Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands. Eine Reformschrift - Devrient, Eduard - kostenlos E-Book

Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands. Eine Reformschrift E-Book

Eduard, Devrient

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The Project Gutenberg EBook of Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands.Eine Reformschrift, by Eduard DevrientThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.orgTitle: Das Nationaltheater des Neuen Deutschlands. Eine ReformschriftAuthor: Eduard DevrientRelease Date: April 19, 2012 [EBook #39480]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NATIONALTHEATER--NEUEN DEUTSCHLANDS ***Produced by Thorsten Kontowski, Karl Eichwalder, La MonteH.P. Yarroll and the Online Distributed Proofreading Teamat http://www.pgdp.net (This book was produced from scannedimages of public domain material from the Google Printproject.)

DasNationaltheaterdesNeuen Deutschlands.Eine ReformschriftvonEduard Devrient.

Leipzig,

Verlag von J. J. Weber.

1849.

[I.]

Das preußische Cultusministerium hat mich durch den Auftrag geehrt, ihm meine Ansichten mitzutheilen: welche Gestaltung dem Theater zu geben sei, um es, zu einem gedeihlichen Wirken, in Uebereinstimmung mit den übrigen Künsten zu setzen.

Dieser Auftrag hat mich zur Abfassung der vorliegenden Schrift veranlaßt. In dem Glauben, daß sie von zeitgemäßem und allgemein deutschem Interesse sei, übergebe ich sie hiermit der Oeffentlichkeit.

Dresden, im December 1848.

Eduard Devrient.

[II.]

Noch in keinem Momente des Völkerlebens ist die höhere Sendung der Künste zur Veredlung des Menschengeschlechtes so leuchtend hervorgetreten, hat sich noch nie zu so kräftiger, tiefgreifender Wirkung angeboten, als in der großen Wendung unserer Tage.

Schule und Kirche, die bisher allein anerkannten Erziehungsstätten, sind einem Streite verfallen, der noch langehin ein heftiges Sträuben des mündig gewordenen Volkes gegen jeden fühlbaren Zwang erhalten wird. Was kann daher willkommener sein, als die sanfte Gewalt der Künste, die es allein vermag, die Gemüther zu beschwichtigen, in rein menschlichem Antheil die Herzen aller Parteien zu vereinigen, durch unmerklichen Zwang wieder Achtung vor Sitte, Friede und stillem Glück zu verbreiten, auf diesem heitren Wege die Geister wieder den strengen Erziehungsstätten zuzuführen und der großen, gemeinsamen Begeisterung für eine neue, edle Freiheit des Völkerlebens den höchsten Schwung und den schönsten Ausdruck zu verleihen!

Ueberall muß es daher als ein Zeugniß sorgsamer Staatsweisheit anerkannt werden, wo die Organisation des Kunsteinflusses auf das Volksleben von der Landesregierung in thätigen Angriff genommen wird.

Daß unter allen Künsten keine von so allgemeiner und volksthümlicher Wirkung ist, als die Schauspielkunst, bedarf hier keiner Beweisführung, die tägliche Erfahrung liefert sie. Keine Kunst wird also in dem Maße die Aufmerksamkeit der Staatsgewalt verdienen, so wie keine einer Organisation so dringend bedürftig ist, welche sie mit allen anderen höheren Culturmitteln des Staates in Uebereinstimmung setzt, als die Schauspielkunst.

Faßt man ihre rein künstlerische Wichtigkeit in's Auge, so drängt sich als ihre wesentliche Eigenheit hervor: daß sie alle übrigen Künste umfaßt; sie erhebt sich auf allen anderen und wird so zur Spitze der Pyramide; sie ist die Kunst der Künste.

Plastik, Malerei, Dichtkunst, Musik, Redekunst, Mimik und Tanzkunst sammelt sie in den gewaltigen Brennpunkt unmittelbaren Lebens, und dieser trifft in eine versammelte Menge, wo die Gemeinsamkeit des Antheils das Feuer des Enthusiasmus um so mächtiger entzündet. Wenngleich daher die schon vollendeten Werke der übrigen Künste, welche der Schauspielkunst zum Stoffe dienen, dabei an ihrer Selbständigkeit einbüßen müssen, so macht dennoch keine Kunst für sich schlagendere Wirkungen, als von der Bühne herab.

