Das Schweigen des Sees - Lynn Blackburn - E-Book

Das Schweigen des Sees E-Book

Lynn Blackburn

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Beschreibung

Liebe? Spannung? Autorin Lynn Blackburn vereint beides und fesselt von der ersten bis zur letzten Seite. Als Ryan Parker an Leigh Westons Tür klopft, beschleunigt sich Leighs Herzschlag. Aber nicht nur, weil mit ihm ihre alte Highschool-Liebe vor ihr steht. Sie erfährt auch, was Ryan während eines Tauchtrainings im See vor ihrem Haus gefunden hat ... Nur wenig später wird Leigh Opfer eines Anschlages. Zusammen mit seinen Kollegen des Polizei-Tauchteams Carrington übernimmt Ryan die Ermittlungen. Ist der Täter etwa die gleiche Person, die für die Tat im See verantwortlich ist? Während Ryan Leigh fortan zu beschützen versucht, kommen sich die beiden näher und entdecken, dass das alte Knistern zwischen ihnen nie wirklich aufgehört hat …

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Lynn Blackburn

Das Schweigendes Sees

Deutsch von Dorothee Dziewas

Copyright © 2018 by Lynn H. BlackburnOriginally published in English under the title Beneath the Surfaceby Revell, a division of Baker Publishing Group,Grand Rapids, Michigan, 49516, U.S.A.

All rights reserved.

Die Bibelzitate aus Josua 1,5 und Sprüche 18,10 sindder Übersetzung Hoffnung für alle® entnommen,Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®.Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis.

© der deutschen Ausgabe:

2020 Brunnen Verlag GmbH Gießen

Lektorat: Konstanze von der Pahlen

Umschlagfoto: Shutterstock

Umschlaggestaltung: Jonathan Maul

Satz: DTP Brunnen

Druck: GGP media, Pößneck

ISBN Buch 978-3-7655-0739-7

ISBN E-Book 978-3-7655-7555-6

www.brunnen-verlag.de

Für James – meinen Lieblingsjungen

Ich genieße jeden Tag mit dir. Du bist mitfühlend, gewissenhaft und treu und ich finde dich toll. Jeden Tag bin ich stolz auf dich. Es ist so schön, dass ich in der ersten Reihe sitzen und dabei zusehen darf, wie Gott deine Lebensgeschichte schreibt.

Ich liebe dich!

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Dank

Die Stille des Abends

1

Der Kriminalbeamte Ryan Parker gab seinem Kollegen mit erhobenem Daumen ein Zeichen. Gabriel Chavez war nicht nur sein Tauchkumpan, sondern genau wie er Ermittler bei der Mordkommission.

Gabriel erwiderte die Geste, und dann begannen sie den langsamen Abstieg zum Grund von Lake Porter. Ryan atmete langsam und gleichmäßig. Im Gegensatz zu anderen Leuten, die beim Tauchen Platzangst bekamen, genoss Ryan das Gefühl, von Wasser umgeben zu sein. Er hielt inne, um den Druck in seinen Ohren auszugleichen, und vergewisserte sich, dass Gabriel es ebenso machte.

Es war viel zu lange her, dass Ryan seine Tauchausrüstung angelegt hatte, die Welt hinter sich gelassen hatte und abgetaucht war. Unter der Wasseroberfläche konnte ihn nichts ablenken. Hier klingelte kein Telefon. Keine Sirenen ertönten. Keine Tränen tropften auf seine Schulter. Und er sah keine Gesichter, die zu klein waren, um mit treulosen, nichtsnutzigen …

Nein. Daran wollte er nicht denken.

Heute nicht.

Ein Fisch schoss an seinem Arm vorbei. Dann noch einer.

Nicht jeder konnte den Tag damit verbringen, in einem natürlichen Aquarium herumzuschwimmen. Streng genommen war Ryan zwar im Dienst und hatte bis Montagmorgen Bereitschaft. Aber der Gelegenheit, einen Tauchgang zu unternehmen, hatte er nicht widerstehen können. Die meisten üblen Dinge geschahen sowieso mitten in der Nacht. Also war – trotz Bereitschaft – Entspannung angesagt, selbst wenn sie ein Trainingswochenende absolvierten.

„Ihr seid so ruhig. Ist alles in Ordnung?“, unterbrach die Stimme seiner Kollegin Ryans Gedanken. Anissa Bell nahm ihre Rolle als Mannschaftsführerin der Polizeitaucheinheit von Carrington County sehr ernst, und Ryan wusste die hochmoderne Ausrüstung, die sie beschafft hatte, durchaus zu schätzen. Aber er hielt nichts von unnötigen Fragen, die ihn bei seinem stillen Abstieg in die Tiefe störten.

„Alles in Ordnung“, erwiderte er.

„Wir machen das nach alter Schule“, sagte Gabriel lachend. „Ganz ohne Worte.“

Anissa lachte nicht über Gabriels Bemerkung. Die beiden mussten ihre Streitigkeiten wirklich mal klären. Doch im Moment konnte nicht einmal Anissas Feindseligkeit seinem Kollegen gegenüber das großartige Gefühl trüben, unter Wasser zu sein.

„Wie ist die Sicht?“

„Ziemlich schlecht“, gab er zurück. „Ich kann kaum zwei Meter weit sehen, trotz Scheinwerfer.“

„Perfekt.“

Nur Anissa konnte sich über schlechte Bedingungen freuen. Ryan stellte sich vor, wie ihre haselnussbraunen Augen vor Freude funkelten. Vielleicht lächelte sie sogar. Vielleicht auch nicht.

„Du musst mich wirklich hassen, Bell“, sagte Gabriel.

„Wir suchen uns die Bedingungen nicht aus, Chavez“, erwiderte sie.

Ryan mischte sich nicht in ihren Knatsch ein. Anissa hatte ja recht, dadurch wurde das Training auf jeden Fall realistischer. Aber gleichzeitig konnte er es Gabriel nicht verübeln, dass ihm die schlechte Sicht nicht gefiel.

Das Tauchteam war mit Beamten aus verschiedenen Abteilungen besetzt – alle waren erfahrene Taucher, die sich freiwillig gemeldet hatten. Damit standen sie für Notfälle im und ums Wasser, für Unterwasserermittlungen und die Bergung von Beweisstücken im Bereitschaftsdienst zur Verfügung. Trainiert wurde mindestens einmal im Monat.

Für die heutige Übung hatten sie einen tieferen Teil des Sees ausgewählt. Mithilfe des Seitensichtsonars hatten sie dort nach interessanten Dingen gesucht, die sie bergen konnten. Das Seitensichtsonar ermöglichte es ihnen, mittels Schall Gegenstände aufzuspüren, die das trübe Wasser vor ihren Augen verbarg. Tatsächlich waren sie auf eine der spannenderen Unterwassermüllhalden gestoßen, die sie bei ihren Übungen bislang gefunden hatten. Es gab allerlei Unrat zu entdecken: ein Rechteck und ein paar runde Formen, möglicherweise Reifen, daneben auch einige andere Objekte, die sie nicht identifizieren konnten. Deshalb hatten sie, um die Stelle zu markieren, einen Krabbenkorb hinuntergelassen und waren in ihre Tauchanzüge geschlüpft.

Während Ryan sich an dem Seil nach unten hangelte, behielt er im Blick, wie tief er bereits hinuntergestiegen war. Er wollte nicht unvorsichtig auf dem Boden ankommen und eine Menge Zeug aufwirbeln.

„Wir sind gleich da, Anissa“, sagte er.

Man wusste nie, was eine Tauchübung zutage förderte. Ryan und seine Freunde wetteten oft, was sie am jeweiligen Tag finden würden. Meistens gewannen die alten Küchengeräte. Hin und wieder entdeckten sie irgendwelche Autoteile. Einmal hatten sie auf einem breiten Streifen am Grund des Sees etwas gefunden, das aussah wie der Inhalt eines Frauenkleiderschranks. Er wünschte, er wüsste, was für eine Geschichte dahintersteckte.

Aber meistens fanden sie … nichts. Ryan konzentrierte sich und ließ den Lichtkegel seiner Lampe über die Fläche unter ihm wandern. Vielleicht würden sie ja diesmal einen verlorenen Ehering oder eine vermisste Halskette finden, die sie dem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben konnten. Es wäre schön, zur Abwechslung einmal jemandem eine Freude zu machen.

„Vorsichtig“, sagte Anissa. Sie beobachtete alles mithilfe der Kameras, die an den Taucherhelmen befestigt waren.

Ryan warf einen Blick auf seinen Tauchcomputer. Jede Menge Druck. Jede Menge Luft. Jede Menge noch vorhandenes Tageslicht. Er würde den entspannten Aufstieg genießen, und wenn die Bürger von Carrington County auf unnötige kriminelle Aktivitäten verzichteten, konnte er am Nachmittag vielleicht noch mal zum Vergnügen tauchen gehen.

Auf der anderen Seite von Lake Porter gab es einen tollen Bereich für Freizeittaucher. Einige Höhlen, ein paar alte Boote, sogar Teile eines ehemaligen Dorfes waren von Wasser bedeckt worden, als man das Land vor achtzig Jahren geflutet hatte, um den See zu erschaffen. Ryan musste unbedingt Gabriel fragen, ob er Lust hatte, mit…

Was war das? Unter ihm erschien etwas. Ryan hatte kaum Zeit abzubremsen, um nicht in die undefinierbare Masse zu schwimmen, die da über dem Boden des Sees schwebte.

