Das Mysterium kosmischer Quellen. Ägypten – die Mutter der Welt. - Harald Stöber - E-Book

Das Mysterium kosmischer Quellen. Ägypten – die Mutter der Welt. E-Book

Harald Stöber

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Beschreibung

Wenn die moderne geisteswissenschaftliche Forschung heute darauf verweist, dass die Kulturentwicklung Europas, ja mehr oder weniger jene der ganzen Welt, ohne altgriechisches Fundament unter Hinweis auf Platon und andere nicht denkbar war, dann ist dies nur ein Teil der Wahrheit. Hierbei wird unterschlagen, dass es vor allem Platon war, der seine philosophischen Erkenntnisse erst im alten Ägypten von großen Eingeweihten vermittelt bekam, wo er sich studienhalber zehn Jahre lang aufgehalten hatte. Ohne Einweihung in die evolutionär wirkenden Mysterien des alten Orients wären die für Europa epochalen Erkenntnisse der antiken Griechen wohl nie zur Entfaltung gekommen. Fazit unseres Autors: An der intelligenten Verknüpfung von Wissenschaft und Mystik führt kein Weg vorbei.

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Harald Stöber

DAS MYSTERIUM KOSMISCHER QUELLEN

Engelsdorfer Verlag

2012

Bibliografische Information durch

die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Copyright (2012) Engelsdorfer Verlag

Alle Rechte beim Autor

Titelfoto:

Der Alabaster-Sphinx in Memphis symbolisiert König Amenophis II. der 18. Dynastie

Coverrückseite:

Isis – Mutter des Himmelsgottes Horus und Gattin des Osiris

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Prolog
1. Kapitel
Der Gottessohn Imhotep
Die Weisheitslehre des Ptahhotep
Moses – ein Eingeweihter?
2. Kapitel
Ort der Weltschöpfung – Iunu
Rê, der siegreiche Sonnengott
Gottheit Aton und Sohn Echnaton
Osiris – Großer Gott des Westens
Götter von Rang
3. Kapitel
Abydos, die heiligste Wallfahrtsstätte
Bürgerrechte für Min in Koptos
Von Homer besungen – Theben
Hermoupolis, die Stadt der acht Urgötter
Horus in Edfu
Hathôr in Dendera
Chnum in Elefantine
Memphis in Unterägypten
Ptah, der Sehr Große mit verborgenem Wesen
Epilog
Quellenanhang

Ägypten – die Mutter der Welt

Wer stets ernsthaft

ist, wird keinen

schönen Augenblick

erleben. Wer aber

stets fröhlich ist,

wird es zu nichts

bringen.

Ptahhotep

ca. 2600 v. Chr.

Gewidmet meiner

lieben Familie

und allen Freunden des

Landes am Nil.

Prolog

Das Geistwesen Siâ, welches das Gottesbuch besitzt, offenbarte am Nil der Vorzeit: »Der Herr der Götter hat geschaffen Himmel und Erde. Er hat der Wasser Gewalt gebändigt und Luft gemacht als Odem für alle Menschen, die er nach eigenem Ebenbilde schuf. Für sie erscheint er am Himmel und hat Pflanzen und Tiere geschaffen, sie zu nähren. Und wenn sie weinen, hört er sie!« Das hat Siâ weisen Priestern und begnadeten Eingeweihten geoffenbart.

Was mir in schwer zugänglichen Bibliotheken im Orient und anderswo, in fledermausbehangenen Gräbern, in uralten Tempeln und während endloser Nachtgespräche zugänglich wurde, war entschieden mehr, als nur das oberflächliche Bekanntwerden mit längst toten Religionskulturen, denn ich glaubte, das Eindringen in die atemberaubenden Anfänge der Weltgeschichte »beinahe live« erlebt zu haben, wodurch ich zutiefst ehrfürchtig zu werden begann. Die Freude, mit der ich geforscht habe, hat auf jeden Fall mit dazu beigetragen, mich reifer und auch dankbarer werden zu lassen, hat letztlich dazu geführt, mein eigenes Menschsein zu erkennen.

Wenn durch diese subjektiven Einschätzungen der Eindruck entstanden sein sollte, der Leser müsse in diesem Buch überwiegen Ichbezogenes erwarten, so sei dieser Befürchtung gleich im Prolog begegnet; denn nichts dergleichen liegt in meiner Absicht, weil es um viel Wichtigeres geht. Praktisch rankt sich alles um das höchste Gottwesen Wêr – um den »Herrn der Götter«. In Ägypten existierte diese monotheistische Gottheit nicht nur als »irgendein Allwesen«, sondern am Nil führte sie ein ungewöhnliches tatsächliches Dasein, wovon jeder Ägypter der alten Zeit fest überzeugt war. Die zahllosen Dokumente, von denen das wohl ergreifendste vom alttestamentlichen Patriarchen Henoch stammt, beweisen sehr deutlich, dass die Altägypter sich bereits in frühester Zeit zu dem einen, unfasslichen und ewigen Wêr bekannten, von dessen tatsächlicher Existenz sie zutiefst ergriffen waren.

Wêr ist der Wissenschaft also bekannt, aber die Allgemeinheit kennt ihn nicht, weil die klerikal Mächtigen von heute diesen »Störenfried« aus einer lange vor Religionsstifter Moses liegenden Zeit als unpassende Konkurrenz für Gott Jahwe empfinden. Es war nämlich Siâ, der sprach: »Wêr schuf das All und regiert es durch die Gedanken seines Herzens und den Ausspruch seines Mundes. Er ist der einzige allzeit Dauernde!«

Dieses Buch möchte ich als Frucht langer innerer Auseinandersetzungen mit dem alten Orient verstanden wissen. Dabei wird sich wie ein roter Faden das Gottwesen Wêr durch die Gedanken ziehen, das für die Altägypter als »Herr der Götter« jener »Stab der Gerechten war, damit sie sich stützen und nicht fallen.«

1. Kapitel

Der Gottessohn Imhotep

Auf der Suche nach diesem ältesten und namhaftesten ägyptischen Eingeweihten müssen wir weit ins Alte Reich hinaufgehen, und zwar bis zu den Anfängen der 3. Dynastie, die König Djoser (oder Zoser) gegründet hatte beziehungsweise deren erster Pharao er war. Imhotep gilt als erster Minister dieses Herrschers, dessen Identität als gesichert angesehen wird, obgleich sein Eigenname erst in viel späteren Königslisten auftaucht; auf seinen Denkmälern erscheint aber stets nur Imhoteps Horusname Netjrichêt. Die Regierungszeit Djosers soll 2650 v. u. Z. begonnen und um 2630 v. u. Z., also zwanzig Jahre nach seinem Amtsantritt, bereits wieder beendet gewesen sein. So gibt es Wissenschaftler, die den Beginn der Regierungszeit Djosers bei 2980, 2895, 2780 und 2778 v. u. Z. ansetzten, und andere, die das Jahr 2782 v. u. Z. favorisieren, als die dritte Sothisperiode ihren Anfang nahm.

