Bundeshaushalt gerät trotz hoher Steuereinnahmen zusehends in eine Schieflage. Die Ursachen für die Situation sind auf den ersten Blick nicht deutlich und der Öffentlichkeit und weiten Teilen der Politik nicht bekannt. Kaum jemand hat mitbekommen, dass in den letzten zwanzig Jahre nahezu jede Schlüsselindustrie und viele kleine und mittelständische Unternehmen über Mittelsmänner und Konsortien in den Besitz chinesischer Großanleger übergegangen sind. Das gilt inzwischen auch für einen Großteil des städtischen Wohnraums in den großen Metropolen Hamburg, Berlin, München und Köln. Agrarland und andere Formen von Grund und Boden sind vielerorts, vor allem in den neuen Bundesländern, von chinesischen Investoren übernommen worden. Wenn es Berichte über diese Entwicklung gibt, bleiben diese unter Verschluss beziehungsweise liegen nur einem sehr kleinen Kreis von Menschen aus Wirtschaft und Politik vor. Ich nenne einige Beispiele.“

Diverse Textanalysen wurden eingeblendet und durch eine Computerstimme vorgetragen: „Deutschland führt in der Gunst der Investoren aus Fernost, weil der hiesige Mittelstand das bietet, wonach die Chinesen suchen: Technisch exzellente Unternehmen, die in ihrer Nische oft Weltmarktführer sind. ‚Chinesische Unternehmen wollen in der industriellen Hierarchie eine Stufe höher springen‘, so das GIGA Institut für Asien-Studien in Hamburg.“

Es folgte ein Artikel zum Immobiliensektor.

„Anleger aus China, Südkorea und Singapur interessieren sich demzufolge für den Immobilienmarkt in Deutschland. Laut der Studie ‚Asiatische Investoren in Europa‘, die die Finanzberatung Catella durchgeführt hat, ist auch der schwache Euro ein Grund dafür, dass zunehmend Investoren aus China auf deutsche Immobilien aufmerksam werden. Der Markt in Deutschland ist frei zugänglich und bietet für die ausländischen Anleger transparente Strukturen. Auch das Rendite-Risiko-Profil ist für die asiatischen Investoren sehr attraktiv.“

„Sie sehen“, kommentierte abschließend Frau Dr. Malquist, „noch nie haben sich chinesische Firmen so massiv in Deutschland eingekauft wie in den vergangenen zwei Jahren. Bei 168 Unternehmen stiegen laut einer internen Studie der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young Eigentümer aus dem Reich der Mitte ein – 80 Prozent mehr als in dem entsprechenden Zeitraum zuvor. Das Investitionsvolumen wuchs dabei um mehr als das 30-fache auf 25,6 Milliarden Dollar. Gemessen an der Zahl der Übernahmen ist China inzwischen der größte Investor in Deutschland. Die Fakten sprechen also für sich“, schloss die Juristin ihren Vortrag.

„Was macht Berlin?“, warf Georg ein. „Da muss doch drauf reagiert werden!“

„Das Wirtschaftsministerium und das Außenministerium haben mit den dargestellten Entwicklungen keine Probleme. Offiziell rühmt man die hohe Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland und spricht von Wachstumsprozessen. Nur eine Handvoll Fachleute und Politiker beäugt die strategische Investment-Offensive mit wachsendem Argwohn. Dort ist man überzeugt, China gehe es bei seiner globalen Expansion vor allem um den Erwerb von Knowhow und Schlüsseltechnik. Rund die Hälfte der deutschen Übernahmeziele im vergangenen Jahr waren Hochtechnologiefirmen. Das ist in Berlin bekannt, doch seitens der Bundesregierung ist kaum etwas passiert. Ein paar Prüfverfahren wurden eingerichtet. Ansonsten setzt man aufgrund der Lage in den USA und in Großbritannien zusehends auf die chinesische Karte und lässt den Investoren freie Hand. Die Chinesen haben dies längst erkannt und ihre strategischen Ziele entsprechend angepasst und ausgebaut. Präsentation Deutsche Bank“, forderte Dr. Malquist Uwe Brandauer zum Dateienwechsel auf. Ein kompliziertes Diagrammsystem wurde sichtbar.