„Hier ist irgendwas, Gabriel“, sagte er.

Gabriel schwamm näher und leuchtete mit seinem Scheinwerfer auf denselben Bereich, den Ryan im Visier hatte. „Ist das …?“

Ein übler Geschmack stieg in Ryans Kehle auf.

Die Sicht war extrem schlecht, aber er konnte Gewichte und Ketten erkennen. Und zwar mehr als genug davon, um den Körper, um den sie gewickelt waren, am Boden zu halten. Oder was vom Körper noch übrig war. Wer auch immer diese Leiche hier entsorgt hatte, war sehr darauf bedacht gewesen, dass niemand sie jemals entdecken würde oder herausfand, wer sie war.

Denn nach allem, was er sehen konnte, hatte der Körper keine Hände.

Und keinen Kopf.

Das scharfe Klopfen an der Tür machte Leigh Westons friedlichem Vormittag ein abruptes Ende. Sie versuchte, den Schrei zu unterdrücken, der ihr entfuhr.

„Alles in Ordnung, Leigh?“

Sie kannte diese Stimme. Erleichterung und Verlegenheit rangen miteinander. Was war nur mit ihr los? Es gab doch nichts, wovor sie sich fürchten müsste. Nicht mehr. Einen Moment lang hielt sie sich an der Küchenzeile fest.

„Leigh? Wenn du die Tür nicht aufmachst, trete ich sie ein.“

„Mir geht es gut, wirklich!“, rief sie, während sie ihre Beine zwang, sich zu bewegen. Gleichzeitig versuchte sie, die Röte durch reine Willenskraft aus ihren Wangen zu verdrängen.

Sie öffnete die Tür. Ryan Parker stand keinen halben Meter von ihr entfernt, etwas zur Seite gedreht, und seine Hände zuckten. Es war leicht vorstellbar, dass er die Tür tatsächlich eingetreten hätte. Sie wusste den Beschützerinstinkt zu schätzen, aber was machte er überhaupt auf ihrer Veranda – und dazu noch im Taucheranzug?

„Was ist los?“, wollte sie wissen

„Warum hast du geschrien?“, fragte er zeitgleich.

„Du zuerst“, sagte sie.

Sein besorgter Blick hielt ihrem eine Weile stand, bevor er nachgab. „Tauchtraining.“

„Hast du deine Kleidung vergessen?“

Der Anflug eines Lächelns. Dann wieder der groß gewachsene, dunkelhaarige Mann mit der nachdenklichen Miene. „Ich geh gleich wieder rein. Warum hast du geschrien?“

Es war klar, dass sie keine weiteren Antworten bekommen würde, bevor sie nicht ihm eine gegeben hatte. „Ich hatte niemanden erwartet. Du hast mich überrascht.“

„Das klang mehr nach Panik als nach Überraschung.“

„Bist du jetzt Experte fürs Erschrecktwerden?“

„So was in der Art.“

Sie weigerte sich, ihr Verhalten näher zu erklären. Was sie plagte, ging ihn nichts an, und er musste nicht wissen …

„Es tut mir leid, dass ich dich überrascht habe“, sagte er jetzt. „Wir haben hier in der Nähe ein Tauchtraining gemacht und … etwas gefunden …“

Ihr entging nicht, dass er bei dem Wort „etwas“ gezögert hatte. Was auch immer dieses Etwas war, es musste ziemlich schlimm gewesen sein.

„Wir müssen noch eine Weile in diesem Teil des Sees tauchen, und ich wollte fragen, ob du etwas dagegen hast, wenn wir deinen Anleger benutzen.“

„Natürlich nicht. Da brauchst du doch gar nicht zu fragen.“

Jetzt grinste er. Das Grinsen, das früher bei mehr als einem Mädchen für weiche Knie gesorgt hatte, auch bei ihr. „Dachte ich mir, dass du das sagen würdest.“ Ryan blickte über ihre Schulter. Leigh drehte sich um und folgte seinem Blick. Durch die Fenster konnte sie mindestens vier Beamte auf dem Bootssteg herumlaufen sehen. Auf jeder Seite waren zwei Boote festgemacht.

„Und können wir auch deine Auffahrt benutzen? Nicht alle kommen mit dem Boot“, fuhr Ryan fort. „Es dauert höchstens ein paar Tage. Allerdings könnte es später, wenn wir Beweise sichern, ein bisschen lebhafter werden.“

Polizeibeamte würden um ihr Haus herumschwärmen. Hervorragend. Leigh hatte Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. „Das ist kein Problem. Es ist mir doch immer ein Vergnügen, unseren Freunden und Helfern behilflich zu sein.“

„Ich verspreche, dass wir so bald wie möglich wieder weg sind.“

„Nein!“, protestierte Leigh etwas zu laut. So viel zu dem Vorsatz, ruhig und gefasst zu wirken. „Das ist wirklich überhaupt kein Problem. Bleibt, solange ihr wollt.“

Der Blick, den Ryan ihr zuwarf, gefiel ihr nicht. Hatte sie mehr verraten als beabsichtigt?

„Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen, Ma’am“, sagte er schließlich gespielt förmlich, wobei er sich an eine imaginäre Kappe tippte.

Das unverkennbare Geräusch von Rotorblättern drang an ihre Ohren. „Ihr habt aber nicht vor, mit einem Hubschrauber in meinem Garten zu landen, oder?“

„Nein“, erwiderte Ryan mit gerunzelter Stirn. „Ich nehme an, das sind Reporter.“ Er trat durch die Tür, stieg die wenigen Stufen hinunter und begab sich auf den Rasen vor dem Haus. Dann schirmte er die Augen gegen die Sonne ab und blickte nach oben.

Leigh konnte der Versuchung, ihm zu folgen, nicht widerstehen. Er hatte recht. Der örtliche Nachrichtensender schwebte dichter über dem Boden, als ihr lieb war. „Erzählst du mir, was ihr im See gefunden habt, oder muss ich warten, bis mein Haus in den Abendnachrichten auftaucht?“

„Ich staune, dass sie so lange gebraucht haben.“ Ryans Blick war voller Sorge, als er sie ansah. „Wir haben eine Leiche gefunden.“

Etwas daran, wie er das sagte, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. „Wenn du ‚wir‘ sagst, meinst du dich, oder?“

Sein kurzes Nicken bestätigte ihren Verdacht.

Sie konnte sich nicht vorstellen, wie das sein musste. Auch wenn sie mehr als genügend Zeit mit Sterbenden und Toten zugebracht hatte, wollte sie niemals am Grund eines Sees auf eine Leiche stoßen. „Wie schrecklich“, sagte sie. „Das tut mir leid.“

„Nicht der spaßigste Tauchgang“, gab er zu. „Aber kein Grund, Mitleid mit mir zu haben. Bis heute Morgen wussten wir nicht, dass wir ein Problem hatten. Jetzt wissen wir, dass da draußen ein Mörder herumläuft. Es gibt keine Vermisstenmeldungen hier in der Nähe, die zu den wenigen vorhandenen Daten passen. Ich vermute, dass der Verstorbene nicht von hier stammte. Der Gedanke, dass irgendwo ein Angehöriger sitzt, der sich wundert, warum er nicht nach Hause kommt, gefällt mir gar nicht. So können wir jedenfalls die Ungewissheit beenden. Niemand hat es verdient, im Tod vergessen zu werden.“

Ryan machte sich auf den Weg zu seinen Kollegen am Anleger.

„Danke, Ryan“, sagte Leigh.

Er drehte sich zu ihr um. „Wofür? Dass ich dich am Samstagmorgen überfalle und wir über dein Grundstück trampeln?“

„Nein. Dafür, dass du dir Gedanken machst.“

Er sah sie verlegen an und trat von einem Fuß auf den anderen. „Ach, das ist doch nichts Besonderes. Ich muss los.“

Diesmal lief er in Richtung Bootssteg, ohne ihr die Gelegenheit zu einer Antwort zu geben.

Wer hätte gedacht, dass ein freundliches Wort Ryan Parker in die Flucht schlagen würde?

2

„Ist das für sie in Ordnung, dass wir hier sind?“, fragte Anissa, kaum dass Ryan wieder am Bootssteg erschien.

„Auf jeden Fall. Überhaupt kein Problem.“

„Gut. Woher kennst du sie noch mal?“

„Ihr Bruder Kirk ist einer meiner besten Freunde. Wir waren in derselben Klasse. Und sie zwei Jahre drunter.“

Ryan ignorierte Anissas prüfenden Blick. Zwischen Leigh und ihm hatte es nie irgendwas Romantisches gegeben. Er könnte wetten, dass Leigh nichts davon wusste, wie unmissverständlich Kirk allen Jungs klargemacht hatte, dass sie tabu war.

„Sie ist doch Krankenschwester, oder? Wie kann sie sich dann so ein Haus leisten?“ Anissa drehte sich auf dem Anleger einmal im Kreis. Es war ein Traumhaus auf einem der besten Grundstücke am See.