Für die letztgenannte Annahme spricht, dass mit Djoser die Geschichte zweifellos sehr markante Konturen bekam, wobei der Bau der sogenannten Stufenpyramide zu Sakkara, deren Architekt jener Imhotep war, insofern einen Höhepunkt darstellt, als es sich hierbei um den ersten großen Steinbau der Welt überhaupt handelte. Ferner ragt heraus, dass Djoser die Gaustadt Memphis zur glänzendsten Metropole seines nunmehr zweiundvierzig Gaue umfassenden Landes machte und dass er erstmals in Ägypten einen durchorganisierten, zentral und straff geführten Beamtenapparat schuf, bei dem alle Fäden zusammenliefen.

Dass mit Djoser die 3. Dynastie – in welchem genauen Jahr auch immer – begonnen hat, steht fest. Nach dem Turiner Königspapyrus regierten in dieser Dynastie nur vier Könige, die der Geschichtsschreiber Manetho ausdrücklich als memphitisch bezeichnet. Als Übermittlerin der königlichen Tradition erscheint eine Königin mit Namen Ni-ma’at-Hep; ma’at bedeutet »wahr«, und Hep ist der in Memphis verehrte Apisstier – ein Fruchtbarkeits-, aber auch Totengott –, als dessen Schutzgott Ptah galt, so dass diese Königin eindeutig als Memphitin anzusehen ist. Ihr Name kommt auf Siegelabdrucken bereits im Grab des letzten Königs der 2. Dynastie Chasechemuis vor sowie auch auf Siegeln des ersten Königs der 3. Dynastie, Djoser.

Über weitere historische Fakten der 3. Dynastie ist leider recht wenig bekannt. Doch für die Wissenschaft trotzdem von größter Bedeutung und »unvergänglich« ist König Djoser, denn er ließ als erster Pharao Ägyptens eine höchst kühne Idee – eine riesige Pyramide – ausführen, die nach allem, was bis heute erschlossen werden konnte, nur von Imhotep selbst stammen kann. Nachdem der König von diesem seinerzeit völlig neuen Bauwagnis überzeugt worden war, entstand für ihn ein monumentales Grabmal aus Stein von rund sechzig Metern Höhe – die berühmte Stufenpyramide von Sakkara.

König Djoser, der 1. Pharao der 3. Dynastie, hat dank seines göttlichen Veziers Imhotep nicht nur die monumentale Stufenpyramide zu Sakkara errichten können, sondern er gliederte erstmals das Reich und installierte ein zentrales Beamtenwesen.

Imhotep – Djosers weiser Ratgeber – war jedoch nicht nur Architekt und Baumeister, der als erster die alte Holz- und Ziegelbauweise für Grabanlagen verwarf, sondern auch ein im ganzen Land hochgeachteter Mediziner, ein großes Vorbild für die Beamtenschaft und nicht zuletzt ein Weiser. Er galt als »Sohn des Ptah« und genoss landauf, landab höchste göttliche Verehrung. Im ganzen Land erbaute man für ihn Tempel und Kapellen, wo er figürlich meist als sitzender Gelehrter mit einer Papyrusrolle auf den Knien dargestellt wurde. Fast die gesamte Altgeschichte Ägyptens weist Imhotep als jenen Meister aus, der die erste Pyramide aus behauenen Steinen errichtete, was für das Volk ebenso wie für die Gelehrten eine enorme, nie zu vergessende göttliche Leistung darstellte. Gerühmt wurde vor allem seine überragende Weisheit, von der es noch im Mittleren Reich hieß, dass »ein jeder seine Sprüche im Munde führt«. Folgerichtig wurde Imhotep schließlich zum Patron der Gelehrsamkeit beziehungsweise der Wissenschaften schlechthin, und ehe ein Schreiber seine Binse ansetzte, wurden die ersten Tintentropfen für Imhotep gesprengt. Schließlich verehrten ihn die Ärzte als »Schöpfer ihrer Kunst«, und fürs Volk wurde er zum »Heilsgott«. Im Übrigen besagt die Tradition, dass Imhotep »keines Menschen Sohn« war, sondern ein Sohn des Großen Gottes Ptah von Memphis, den dieser mit einer irdischen Frau namens Chrotionch gezeugt hat! Dargestellt wird der »Gottessohn« Imhotep aber stets rein menschlich – ohne Krone, Zepter und Götterbart – und sein Gesicht gleicht meist dem eines Kindes. War Imhotep also einerseits nur Mensch und andererseits ein Göttlicher, ein ganz großer Eingeweihter? Angesichts seiner absolut überragenden Leistungen, über die man noch heute rätselt, muss er ein Eingeweihter von sehr hohem Rang gewesen sein.

König Djosers namhaftester Vezier (Minister) war Imhotep, der Architekt der berühmten Stufenpyramide zu Sakkara. Er war der Sohn des Schöpfergottes Ptah und galt am Nil als „Gott der Heilkundigen“ und „Erfinder der Steinbaukunst“.