„Unser Haus ist in unterschiedlichen Branchen mit vielfältigem Engagement beteiligt und in den letzten zwanzig Jahren zum aktiven Global Player geworden. Über die geostrategische Ausrichtung wird im Aufsichtsrat und in der übrigen Führungsetage derzeit heftig diskutiert. Darin liegt ein gewisser Sprengstoff verborgen. Es gibt natürlich diverse Anteilseigner, darunter zwei Großaktionäre, nämlich China und Qatar. Beide verfügen über Aktien knapp unterhalb der bekannten 10 Prozent Marke. Schon vor sieben Jahren prüften die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank, ob sie die chinesische HNA Group sowie die qatarische Herrscherfamilie über ein sogenanntes Inhaberkontrollverfahren näher unter die Lupe nehmen sollten. Damals lag beim Landgericht Frankfurt eine Klage vor, die beiden Großaktionäre würden mehr Einfluss auf die Bank haben als bekannt sei und ihnen zustünde. Die HNA Group hat sich seit ihrem Einstieg bei der Bank 2017 in mehreren Schritten 9,9 Prozent der Anteile gesichert und ist damit zum größten Einzelaktionär geworden – bewusst unter der genannten Schwelle von 10 Prozent, ab der die Bankenaufseher ein Inhaberkontrollverfahren einleiten würden. Eine solche Prüfung soll sicherstellen, ob Eigentümer verlässlich sind, woher ihre finanziellen Mittel stammen und welche strategischen Ziele hinter einem Investment stecken. Zwei Mitglieder der qatarischen Herrscherfamilie Al-Thani halten über ihre Investmentfonds offiziell 6,1 Prozent der Anteile. Über Optionen sollen sie aber ebenfalls knapp unter 10 Prozent liegen.“

„Ist ein Inhaberkontrollverfahren nicht auch unterhalb dieser Schwelle möglich?“, fragte Georg. „Meines Wissens ist das der Fall, wenn ein Anteilseigner maßgeblichen Einfluss auf eine Bank ausüben kann.“

„Das ist richtig“, gab Dr. Malquist zurück. „Auf jeder der vergangenen Hauptversammlungen der letzten Jahre haben Qatar und HNA gleich abgestimmt, eindeutig ein Hinweis auf eine Absprache. In Finanzkreisen gibt es gewisse Informationen, wonach schon 2018 feste Kontakte zwischen Arabern und Chinesen hergestellt worden sind. Offiziell gibt es dazu natürlich keine Angaben. Auf den jüngsten Hauptversammlungen wurden drei Mitglieder in das zentrale Kontrollgremium der Bank gewählt, die sich der HNA und Qatar zuordnen lassen. Dennoch kam ein Inhaberkontrollverfahren im Auftrag der EZB über die deutsche Finanzaufsicht Bafin zum Ergebnis, es lägen keine Anzeichen für einen Missbrauch vor und man begrüße ausländische Investoren grundsätzlich bei deutschen Banken.“

„Also gab es kein Kontrollverfahren?“, hakte Mirbach nach.

„Nein, das gab es nicht. Ein unerlaubtes gemeinsames Vorgehen der beiden Großinvestoren könne man nicht erkennen, teilte die Bafin mit. Eine Gruppe im Aufsichtsrat um den Gewerkschaftler Zirske sieht das problematisch. Vor allem, weil HNA seine Beteiligung an der Deutschen Bank zum großen Teil mit Fremdkapital und Derivaten der UBS finanziert hat. Das macht die ganze Angelegenheit nicht gerade vertrauenswürdig. Wegen all diesem stehen Zirske und seine Mitstreiter in engem Kontakt zu bestimmten, das Chinageschäft kritisch betrachtenden Kreisen in Berlin. Letzte Woche erst wurde eine Delegation nach Singapur gesandt, um dort mit Vertretern der HNA und der chinesischen Regierung über die Thematik zu sprechen.“

„Und was haben wir damit zu tun?“, fragte Brandauer. „Sollen wir ein eigenes Kontrollverfahren durchführen? Dafür fehlen uns die Mittel und wohl auch die Kenntnisse.“

„Da kann ich Sie beruhigen“, erwiderte die Juristin. „Unser Auftrag hat eine ganz andere Brisanz.“

„Welcher Auftrag?“, intervenierte Mirbach. „Anweisungen laufen einzig und allein über meine Ebene, Frau Dr. Malquist!“

„Sie mögen sonst recht haben, aber ich fürchte, in diesem speziellen Fall nicht. Wir sind aufgefordert worden …“

Weiter kam sie nicht, denn die Tür wurde geöffnet und zwei Unbekannte traten herein.

Der eine war ein blonder Hüne von gut 1,98. Bärtig, braungebrannt und mit der Muskulatur eines Zehnkämpfers gesegnet. Neben ihm zeigte sich eine schmale junge Frau, deren etwas dunklerer Teint und nachtschwarze Haare einen Migrationshintergrund vermuten ließen.

„Lehmann, BND, meine Kollegin Frau Bengüren“, stellte er sich vor. „Wir müssen dringend mit Frau Dr. Malquist reden.“

Mirbach wollte schon wegen der Störung aufbrausen, doch die Juristin kam ihm zuvor.

„Setzen Sie sich bitte, das, worum es wohl geht, lässt sich im Sitzen besser besprechen. Ich wollte meine Kollegen ohnehin soeben informieren.“

„Sie wissen also bereits Bescheid?“, fragte der BND-Mann verblüfft und ließ sich in einen der Sessel fallen. Frau Bengüren nahm ebenfalls Platz.

„Was soll ich wissen?“

„Dass die ‚Golden Horn‘ am Eingang der Straße von Malakka vom Radarschirm verschwunden ist!“

„Wann soll das gewesen sein?“

„Vor zwei Tagen“, gab diesmal die Deutschtürkin Auskunft.