„Eine studierte Pflegefachkraft. Und sie ist keine Verdächtige.“

„Das habe ich ja auch gar nicht behauptet. Ich habe nur eine Frage gestellt.“

Es ärgerte ihn, dass Anissa so nüchtern an die Sache heranging, aber sie kannte Leigh nicht und ihre Frage war berechtigt. „Ihr Vater war Anwalt und dann Richter hier in der Stadt. Beide Eltern waren Ende vierzig, als sie beschlossen, Kinder zu adoptieren. Kirk aus Bolivien. Leigh aus China. Sie sind in diesem Haus aufgewachsen.“

„Er war Anwalt?“

„Mr Weston ist vor fünf Jahren gestorben. Herzinfarkt. Mrs Weston letztes Jahr. Krebs.“

„Und Leigh lebt allein?“

„Ich nehme es an. Jedenfalls weiß ich nichts von irgendwelchen Mitbewohnern. Sie ist um Weihnachten rum hierher zurückgezogen. Kirk hat angerufen und mich gebeten, ein Auge auf sie zu haben.“ Das wusste Leigh wahrscheinlich auch nicht. Oder dass Kirk ihm von dem Stalker erzählt hatte, der Leigh veranlasst hatte, nach Carrington zurückzuziehen.

Anissa nickte. „Was glaubst du, wie gut sie die Alarmanlage hier kennt?“

Wenn man bedachte, warum sie umgezogen war, wahrscheinlich recht gut, vermutete er. „Warum?“

„Sieht aus, als würden ein paar Überwachungskameras in diese Richtung zeigen. Ich frage mich, ob es vielleicht irgendwelche Aufnahmen von einem Boot draußen auf dem See gibt.“

„Nicht sehr wahrscheinlich“, sagte Ryan.

„Ich weiß.“

„Was hast du eigentlich? Du forschst nach den entferntesten Möglichkeiten, obwohl wir die logischsten noch nicht einmal untersucht haben. Bist du sauer, weil Hauptkommissar Mitchell mir den Fall übergeben hat?“

Ryan war auf Bereitschaft, also wäre er ohnehin für den Fall zuständig gewesen, aber er hatte die letzten beiden großen Fälle gehabt, und im Team hatte man spekuliert, dass Anissa den nächsten bekommen würde, unter welchen Umständen auch immer.

„Nein. Überhaupt nicht“, erwiderte Anissa überzeugend. „Mir reicht es völlig, wenn ich mich um die Unterwassereinsätze kümmere und dir die restlichen Ermittlungen überlasse. Es ist nur …“

„Nur was?“

Sie seufzte. „Dieser hier fühlt sich irgendwie an, als könnte er schnell in einer Sackgasse enden.“

Ryan ärgerte sich über diese Bemerkung. Es war zu früh, um solche Vorhersagen zu machen. Schließlich hatten sie die Leiche erst vor wenigen Stunden gefunden.

„Wir werden den Mörder finden.“ Das musste er einfach glauben.

Anissa antwortete nicht. Sie sah nur auf ihre Uhr und ließ den Blick dann in Richtung See wandern.

„Wer ist unten?“, fragte er.

„Adam und Lane. Sie müssten bald wieder raufkommen.“

„Haben sie noch was gefunden?“ Sie hatten bereits Gewichte, Ketten und ein Stück Sperrholz entdeckt – alles Dinge, die der Entsorgung der Leiche gedient haben konnten.

Anissas Miene verdüsterte sich. „Nein.“

Der Helikopter drehte mehrere Runden über dem See. Wahrscheinlich machten die Journalisten ein paar Aufnahmen, die sie in ihre abendliche Nachrichtensendung einbauen konnten. Aber vielleicht berichteten sie auch live. Ryan versuchte, die Presse zu ignorieren, während er darauf wartete, dass Adam und Lane wieder an die Oberfläche kamen.

Es hatte eine Weile gedauert, die Leiche heraufzuholen. Jemanden aus dieser Tiefe zu bergen, war etwas, das sie zwar geübt, aber noch nie im Ernstfall getan hatten. Doch ihre Ausbildung und das Wissen um die korrekten Abläufe hatten sich ausgezahlt. Die Bergung war erfolgreich und reibungslos verlaufen.

Wie sich herausgestellt hatte, fehlten der Leiche nicht nur Kopf und Hände, sondern auch die Füße. Die Tiefe und die Kälte des Seewassers hatten den Verwesungsprozess verlangsamt, aber die Pathologin Dr. Sharon Oliver würde trotzdem veranlassen, dass am Montag eine Gerichtsanthropologin kam und sich die Leiche ansah.

Die gute Nachricht war, dass Ryan die Anthropologin mochte. Sie war eine ausgesprochen intelligente Frau, die sehr gut mit dem Büro des Sheriffs zusammenarbeitete. Die schlechte Nachricht war, dass sie frühestens am Montagnachmittag eine wie auch immer geartete Identifikation erhalten würden.

Als Adam und Lane wieder auftauchten, versammelte das Team sich am Ende von Leighs Bootssteg.

„Was müssen wir eigentlich machen, damit der Hubschrauber verschwindet?“, fragte Gabriel in die Runde. Ryan klopfte ihm auf die Schulter. „Duck dich einfach, Kumpel.“ Als verdeckter Ermittler musste Gabriel es tunlichst vermeiden, dass ihn jemand fotografierte oder filmte.

„Gut.“ Er starrte auf die Planken des Steges. „Ich habe kein Problem damit, noch mal runterzutauchen, aber ich bezweifle, dass wir dort die restlichen Teile der Leiche finden. Warum sollte jemand sich die Mühe machen, die Extremitäten abzuhacken, wenn er sie dann in der Nähe versenkt?“, gab er zu bedenken. „Ich glaube, der Mörder hat sie woanders weggeworfen.“

„Oder behalten“, sagte Adam.

Ein kollektives Stöhnen ging durch die Gruppe.

„Was denn?“ Adam Campbell, der aus der Abteilung für Wirtschaftskriminalität kam, ließ sich nicht abwimmeln. „Ihr wollt es vielleicht nicht aussprechen, und ich weiß“ – er hob eine Hand, als Anissa anhob, ihn zu unterbrechen –, „ich weiß, dass wir noch keine Beweise haben. Aber wenn jemand sich die Mühe macht, alles abzutrennen, die Leiche dann mit so vielen Gewichten beschwert und sie an der tiefsten Stelle im See versenkt? Dazu gehört Planung. Da müssen wir in Erwägung ziehen, dass der Mörder ein Sammler ist.“

Niemand widersprach ihm.

Wie auch? Man brauchte keinen Profiler vom FBI, um zu wissen, dass der Täter ernsthaft gestört sein musste. Aber ein Sammler? Konnte es sein, dass mitten in North Carolina ein Serienmörder herumlief?

„Es könnte auch eine Bande sein“, schlug Gabriel vor. „Mir fallen mindestens drei ein, die hinter so einer Sache stecken könnten. Obwohl mir neu wäre, dass sie in Carrington aktiv sind.“

Skrupellose Banden oder Serienkiller? So oder so ging in seiner Stadt etwas Übles vor sich. Ryan zügelte seine Gedanken. Das waren doch alles Spekulationen. Sie brauchten Beweise. „Wir fangen mit den Fakten an und folgen den Spuren, die sich dadurch ergeben.“ Er sah alle Teammitglieder nacheinander an, während er fortfuhr: „Wir untersuchen jede Möglichkeit. Erst mal suchen wir weiter in den Quadranten, die wir aufgeteilt haben. Schließlich wollen wir später nicht feststellen müssen, dass wir einen Hinweis übersehen haben.“

Die Gruppe löste sich auf, und Ryan und Gabriel machten sich für den nächsten Tauchgang bereit.

„Wie geht es Leigh?“, fragte Gabriel.

„Gut.“ Ryan überprüfte die Anzeigen seines Sauerstofftanks.

„Das kann ich mir vorstellen“, murmelte Gabriel.

„Warte mal. Woher kennst du Leigh?“

„Ich habe sie schon ein paarmal gesehen.“

„Wo denn?“

„In der Notaufnahme. In der Kirche. Sie ist toll. Vor allem, wenn man Mädchen mit langen schwarzen Haaren mag, die so viel Selbstbewusstsein ausstrahlen und sich so elegant bewegen wie sie.“

Ryan antwortete nicht.

„Dein Schweigen verrät mir nicht nur, dass du mir zustimmst. Es passt dir nicht, wenn ich so rede.“

„Sie ist die kleine Schwester meines besten Kumpels.“

„Sie ist Kirks jüngere Schwester. Außerdem ist sie jetzt erwachsen und kann bestimmt ihre eigenen Entscheidungen treffen. Ich wette, Kirk fände es cool, dich als Schwager zu haben.“ Gabriel lachte über seinen eigenen Witz, während er die Tauchermaske über seinem Gesicht zurechtrückte.

Ryan versuchte, sich auf seine Vorbereitungen zu konzentrieren. Tauchen machte Spaß, aber es war gleichzeitig eine ernste Angelegenheit. Es war nicht gut, wenn er sich von Dingen ablenken ließ wie Leighs braunen Augen und ihren vollen Lippen …

Nein, nein, nein. Das kam gar nicht infrage. Nicht mit Kirks kleiner Schwester. Und überhaupt mit niemandem. Er war bereit, sich den unterschiedlichsten Gefahren zu stellen – tauchen, Verbrechen lösen, Babysitter bei Nichte und Neffe spielen –, alles gefährlich, aber das Risiko wert.