Wenn wir uns zunächst einmal das Bauwerk Imhoteps – die riesige Grabanlage zu Sakkara – näher ansehen, wird sofort klar, dass man es hier mit der größten Gesamtanlage Altägyptens überhaupt zu tun hat: Sie misst im Rechteck 544 mal 277 Meter und ist von einer etwa zehn Meter hohen Mauer umgeben, in die zahlreiche Nischen und Scheintüren eingelassen sind. An der linken Seite der Umfassungsmauer befindet sich ein länglich gebauter Block, der als Kâ-Haus angesehen wird, in welchem die »Zeugungskräfte« des Herrschers bestattet waren. Die Grabkammer unter der Pyramide befindet sich am Ende eines achtundzwanzig Meter tiefen und 7,5 mal 7,5 Meter großen Schachtes. Sie enthielt jedoch – als sie von Forschern erstmals betreten wurde – weder einen Sarkophag noch sonstige aufschlussreiche Wertgegenstände. An der Nordseite der Pyramide befinden sich die Reste des königlichen Totentempels, die als Symbol für den Königspalast angesehen werden. In einem engen Raum, den man durch ein kleines Guckloch einsehen kann, steht heute eine Nachbildung der Kâ-Statue Djosers, während das Original im Ägyptischen Museum zu Kairo besichtigt werden kann. Rätselhaft sind die labyrinthischen, zweiunddreißig Meter langen Gänge unter dem Totentempel, die zumindest teilweise mit blauen Fayence-Plättchen ausgekleidet waren – daher der Name »Blaue Kammern«.

Die Pyramide selbst ist im Grundriss rechteckig und misst 109,2 mal 121 Meter, jede Stufe ist zwei Meter tief und zwischen 8,4 und 10,1 Meter hoch. Die Steine liegen in horizontalen Schichtungen und weisen bescheidene Maße auf, so dass diese Pyramide die Jahrtausende nur in einem ziemlich schlechten Zustand überstanden hat. Im Vergleich zur Großen Pyramide der 4. Dynastie – der des Cheops – macht die Sakkara-Pyramide heute geradezu den Eindruck eines Trümmerhaufens, der aber auch als solcher noch sehenswert genug ist.

Die erst vor wenigen Jahrzehnten sorgfältig freigelegte Anlage König Djosers gibt eine Fülle von Rätseln auf, deren Lösungen noch lange nicht in Sicht sind. Vor allem geht es um die Frage, ob die als königliches Grab betrachtete Kammer wirklich den Sarkophag Djosers enthalten hat, obwohl Einzelheiten der Ausstattung – auch Bilderschmuck und Inschriften – es als ziemlich sicher erscheinen lassen, dass wir es mit dem Pharaonengrab zu tun haben. Die Unsicherheit geht auf die Entdeckung einer zweiten Grabkammer zurück, die unter dem südlichen Teil der Außenmauer gefunden wurde, die genau der »eigentlichen« Grabkammer entspricht und ebenso Reliefs, Inschriften und sonstige Verzierungen aufweist – also ein zweites Königsgrab, über dessen wahre Bedeutung bis heute noch keine Klarheit besteht. Sehr bemerkenswert ist, dass die Grabkammer unter der Pyramide Inschriften aufweist, während die nur fünfundsiebzig Jahre danach begonnene Cheops-Pyramide bis auf den sehr versteckt angebrachten Königsnamen oberhalb der eigentlichen Grabkammer keinerlei Beschriftung enthält, eine Tatsache, über deren Ursache bereits viel diskutiert und spekuliert wurde.

Imhotep, der »leibliche Sohn« des Gottes Ptah, hatte die Grabanlage zweifellos in bester Kenntnis göttlichen Willens und gemäß den ihm als höchstem Eingeweihten bekannten Gegebenheiten im Jenseits konzipiert. So stellen die Baulichkeiten nichts anderes dar als die Übertragung der wichtigsten Regierungsgebäude des lebenden Herrschers zu Memphis ins Jenseits, die er dort weiter benutzen sollte. Damit war in Ägypten zum ersten Mal – und zwar von einem Göttlichen persönlich – der Grundzug der religiösen Jenseitsvorstellung in Stein verewigt worden, wonach das Leben im Jenseits möglichst genau dem bisherigen auf der Erde entsprechen sollte.

Allein schon dies besagt, dass Imhotep weit mehr war als nur ein in die Kunst- beziehungsweise Baugeschichte Ägyptens eingreifendes Individuum, wie jene gerne behaupten, die den Begriff »Gottessohn« nur als bloßen Titel verstanden wissen wollen, der diesem Eingeweihten angeblich erst in der Spätzeit verliehen wurde. Da die Priester der damaligen Zeit, zu denen Imhotep zweifellos als einer der höchsten gehörte, bekanntlich zur strengen Bewahrung religiöser und geschichtlicher Traditionen verpflichtet waren, dürfte – so gesehen – die göttliche Herkunft Imhoteps als gesichert gelten, so dass die Auffassung, er sei nur ein Eingeweihter gewesen, an der Wirklichkeit vorbeizugehen scheint. Und dennoch sollten wir bei Imhotep diesen Status als gegeben ansehen, denn er wurde gemäß der Überlieferung zwar von einem Gott gezeugt, aber von einer irdischen Frau als Mensch geboren! Das scheint an das sogenannte Marien-Mysterium zu erinnern!

Keine Zweifel bestehen mehr darüber, dass Imhotep tatsächlich jener große Baumeister war, dem die Organisation und die Durchführung des riesigen Grabmals für Djoser anvertraut war. Dagegen vermochte die Wissenschaft nicht einwandfrei nachzuweisen, ob er auch als Architekt der ganzen Anlage zu gelten hat. Es ist nicht nur die Tradition, die Imhotep noch in der um 330 v. u. Z. begonnenen Ptolemäerzeit als grandiosen Baumeister hervorhebt, sondern dies geht auch aus einer uralten Sockelinschrift hervor, die erst in unserer Zeit entdeckt wurde; denn diese weist seinen Namen und die Bezeichnung »Oberbaumeister des Königs Djoser« auf. Der Geschichtsschreiber Manetho ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass Imhotep auch der »Erfinder« des Bauens mit behauenen Steinen war, also mindestens der Architekt.