„Das ist völlig unmöglich. Ich habe erst gestern Morgen mit der Kollegin Menhardt telefoniert.“

„Gestern Morgen, sagen Sie? Um welche Uhrzeit?“, hakte Frau Bengüren nach.

„Um neun.“

„Also etwa gegen 14 oder 15 Uhr Ortszeit“, kommentierte Georg.

„Wann soll das Schiff genau untergegangen beziehungsweise verschwunden sein?“, fragte die Juristin. Sie war ganz blass geworden, ihre Stimme zitterte und ihre sonst gezeigte Gelassenheit wirkte wie weggeblasen.

„Am 30. April um 13.30 Uhr Ortszeit“, antwortete der BND-Mann. „Sie können also nicht mit Frau Menhardt telefoniert haben“, fügte er hinzu. „Es sei denn, die Dame hätte den Untergang überlebt. Aber das hätte sie Ihnen sicher mitgeteilt, oder?“

„Natürlich.“

„Vielleicht befand sich Frau Menhardt überhaupt nicht an Bord?“, warf Georg ein.

„Was wissen Sie schon?“, fuhr ihn die Juristin an. „Sie haben keine Ahnung, worum es geht.“

„Vielleicht klären Sie uns auf“, mischte sich jetzt Mirbach ein. „Sie waren, bevor die Herrschaften kamen, ohnehin dabei, uns zu bestimmten Dingen einen Überblick zu verschaffen. Ich denke, das steht im Zusammenhang mit Ihren Erklärungen und könnte eventuell auch die berufsbedingte Neugier unserer Besucher befriedigen.“

Dr. Malquist zögerte einige Sekunden. Man sah ihr an, dass sie das Für und Wider einer Information abwog. Als sie schließlich zu sprechen anfing, war Georg sicher, dass sie nur einen Teil der Wahrheit offenbaren werde.

„Ich hatte Ihnen vorhin mitgeteilt, dass eine Delegation nach Singapur gesandt wurde, um dort mit Vertretern der chinesischen Regierung zu sprechen.“

„Über was sollte verhandelt werden?“, wollte Lehmann wissen.

„Ich weiß nicht, ob Sie befugt sind, darüber genauer informiert zu werden“, gab die Juristin scharf zurück.

„Wir sind befugt“, sagte Frau Bengüren ruhig. „Aber fahren Sie fort. Wir werden später nachfragen.“

Mit einem verärgerten Blick auf die BND-Frau sprach Dr. Malquist weiter.

„Die Delegation flog über Kairo nach Kapstadt und sollte dort mit der ‚Golden Horn‘, dem derzeit größten Containerschiff der Welt, nach Singapur reisen. Eine Sicherheitsmaßnahme. Kurz vor der Abreise rief mich Erika, also Frau Menhardt an. Sie war ziemlich aufgelöst und meinte, sie werde verfolgt. Dann wurde das Gespräch unterbrochen. Ich machte mir Sorgen. Ein anderes Mitglied der Delegation, mit dem ich einen Tag später telefonierte, teilte mir mit, dass es keinen Anlass zur Beunruhigung gebe, Frau Menhardt befände sich an Bord. Ich bat um Rückruf und dieser erfolgte gestern Morgen.“

„Sie haben wirklich mit Frau Dr. Menhardt gesprochen?“, fragte Lehmann.

„Ganz gewiss, ich kenne doch ihre Stimme.“

Alles schwieg nachdenklich. Etwas stimmte nicht an Dr. Malquists Geschichte, dachte Georg. Was dies war wusste er allerdings nicht.

Der BND-Besuch stellte ein weiteres Dutzend Fragen zum Auftrag der Delegation, erfuhr allerdings nicht mehr als das, was die Juristin bereits mitgeteilt hatte. Ihre Aufgabe sei es, erläuterten die beiden kurz, den Hintergrund des Untergangs aufzuklären. Es gäbe einiges, was nicht stimmig sei. So habe es kein SOS-Signal gegeben und der Aufklärer, den die Luftwaffe von ihrem Stützpunkt in Somalia unmittelbar nach Verschwinden der „Golden Horn“ in die Region entsandt habe, hätte am Ort der letzten Position lediglich einen riesigen Ölfleck gesichtet. Es gehe immerhin um zwei Dutzend Tote und den Verlust eines Schiffes im Wert von über 100 Millionen Euro. Schließlich brachen die Nachrichtendienstler auf, wobei ihnen ihre Unzufriedenheit mit dem Gespräch deutlich anzumerken war.

„Wir werden nochmals auf Sie zukommen“, kündigte Frau Bengüren zum Abschied an und es klang fast wie eine Drohung.

Die Tür schloss sich.

„Können Sie uns erklären, was hinter diesem Besuch steckt?“, wandte sich Mirbach an Dr. Malquist.

