Das Sonnenbuch - Robert Jungk - E-Book

Das Sonnenbuch E-Book

Robert Jungk

4,9

Beschreibung

Es ist ein spektakulärer Fund im Nachlass des Zukunftsforschers Robert Jungk: eine unscheinbare Mappe offenbart ein visionäres Fragment, das Anfang der achtziger Jahre entstand; ungeordnete, skizzenhaft beschriebene Blätter, ein Konvolut aus Entwürfen und Notizen. Walter Spielmann hat diese zu einem sinnhaften Ganzen rekonstruiert. Zum 100. Geburtstag von Robert Jungk (11. Mai 2013) liegt nun die unverhoffte Entdeckung des "Sonnenbuchs" vor. Es macht deutlich, wie umfassend, tiefgründig und leidenschaftlich Robert Jungk auf die Kraft der Sonne als Symbol und Instrument einer zukunftsfähigen, nachhaltigen und friedfertigen Welt setzte. Seine Beschäftigung mit "Sonnenforschern, Sonnenbastlern und Sonnenverehrern" reicht zurück an das Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts und ist doch heute aktueller denn je. Seiner Zeit war Robert Jungk fast immer voraus. Früh schon hat er auf die Risiken des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts aufmerksam gemacht und auf die langen Schatten der Atomtechnologie verwiesen. Er war aber auch einer der Ersten, der die positiven Seiten einer helleren Zukunft erkundet hat. Das Sonnenzeitalter werde ein neues Verhältnis zur Mitwelt, eine andere Form des Wirtschaftens, eine bisher nicht praktizierte Balance von Macht und Mitbestimmung sowie die Wiederentdeckung eines höheren Sinns zur Folge haben, war Robert Jungk überzeugt. Dieses Buch erzählt von dieser Vision. Es ist Auftrag und Vermächtnis zugleich.

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Robert Jungk

DAS SONNENBUCH

ROBERT JUNGK

Das Sonnenbuch

Bericht vom Anfang einer neuen Zukunft

HerausgegebenvonWalter Spielmann

O T T O  M Ü L L E R  V E R L A G

www.omvs.at

ISBN 978-3-7013-1206-1eISBN 978-3-7013-6206-6

© 2013 OTTO MÜLLER VERLAG, SALZBURG-WIENAlle Rechte vorbehaltenSatz: Media Design: Rizner.at, SalzburgDruck und Bindung: Druckerei Theiss GmbH, A-9431 St. StefanCoverfoto: Lillian Birnbaum

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

DAS SONNENBUCH

Prolog

Kapitel 1 – Die Sonne gehört allen

Kapitel 2 – Das Doppelgesicht von Los Alamos

Kapitel 3 – Eine Graswurzelbewegung

Kapitel 4 – Weil sie überleben wollen

SPLITTER

DAS SONNENBUCH –EIN THEMA MIT VARIATIONEN

Fassung 1

Fassung 2

Fassung 3

Fassung 4

VORWORT

Dieser Bericht, den wir, seinem Autor folgend, „Das Sonnenbuch“1 nennen wollen, vereint manches, was einer guten Erzählung eigen ist: Er ist fragmentarisch, rätselhaft und unergründlich. Nicht weniger ist er, dem Anspruch seines Autors entsprechend, enzyklopädisch, auf das große Ganze hin angelegt. Schließlich ist er ein Dokument seiner Zeit, und weist doch weit über diese hinaus. Einleitend einige Anmerkungen zu dieser Charakterisierung.

1.

Sowohl im Hinblick auf die Entstehungs- wie auch auf die Editionsgeschichte haftet dem „Sonnenbuch“ eine Aura des Geheimnisvollen, ja Widerständigen an.

Im Frühjahr des Jahres 1985, knapp nachdem ich Robert Jungk zum ersten Mal begegnet war und von ihm eingeladen wurde, ihn beim Aufbau der „Bibliothek für Zukunftsfragen“ zu unterstützen, lag für ihn die „Beschäftigung mit der Sonne, Sonnenforschern, Sonnenbastlern und Sonnenverehrern“ erst wenige Monate zurück. In den Jahren 1979–1982 noch stand sie „im Mittelpunkt seines Erlebens, Denkens und Arbeitens“, und auch wenn er die „Sonnenreisen kreuz und quer über den Globus“ zu seinen „interessantesten Erfahrungen“ zählte,2 so hat er uns nie davon erzählt.