Aber keine Beziehung. Auf keinen Fall. Kam nicht in die Tüte.

Diesen Kummer wollte er sich so weit wie möglich ersparen.

Er holte tief Luft und stieg in den See. Eigentlich ging er nicht davon aus, dass er etwas finden würde, aber die Leiche hatte es verdient, dass alle ihr Bestes gaben. Irgendwo fragte sich jemand, wo dieser Mann war. Da war es das Mindeste, dass sie versuchten, den Rest von ihm zu finden.

Leigh balancierte ein Tablett mit Sandwiches in der einen Hand und nahm mit der anderen zwei Tüten Chips von der Küchenzeile. Eine ziemlich magere Verpflegung, aber mehr konnte sie nicht anbieten. Schließlich hatte sie nicht geplant, heute Abend eine Horde Polizeibeamte zu verköstigen. Hoffentlich entschädigte der Nachtisch für den mickrigen Hauptgang.

Wenn sie nicht vorgehabt hätte, für ihre Kolleginnen bei der Arbeit etwas mitzunehmen, hätte sie nicht einmal dieses bisschen Essen im Haus gehabt. Die meisten in ihrem Team brachten sich für ihre 12-Stunden-Nachtschicht in der Notaufnahme selbst etwas zu essen mit, aber manchmal war es nett, wenn im Pausenraum etwas stand, woran man sich bedienen konnte, wenn man von einem Zimmer zum nächsten eilte.

Langsam ging sie die Rasenstufen zum Anleger hinunter. Eigentlich fand sie diesen Weg mit verbundenen Augen, aber bei ihrem Glück stolperte sie wahrscheinlich ausgerechnet heute. Sie war schon immer verlegen gewesen, wenn Ryan Parker in der Nähe war, und nach dem zu urteilen, was heute Morgen geschehen war, hatte sich daran offensichtlich nichts geändert.

Warum sahen Männer eigentlich immer besser aus, wenn sie älter wurden? Das war einfach unfair. Als Junge war Ryan süß gewesen. Aber als Mann? Als Mann war er … Bei dem Gedanken zog sich ihr Magen zusammen. Es waren nicht nur sein Gesicht oder seine Figur, obwohl es an beidem wirklich nichts auszusetzen gab. Bei Ryan war es immer die Persönlichkeit gewesen. Seine Ausstrahlung. Sein Lachen.

Wie viele Nächte hatte sie im Dunkeln gesessen und zugehört, wie Kirk und er sich im Nebenzimmer unterhalten hatten? Sie wusste viel mehr über Ryan, als ihm bewusst war.

Sie riss sich von diesen Gedanken los und konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Die Vergangenheit war ein schöner Ort für Besuche, aber Leigh lebte nun einmal in der Wirklichkeit. Und in der Wirklichkeit erreichten Typen wie Ryan Parker nicht ihren dreißigsten Geburtstag, ohne zu heiraten, wenn sie nicht extreme Bindungsprobleme hatten.

Nicht dass es eine Rolle spielte. Sie war ohnehin nicht auf eine Beziehung aus.

„Komm, ich helfe dir.“ Eine tiefe Stimme durchbrach ihre Träumerei.

Ihr Gehirn brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um zu erkennen, dass es sich um eine freundliche Stimme handelte. Doch währenddessen versuchte ein anderer Teil ihres Gehirns, den Schrei zu unterdrücken, den sie inzwischen reflexartig ausstieß, wenn sie überrascht wurde. Was dabei herauskam, war eher ein ersticktes Quieken als ein Aufschrei.

Leigh spürte, wie ihr Gesicht und ihr Hals heiß wurden. Sie hatte nicht immer geschrien. Oder gequiekt. Oder was auch immer. Ihr Therapeut hatte gesagt, das würde sich mit der Zeit legen. Lügner.

Ryan griff nach dem Tablett mit den Sandwiches. „Alles in Ordnung?“, fragte er leise.

Sie holte ein paarmal tief Luft, um sich zu beruhigen, und nickte. „Klar.“

Dann sagte er lauter: „Was gibt es denn hier Leckeres?“

Leigh wusste nicht, warum er diesmal nicht nachhakte, so wie heute Morgen, aber sie war froh, dass er sie nicht vor seinen Kollegen in die Mangel nahm.

„Es ist nicht viel. Nur ein paar Sandwiches. Käse und Hähnchensalat.“

„Das hättest du aber nicht zu machen brauchen.“

„Ihr seid schon den ganzen Tag hier und ich habe nicht mitbekommen, dass irgendeiner von euch einkaufen gegangen wäre.“

„Wir haben ein paar Knabbersachen.“

„Und jetzt habt ihr noch ein paar Sandwiches.“

Ryan lachte. „Wo soll ich die hinstellen?“

Leigh zeigte auf den Picknicktisch am Seeufer. „Ist der in Ordnung?“

„Natürlich.“ Er stellte das Tablett auf das eine Ende des Tisches, dann nahm er ihr die Chips ab.

„Danke.“ Sie wandte sich wieder dem Haus zu.

„Wieso läufst du denn weg?“

„Ich laufe nicht weg“, erwiderte sie. „Es gibt noch mehr, was ich holen will.“

„Dann komme ich mit.“

Leigh widersprach nicht. Wahrscheinlich hätte sie es tun sollen, aber normalerweise lief sie nicht draußen herum. Schon gar nicht, wenn es dämmrig wurde.

Früher hatte sie das getan. Im Dunkeln am Wasser zu sitzen, war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen als Kind gewesen. Dann hatte sie den Geräuschen der Nacht gelauscht – wie das Wasser ans Ufer von Lake Porter schlug, die Stimmen aus den Häusern ringsum, das schwache Surren von Booten. Stundenlang hatte sie hier draußen gesessen, von der Zukunft geträumt und über Entscheidungen gebetet, die sie treffen musste.

Auf ihrem Bootssteg hatte sie sich Gott näher gefühlt als irgendwo sonst. Sie war sich nicht sicher, was sie falsch gemacht hatte, aber irgendwann hatte er aufgehört, auf ihre Gebete zu antworten. Oder vielleicht hatte sie aufgehört zu antworten, als sie zu viel zu tun hatte, um zu reden.

So oder so war der Bootssteg kein Zufluchtsort mehr für sie. Wenn sie nicht bei der Arbeit war, verbrachte sie die Abende drinnen. Hinter verschlossenen Türen. Mit eingeschalteter Alarmanlage. Laufenden Kameras. Geladener Pistole.

Seit sie im Dezember in das Haus zurückgezogen war, war dies das erste Mal, dass sie sich so spät aus dem Haus getraut hatte. Sie hatte vergessen, wie sehr sie diesen Ort vermisst hatte.

Noch etwas, das der Stalker ihr geraubt hatte.

Sie schob die melancholischen Erinnerungen so weit wie möglich von sich. Vielleicht konnte sie die Tatsache, dass die Polizei hier war, nutzen und ein paar Abende am Anleger genießen. Obwohl das angesichts der Leiche-im-See-Sache eher unwahrscheinlich schien.

„Was holen wir denn noch?“, fragte Ryan.

„Limonade. Tee. Nachtisch.“

„Soll ich Verstärkung anfordern?“

„Ich glaube, damit werden wir schon fertig.“

„Wenn du meinst?“

Leigh lächelte über seine Skepsis, als sie schweigend den Hügel hinaufgingen, und suchte krampfhaft nach einem Gesprächsthema. Sie wollte nicht, dass er die Chance hatte, ihr irgendwelche tiefschürfenden Fragen zu stellen. „Bist du eigentlich gleich im Anschluss ans College nach Carrington zurückgekommen?“

„Ja. Das war immer der Plan. Ich wollte nie woanders leben.“

Das konnte sie verstehen.

„Warum bist du in Durham geblieben?“, fragte Ryan.

Was für eine Frage. Sie überlegte, bevor sie antwortete. „In der Pflegeausbildung war ich eine Zeit lang in der Onkologie, und es gefiel mir besser, als ich erwartet hatte. Nach meinem Abschluss boten sie mir einen Job an und ich habe ihn genommen. Es lag nicht daran, dass ich nicht hier wohnen wollte, aber die Arbeit, die ich machen wollte, war dort. Dann habe ich beschlossen, weiterzustudieren und einen Master zu machen, also habe ich nebenbei gearbeitet, bis ich mit meinem Studium fertig war.“

„Das verstehe ich. Ich weiß aber nicht, ob ich jemals so eine Arbeit machen könnte. Was hat dich denn an der Onkologie so gereizt? Die meisten Menschen denken, dass es total deprimierend ist.“

„Auch nicht deprimierender als deine Arbeit“, erwiderte sie. „Wenn du mit ihnen zu tun bekommst, sind deine Opfer alle tot. Meine Patienten hatten wenigstens eine Chance. Und viele von ihnen sind gesund geworden und leben weiter.“

Ryan warf den Kopf in den Nacken und lachte. Leigh stimmte unwillkürlich ein. „Stimmt auch wieder“, sagte er, als er ihr die Tür aufhielt und sie die Küche betraten.

Sie holte die Limonade und Eistee aus dem Kühlschrank.