„Gleich“, erwiderte sie kurz. Die Juristin wartete eine gute Minute.

„Ich will sicher sein, dass sich unsere Gäste wirklich verabschiedet haben“, erklärte sie dann. „Die Angelegenheit ist komplex und ich fürchte, dass es zu schwierig wäre, dem BND den Hintergrund zu erklären. Zumal es gute Gründe gibt, den Staat und seine Organe nicht immer über alles detailliert zu informieren.“

„Soweit kann ich Ihnen folgen“, sagte Mirbach, „ansonsten sprechen Sie in Rätseln. Geht es etwas konkreter?“

„Moment“, schaltete sich Georg ein. „Ich kann nicht folgen. Eben sagten Sie, der Staat müsse nicht über alles Bescheid wissen. Und vorhin, bevor unser Besuch kam, berichteten Sie, Teile des Aufsichtsrates, darunter der Gewerkschafter Zirske und seine Mitstreiter, seien über eine denkbare chinesische Infiltration besorgt und stünden in engem Kontakt zu Berlin. Wie passt das zusammen?“

„Meine Aussagen sind korrekt“, gab die Angesprochene zurück. „Wir stehen in engem Kontakt mit einem hochrangigen Mitarbeiter des Finanzministeriums. In seiner Abteilung misstraut man dem Wirtschaftsministerium wie auch dem Innenminister und dem BND, da man davon ausgeht, sowohl im Ministerium als auch in der ihm untergebenen Bundesbehörde habe sich eine starke Chinalobby installiert. Dies gilt auch für die Bundesregierung.“

„Das Kanzleramt ist nicht eingeweiht worden?“, fragte Mirbach ungläubig.

„Korrekt, weder Kanzler Hillger noch sein Kanzleramtschef Spahn wurden informiert. Es handelt sich um eine völlig interne Aktion. Anders wäre ein solches Vorhaben auch nicht möglich gewesen. Denn sonst wäre der Personenkreis, der Bescheid wusste, erheblich vergrößert worden. Die Gefahr, dass die chinesische Seite vorab in Kenntnis gesetzt würde, schien uns zu groß. Wir wissen nicht, ob und wie sie bereits im Regierungsapparat Fuß gefasst haben. Daher wurden zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für erforderlich erachtet, für die unsere Gruppe zuständig sein wird.“

„Ihr Auftraggeber misstraut also allem und jedem, auch der Regierung“, stellte Mirbach fest. „Wer hat das Ganze überhaupt geplant?“, forschte er weiter. „Für Sicherheitsfragen innerhalb des Hauses ist unsere Gruppe zuständig, aber sonst?“

„Unser Auftrag wird diesmal weiter gesteckt sein und völlig im Geheimen angelegt und durchgeführt werden. Das sind die Bedingungen.“

„Das haben Sie ohne Rücksprache mit mir akzeptiert?“

„Ich habe unsere Abteilung repräsentiert“, gab Dr. Malquist gelassen zurück. „Das wurde als ausreichend erachtet, zumal man davon ausging, dass ich Sie natürlich über alles informieren und in das weitere Vorgehen einbeziehen werde.“

Unmut machte sich in der Gruppe breit. ‚Wenn das Teamarbeit war …‘, dachte Georg.

„Ehe Sie sich aufregen, meine Herren, hören Sie bitte erst einmal meinen Bericht an“, versuchte die Juristin die Wogen zu glätten. „Wir werden angewiesen, folgende Maßnahmen einzuleiten …“