Wie bereits angedeutet, machte Ägypten mit König Djoser – intellektuell gesteuert von seinem Vertrauten Imhotep – einen ungeheuren Sprung nach vorn, wobei diese neue Ebene der Kulturentwicklung nach außen hin nicht nur durch die sogenannte Erfindung des monumentalen Steinbaues sichtbar wurde. Moderne Ausgrabungen haben nämlich die jahrtausendealte Tradition bestätigt, dass Imhotep auch der Verfasser der ältesten Weisheitslehren war, durch die die Grundlagen der sittlichen Lebensregelung der Menschen festgelegt wurden. Von herausragender Bedeutung ist, dass dieser Gottessohn die Zeilentrennung »erfand«, er seinen Anvertrauten also zeigte, wie die von Thot gegebenen heiligen Hieroglyphen auf Stein und Papyrus zu ordnen sind, um zu einer klaren Wiedergabe längerer Texte zu gelangen. Gleichzeitig war es diesem Göttlichen möglich, auch die bis dahin offensichtlich noch holprige Sprache der alten Ägypter so zu gestalten, dass man flüssig erzählende Darstellungen zu formulieren in der Lage war. Jedenfalls sind die ältesten uns bekannten literarischen Werke Ägyptens in die Zeit Imhoteps zu datieren, denn erst ab dem Beginn der 3. Dynastie verflüchtigten sich die Schwierigkeiten in der geistigen Zusammenfassung von Vorgängen. Imhotep gilt auch als »Erfinder« der altägyptischen Literatur, deren Beginn kaum vor Djoser anzusetzen ist.

Während der mehrtausendjährigen Geschichte Ägyptens hat sich zudem Imhoteps Ruf als »Begründer der ägyptischen Medizin« erhalten, eine Tatsache, die selbstverständlich auch die alten Griechen für sich nutzten und somit maßgeblich zur medizinisch-wissenschaftlichen Entwicklung Europas beitrugen. Man mag es als sensationell empfinden, dass kein Geringerer als der berühmteste griechische Arzt der Antike – Hippokrates – im Tempel des Imhotep dessen Schriften studiert hat und daraufhin zu noch heute gültigen, unbestreitbar richtigen Auffassungen gelangte: Wissenschaftliches Denken vereint mit ärztlicher Erfahrung, Beobachtungsgabe sowie Kritik. Ärztliche Kunst und hohes ärztlich-menschliches Ethos sollen jene auszeichnen, denen sich Kranke und Hilfsbedürftige anvertrauen. Dass der ärztliche Eid – der des Hippokrates – ebenfalls noch heute seine volle Gültigkeit hat, ist beinahe selbstverständlich. – Hippokrates wurde im Jahre 460 v. u. Z. auf der Insel Kos geboren und verstarb 377 v. u. Z., war also ein Zeitgenosse von Demokritos, der zur selben Zeit in Ägypten in die Geheimnisse des Mikro- und Makrokosmos eingeweiht wurde.

Viele von Imhoteps Heilerfolgen sind überliefert. So begegnete er einmal einer völlig verzweifelten Mutter, deren kleiner Sohn Apopi an der im Lande des Nils sehr gefürchteten – weil oft auch epidemisch auftretenden – »Ägyptischen Augenkrankheit« litt. In diesem bereits fortgeschrittenen Fall hatten schon eitrige Absonderungen der Bindehaut, der Lider und des Augapfels eingesetzt, und so war zu befürchten, dass die Geschwüre durchbrechen und beide Augen rettungslos verloren sein würden. Auf Anweisung Imhoteps wurde auf einer Schieferplatte eine antibakterielle Salbe gemixt und diese aufgetragen. Bereits nach wenigen Tagen konnte der Junge wieder sehen und war gesund. – Was hier geschehen war, mag sich für die einfachen Menschen am Nil wie Zauber oder ein Wunder angesehen haben, doch Imhotep wusste als »Begründer der ägyptischen Medizin« genau, was er tat: Er war mit lebenden Bakterien umgegangen und hatte damit einer Wissenschaft den Anstoß gegeben, die aber erst rund viertausend Jahre später wiederentdeckt wurde: die Bakteriologie. Dass Imhotep auch der Erfinder der Pharmakologie (Arzneimittelkunde) und der Toxikologie (Lehre von den Giften) war, mag jetzt kaum mehr überraschen, doch sollte man sich vor Augen halten, dass all dies bereits um 2600 v. u. Z. am Nil geschah!

Möglicherweise würden die alten ägyptischen Ärzte hinsichtlich vieler Ansichten und Methoden in der heutigen Medizin nur ein mitleidiges Lächeln übrig haben, denn man erinnere sich nur der geglückten Herztransplantation vor Jahrtausenden und des Riesenwirbels um die erste gelungene Operation dieser Art in neuerer Zeit – erst vor wenigen Jahrzehnten! Aber woher hatten die seinerzeitigen Mediziner ihre phänomenalen Kenntnisse? Wir wissen, dass die größten Eingeweihten Ägyptens – unter ihnen ganz sicher Imhotep – in der Lage waren, bis in die einstige Zeit von Atlantis zurückzuschauen, und nur hier, wo unter direkter Hilfestellung kosmischer Intelligenz die Entwicklungen auf allen lebenswichtigen Gebieten vorangetrieben wurden, lag jenes geheimnisvolle Wissen verborgen, aus dem Imhotep schöpfen konnte: Er sah, wie die menschlichen Organe mit den unzähligen Stoffen in der Natur korrespondierten, und konnte daraus ableiten, welche Substanzen dem Kranken als Heil- beziehungsweise Gegenmittel aufgetragen oder eingeflößt werden mussten.

Hippokrates – der Student in Imhoteps Tempel – wurde sicher auch mit einer Heilmethode konfrontiert, welche er selbst zwar nicht anzunehmen oder zu beherrschen vermochte (es gibt keine derartigen Überlieferungen), die aber in modernen ärztlichen Fachkreisen neuerdings wieder an Bedeutung gewinnt: der Heilschlaf. Der Gottessohn Imhotep hatte den Heilkundigen seiner Zeit schon offenbart, dass der Mensch durch den Heilschlaf aus den geistigen Welten eine wirksame Kraft schöpfen kann, so dass die gestörten Kräfte und Funktionen wieder hergestellt werden könnten. Zu diesem Zweck müsse das Bewusstsein des Patienten hypnotisch »herabgedämmert« werden, gleichzeitig aber auch das des behandelnden Arztes, so dass dieser die Seelenbilder des Kranken zu sehen und positiv zu beeinflussen in der Lage sei. Diese Seelenkräfte flössen schließlich in der Endphase des »Tempelschlafes« in den kranken Körper zurück und bewirkten die Gesundung. In den meisten Fällen wurde den Patienten keine unterstützende Medizin eingeflößt, und wenn dies dennoch einmal zu geschehen hatte, so handelte es sich vermutlich um extreme Sonderfälle.