„Aber du hast noch nicht gesagt, warum du dich für die Onkologie entschieden hast. Versteh mich nicht falsch – ich finde, das ist eine wichtige Arbeit. Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass jemand sie mit Begeisterung machen kann.“

„Das ist kompliziert.“

„Ich bin mir sicher, dass ich dir folgen kann.“

„Du nervst.“

„Das hat man mir schon öfter gesagt.“

Leigh lehnte sich an die Kühlschranktür. „Ich glaube, was mich angezogen hat, war das Gefühl, dass es wirklich wichtig war. Dass ich unabhängig vom Ergebnis etwas bewirken konnte. Entweder half ich den Menschen, länger zu leben, als sie gedacht hatten … oder ich konnte ihre Hand halten, wenn sie starben.“

Leigh hörte Ryans leises „Wow“ und die Bewunderung in seinem Tonfall, aber es war an der Zeit, das Thema zu wechseln. Sie zog den Kuchen aus dem Kühlschrank und stellte ihn vor Ryan auf die Arbeitsplatte.

Ryan riss die Augen auf. „Ist es das, wofür ich es halte?“

Ihre Mutter hatte ihn den „besten Kuchen der Welt“ genannt, und Leigh hatte nicht vergessen, dass es Ryans Lieblingsdessert war.

„Ich kann nicht fassen, dass du den gemacht hast.“ Er sah sich in der Küche um. „Ich habe viele glückliche Stunden in diesem Haus verbracht.“

„Ich auch“, sagte sie. „Es war toll, hier aufzuwachsen.“ Sie wünschte, sie wüsste, was sie tun musste, damit es ebenso toll war, als Erwachsene hier zu leben.

„Ich vermisse deine Mutter“, sagte er. „Es tut mir wirklich leid.“

Leigh schluckte. „Danke. Aber sie war bereit. Sie wollte bei Dad und bei Jesus sein. Und von irgendwelchen verrückten Behandlungen hatte sie genug. Als wir dann wussten, was es war, konnte man nichts mehr machen.“

„Bist du deshalb zurückgekommen? Um dich um sie zu kümmern?“

„Nein. Ich hatte mir Urlaub genommen. Aber sie starb, bevor ich einen Umzug hierher auch nur in Erwägung ziehen konnte.“ Aber das wusste er doch schon, oder nicht?

„Also …“

Wie es aussah, würde er nicht lockerlassen.

„Ich brauchte eine Veränderung. Und wir brauchten jemanden, der während des Sommers in dem Haus wohnt. Weder Kirk noch ich waren so weit, dass wir das Haus vermieten wollten, aber wir konnten uns auch nicht vorstellen, es leer stehen zu lassen.“

„Das klingt logisch“, sagte Ryan, doch seine Miene blieb fragend. Er nahm die Getränke, Leigh tat den Kuchen und das Pappgeschirr in einen Korb und dann gingen sie wieder hinaus.

Sie blieb stehen, um hinter sich zuzumachen, und ein leises Läuten ertönte, als die Tür ins Schloss fiel.

„Anissa wollte, dass ich dich nach der Alarmanlage frage“, sagte Ryan.

„Was ist damit?“

„Hast du Zugang zu den Kameras, oder wird das alles irgendwo anders geregelt?“

„Beides“, sagte sie. „Die Kameras speichern Aufnahmen von ungefähr zwei Wochen. Manche laufen die ganze Zeit, andere werden durch einen Bewegungsmelder aktiviert. Warum?“

„Decken irgendwelche Kameras den See ab?“

„Nicht viel davon“, erwiderte sie. „Es gibt Kameras am Bootssteg und an der Grundstücksgrenze entlang. Tagsüber kann man maximal bis zur Mitte des Sees blicken.“

„Hättest du etwas dagegen, wenn wir uns die Aufnahmen mal ansehen? Und vielleicht können wir verhindern, dass etwas von dem, was im Moment gespeichert ist, gelöscht wird.“

„Du meinst, ihr könnt vielleicht auf meinen Kameras etwas sehen, was euch mit eurer Leiche weiterhilft?“

„Ehrlich gesagt bezweifle ich es. Aber ich habe gelernt, dass man keine Möglichkeit außer Acht lassen darf. Manchmal findet man Dinge, die man gar nicht gesucht hat, und das sind dann genau die, die man braucht, um einen Fall zu lösen.“

„Okay. Brauchst du die Aufnahmen heute noch? Mein Dienst beginnt um elf …“

Ryan blieb wie angewurzelt stehen, und sie musste sich umdrehen, um ihn anzusehen.

„Du arbeitest? Heute Nacht?“

Was war daran so ungewöhnlich? „Ja. Ich habe schließlich einen Job.“

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Das meinte ich nicht. Ich dachte, du arbeitest 12-Stunden-Schichten.“

Woher wusste er, wie viele Stunden sie arbeitete?

„Davon bin ich jedenfalls ausgegangen. Die meisten Krankenschwestern arbeiten doch im Schichtdienst. Hast du als Leitung andere Arbeitszeiten?“

So leicht würde er nicht davonkommen. „Kirk hat dich angerufen, oder?“

„Hmm?“ Ryan lief mit schnellen Schritten den Hügel hinunter.

„Lauf ja nicht vor mir weg, Ryan Parker.“

Ryan blieb stehen, drehte sich aber nicht um. Als sie ihn erreicht hatte, legte sie los. „Hat mein Bruder dich angerufen? Dir gesagt, dass du auf mich aufpassen sollst? Hast du mich etwa beobachtet?“

„Nein! Ja. Ich meine, nicht so, wie du denkst.“

Sie stapfte an ihm vorbei. Eigentlich sollte sie wütend sein. Aber wenn sie ehrlich war, überraschte sie das nicht. Obwohl es nicht nötig war, sah es Kirk ähnlich. Er passte immer auf sie auf. Oder versuchte es jedenfalls.

„Ach, komm, Leigh.“

Ryans Hand griff nach ihrem Ellbogen, und sie zuckte zusammen. Er ließ los, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. War sie so abstoßend? Oder wusste er Bescheid?

„Tut mir leid“, sagte er.

Er wusste es.

„Was hat Kirk dir noch erzählt?“

Ryan hielt ihrem Blick stand. Er wich auch nicht zurück. Stattdessen trat er näher. „Er hat mir gesagt, dass ein Patient dich terrorisiert hat.“

Sie presste die Lippen zusammen. Super. Einfach fantastisch. Selbst aus dem Grab ruinierte der Mann noch ihr Leben. Zuerst hatte er ihre Welt acht Monate lang in eine Geisterbahn verwandelt, und jetzt ließ er sie wie ein Opfer aussehen. Und das ausgerechnet vor dem einen Menschen, dem sie keine Verletzlichkeit zeigen wollte.

Ryan hatte sie immer wie eine kleine Schwester behandelt.

Sie hingegen hatte in ihm nie einen Bruder gesehen.

„Kirk hat gesagt, dass der Patient tot ist und du beschlossen hast, nach Hause zurückzugehen, um einen klaren Schnitt zu machen. Das klingt total vernünftig. Ich habe schon einige Stalker weggesperrt, bei denen die Lage so schnell eskaliert ist, dass niemand sie aufhalten konnte. Ich bin froh, dass es bei dir nicht so weit gekommen ist, Leigh. Wirklich froh.“

Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte.

„Falls du irgendwann mal darüber reden willst, höre ich gerne zu. Aber wenn es dir lieber ist, dass wir nie wieder davon sprechen, ist das für mich auch okay.“

Sie schluckte ein paarmal, bevor sie eine Antwort herausbrachte. „Danke“, flüsterte sie.

Ryan räusperte sich und zeigte auf den See. Sie folgte ihm und sie kehrten auf den Weg zurück. Offenbar war ihm das Schweigen nicht unangenehm, und es dauerte einige Sekunden, bis ihr Atem und ihre Nerven sich beruhigt hatten und sie wieder etwas sagen konnte.

„Normalerweise arbeite ich in 12-Stunden-Schichten“, sagte sie. „Aber letztes Wochenende habe ich zweimal früher angefangen, deshalb hat die Oberschwester gesagt, ich könne um elf kommen. Wenn du willst, zeige ich dir gerne die Aufnahmen von den Überwachungskameras, bevor ich gehe.“

„Klingt gut“, sagte er, während sie den Kuchen und die Getränke auf den Picknicktisch stellten. Er rief die Kollegen zusammen, als sei nichts Ungewöhnliches geschehen.

Vielleicht war es ja doch keine Katastrophe, dass er es wusste.

Vielleicht.

3

Ryan saß neben Leigh an der Frühstücksbar in ihrer Küche. Ihr Laptop stand aufgeklappt vor ihr. Vor ihm stand sein drittes Stück Kuchen. Er aß einen Bissen. Schokolade, Schlagsahne und Karamell explodierten auf seinen Geschmacksknospen. „Diesen Kuchen habe ich seit Jahren nicht mehr gegessen“, sagte er, während er den nächsten Bissen aufspießte. „Deiner ist genauso, wie ich ihn in Erinnerung habe.“

Er hatte erwartet, dass sie etwas sagen würde, aber Leigh antwortete nicht sofort. Mann, er war echt ein Depp. Ihre Mutter war erst seit einem Jahr tot. Vielleicht war es zu früh, um so zu reden.

„Mom hatte die Zutaten immer im Haus“, sagte Leigh.