*

Mr. Tan Tock Seng schaute sich in der Runde um. In dem halbverdunkelten Raum in einem der alten Häuser am Boat Quay befanden sich mit ihm fünf Männer: die Herren Lee Kuan Yew, Tan Chuan Jin und Lee Hsien Loong. Alles erfahrene Geschäftsleute im besten Mannesalter, gut beleumundete Familienväter mit weitreichenden Verbindungen. Dazu der fünfte, Lim Hng Kiang, ein jugendlicher Mittdreißiger, der aus der Politik kam und aufgrund seiner nahen Verwandtschaft mit dem Premierminister ein hohes Regierungsamt innehatte. Er selbst, Tan Tock Seng, war stiller Teilhaber mehrerer größerer Unternehmen und zweier Banken mit Sitz in Tokyo und Hongkong. Sein Vermögen, wenn es je in einer der offiziellen Listen beziffert worden wäre, betrug etwa 476 Millionen Singapur Dollar, was knapp 350 Millionen US-Dollar entsprach. Die anderen Teilnehmer konnten ähnliche Finanzwerte ihr eigen nennen. Tan Tock Seng strich sich lächelnd über seinen Bauch. Der Raum barg gute 1,7 Milliarden Singapur Dollar, mithin 1,25 Milliarden US-Dollar oder in der Währung der Region, um die es bei ihrem Treffen gehen würde, 1,07 Milliarden Euro. Was solche Männer zusammengeführt hatte war natürlich das Business. Singapur gehörte zu den stärksten Wirtschaftsstaaten in Südostasien und war ein wichtiger Standort für die High-Tech-Industrie und die damit verbundene Forschung. Vor allem aber war der Stadtstaat ein zentraler Bankenstandort, und die Banker der Singapore Exchange waren immer wieder aufs Neue auf der Suche nach gewinnträchtigen Anlagen für ihr ungeheures Kapital. Dies auch, da der größte Handelspartner Singapurs China sich gern der hiesigen Möglichkeiten bediente, um vor allem in Europa gezielt in Unternehmen, Schlüsselindustrie sowie in Grund und Boden breit zu investieren. Dazu traten die Qualitäten als Tagungsort, was mehrfach bei internationalen Treffen, so 2018 bei dem sagenumwobenen zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dem nordkoreanischen Diktator, unter Beweis gestellt worden war. Deswegen waren sie heute hier zusammengekommen. Saßen in den bequemen Ledersesseln, tranken entspannt heißen Tee und aßen dazu in Honig gebackene Küchlein. Die Herren unterhielten sich leise und warteten geduldig auf Hu Jintao, ihren chinesischen Verbindungsmann aus Shanghai. Eine gute Stunde dauerte ihr Warten schon, da wurde endlich die Tür geöffnet und Hu Jintao trat ein. Er war für einen Chinesen sehr groß, fast 1,80, muskulös und trug wie die anderen Teilnehmer einen teuren italienischen Maßanzug, nur dass dieser bei ihm keinen Bauch kaschieren musste. Hu Jintao verbeugte sich kurz in Richtung des Gastgebers: „Meine Herren. Sie entschuldigen bitte die kleine Verspätung. Ich bekam die Meldung, etwas Unvorhersehbares sei geschehen …“

*

Der Abend senkte sich aufs Meer herab. Im unsicheren Licht der Dämmerung zeigte sich im Grünschwarz der Brandung ein orangefarbener Fleck, der rasch größer wurde: die Reste eines Rettungsbootes! Der obere Teil, das Schutzdach, welches es getragen hatte, war zum größten Teil aufgerissen, an der Seite klafften mehrere Risse; es schien ein Wunder, dass das Boot noch auf dem Wasser schwamm. Eine Welle erfasste es und warf das Boot hart ans Ufer.

Eine Zeit lang geschah nichts.

Die tropische Nacht zog auf und es wurde dunkel. Das Lärmen der nächtlichen Tiere, ein Keckern, Tappen und Fauchen, sowie das Geräusch der Brandung waren zu hören. Am Himmel zeigte sich die Pracht des südlichen Sternenzelts. Schließlich öffnete sich die Plane des Bootes und ein Arm streckte sich hinaus. Mit einer Hand wurde die Seite gepackt, der zweite Arm folgte, dann zog sich langsam ein Körper aus dem Innern nach oben und über die Bootskante und ließ sich in den Sand fallen. Minuten verstrichen, ohne dass er sich regte. Lediglich wenn die Gestalt atmete, liefen kleine Beben über sie hinweg. Endlich kroch sie zum Stamm einer Palme und richtete sich mit ihrer Hilfe auf. Jetzt zeigte es sich, dass es sich dem verwilderten Bart nach um einen Mann handelte. Der Gestrandete wandte sich zum Boot und rief einen Namen. „Linda!“

Nichts.

Erneut rief der Mann, wieder erfolgte keine Reaktion. Stöhnend kehrte er zum Landungsplatz zurück, wobei er zweimal beinahe umknickte. Er erreichte diesen und hielt sich für einen Augenblick an der Außenwand fest. Dann schob er die Öffnungsklappe zur Seite und beugte sich vor, um ins Innere zu schauen. Im schwachen Licht der Notbeleuchtung waren undeutlich die Konturen einer anderen Person mit langen, hellen, wahrscheinlich blonden Haaren zu sehen. Linda, die Frau, nach der der Mann gerufen hatte. Wieder nannte er ihren Namen.

„Wir sind an Land“, fügte er hinzu. „In Sicherheit.“

Ganz langsam hob die Blonde ihren Kopf und sah ihn an. Sie versuchte sich aufzurichten, kam aber nicht in die Höhe.

„Ich kann mich nicht hochziehen“, stieß sie stockend hervor. „Zu schwach. Du musst mir helfen … oder besser, hol Hilfe …“

Sie fiel in ihre liegende Position zurück.

„Geh!“

Der Mann warf ihr noch einen Blick zu, dann machte er sich taumelnd auf den Weg.