Erste Hinweise auf das Unternehmen „Sonnenbuch“ verdanken wir der 1993 erschienenen Autobiografie, in der Robert Jungk einige seiner Reiseziele anführt und von inspirierenden Gesprächen berichtet. Darin ging es um nicht weniger als die Möglichkeit der „großen Alternative“ in Anbetracht einer – schon wieder – von kollektiver Selbstzerstörung bedrohten Welt. Weshalb aus Anlass seines siebzigsten Geburtstags das „Menschenbeben“3, nicht aber das „Sonnenbuch“ erschien, lässt Robert Jungk in seinen Memoiren offen.4

Eine erste Sichtung des umfangreichen Nachlasses Robert Jungks brachte zwei Projektskizzen zutage; die Entdeckung eines zuordenbaren Textes blieb uns vorerst aber versagt. Erst ein bibliothekarischer Routine geschuldeter „Stollengang“ – mein Kollege Alfred Auer und ich hatten uns auf die Suche nach Duplikaten von Büchern Robert Jungks in das „Bergwerk“5 begeben –, sollte uns voranbringen. In einer abseitsstehenden Kiste fand sich eine graue, mit Salzburger Landeswappen versehene Tagungsmappe, der, wie die Frontseite vermuten ließ, Unterlagen zu einer Tagung des Club of Rome aus dem Jahr 1982 anvertraut worden waren. Welche Überraschung, als sich jedoch herausstellte, dass die darin enthaltenen Blätter ganz anderen Inhalts waren. Sollte es ihr Verfasser gar darauf angelegt haben, die darauf verzeichnete Geschichte dem Zugriff voreiliger Zeitgenossen zu entziehen?

Der Entdeckung ungezählter und, wie sich bald herausstellte, überwiegend ungeordneter Seiten, die mit Schreibmaschine beschrieben, teils umfangreiche Korrekturen aufweisen, reicht einige Zeit zurück. Von den immer wieder unternommenen, abgebrochenen, zwischenzeitlich gänzlich verworfenen und angesichts des nahenden 100. Geburtstags von Robert Jungk mit gesteigerter Frequenz wieder aufgenommenen Versuchen, diese Sammlung zu einem sinnstiftenden Ganzen zusammenzufügen, soll hier nicht näher berichtet werden.6 Dass Editionsarbeit jedoch, kriminalistischer Erkundung vergleichbar, zu einem schlüssigen, den Einsatz lohnenden Ergebnis führen kann, mögen die nachfolgenden Seiten zeigen.7

2.

Auch wenn die vier Kapitel des „Sonnenbuchs“ nur einen kleinen Teil der von Robert Jungk geplanten oder tatsächlich unternommenen Reisen thematisieren,8 so lassen sie doch erkennen, wie umfassend und differenziert er sein Thema zu durchdringen gedachte. Die Sonne verstand er als Instrument und Symbol für eine grundlegende Neuorientierung, von deren Anfängen er hier berichtet. Ein neues Verhältnis zur Mitwelt, eine andere Form des Wirtschaftens, eine bisher nicht praktizierte Balance von Macht und Mitbestimmung sowie nicht zuletzt die Wiederentdeckung eines „höheren Sinns“, dem folgend wir nicht als Beherrscher der Natur auftreten, sondern im Einklang mit „Vater Sonne“ und „Mutter Erde“ leben würden, so wie es vorangehenden Kulturen selbstverständlich war, verband er mit der bevorstehenden ‚Wiederentdeckung‘ unseres Leitsterns.

Soweit es das „Sonnenbuch“ in der nun vorliegenden Form erkennen lässt, sind es vier unterschiedliche Aspekte, die der Autor vor allem mit dem anbrechenden, neuen Zeitalter verband: Kapitel eins rückt – für manche wohl überraschend – die mythisch-spirituelle Dimension des Wandels in den Mittelpunkt und verdeutlicht, dass die neue Epoche nur in Rückbindung an die „Gesetze und Regeln kosmischer Zusammenhänge“9 anheben wird. In Kapitel zwei geht es um eine andere, neue Form von Wissenschaft. Los Alamos, den Ort, an dem zu Mitte des vorigen Jahrhunderts die fähigsten Naturwissenschaftler ihrer Zeit in höchster Geheimhaltung die Atombombe erdacht und gebaut hatten, besucht Jungk knapp dreißig Jahre später ein weiteres Mal und lernt nun eine ganz andere Art des Forschens kennen. Denn mit der Erkundung der Sonne hat hier eine ‚fröhliche‘, den Wünschen der Menschen und nicht der Zerstörung dienende Wissenschaft Einzug gehalten. Ebenso wichtig aber ist es dem Autor zu zeigen, dass die im Entstehen begriffene solare Wende ein Projekt ist, das auf vielen Schultern ruht: Einzelgänger, Außenseiter und Visionäre, Menschen, die andere begeistern und motivieren können, werden in Kapitel drei als Wegbereiter der neuen Epoche gewürdigt. Im vierten Abschnitt schließlich wird dem auf Abschreckung und Zerstörung gegründeten ‚alten Denken‘ der Geist der neuen Zeit gegenübergestellt, den Robert Jungk nicht zuletzt in der engagierten Politik des kalifornischen Gouverneurs Jerry Brown verkörpert sah.