Wie dringend nothwendig ist es also, daß die Schauspielkunst endlich in den Kreis der akademischen Bildung aufgenommen werde, damit ihre drastischen Wirkungen eine grundsätzliche Uebereinstimmung mit den übrigen Künsten gewinnen!

Die Bühne vermag den Schönheitssinn, des Volkes sowohl als der Künstler, in die größte Verwirrung zu bringen, sie vermag ihn aber auch zu heben und zu reinigen. Daß so viel Unpoetisches, Unmusikalisches und Unmalerisches auf der Bühne Glück macht, bleibt ein unablässig fortwirkendes Moment der Verführung und Corruption für Dichter, Musiker, Maler und Bildhauer; dagegen hat an die einzelnen, im rechten Geiste gelungenen Erscheinungen der Bühne sich von jeher eine Kette der fruchtbringendsten Anregungen geknüpft. Die Fähigkeit der Schauspielkunst: den wohlthätigsten Einfluß auf die übrigen Künste, also auf den Kunstsinn überhaupt, zu äußern, ist außer Zweifel, es muß daher als Pflicht erkannt werden: diese Fähigkeit zum wesentlichen Zweck der Bühne zu erheben.

Und nun, den Einfluß auf die Sittlichkeit in's Auge gefaßt, welche Kunst übt ihn stärker, als die der Bühne? — Der Gegenstand ist zu oft erörtert worden, als daß es nöthig wäre, ihn hier noch einmal aufzunehmen; wer damit unbekannt ist, sei zunächst auf Schiller's Vorlesung: »die Schaubühne, als eine moralische Anstalt betrachtet«, verwiesen.

Gewiß ist — das gestehen selbst die Feinde der Bühne nicht nur zu, sondern sie machen es als ihre größte Gefahr geltend — daß die Schauspielkunst die gewaltigsten Wirkungen auf das Volk hervorbringt. Starke Wirkungen aber sind entweder wohlthätig oder nachtheilig, gleichgültig können sie nicht sein. Wenn also die Bühne den Geschmack und die Versittlichung nicht fördert, so muß sie ihnen schaden; unabweisbar wird daher die Verpflichtung für den Staat sein: sich der Wirkung seiner Schaubühnen zu vergewissern, dafür zu sorgen, daß sie die Bahn seiner Grundsätze über Volkscultur innehalten.

Daß dies bisher nicht, oder nur sehr lau und mangelhaft geschehen ist, der Einfluß der Bühne daher oft in den schreiendsten Widerspruch mit den Staatsmaximen gerathen,[1] das liegt ebenso vor Aller Augen, als daß die Schauspielkunst noch immer ganz außerhalb des Kreises einer, mit den übrigen Künsten übereinstimmenden Bildung sich bewegt; ganz außerhalb der Kettenglieder, welche die Regierungen zur Versittlichung und Veredlung des Volkes so sorgfältig ineinanderfügen.

[1] Mit welchem strengen Eifer hat z. B. der Staat den neuen socialen Theorien entgegenzuwirken und die Achtung vor der Ehe, der Familie und allen Gliederungen der gesellschaftlichen Ordnung, welche daraus hervorgehen, aufrecht zu erhalten gesucht, während die Theaterrepertoire — die der Hofbühnen keinesweges ausgeschlossen — von Stücken wimmelten, in denen die Heiligkeit der Ehe verhöhnt, die Familienpietät lächerlich gemacht, ja eine förmliche Verherrlichung der Nichtswürdigkeit getrieben wird!

Die Forderung, diesem Zustande ein Ende zu machen, dem deutschen Theater eine andere, grundsätzliche Basis und Einrichtungen zu geben und es dadurch in Stand zu setzen: seine künstlerische und sociale Bestimmung zu erfüllen, ist seit lange schon laut genug geworden. Sie wird bei der Bewegung unserer Zeit immer lauter und ungestümer, sie wird unabweislich werden und sich natürlich zunächst gegen die bedeutendsten, tonangebenden Theater richten, die reich dotirt, den höheren Forderungen des Volksgeistes am ehesten zu entsprechen verpflichtet erscheinen.

Es sind die Hoftheater.

In ihrer Entstehung rühmlich für die Fürsten und wohlthätig für Kunst, sind sie im Verlaufe der Zeit —wie dies allen menschlichen Einrichtungen begegnet —von ihrer ursprünglichen Bestimmung abgewichen; ihre heutige Erscheinung entspricht ihrer ersten Idee nicht mehr.