Als die reisenden Gelehrten Griechenlands mit den zu ihrer Zeit bereits über 2000-jährigen Imhoteptraditionen bekannt wurden und namentlich der größte Arzt der griechischen Antike – Hippokrates – die Schriften dieses Gottessohnes in dessen Tempel studiert hatte, kam man nicht umhin, Imhotep mit Gott Asklepios gleichzusetzen – dem hellenischen Gott der Heilkunde, dessen Wirkungsstätten jahrhundertelang Pilgerorte und Heilstätten waren (zum Beispiel Knidos, Epidaurus und Pergamon). Hier hat übrigens auch das berühmte Arztsymbol – die Äskulapschlange – ihren Ursprung.

Viele Wissenschaftler sind in Kenntnis dieser dokumentierten, bisher in der Öffentlichkeit jedoch so gut wie unbekannten Fakten der begründeten Auffassung, dass die Entdeckung von Imhoteps Grabstätte womöglich dazu zwingen könnte, die gesamte bisher erschlossene Altgeschichte Ägyptens völlig neu zu schreiben, denn das über diesen Gottessohn Bekannte – so unglaublich es auch klingen mag – stellt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nur einen Bruchteil der Wirklichkeit dar. Begonnen wurde die wissenschaftliche Suche erst Mitte der 60er Jahre, als man erkannte, dass Imhotep die erste geheimnisvolle Gestalt des ägyptischen Altertums ist, die sich aus den Nebeln des Anfangs klar hervorhebt.

Nach fieberhafter Arbeit in Memphis-Sakkara stieß der hervorragende englische Archäologe Emery in zehn Metern Tiefe auf den Schacht eines Grabes der 3. Dynastie und entdeckte zunächst ein weitverzweigtes Labyrinth von Gängen mit vermauerten Zugängen, angebohrten Stollen und unzähligen mumifizierten Ibissen. Hier war der Forscher also ganz offensichtlich auf eine heilige Stätte des Gottes Thot gestoßen, denn dieser erschien zwar stets menschengestaltig, aber mit der Maske eines Ibiskopfes. Thot, der Gott der Weisheit, Wissenschaft und der Kunst, der Gott heiliger Bücher und Gesetze in unmittelbarer Nähe von Imhotep? Ein aufregender Gedanke zwar, der sich jedoch vorerst nicht konkretisieren lässt. Gefunden wurde schließlich nur eine Statue aus der Spätzeit Ägyptens, deren Sockelplatte aber jene Feste aufweist, die zu Ehren des Gottes der Heilkunde – Imhotep – gefeiert wurden.

Eine Aufschrift jedoch könnte der Schlüssel zu Imhoteps Grab sein, doch diese blieb bis heute das, was sie immer war und wohl auch in Ewigkeit bleiben wird – ein tiefes Geheimnis: »Imhotep ruht im großen Dehan, einer Höhle, die seinem Herzen teuer ist.« Ob Emery dem Grab dieses Gottessohnes wirklich auf der Spur war, bleibt also zweifelhaft, lässt sich doch die Unzahl der mumifizierten Ibisse mit ihm nicht in Verbindung bringen, sondern nur mit Thot, dem ersten Gott oder Gottmenschen im Alten Ägypten.

Die Weisheitslehre des Ptahhotep

Die ägyptische Weisheitsliteratur ist repräsentiert durch unzählige Schriftstücke aus fast allen Epochen der Geschichte, wobei uns aus den ersten Dynastien naturgemäß sehr viel weniger Material überliefert ist als aus späteren Zeiten. So wissen wir zwar, dass Imhoteps weise Sprüche in aller Munde waren, aber mangels ausgereifter Sprache und Schrift konnte zwangsläufig eine Literatur im Sinne dieses Wortes nicht entstehen.

Die ältesten weisheitlichen Dokumente – und zwar in großer Zahl – stammen aus der Zeit der ausgehenden 5. Dynastie, die 2563 v. u. Z. mit König Weserkêf begann und 2423 v. u. Z. mit König Unas nach insgesamt neun Königen endete (andere Quellen nennen für die 5. Dynastie eine Zeit von 3160 bis 2920 v. u. Z.) Der namhafteste Verfasser von Weisheitslehren dieser Zeit war Ptahhotep, ein Vezier (Minister) König Zedkerês, des vorletzten Pharaos dieser Dynastie; beide – König und Vezier – gelten als gesicherte historische Persönlichkeiten.

Zunächst ein kurzer Blick auf die wesentlichen Dokumente der Weisheitsliteratur allgemein, die – wie gesagt – ihren Anfang zwar mit Imhotep genommen hat, doch hinsichtlich der Fülle hinterlassenen Materials ragt Ptahhotep weit heraus. Er gilt als Eingeweihter hohen Ranges und verstand seine Arbeit als Mission, denn »Alle Weisheit erhält sich für die Ewigkeit. Deshalb weidet sich des Weisen Seele daran schriftlich festzulegen, wodurch er gut war auf Erden«. Bemerkenswert ist die »Lehre für König Mirikarê« aus der 1. Zwischenzeit (2263 bis 2040 v. u. Z.), die den Glauben an eine ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits zur Richtschnur hatte. Die »Lehre des Königs Ammenemes I.« – für dessen Sohn Sesostris I. bestimmt – gilt als politische Tendenzschrift und spiegelt bitterste persönliche Erfahrungen wider. Nachdem Ägypten aus einer tiefen Depression erwacht war und sich innerlich wieder gefestigt hatte, entstand eine mahnende »Lehre zur Anpassung, Mildtätigkeit und Dankbarkeit«, die der Weise Ani (18. Dynastie) verfasste. Bezeichnenderweise leitet Ani die in seiner Lehre verankerten sittlichen Normen nicht von der bestehenden irdischen Ordnung ab, sondern aus dem Willen des »Herrn der Götter«. Die Verantwortlichkeit des Einzelnen gegenüber Gott betont auch die »Lehre des Amenope«, entstanden in der 20./21. Dynastie, wobei überrascht, dass sich viele dieser weisheitlichen Gedanken in den »Sprüchen Salomons«, des ersten Königs eines geeinten Israels, wiederfinden beziehungsweise zu einem Teil unseres Alten Testaments geworden sind. Wenn Israel heute vom »Goldenen Zeitalter« träumt, ist damit jene Zeit König Salomons (965 bis 926 v. u. Z.) gemeint, deren geistiger Ursprung im alten Ägypten lag.