In ihrer Stimme lag eine Menge Nostalgie, aber nur ein Hauch von Traurigkeit. Puh.

„Sie hat wohl auf mich abgefärbt. Hoffentlich auch in vielen anderen Dingen.“

Er nahm noch einen Bissen. „Deine Mom wäre auf dein Essen heute Abend stolz gewesen“, sagte er.

„Ja“, sagte sie lachend. „Ich glaube schon.“

Ryan ließ den Blick durch die Küche wandern. „Mir gefällt, was du mit dem Haus gemacht hast.“

Sie blickte von ihrem Bildschirm auf und folgte seinem Blick. „Ich habe zu Mom gesagt, dass die Tapete mit dem Obst weg muss.“ Ihr Lachen war ansteckend, und Ryan stimmte ein. „Mom hat mir das Versprechen abgenommen, alles zu renovieren, wenn sie nicht mehr ist. Es war eines ihrer letzten Geschenke.“ Leigh lächelte, aber jetzt glänzten in ihren Augen unvergossene Tränen. „Wir sollten nicht das Gefühl haben, dass es ihr Andenken beleidigt, wenn wir etwas ändern.“

„Das ist typisch für sie“, nickte er.

„Aber sie hätte diese Alarmanlage gehasst. Kameras waren ihr zuwider. Sie war davon überzeugt, dass man sie manipulieren kann. Aber Kirk fand auch, dass sie nötig waren, wenn ich allein hier leben wollte.“

Ryan wünschte, er könnte ihr widersprechen, aber das konnte er nicht. „Deine Anlage sieht ziemlich modern aus.“

„Das ist sie auch, aber ich habe noch nie versucht, mir Aufnahmen von vor mehreren Tagen oder Wochen anzusehen“, sagte Leigh, während sie ihr Passwort eingab. „Die Kameras, die auf den Bootssteg zeigen, werden durch Bewegungsmelder aktiviert und nehmen jedes Mal mehrere Minuten auf. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wie man die Videos aufruft.“

„Danke für deine Hilfe“, sagte Ryan. „Ich weiß, dass die Chance nicht sehr groß ist, aber ich will gründlich sein. Oh, und ich sollte dir wohl auch sagen, dass ich für die Sichtung deiner Aufnahmen einen Durchsuchungsbeschluss habe.“ Er tippte auf das Blatt Papier, das er auf die Küchenzeile gelegt hatte. „Ich weiß, du hast nichts dagegen, dass ich sie mir ansehe, aber alles muss seine Ordnung haben. Schließlich will ich nicht, dass ein Verteidiger irgendetwas in der Hand hat und das, was wir vielleicht finden, nicht als Beweis zugelassen wird.“

Leigh lächelte. „Meine Polizeikenntnisse beruhen ausschließlich auf Fernsehserien, aber das scheint mir eine vernünftige Überlegung zu sein.“ Ein paar Tastenanschläge folgten ihren Worten. „Hier sind sie. Wie weit willst du bei deiner Suche zurückgehen?“

Die Leiche war noch gut erhalten, weil sie eingewickelt gewesen war und das kalte Wasser des Sees geholfen hatte, die Verwesung zu verlangsamen. Erst wenn die Gerichtsmedizinerin mit der Autopsie fertig war, würden sie den Todeszeitpunkt kennen.

„Vielleicht zwei Wochen?“

Leigh füllte einige Felder auf der Seite aus und klickte dann auf Suchen.

Auf dem Bildschirm erschien eine Liste mit Videodateien.

„Das ist viel mehr, als ich erwartet hatte“, sagte Leigh entschuldigend.

Ryan beugte sich vor, damit er den Bildschirm besser sehen konnte, während sie durch die Liste scrollte. Es waren mehrere Hundert Videos. Sie alle durchzugehen, würde Stunden dauern. Er unterdrückte ein Stöhnen.

„Können wir davon ausgehen, dass euer Verbrecher die Leiche nachts versenkt hat?“, fragte sie.

„Ich schließe ungern irgendetwas aus, aber es ist tatsächlich unwahrscheinlich, dass er versucht hat, die Leiche am helllichten Tag zu entsorgen.“

„Okay“, sagte sie. „Dann grenzen wir die Suchkriterien ein bisschen ein.“

Diesmal war die Liste sehr viel kürzer.

„Was hast du gemacht?“, fragte er.

„Ich habe die Aufnahmen zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens ausgewählt. Mir ist klar, dass du dir alle angucken musst, aber ich dachte, diese sind für den Anfang am besten.“

„Gute Idee“, nickte er.

Leigh schob ihm den Computer zu und stand auf. „Ich würde ja gerne sehen, was hier mitten in der Nacht los ist, aber ich muss mich für die Arbeit fertig machen. Viel Spaß.“

„Danke.“ Ryan sah ihr nach, als sie die Treppe hinaufging. Interessant. Das große Schlafzimmer befand sich im Erdgeschoss. Wahrscheinlich hatte sie es trotz der Erlaubnis ihrer Mutter nicht übers Herz gebracht, in das elterliche Schlafzimmer zu ziehen.

Sein Telefon vibrierte. „Hallo, Schwesterherz.“

„Immer noch bei der Arbeit?“, fragte Rebecca.

„Irgendwie schon.“ Er klickte auf die Videodatei vom Vorabend. Die Aufnahmen zeigten einen leeren Bootssteg. Sonst nichts. „Was gibt’s?“

„Ich wollte fragen, ob du morgen im Gottesdienst bist.“

„Habe ich vor“, sagte er. Leighs Aufnahme lief weiter. „Brauchst du irgendwas?“

„Eigentlich nicht. Caleb hat gefragt.“

Caleb. Ihn wollte Ryan nicht enttäuschen. „Sag ihm, dass ich versuche zu kommen, aber ich arbeite an einem großen Fall, und es kann sein, dass ich es nicht schaffe.“

„Mach ich. Danke“, sagte Rebecca.

„Bei dir alles in Ordnung?“

„Ich bin nur müde.“

„Vielleicht kann ich diese Woche einen Abend was mit Caleb machen. Damit du mal eine Pause hast.“

„Darauf verlasse ich mich lieber nicht“, antwortete sie lachend. „Ich habe die Nachrichten gesehen, Ryan. Du ermittelst wegen der Leiche im See, oder?“

Er musste sich die Nachrichtensendung in der Mediathek heraussuchen und gucken, was alle in der Stadt an diesem Abend gesehen hatten. „Stimmt, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht mit meinem Lieblingsneffen abhängen kann. Ich muss schließlich auch zu Abend essen.“

„Lass es uns spontan machen.“

Ryan hörte die Erschöpfung in ihrer Stimme. „Ich meine es ernst. Irgendwie mache ich es möglich.“

„Okay. Bis morgen.“

Er merkte, dass seine Schwester ihm nicht glaubte. Und er konnte es ihr auch nicht verübeln.

Dann hörte er Leigh auf der Treppe. Erst kam ihre Stimme, dann sie. „Irgendwas gefunden?“

„Ich muss …“

„Wer ist denn das?“ Er konnte sich die blitzenden Augen seiner Schwester vorstellen. „Ich dachte, du bist bei der Arbeit?“

„Bin ich auch“, sagte er ins Telefon. „Noch nichts“, antwortete er Leigh.

Sie blieb in der Küchentür stehen. „Sorry“, formulierte sie lautlos mit den Lippen.

„Kein Problem“, sagte er. „Ich muss Schluss machen, Rebecca.“

„Wer ist das?“

Er hatte keine Chance. Wenn er ihr sagte, wo er war, würde sie sofort voreilige Schlüsse ziehen. Wenn er versprach, es ihr später zu erzählen, würde sie genauso voreilige Schlüsse ziehen. „Ich bin bei Leigh Weston und sehe mir Aufnahmen von Überwachungskameras an“, sagte er. „Wir können ihren Bootsanleger benutzen.“

„Leigh Weston?“

Womit sie bei den voreiligen Schlüssen waren.

„Dann lass ich dich in Ruhe.“ Ein leises Lachen drang durch die Telefonleitung.

„Rebecca …“

„Wir sprechen uns morgen.“ Mit dieser düsteren Prophezeiung legte sie auf.

Er starrte das Handy an.

„Tut mir leid“, sagte Leigh. „Mir war nicht klar …“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen“, erwiderte Ryan. „Das war nur meine Schwester.“

Seine Schwester, die zweifellos in diesem Augenblick seine Mutter anrief.

„Wie geht es ihr?“

Die Frage enthielt viel zu viele Untertöne. „Du hast es doch bestimmt gehört, oder?“

Sie zog eine Grimasse. „Der Tratsch im Krankenhaus kann übel sein.“

„Was erzählt man sich denn so?“

Leigh sah aus wie ein Tier, das in der Falle sitzt. „Vielleicht kannst du mir sagen, was wirklich passiert ist, statt dass ich dir die Gerüchte erzähle.“

„Wie wäre es, wenn ich dir die Wahrheit erzähle und du mir danach die Gerüchte?“

Leigh sah nicht gerade begeistert aus, aber sie nickte.