Die hier in wenigen Sätzen dargelegte Struktur des „Sonnenbuchs“ lässt vermuten, dass seinem Autor daran lag, die Bedeutung der Sonne als Quelle und Garant der Zeitenwende so umfassend wie nur möglich zu beschreiben. Bestätigt wird diese Annahme durch einen Blick auf vier weitere, teils detaillierte Projektskizzen.10

Alle Entwürfe zeigen, wie Robert Jungk mit seinem Thema rang und immer wieder neue Versuche unternahm, die Vielfalt seines Gegenstands neu zu strukturieren und zu gewichten. Nachdem sich letztlich „alles um die Sonne dreht“ und sie sich daher eignet, zum Dreh- und Angelpunkt universalgeschichtlicher Betrachtung zu werden,11 erscheint es nur zu verständlich, dass sich der Autor letztlich doch dazu entschlossen hat, dieses Projekt zur Seite zu legen, um sich dem Machbaren zu widmen.

3.

Selbst in der vorliegenden, rekonstruierten Fassung ist das „Sonnenbuch“ gehaltvoll und zukunftsweisend, unterstreicht es doch die Begabung Robert Jungks, die Potenziale des Kommenden frühzeitig zu erkennen und als Möglichkeit einer „anderen Zukunft“ zu beschreiben. Dies nicht etwa in Form eines Berichts, der Experten überzeugen sollte, sondern als lebendige Reportage, die darauf abzielt, die breite Öffentlichkeit zu erreichen.

Dreißig Jahre nachdem die hier vorgelegten Zeilen formuliert wurden, spricht manches dafür, dass wir auf dem Weg zum „Sonnenzeitalter“ ein Stück weit vorangekommen sind. Nicht zuletzt hat die Katastrophe von Fukushima mit dazu beigetragen. Andererseits ist ungewiss, ob nicht auch die Sonne unterjocht und zu einem Herrschaftsinstrument in der Hand von Wenigen werden könnte, anstatt, wie es Robert Jungk unabdingbar schien, „uns allen zu gehören“. Es liegt – das ist die aktuelle Botschaft der nachfolgenden Zeilen – vor allem an uns, mit dazu beizutragen, dass das „Sonnenzeitalter“ Wirklichkeit wird. Von seinen Anfängen erzählt dieses Buch, das Vermächtnis Robert Jungks.

* * *

Peter Stephan Jungk danke ich für das entgegen gebrachte Vertrauen. Dadurch erst war es mir möglich, diesen Text zu sichten und so zu bearbeiten, dass er der Öffentlichkeit anvertraut werden kann. Ohne die engagierte Unterstützung, die dieses Anliegen bei Arno Kleibel und dem Team des Otto Müller Verlags gefunden hat, wäre dieses Buch nicht zustande gekommen. Vor allem aber danke ich meiner Frau für ihre Geduld und das Geschenk ungezählter Stunden, in denen das „Sonnenbuch“ nach und nach Gestalt annehmen konnte.

Walter SpielmannSalzburg, November 2012

PROLOG

Nie zuvor in der neueren Geschichte war das allgemeine Interesse an der Sonne so intensiv wie jetzt in der letzten Phase des 20. Jahrhunderts. Auf der ganzen Welt wenden sich die Menschen nun wieder dieser gewaltigen, alles Leben auf der Erde bestimmenden Kraft zu.

Sie war ihnen gleichgültig geworden. In dem Maße, wie die Abhängigkeit vom täglichen Energiestrom aus Himmelshöhen abzunehmen schien, erkalteten die einst so engen Beziehungen zwischen den Bewohnern unseres Planeten und ihrem Leitstern. Seit den siebziger Jahren ist da ein Umschwung eingetreten. Sonnenbegeisterung flammt auf. Der erste „Sonnen-Tag“ am 3. Mai 1978 wurde in vielen Gegenden mit einer Inbrunst gefeiert, die an religiöse Feste der Vergangenheit erinnerte. Auf hohen Bergen, an nächtlich leeren Meeresküsten und auf den Dächern vieler städtischer Gebäude erwarteten Hunderttausende in ehrfürchtigem Schweigen den Aufgang des roten Feuerballs.