*

„Verstehe ich Sie richtig?“, hakte Mirbach nach. „Wir sollen die Arbeit der Bundesregierung überprüfen?“

„Wenn Sie das so formulieren wollen“, erwiderte Frau Dr. Malquist. „Eigentlich sollen wir klären, inwieweit der chinesische Einfluss in der Wirtschaft und vor allem in der Politik bereits gediehen ist und ob unabhängige Entscheidungen, die unseren gesamten Staat betreffen, überhaupt noch möglich sind.“

„Das ist die Aufgabe des Parlaments oder meinetwegen des Verfassungsschutzes“, mischte sich Georg ein. „Für eine derartige Tätigkeit sind wir weder personell ausgelegt noch hoheitlich befugt. Niemand ist verpflichtet, uns in irgendeiner Weise Auskunft zu geben oder uns zu unterstützen.“

„Unsere Auftraggeber gehören zum Teil dem Bundestag an“, erklärte die Juristin ruhig. „Sie argumentieren, dass ihre Beauftragung unserer Gruppe den Status von parlamentarischen Sonderermittlern zuerkennen würde. Es gelte ein Not- und Widerstandsrecht, das sie dazu befuge.“

„Und das erkennt die Regierungskoalition an?“, fragte Mirbach skeptisch.

„Natürlich nicht, aber das Grundgesetz kennt das Widerstandsrecht, das hier zur Anwendung käme. Der Artikel 20 Absatz 4 lautet: Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“

„Na ja“, blieb Mirbach skeptisch. „Erst wenn systematisch staatliches Unrecht ausgeübt wird und alle von der Rechtsordnung vorgesehenen rechtlichen Mittel keine Aussicht auf wirksame Abhilfe bieten, ist Widerstand das letzte verbleibende Mittel, um einer verfassungsfeindlichen Aktion wirksam zu begegnen.“

„Genau das zu überprüfen beauftragen uns besagte Abgeordnete“, gab Dr. Malquist lächelnd zurück.

„Juristische Spitzfindigkeiten“, brummte Mirbach. „Über die man sicher endlos debattieren kann. Das Tun und Lassen einer Regierung zu überprüfen erfordert jedenfalls breite Ressourcen. Unsere Personaldecke ist, selbst mit den Möglichkeiten der Deutschen Bank, zu dünn, um einen solch umfassenden Auftrag erfüllen zu können.“

„Das sehe ich anders“, schaltete sich erstmals Uwe Brandauer in die Diskussion ein. „Zumindest unsere IT-Abteilung ist weitaus besser ausgestattet als die Konkurrenz in Pullach, Köln oder Berlin.“

„Wenn es um Aufklärer und Aufklärung geht, ich habe gute Kontakte zur KSK nach Calw“, ergänzte Georg. „Die Kameraden unterstützen uns sicher. Und Sie haben bestimmt noch Verbindungen zur Kripo“, wandte er sich an Mirbach.

„Das ist richtig“, gab dieser widerstrebend zu. „Unter Umständen könnten wir vielleicht eine schlagkräftige Truppe zusammenstellen, ich sage ‚vielleicht‘! Aber, ehrlich gesagt, mir gefällt die Geschichte nicht. Zu viele Fronten, zu viele Unklarheiten, ein rechtlich gefährlicher Aktionsraum. Wer konkret sind die Leute, die uns beauftragen? Jetzt mal die Fakten auf den Tisch, Frau Doktor! Wir müssen wissen, mit wem wir es zu tun haben. Dann können wir entscheiden, ob wir uns so mir nichts, dir nichts beauftragen lassen.“

Die Juristin nickte.

„Ich habe damit gerechnet, dass Sie Genaueres wissen wollen und die entsprechenden Lebensläufe vorbereitet.“

Auf ihr Zeichen wurden vier Fotografien eingeblendet.

„Sie sehen die Abgeordneten Claus von Nöstler von den Grünen, Sonja Knecht von der Linken, Freya Wedel (AFD) und den Liberalen Siggi Hubitsch.“

„AFD und Grüne zusammen mit der Linken in einem Boot?“, fragte Georg ungläubig. „Bei der FDP kann mich nichts mehr schocken, aber diese Kombination hätte ich nicht erwartet.“

„Die erneute Auflage der sogenannten Großen Koalition hat die Opposition zusammenrücken lassen“, sagte die Juristin. „Hinter der Fassade des Reichstags geschieht so manches, von dem der Bürger nichts ahnt.“

Uwe Brandauer ließ die beigefügten Dokumente, Bilder, kurze Filmsequenzen, Blogs und Netzaussagen des Quartetts durchlaufen. Alle vier waren mehrfach mit wirtschaftspolitischen, durchaus kritischen Beiträgen in Erscheinung getreten, die auf gründlichen Recherchen und sauberen Analysen beruhten und sich vor allem auf den Einfluss des Reichs der Mitte auf Europa und speziell auf die Bundesrepublik bezogen. Neben den bekannten Hinweisen auf die systematische Übernahme von Schlüsselindustrien hatten sich die Abgeordneten je nach ihrer Klientel für divergente Details interessiert. Von Nöstler hatte sich insbesondere mit der Netzwelt beschäftigt. Schon vor Jahren war vom damaligen Justizminister Most ein Gesetzespaket durch das Parlament gepeitscht worden, das Zensurmaßnahmen für die sozialen Medien vorgesehen hatte, wie sie bereits in China üblich waren. Inzwischen gab es eine von der letzten aufgestellte und von der aktuellen Regierung breit ausgebaute Behörde unter der Bezeichnung Digital-Agentur. Offiziell sollte sie gegen Diskriminierung, Fake-News und Hassmails im Netz vorgehen, ihre Hauptaufgabe lag allerdings in der politischen Kontrolle und der Zensur nicht konformer Meinungen. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken, auch Netzwerkdurchsetzungsgesetz genannt, lag seit 1. Oktober 2017 ein entsprechendes Instrumentarium vor, das die Behörde immer häufiger anwandte.