„Clay hat sie wegen einer Frau verlassen, die er beim zwanzigjährigen Abi-Jubiläum getroffen hat. Sie haben angefangen, sich über Facebook zu unterhalten, dann im echten Leben, und dann hat er an einem Sonntagmorgen die Kirche verlassen und ist zu ihr gegangen anstatt zu seiner Frau und seinen Kindern.“

„Das ist so ziemlich das, was ich auch gehört habe“, sagte sie. „Es tut mir leid. Ich mochte Rebecca immer.“

„Sie mag dich auch.“

„Wie wird Caleb damit fertig?“

„Nicht gut. Veränderungen in seinem Alltag sind für ihn schwierig.“ Bei Caleb hatte man im Alter von zwei Jahren Autismus diagnostiziert. Wie sein eigener Vater ihn im Stich lassen konnte, war unbegreiflich.

Das Video auf dem Bildschirm endete, und Ryan klickte auf die nächste Datei von 3:15 Uhr am Donnerstag.

„Er versteht nicht, warum Clay nicht nach Hause kommt. Wir glauben, dass er ihn vermisst, aber bei den seltenen Gelegenheiten, wenn Clay versucht, ihn zu sehen, dreht er durch.“ Ryan hielt inne. Leigh musste nicht das ganze Familiendrama hören. Sie hatte genug eigene Probleme. „Es ist ziemlich verfahren.“

Leigh schob die Hände in die Taschen ihrer Schwesternjacke. „Ich habe nicht viel mit Dr. Fowler, also mit Clay zu tun“, sagte sie. „Aber ich weiß, dass alle im Krankenhaus schockiert waren. Die Schwestern, die am engsten mit ihm zusammenarbeiten, haben nicht viel Gutes über ihn zu sagen. Nicht dass es Rebecca hilft, aber die meisten finden, dass er ein miserabler Vater und ein widerlicher Kerl ist.“

„Widerlich trifft es ziemlich gut“, nickte Ryan. Wieder nichts in der Videoaufnahme. Die nächste war zehn Minuten später aufgenommen. Er klickte auf Abspielen.

„Könntest du bitte abschließen, wenn du gehst?“, fragte Leigh.

Ryan betätigte den Pausenbutton. „Tut mir leid. Ich kann das hier auch später durchsehen.“

„Nein, nein. Mach das ruhig zu Ende.“ Sie kritzelte ein paar Zahlen auf einen Notizblock. „Hier ist meine Nummer. Schick mir eine SMS, wenn du gehst, dann schalte ich die Alarmanlage von meinem Smartphone aus ein.“

„Bist du sicher?“

„Hundertprozentig“, erwiderte sie. „Aber jetzt muss ich los.“

„Danke.“

Leigh verschwand durch die Tür zur Garage, und Ryan wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu. Das Garagentor war gerade zugeschnappt, als Lichter über den Monitor zuckten. Ryan beobachtete, wie die Lichter eines Bootes über den Bildschirm wanderten und dann am Bildrand verschwanden.

Er sah auf die Liste. In dieser Nacht hatte nichts sonst die Kameras ausgelöst. Er notierte sich Datum und Zeit des Videos und sah sich dann die restlichen Aufnahmen von den vergangenen zwei Wochen an. Er sah ein paar Rehe am Seeufer. Ein paar Jugendliche auf Wasserskiern. Ein Boot, das sich so langsam am Ufer entlangbewegte, dass es ein Angler sein musste. Aber nichts sonst schien für den Bootsverkehr auf einem See zu Beginn des Frühlings ungewöhnlich.

Morgen würde er andere Hausbesitzer in dieser Gegend fragen, ob ihre Überwachungskameras in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag zwischen halb drei und halb fünf irgendetwas aufgezeichnet hatten.

Vielleicht hatte es nichts zu bedeuten, aber sein Instinkt sagte ihm, dass es wichtig war.

Jetzt musste er es nur noch beweisen.

Leigh verließ das Krankenhaus morgens um fünf nach halb acht. Während sie zu ihrem Wagen ging, versuchte sie, die Verspannungen in Nacken und Schultern etwas zu lockern. Vielleicht sollte sie sich eine Massage gönnen. Oder einen Chiropraktiker aufsuchen. Der würde sich im wahrsten Sinne des Wortes die Hände reiben. Sie wusste, dass aller Stress sich auf ihre Schultern auswirkte, aber die Arbeit konnte sie diesmal nicht dafür verantwortlich machen. Die hatte in den vergangenen vierundzwanzig Stunden am wenigsten Stress verursacht.

Wenigstens hatte sie gestern Abend einen fantastischen Parkplatz ergattert, sodass sie an diesem Morgen nicht mit dem Shuttlebus zur anderen Seite des riesigen Krankenhausgeländes fahren musste. Ganze zehn Minuten früher als sonst stieg sie in ihren Wagen, um nach Hause zu fahren.

Die Wettervorhersage hatte einen sonnigen Frühlingstag versprochen, aber noch hatte sich der Morgennebel nicht aufgelöst. Leigh schaltete die beheizbare Heckscheibe und die Sitzheizung ein, während sie darauf wartete, dass die Ampel grün wurde und sie links auf die Schnellstraße abbiegen konnte.

Sie legte sich nicht immer nach einer Schicht schlafen, aber heute hatte sie das vor. Ryan hatte ihr versichert, dass die Taucher mit ihrer Suche auf dem Grund des Sees weitermachen würden. Sie dachte an den Mann, der gestorben war, und die Vorstellung, dass seine Familie sich fragte, wo er wohl war und was mit ihm geschehen war, betrübte sie. Aber sie freute sich darauf, tief und fest zu schlafen. Möglicherweise so gut wie seit einem Jahr nicht mehr. Wenn sie allerdings ständig an Ryan Parker dachte, würde es mit dem Schlaf vielleicht doch nichts werden.

Es kam ihr beinahe lächerlich vor, wie seine Gegenwart sie beruhigte. Wie sein Lachen ihr selbst das Lachen leichter machte. Er hatte sich seit der Schule durchaus verändert, aber das, was sie schon immer an ihm gemocht hatte, war noch da: Er lachte laut und lange. Er nahm seine Verpflichtungen ernst. Und er stand treu zu seiner Familie.

Die kaum verhohlene Feindseligkeit seinem Schwager gegenüber hatte Leigh nicht im Geringsten überrascht. Ganz sicher musste Ryan alle seine Selbstbeherrschung zusammennehmen, um Dr. Fowler keinen Besuch abzustatten und ihn in die Mangel zu nehmen.

Dr. Fowler hatte diese Nacht Bereitschaftsdienst gehabt. Dr. Evans und er hatten im Pausenraum der Notaufnahme einen kurzen Stopp eingelegt – alle wussten, dass es dort den besten Kaffee im ganzen Krankenhaus gab. Als Leigh die beiden gesehen hatte, hatte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und war in die entgegengesetzte Richtung gegangen. Vielleicht war es kindisch von ihr, aber für Männer, die ihre Kinder im Stich ließen, hatte sie nichts übrig. Sie würde professionell sein, wenn es nötig war, aber sie hatte nicht vor, auf dem Gang mit ihm zu plaudern.

Nach einigen Meilen nahm sie die Ausfahrt. Den Nachhauseweg konnte sie im Schlaf fahren und hatte es wahrscheinlich schon das eine oder andere Mal versehentlich getan. Die Heimfahrt im übermüdeten Zustand war das Schlimmste an den Nachtschichten.

Leigh fuhr über eine Hügelkuppe und beim Anblick der Landschaft, die sich vor ihr eröffnete, ging ihr das Herz auf. Sie liebte diesen Ort. Noch ein paar Meilen Kuhweiden und Hühnerfarmen, dann war sie zu Hause. Eine schnelle Dusche, bequeme Kleidung. Und dann glückseliger Schlaf.

Leigh gähnte und blinzelte, als sie sich dem Stoppschild am Fuße des Hügels näherte.

Sie tippte auf die Bremse.

Tippte noch einmal.

Trat mit voller Kraft zu.

Nichts.

Mit einem Mal war die Erschöpfung verschwunden und wich einer adrenalingetränkten Panik. Was musste man noch mal tun, wenn die Bremsen versagten? Handbremse? Ja, das klang logisch. Sie riss die Handbremse hoch. Der Wagen verlor etwas an Geschwindigkeit, aber nicht genug. Das Stoppschild kam immer näher. Ein Pick-up kam von rechts. Er hatte Vorfahrt. Würde er weiterfahren?

Der Pick-up rollte auf die Kreuzung zu.

Leigh riss das Lenkrad nach links, während sie weiterrollte.

Der Fahrer des anderen Wagens hupte, während sie versuchte, ihr Auto wieder auf ihre Spur zurückzubringen, aber sie hörte kein knirschendes Metall. Der Typ war vielleicht sauer, aber wenigstens war er unverletzt.

Die Straße wurde jetzt etwas ebener, aber nicht genug, als dass der Wagen zum Stehen gekommen wäre. Nach einer knappen Meile würde die Straße mit leichtem Gefälle bergab führen, bevor sie steil ins Tal abfiel. Wenn niemand kreuzte, bevor sie am Fuße des Hügels angekommen war – und wenn sie den Wagen in der Spur halten konnte –, dann würde ihr nichts passieren. Auf keinen Fall konnte ihr Auto auf der anderen Seite den Berg wieder hinaufrollen. Wenn sie erst einmal genug an Geschwindigkeit verloren hatte, konnte sie an den Straßenrand rollen und Hilfe rufen.