Als in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die deutschen Höfe sich ernstlich und dauernd der vaterländischen Schauspielkunst annahmen, repräsentirten die Fürsten noch alle Staatsgewalt. Es war der Staat, welcher durch sie der wandernden Kunst heimische Stätten, Anerkennung, Schutz und Unterstützung gab. Fürsten waren es, der edle Kaiser Joseph II. an der Spitze, welche den höheren Staatszweck der Bühne thatsächlich proklamirten. Kaiser Joseph gab seiner Hofbühne den Namen und die Grundsätze eines Nationaltheaters, er erklärte: es solle keine andere Bestimmung haben, als zur Verbreitung des guten Geschmacks und zur Veredlung der Sitten zu wirken.[2] Fast überall folgten Höfe und Magistrate des Kaisers Beispiele, die Nationaltheater wurden allgemein und die Schauspielkunst gewann eine bewunderungswürdig rasche und nationale Entwickelung, weil sie ihr in einer gewissen Freiheit und Selbständigkeit gegönnt war. Die Höfe nämlich übten im Allgemeinen nur Schutz und Oberaufsicht über ihre Theater aus, die künstlerische Thätigkeit wurde fort und fort von künstlerischen Directoren geleitet. Ja Kaiser Joseph erkannte die Nothwendigkeit der Selbstregierung der Künstler so vollständig an, daß er dem Wiener Nationaltheater eine ganz republikanische Verfassung gab, deren Grundsätze in Mannheim unter Dalberg eine denkwürdige Fortbildung fanden.[3]

[2] Das Genauere über diesen geschichtlichen Moment ist in meiner »Geschichte der deutschen Schauspielkunst« (Leipzig 1848, bei J. J. Weber) im II. B. zu finden. Ich muß mich hier und fernerhin auf dies Buch beziehen, weil es bis jetzt das einzige über diesen Gegenstand ist.

[3] Gesch. der deutsch. Schauspielkunst II. B., S. 402, und III. B., S. 16.

Aus solchem Geiste und unter solchem Schutze wuchs die deutsche Schauspielkunst, geführt von Meistern, wie Eckhoff, Schröder, Iffland, zu der kräftigen Reife, welche unter Schiller's und Goethe's Einfluß ihre poetische Vollendung erhielt.

Als aber nach dem Wiener Congreß die Höfe den alten Glanz wieder gewannen, neue Theater in den Residenzen errichtet, die bestehenden in größeren Flor gebracht wurden, da veränderte sich Stellung und Organisation der Bühnen wesentlich.

Die Verbreitung der constitutionellen Regierungsform trennte die Staatsgewalten, der Fürst vertrat nicht mehr allein den Willen der Nation; indem also die Höfe das Theater an sich behielten, gab der Staat, gab die Nation stillschweigend den Anspruch auf, den sie bisher daran zu haben glaubten.

Es war ganz folgerichtig, daß der Name »Nationaltheater« überall dem Titel »Hoftheater« Platz machen mußte und Kaiser Joseph's Principien aufgegeben wurden. Da die Höfe immer reichlichere Geldmittel für die Bühnen bewilligten, so wollten sie diese auch ganz in ihrem Sinne verwendet sehen und dehnten daher die Verantwortung der Hofintendanten über den ganzen Umfang der theatralischen Leistungen aus. So kam es denn, daß fast überall die künstlerischen Directionen — selbst die eines Goethe — der neuen Ordnung der Dinge weichen mußten und die Hofintendanten in die falsche Stellung geriethen: die specielle künstlerische Leitung der Bühne zu übernehmen. Das Bureau wurde nun der Mittelpunkt der Kunstthätigkeit.

Diese Veränderung der Theaterorganisation erwies sich viel tiefer greifend, als man wohl vorausgesehen hatte. Die dramatische Kunst war dadurch nicht nur dem Staatsinteresse entfremdet, auch die unausweichbare Nothwendigkeit ihres inneren Verfalles war damit ausgesprochen.

Eine Kunst, die sich nur in Totalwirkungen vollendet, kann den Sammelpunkt einer künstlerischen Direction schlechterdings nicht entbehren. Der einige Geist, welcher in der Uebereinstimmung aller Theile lebendig werden soll, kann nur aus innerstem, praktischen Verständniß der Kunstthätigkeit selbst hervorgehen. Der Schauspielkunst die künstlerische Direction nehmen, hieß: ihr das Herz ausschneiden.