Von Nöstler war es gelungen, einer intensiven Verbindung zwischen der Leiterin der Behörde Annette Kahn und der chinesischen Internet-Zensurbehörde „China Internet Illegal Information Reporting Centre“ (CIIRC) auf die Spur zu kommen.

Sonja Knechts Spezialgebiet hingegen war das Arbeitsrecht. Als Linke besaß sie eine große Affinität zu den entsprechenden Gesetzeswerken der ehemaligen DDR. Dort existierte keine wirkliche Trennung zwischen Berufs- und Privatleben. Die Akzeptanz und Umsetzung sozialistischer Wertmaßstäbe wurde folglich in beiden Sektoren gleichermaßen gefordert. Zu jedem berufstätigen Bürger gehörte daher ganz offiziell eine Kaderakte. Soziale oder politische Verfehlungen, Aufsässigkeit und angebliches Bummelantentum wurden in dieser Akte vermerkt. Ein verbrieftes Einsichtsrecht von Seiten des Arbeitnehmers existierte nicht, folglich auch keine offizielle Widerspruchsmöglichkeit. Natürlich standen die Kaderakten sämtlichen Behörden zur Verfügung. Knecht lehnte diese Form der Überwachung allerdings strikt ab und war sehr überrascht, als sie feststellte, dass in den letzten zwei Jahren nahezu in allen Betrieben mit chinesischen Eigentümern sogenannte Mitarbeiterhandbücher eingeführt worden waren. Jedes Unternehmen musste, wie in China, für jeden einzelnen Mitarbeiter ein solches Handbuch führen. Dieses war Teil des Arbeitsvertrages und regelte bis ins Detail, welche Aufgaben der Mitarbeiter hatte, was er durfte und vor allem, was ihm verboten war: Etwa, den Firmenlaptop für Spiele zu nutzen oder das Mobiltelefon für Privatgespräche. Zudem wurden ausführliche Urteile zu seiner Persönlichkeit und seinem sozialen wie politischen Verhalten in regelmäßigen Abständen zu Protokoll gegeben – eine Neuauflage der sozialistischen Kaderakte.

*

„Ihr wisst, dass alles vermieden werden soll, das unnötige Aufmerksamkeit erregen könnte“, schloss Hu Jintao seine Ausführung. „Unsere Strategien müssen lautlos und überraschend daherkommen, so wie der Tiger, wenn er des Nachts seine Beute jagt. Nicht gut war es, gleichzeitig im Immobiliensektor und in der Finanzbranche das Übernahmetempo derart anzuziehen. Die Folgen sind deutlich, die Deutschen werden reagieren.“

„Sie meinen die Delegation, die am Samstag zu Verhandlungen erwartet wird?“, fragte Tan Chuan Jin nach. „Das sind Papiertiger, keine Wölfe, mehr noch, es sind Lämmer.“

„Tan Chuan Jin hat recht, die Europäer können nur reden und reden und kommen zu keinem Ergebnis“, schloss sich Lee Hsien Loong den Aussagen an.

„Nein, Freunde, entschuldigt, wenn ich dagegen halte“, widersprach Tan Tock Seng und trank bedächtig einen Schluck Tee. „Meinem Gewährsmann nach ist man dabei, eine Spezialeinheit aufzustellen, die unserem Tun entgegenarbeiten soll.“

„Aber ist es unbedingt nötig gewesen, die ‚Golden Horn‘ zu versenken?“, ließ sich die helle Stimme Lim Hng Kiangs hören. „Mein Schwiegervater ist über die China Ocean Shipping Company an der Hapag-Lloyd mit 15 Prozent beteiligt, das ist ein herber Verlust, den ich ihm nur schwer erklären kann.“

„Es gab keinen Auftrag zur Versenkung des Schiffes“, erklärte Hu Jintao. „Wir wissen nur, dass die ‚Golden Horn‘ untergegangen ist. Durch was und wie konnte bislang nicht ermittelt werden. Sie verschwand am 30. April um 13.30 Uhr Ortszeit vom Radarschirm. Meine Regierung hat mit dem Geschehen nichts zu tun.“

„Unsere auch nicht“, sagte Lim Hng Kiang, „wobei sich natürlich die Frage stellt, wer oder was für das Geschehen verantwortlich ist.“

„Vielleicht ist das Schiff leckgeschlagen?“, schlug Tan Tock Seng vor. „Am Dienstag durchzogen mehrere Orkane die Region.“

„Ich muss Sie enttäuschen“, erwiderte Lim Hng Kiang. „Es gibt einen Film eines Patrouillenbootes, der zeigt, dass das Schiff durch eine Rotte Kampfjets vom Typ J-33 angegriffen und in Brand geschossen wird.“

„Chinesische Stealth-Kampfjets?“, fragte Hu Jintao ungläubig. „Das ist unmöglich. Unser Flugzeugträger Liaoning befindet sich zurzeit in der Ostsee und der Träger Shandong kreuzt vor der US-Insel Hawaii. Die Maschinen gehörten nicht zur Volksarmee!“

„Aber woher kamen die Jets dann? Und wer hat ihren Einsatz befohlen?”