Von tiefer Religiosität geprägt ist auch das sogenannte »Leidener Weisheitsbuch«, das erstmals nicht von menschlichen Einzelfällen ausging, sondern von Begriffen, die heute als abstrakt gelten. Das »Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele« zählt ebenso zu den tiefsten und bewegendsten ägyptischen Werken wie zum Beispiel auch die »Ermahnung eines ägyptischen Weisen«, deren Verfasser den Untergang des Alten Reiches mit bebenden Worten schildert. – Zum Abschluss dieses Überblicks sei kurz erwähnt, dass die kritische Bibelwissenschaft einen sehr erheblichen ägyptischen Einfluss auf die alt- und auch neutestamentliche Theologie bewiesen hat, ein Thema, das Bände füllen würde.

Zurück zu Ptahhotep, dem weisen Minister unter König Zedkerê (griechisch Asosis) und größten Eingeweihten seiner Zeit. Er schuf seine Lehre in dem Bewusstsein, die unerschöpfliche Weite des als Kâ in die Welt einströmenden Geistes des »Herrn der Götter« auszudrücken. So sehr auch der Erziehung nachfolgender Generationen im alten Ägypten große Bedeutung zukam, so nachdrücklich wies Ptahhotep darauf hin, dass die »durch Erziehung vermittelten Werte nur ein Weniges vom göttlichen Geist erfassen«, und mahnte, »durch immerwährendes Hinausgreifen über den erreichten Stand immer höhere Grade des Geistes – die Ma’at – zu verwirklichen«. Da Ptahhotep der Göttin Ma’at eine zentrale Wertigkeit zukommen lässt, könnte er ein Priester dieser »Göttin der Gerechtigkeit und Ordnung« gewesen sein, jener traumhaft schönen und geheimnisvollen Gestalt, die auf einer der beiden Waagschalen als Gegengewicht zum Herzen des Verstorbenen fungiert (genauer: ihre Kopffeder), wenn dieses vor dem Totengericht gewogen wird. Und da »ma’at« die Hieroglyphe für »wahr« ist, sollten wir also dem Ptahhotep uneingeschränkten Glauben schenken. Er selbst sah seine große Aufgabe in der Vermittlung der Erkenntnis, dass »die Erfassung des göttlichen Weltenplanes der steten fortschreitenden Vervollständigung« bedarf. Der entsprechende Lehrabschnitt lautet auszugsweise: »Wenn eine gute Lehre geschaffen wird von einem Manne in maßgebender Stellung, so wirkt seine Vortrefflichkeit damit ‘über unabsehbare Zeit, und alle seine Weisheit erhält sich für die Ewigkeit. Deshalb weidet sich des Weisen Seele daran schriftlich festzulegen, wodurch er gut war auf Erden. Man erkennt ja den Weisen an dem, was er weiß. Bei der guten Lehre eines großen Mannes aber entspricht sein Herz seiner Zunge, und seine Lippen treffen das Richtige, wenn er spricht. Seine Augen sehen, und in gleicher Weise hören seine Ohren, was von ewigem Wert ist, und so ist einer, der die Ma’at verwirklicht, frei von Unrecht.«

Ma’at, die »leibliche Tochter« des Sonnengottes Rê, zählt zu den geheimnisvollsten und anmutigsten Göttinnen im Alten Ägypten. Ihre wichtigste Funktion bestand darin, Gegengewicht zum Herzen der Toten zu sein, war sie doch die »Göttin der Wahrheit und Gerechtigkeit«.

Hier spüren wir, dass Ptahhotep bei der Ausmalung des Ideals eines Weisen regelrecht ins Schwärmen gerät, dieses aber nichtsdestoweniger für »wahr« hält, denn Ma’at – die Wahrheit und Gerechtigkeit – ist das anzustrebende Ziel. Wir sehen aber auch den »geistig zeugenden Weisen«, der hier sicher nicht zufällig Herz, Zunge und Lippen erwähnt, jene drei Worte, die im »Denkmal memphitischer Theologie« das schöpferische Wirken des »Herrn der Götter« am Anfang aller Zeiten symbolisch umschreiben. Und wir können erfassen, dass sich Ptahhotep auch als Hüter der kulturell-geistigen Tradition Ägyptens beziehungsweise an der Spitze des geistigen Lebens zum Ruhme seines Landes fühlte und berufen, als einer der Besten seines Volkes die »Erforschung und schriftliche Überlieferung der Grundsätze der Welt- und Lebensordnung« zu betreiben.

Die in der »Weisheitslehre des Ptahhotep« zusammengestellten Sprüche gelten teils als Eigenschöpfungen, teils entstammen sie dem reichen Schatz heiliger Traditionen, die sich bereits viele Jahrhunderte hindurch erhalten hatten. Diese Grundsätze der Lebensanschauung des »Reiches der Sonne« bearbeitete Ptahhotep mit dem erklärten Ziel, für seine Zeit allgemeingültige Lebensregeln neu zu formulieren, damit diese der Nachwelt wiederum als Tradition übergeben werden können.