Sie trat wieder auf die Bremse. Noch immer nichts.

Wie konnte das sein?

Leigh spürte ihren Herzschlag in den Ohren rauschen, während sie die Strecke vor ihr nach potenziellen Gefahren absuchte.

Denk nach, Leigh. Denk nach.

Zäune säumten beide Seiten der Straße, aber am rechten Rand standen überall Pinien, und der Graben war tief. Wenn sie die Straße überquerte und die Fahrbahn auf der linken Seite verließ, müsste sie den Graben schaffen, durch den Zaun krachen und dann auf dem Feld zum Stehen kommen. Zaunpfähle waren deutlich weniger standhaft als Bäume und sie konnte den Unfall überleben.

Das hoffte sie jedenfalls.

Sie umfasste das Lenkrad fester, als das Gefälle – und ihre Geschwindigkeit – zunahm. Immer wieder trat sie auf die Bremse. Würde eine Stotterbremsung helfen? In diesem Stadium konnte sie jedenfalls nicht schaden. Aber nichts hielt ihre Abfahrt in das neblige Tal auf.

Ohne Vorwarnung erschien der massige Umriss eines Traktors im Dunst vor ihr.

Sonntagmorgen war normalerweise eine gute Zeit, um mit einem riesigen Trecker auf einer Landstraße unterwegs zu sein, aber nicht heute.

Vielleicht konnte sie an ihm vorbei …

In diesem Moment leuchteten Scheinwerfer auf der entgegenkommenden Fahrbahn auf.

Sie kam dem Traktor vor sich immer näher und der Wagen auf der anderen Spur näherte sich ebenso unaufhaltsam. Nie im Leben konnte sie sich zwischen den beiden hindurchquetschen.

Jetzt hatte sie keine Wahl.

Leigh riss das Lenkrad nach links und hielt es fest, als ihr Wagen über die durchgezogene gelbe Linie fuhr, die Gegenspur überquerte und dann in den flachen Graben rutschte. Der Winkel in den Graben hinein war jedoch steiler, als sie gedacht hatte. Ihre Motorhaube bohrte sich mit solcher Wucht in den Graben, dass ihr Airbag ausgelöst wurde und ihren Kopf gegen die Rückenlehne schleuderte, während das Heck des Fahrzeugs in die Luft gehoben wurde und dann seitwärts fiel.

Leigh verlor jede Orientierung und jedes Zeitgefühl. Als sie endlich sicher war, dass das Auto sich nicht mehr bewegte, war ihr linker Arm an der Fahrertür eingeklemmt. Sie versuchte, ihre Sitzposition zu verändern. Dabei verspürte sie einen stechenden Schmerz, sodass sie scharf die Luft einsog. Das Armaturenbrett war viel näher, als es sein sollte, und das Lenkrad drückte in ihren Unterleib. Ihr linkes Bein war im kleinen Raum zwischen Lenkrad, Tür und Armaturenbrett gefangen.

Leigh holte einmal tief Luft, dann noch einmal. Anschließend begann sie, ihren Zustand systematisch einzuschätzen. Ihr Kopf, Hals und rechter Arm ließen sich problemlos und ohne besondere Unbehaglichkeit bewegen. Sie waren nur etwas steif, nach einem Unfall nichts Ungewöhnliches. Sie konnte den Oberkörper drehen und ihr rechtes Bein war auch beweglich. Alles schmerzte, aber mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass ihr linker Fuß und das Bein langsam taub wurden.

Mit der Hand tastete sie den Teil des Beines ab, den sie erreichen konnte.

Oh-oh.

Sie konnte die schmerzhafte Beule an der Innenseite ihres Oberschenkels nicht sehen, aber das war auch gar nicht nötig. Sie wusste, was das zu bedeuten hatte: Der Aufprall musste eine Verletzung ihrer Oberschenkelarterie verursacht haben. Ein heftiger Schlag konnte dazu führen, dass sich das Blutgefäß beinahe völlig schloss. Oder sie konnte sich das Bein gebrochen haben, und der gebrochene Knochen konnte die Arterie punktiert haben, aber dann hätte sie einen scharfen Schmerz erwartet.

So oder so hatte sie ein Problem. Wenn das Blut nicht mehr durch die Arterie floss, konnte sie ihr Bein verlieren.

Wenn die Arterie verletzt war, verblutete sie möglicherweise, bevor die Sanitäter sie hier herausholen konnten.

4

Du musst ruhig bleiben.

Leigh versuchte, eine andere Erklärung für ihre Symptome zu finden, aber alles, was ihr einfiel, führte zum selben Schluss. Sie zwang sich, langsam durch die Nase ein- und dann durch den Mund wieder auszuatmen.

Es half nicht. Ihre Lage war nicht gut. Überhaupt nicht.

Sie wollte nicht sterben. Nicht jetzt.

Sie hörte den Herzschlag in ihren Ohren hämmern. Fantastisch. Jetzt würde sie noch schneller verbluten, weil sie Angst hatte zu verbluten. Du lieber Himmel.

Was würde sie zu einem Patienten sagen, der in Panik geriet? Dass er tief Luft holen sollte.

Das hatte sie allerdings schon ohne jeden Erfolg versucht.

Was noch?

Schließ die Augen. Konzentrier dich auf meine Stimme.

Na, das würde auch nicht funktionieren.

Was für Tricks hatte sie noch auf Lager? Kindern sang sie etwas vor. Auch das würde hier nichts nützen. Teenager lenkte sie mit lustigen Geschichten über ihre Kollegen ab. Müttern versicherte sie, dass es ihren Babys gut ging, und Vätern, dass sie weiterleben würden, um mit ihren Kindern angeln zu gehen. Keine dieser Bewältigungsstrategien würde ihr jetzt helfen.

Leigh war allein.

Und starb vielleicht.

Ihre Mutter hatte einen unbegreiflichen inneren Frieden empfunden, als sie starb. Sie hatte den Tod willkommen geheißen. Ihn mehr als Übergang begriffen denn als Ende. Moms letzte Worte waren ein Gebet gewesen.

Aber würde Gott Leigh überhaupt beachten, nachdem sie ihn schon so lange ignoriert hatte?

Sie übte so viel Druck wie möglich auf die Beule an ihrem Bein aus.

Was hatte sie in dieser Situation schon zu verlieren?

Äh, himmlischer Vater? Ich … äh … wir haben in letzter Zeit nicht oft miteinander geredet. Ich bin Leigh. Na ja, das weißt du wahrscheinlich schon. Aber, äh …

„Hallo! Sie im Wagen – können Sie mich hören?“

Irgendwie hatte Leigh nicht erwartet, dass Gott einen Südstaatenakzent hatte.

„Ich komme“, sagte die Stimme.

Erst jetzt bemerkte Leigh, dass die Stimme gar nicht Gott gehörte. Aber vielleicht war er ja doch bei ihr …

„Ich stecke fest“, antwortete Leigh.

„Kein Problem“, sagte der Mann. „Ich bin ganz gut darin, Leuten aus der Klemme zu helfen. Wie heißen Sie denn?“

„Leigh. Leigh Weston. Ich bin Krankenschwester am Carrington Memorial.“

„Leigh Weston? Doch nicht etwa die Kleine von Richter Weston?“

„Volltreffer“, erwiderte sie.

„Hey, tut mir leid. Ihr Dad war ein Freund von mir. Ich vermisse ihn total. Wahrscheinlich erinnern Sie sich nicht an mich. Floyd Cook.“

Ein Bild erschien vor Leighs geistigem Auge. Ein Mann im Alter ihres Vaters, alte Jeans und Flanellhemd, der neben ihrem Vater auf der Tribüne saß. Ihr Dad hatte noch eine Krawatte um, weil er direkt vom Gericht gekommen war, um Kirk bei seinem Basketballspiel zuzusehen.

„Ihr Enkel war mit Kirk in einer Mannschaft“, sagte sie. Ein Teil ihres Gehirns merkte, dass Mr Cook ihre eigenen Taktiken bei ihr anwendete. Er versuchte, eine Beziehung herzustellen und sie vom Ernst ihrer Lage abzulenken.

„Stimmt“, nickte Floyd jetzt. Sie konnte sehen, dass er um ihren Wagen herumging. „Wie sind Sie denn in diesem Graben gelandet?“

Leigh hob an zu erzählen, wie alles gekommen war, aber die Wörter verhedderten sich immer wieder.

„Keine Bremsen, hm? Klingt so, als hätten Sie die beste Entscheidung getroffen, die in dieser Situation möglich war. Gut gemacht.“

„Mein Bein“, erwiderte Leigh. Es war wichtig, dass sie ihm von ihrem Bein erzählte. Er musste wissen, wie ernst es war. „Ich glaube, ich habe ein Pseudoaneurysma in der Oberschenkelarterie.“

„Das sind aber lange Wörter. Können Sie mir vielleicht auf Nichtmedizinisch sagen, was los ist?“

„Ich glaube, ich habe eine innere Blutung der Oberschenkelarterie.“

„Okay, junge Lady. Eine ganze Mannschaft ist auf dem Weg hierher. Zusammen holen wir Sie hier raus. Keine Sorge. Bleiben Sie bei mir.“

Sie versuchte es.

Sie versuchte es wirklich.