„Jemand, der in dem Spiel kräftig mitmischen möchte“, sagte Tan Tock Seng düster, „und den wir zum Mitspielen nicht eingeladen haben.“

„Und jemand, der einen Flugzeugträger als Einsatzbasis verwendet“, fügte Hu Jintao hinzu.

*

Freya Wedel von der AFD hatte sich primär mit der Zuwanderung von Asiaten beschäftigt. Asiaten in Deutschland stammten vor allem aus Ländern wie Vietnam, China, Thailand, Indien, Afghanistan, Kasachstan, Sri Lanka, Südkorea, Japan und den Philippinen. 2011 gab es rund 1,9 Millionen Menschen in Deutschland, die von Bewohnern Südostasiens, Ostasiens, Zentralasiens oder Südasiens abstammten. 2021 hatte sich die Zahl mit 4 Millionen mehr als verdoppelt. Die größte Gruppe stellte mittlerweile China. Während im Jahr 2009 knapp 80.000 Staatsangehörige der Volksrepublik China in Deutschland wohnten, waren es 2011 mehr als 212.000 Personen mit chinesischer Abstammung in Deutschland. Die aktuellen Zahlen gingen von einer dreiviertel Million aus. Damit war die chinesische Gemeinschaft in Deutschland zur größten ostasiatischen Minderheit geworden. Wedels Aufmerksamkeit galt auch den aktuellen Firmenübernahmen und dem Ziel Chinas, bis 2050 weltweit die technologische Führung zu übernehmen. Im aktuellen Jahr hatten chinesische Unternehmen bei ihren Firmenübernahmen in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Investoren aus China und Hongkong übernahmen allein in den ersten vier Monaten 78 deutsche Firmen. Noch weit eindrucksvoller war die Summe, die die Chinesen in diesem Zeitraum für Firmenkäufe in Deutschland bereits ausgegeben hatten: 15 Milliarden Euro! Dagegen gab es in China nur wenige Übernahmen durch deutsche Firmen. „Die Situation ist asymmetrisch“, hatte die Abgeordnete den Hintergrund Dr. Malquist erläutert. „Dabei hätten auch Deutsche großes Interesse an chinesischen Firmen. Durch eine Übernahme würde man eine Vertriebsplattform, Management und Mitarbeiter gewinnen. Aber Peking schützt – im Gegensatz zu Berlin – seine Industrie. Oft gibt es schwer nachvollziehbare Ad-hoc-Verbote oder Gegenwind, deutsche Unternehmen werden dadurch bei Übernahmen in China klar behindert“, war Wedels Resümee.

Der FDP Mann Hubitsch hatte in seinen Nachforschungen den Schwerpunkt auf die Bereiche innere und äußere Sicherheit gelegt. Sein Bogen spannte sich über chinesische Wirtschaftsspionage vor allem im Agrar- und Chemiesektor bis hin zur aktuellen Militärpolitik Pekings. 300 Milliarden Euro waren in den letzten fünf Jahren durch Aktivitäten der Chinesen verloren gegangen, primär per Hackerangriff. Durch Netzaktivitäten sei es dem chinesischen Geheimdienst auch gelungen, sagte er, Spionage-Operationen des US-Geheimdienstes auf Jahre hinaus schwer zu beeinträchtigen. Insgesamt sollen im Zeitraum bis 2022 über Hundert Informanten und Agenten enttarnt und liquidiert worden sein. Auch Mitarbeiter europäischer Geheimdienste wurden ausgehoben, ein BND-Angehöriger nach internen Berichten beim Einsatz im Hof eines Regierungsgebäudes in China vor den Augen seiner Kollegen erschossen – als „Botschaft“ an andere mögliche Spione. Zusätzlich habe China seine Aufklärungsfähigkeiten durch die seit Sommer 2023 bestehende bemannte Raumstation im All ausgebaut.

„Das klingt alles nicht gut“, kommentierte Mirbach, als Dr. Malquists Bericht endete. „China hat offenbar die USA und Russland endgültig abgehängt.“

„Es kommt noch dicker“, sagte Uwe Brandauer und projizierte den nächsten Beitrag. Es war ein aus der Washington Post übersetzter Artikel, der sich auf die russische „Nesawissimaja Gaseta“ bezog.