Hier einige Beispiele, die zeigen, dass Ptahhotep einerseits mitten im Leben stand, aber andererseits vehement dazu ermahnte, der Wirkung der inneren Stimme, durch die der Geist des »Herrn der Götter« zu den Menschen spricht, gebührend Raum zu geben, sie nicht durch Alltagssorgen zu ersticken. »Einkehr« im christlichen Sinne – also Abkehr von den Dingen dieser Welt – war damit sicher nicht gemeint, wohl aber »Selbstbesinnung« zur reichen Entfaltung der Persönlichkeit beziehungsweise zur Verwirklichung aller in ihr vorhandenen Möglichkeiten, um auf diese Weise zu seinem Kâ zu gelangen. So lesen wir zur Selbstbesinnung: »Folge deinem Herzen, solange du auf Erden weilst!« Zur Charakterfestigkeit: »Wenn du mit Menschen zusammen bist, so schaffe dir Anhänger durch Ausgeprägtheit des Charakters. Der Charakterfeste, der seiner Laune nicht nachgibt, wird Herr seines Selbst und ein Herr über die Dinge. Es wird dir gut gehen und du wirst bei deiner Umgebung Autorität haben. Der Charakterschwache aber schafft sich Hass anstelle von Beliebtheit. Sein Sinn ist wüst und sein Leib verwahrlost.« »Wenn dir Gott gibt reiche Frucht, so nimm den Mund nicht zu voll damit. Etwas Großes ist es, die Zucht des Schweigens zu üben.« Zum Dünkel: »Wenn du groß wirst, nachdem du gering warst, und Besitz erwirbst in einer Stadt, die du kennst, so poche nicht auf deinen Reichtum. Was dir zuteil geworden ist, sind Gaben Gottes!« Zur Tüchtigkeit: »Wenn du gering bist, so schließe dich als Gefolgsmann einem hervorragenden Manne an, dann werden alle deine Angelegenheiten bei Gott gut stehen. Habe Ehrfurcht vor ihm, denn Besitztümer kommen nicht von selbst!«

»Gott, der Herr der Götter« dominiert bei Ptahhotep eindeutig, wenn auch viele seiner Weisheiten eher banaler Art zu sein scheinen. Aber in Bezug auf Gott mahnt er: »Ehre du Gott auf seinem Wege, ich, der gemacht ist aus Edelsteinen und gebildet aus Kupfer. Gott hat Himmel und Erde nach ihrem (der Menschen) Wunsche gemacht. Er hat die Luft gemacht, damit die Menschen leben. Sie sind seine Abbilder, die aus seinen Gliedern hervorgegangen sind. Er hat die Pflanzen für sie gemacht und die Tiere, Vögel und Fische, um sie zu ernähren. Aber er hat auch seine Feinde getötet und hat seine Kinder bestraft wegen dessen, was sie dachten, als sie feindlich wurden.« – Keine Frage, dass wir hier sehr nahe beim Alten Testament beziehungsweise beim Ägypter Moses sind!

Ptahhotep gehört zu jenen sehr wenigen Weisen Ägyptens, die es liebten, alte – oft uralte – Traditionen für die Gegenwart und Zukunft für jedermann verständlich zu formulieren. So fand er besonders deutliche Worte für seine Überzeugung, dass die Welt ein einziges großes, vom »Herrn der Götter« selbst begründetes Ordnungsgefüge darstellt, das nur von Seinem Willen gelenkt wird. Des Menschen vornehmste Pflicht sei es, sich harmonisch in diese gottgewollte Ordnung einzufügen. Diese Erfüllung – so Ptahhotep sinngemäß – sichere dem Menschen die volle Entfaltung seiner Eigenpersönlichkeit, da ja der Kern seines Wesens, sein Kâ, ein Teil des »Kosmos der Ideen« sei. – Hier endlich haben wir einen konkreten Hinweis darauf, aus wessen Geist der Philosoph Platon seine großartige »Ideenlehre« geschöpft hat und wer ihm zu seinem Bild eines Idealstaates verholfen hat – Ptahhotep! Dieser überragende Geist hatte also bereits 2.000 Jahre vor Platon erkannt, dass keine Probleme eines unlösbaren ideologischen Konflikts zwischen Individuum und Gesellschaft beziehungsweise Staat entstehen, solange diese Welt- und Lebensanschauung in sich geschlossen bleibt.

Aber, wie gesagt, Ptahhotep gehörte zu jenen Weisen, die durchaus mit dem Leben verbunden waren und es verstanden haben, ihre großen Ideen mit den Bedürfnissen der Menschen auf sinnvolle Weise in Einklang zu bringen. So schließt das Ideal einer harmonischen Lebensgestaltung zum Beispiel die freie Entfaltung des Körpers in Sport und Spiel ebenso ein, wie fröhlichen, aber wohlverstandenen Lebensgenuss. So käme es darauf an, überall das rechte Maß zu wahren, und folgerichtig verwarf Ptahhotep die Philisterhaftigkeit ebenso wie den Leichtsinn: »Wer den ganzen Tag ernsthaft ist, der wird niemals einen schönen Augenblick erleben. Wer allerdings den ganzen Tag fröhlich ist, der bringt es zu nichts!«

Das Funktionieren des Staatslebens ist in den Augen Ptahhoteps in hohem Maße davon abhängig, wie sich das Verhältnis von Vorgesetzten und Untergebenen entwickelt, das ja besonders zur damaligen Zeit aufgrund der vielfach abgestuften aristokratischen Staatsordnung von erheblicher Bedeutung war. Aber auch hier stand die Idee der göttlichen Staatsordnung im Mittelpunkt, die es galt, mit großer Überzeugungskraft zu vertreten: Das Wirken Gottes fließt auf genau festgelegten und vielfach abgestuften Wegen in die menschliche Sphäre ein, das heißt, dass die Geistesmacht des Kâ dem König vom »Herrn der Götter« verliehen wird, und nur dieser kann ihn der übrigen Menschheit weiter vermitteln.

Die Lehre des Ptahhotep ist gesellschaftsumfassend, denn König und Bauer – alle werden von ihm deutlich angesprochen und weise ermahnt. Er lässt die Betroffenen aber auch selbst zu Wort kommen, hier beispielsweise die Klage eines alternden Mannes gegenüber seinem König, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt: »Das Greisenalter ist eingetreten und das Alter herabgestiegen. Die Glieder werden leidend, und das Altsein tritt als etwas Neues auf. Die Kraft weicht dem Müden. Der Mund schweigt und redet nicht. Die Augen sind kurzsichtig und die Ohren taub. Das Herz ist vergesslich und erinnert sich nicht mehr an gestern. Mag man stehen oder sitzen, man befindet sich übel. Das Gute ist zu Schlechtem geworden, jeder Geschmack ist zugrunde gegangen.«

Diese wohl eher beiläufig entstandenen Sätze werden zwar dem Ptahhotep zugeschrieben, aber es ist nicht sicher, ob sie tatsächlich diesen an sich auf einer ganz anderen geistigen Ebene stehenden Weisen zum Autor haben. Wie dem auch sei – lesenswert und teilweise sogar zum Schmunzeln anregend sind derartige »Lehren« auf jeden Fall: »Mit Toben kannst du im Leben nichts ertrotzen, denn der Befehl Gottes ist es, was geschieht. – Sei nicht stolz auf dein Wissen und vertraue nicht darauf, dass du ein Gelehrter seiest. Hole dir Rat beim Unwissenden wie beim Wissenden, denn es gibt keine Grenze für die Kunst, und kein Künstler besitzt seine Vorzüglichkeit ganz. – Willst du die Freundschaft dauern lassen in einem Hause, in das du Zutritt hast als Herr, Bruder oder Freund, an welchem Orte du auch eintrittst, hüte dich vor den Frauen. Ein Ort, wo sie sind, ist nicht gut. Tausend Menschen gehen ihretwegen ins Verderben! – Willst du, dass dein Wesen gut sei, dass du dich befreiest von allem Bösen, so hüte dich vor der Habgier, denn sie ist ein unheilbares Leiden. – Wenn du angesehen bist, so gründe dir einen Hausstand und liebe deine Frau im Hause, wie es sich gehört. Fülle ihren Leib und bekleide ihren Rücken, das Heilmittel für ihre Glieder ist das Salböl. Erfreue ihr Herz, solange sie lebt, sie ist ein guter Acker für ihren Herrn. – Krümme deinen Rücken vor deinem Vorgesetzten, so wird dein Haus mit seiner Habe dauern und deine Bezahlung wird in Richtigkeit sein. Es ist übel, wenn man dem Vorgesetzten widerstrebt. – Wenn du ein Freundschaftsverhältnis suchst, so sei mit ihm allein zusammen und prüfe sein Herz durch ein Gespräch. – Wenn du eine Frau als eine Wohlgenährte nimmst, eine fröhliche, so verstoße sie nicht, sondern gib ihr zu essen.«

Lesenswert sicher, aber von Ptahhotep? Er gehörte zwar zu jenen Weisen, die sich auch der kleinen Dinge des Lebens annahmen, aber dessen Ebene scheint uns höher zu liegen, ist intellektueller. Wenn ein Weiser sich derart um die Geringsten im Land bemühte, um sie zu erziehen, war das gewiss verdienstvoll, aber eines Weisen der damaligen Zeit eigentlich unwürdig. In der alten ägyptischen Gesellschaft, deren Basis ja das aristokratische Gefüge war, hatte zwar auch der Geringste die Möglichkeit, sich durch langjähriges Streben nach Wissen hochzudienen, das heißt, immer höhere Ämter verliehen zu bekommen, aber ein »ganz geringer Einzelmensch« des Volkes, der keinerlei Erziehung genossen hat und dem keine noch so kleine Würde verliehen wurde, wird aus der Kraft seines eigenen Innern nichts hervorgebracht haben, was der Beachtung eines Weisen ernsthaft wert gewesen wäre – auch nicht der Geringste als sogenannte Unperson. Und da dies im Alten Ägypten eine uralte Tradition hatte, dürfte die Wahrscheinlichkeit, Ptahhotep persönlich habe derartige Banalitäten produziert, denkbar gering sein.

Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass dieser Weise gegen Ende seines Lebens resignierte, da es ihm nicht erspart blieb, den Beginn der Auflösung des »Lebensideals der Harmonie« mitzuerleben, und er deshalb in die Banalität flüchtete. Dieser Prozess vollzog sich zwar nicht binnen weniger Wochen oder Monate, und es ist nicht einmal sicher, ob Ptahhotep den Verfallsbeginn auch tatsächlich noch am eigenen Leibe zu spüren bekam. Sicher ist dagegen, dass rund zweihundert Jahre nach ihm die große soziale Revolution bereits voll im Gange war: »Alle Dienerinnen dürfen jetzt sagen, was sie wollen. Aber wenn die Herrinnen sprechen, so scheint das Gesinde es schwer zu ertragen.« So gehen wir wohl nicht fehl in der Annahme, dass Ptahhotep aufgrund bestimmter Indizien gewusst oder geahnt haben mag, welche Umwälzungen dem Land bevorstehen würden. Vielleicht ist hierin der Grund für seine abgeflachten Ideen zu suchen, denn als Eingeweihter kann ihm nicht verborgen geblieben sein, dass das geistige Fundament des »Reiches der Sonne« unaufhaltsam zu schwinden begann, und womöglich hatte er bereits die Katastrophe vorausgesehen, die hinführte bis zur brutalen Zerstörung ehrwürdiger Denkmäler und Kunstwerke.

Die lange Reihe von Lebensregeln steht in der Tat in einem denkbar scharfen inneren Gegensatz zu allen übrigen gottbetonten Weisheiten dieses Mannes. Man könnte geneigt sein, sie für nachträgliche ein- oder angefügte Texte zu halten, wenn es nicht die vielen Zusammenhänge mit Ptahhoteps persönlich geprägter Weisheit gäbe: »… denn der Befehl Gottes ist es, was geschieht!« Wenn Ptahhotep aber der alternde und resignierende Verfasser der banalen Sprüche war, dann hat er damit auf teils ziemlich drastische Art gezeigt, dass seine eigene Lehre in der Tat am Ende war und Neues bevorstand.

Der weise Ptahhotep hat jedenfalls ein gewaltiges Werk hinterlassen, weshalb er noch heute als »letzter großer Geist einer versinkenden Zeit« betrachtet wird, der aber aufgrund seiner zu Papier gebrachten Vorahnungen, die für das Land nichts Gutes erwarten ließen, gleichzeitig auch als »erste große individuelle Persönlichkeit eines neuen Zeitalters« gilt. Dieser Zwiespalt, der unaufhörlich Kampf und Leid schafft und von Ptahhotep bereits erkannt war, wurde dann tatsächlich zum Charakteristikum des heraufkommenden »Zeitalters der Reformation und Revolution«.