Unvergeßlich ist mir ein Sonnen-Erlebnis am Londoner Trafalgar Square. An einem regnerischen Sonntag hatten sich dort Demonstranten zusammengefunden, um gegen die Atompolitik der englischen Regierung zu protestieren. Ein Gefühl unsagbarer Traurigkeit lag über der im dünnen Herbstregen stehenden Riesenmenge, die den Platz dicht füllte und die lautsprecherverstärkten Reden der zornigen Sprecher ohne erkennbare Anteilnahme über sich ergehen ließ, als mit einem Mal eine Lichtflut durch die schwarzgraue Wolkendecke brach. Von einem Augenblick zum anderen schlug die Stimmung um. Tausende Köpfe hoben sich gen Himmel. Tausende Kehlen unterbrachen den von der Tribüne kommenden Wortdonner und schrieen laut ihr Entzücken heraus. Kinder wurden über die Menge gehoben und jauchzten vor Vergnügen. Die Rockband auf dem Podium konnte nicht mehr warten, sondern schlug ungewohnt hymnische Töne an. Ein Feuerspeier hatte eine Pyramide von Leibern erklommen und stieß nun Flammen der Begrüßung zum fernen Brand empor. In dem wogenden Beet der Masse blühten gelbe Sonnenblumen auf: die fröhlichen Masken von Hochradlern und Stelzengängern. Eben noch Fremde umarmten einander und faßten sich an den Händen, bildeten eine hundertfach umschlungene Kette. „We shall overcome“, sangen sie. Es war das alte Sklavenlied voll herausfordernder Hoffnung. „Wir werden stärker sein. Wir werden überleben.“

Das Streben zur Sonne geht in die umgekehrte Richtung wie der Höllensturz der Lemminge. Es drängt vom Abgrund weg, ist massenhaftes Aufbegehren gegen eine Zivilisation der bedrohlichen Risiken, deren Kennzeichen der an den Mauern, Zäunen, Masten und Toren von immer mehr Installationen auftauchende Totenkopf ist.

Wenn heute so viele Menschen – und ganz besonders die Jungen – ein Sonnenabzeichen tragen, dann wollen sie damit nicht nur Ablehnung ausdrücken, sondern auch Erwartung. Immer häufiger sprechen sie von einem „Sonnenzeitalter“, das nach der Epoche der Hochtechnik und Hochrüstung kommen müsse. Das seien nur „fromme Wünsche“, wenden Skeptiker ein. In der Tat. Aber die Spötter unterschätzen die historisch bewiesene Kraft der Sehnsüchte. Breiten sie sich aus, vertiefen sie sich, paaren sie sich mit Zielbewußtsein und Tatkraft, so können sie die Welt verändern. Das haben religiöse und politische Bewegungen der Vergangenheit gezeigt. Wie zuvor das Kreuz, der Halbmond oder Hammer und Sichel wird die Sonne im Übergang vom zweiten zum dritten Jahrtausend zum Symbol vielfachen Verlangens nach entschiedener Neuorientierung.

Im Vordergrund steht dabei in einer Zeit vorhersehbarer Rohstoffverknappung ihre Rolle als praktisch unerschöpfliche Energiequelle, die der Menschheit zur Verfügung stehen wird, wenn in absehbarer Zeit die Vorräte an fossilem Brennmaterial endgültig verbraucht sind. Aber diese wichtige Funktion genügt noch nicht, die immense Ausstrahlung des Sonnensymbols zu erklären. Es verbinden sich mit ihm auch soziale, politische und religiöse Vorstellungen, deren Summe erst Epoche machen und ein neues Zeitalter begründen kann.

Weder „Atomzeitalter“ noch „elektronisches Zeitalter“ oder „Raketenzeitalter“ wird diese Ära benannt werden können, weil diese Bezeichnungen jeweils nur einen begrenzten Aspekt abdecken. Die Rolle der Sonne ist umfassender und einflußreicher als die irgendeiner einzelnen wissenschaftlichen Entdeckung oder technischen Entwicklung. Sie kann Bedürfnisse materieller, spiritueller, gesellschaftlicher Art erfüllen und derart auch in diesem Stadium der Zivilisation zum Leitstern auf den Wegen vom Dunkel zum Licht werden.

Das „Sonnenzeitalter“ bedeutet also mehr als „Sonnenkollektoren auf jedem Dach“, wie die englische Zukunftsforscherin Hazel Henderson12 erkannt hat. Es wird bestimmt von einem viel engeren Verhältnis zur Natur, einer neuen Auffassung von der Wirtschaft, einer gerechteren Verteilung der Macht, einer die zerrissenen Zusammenhänge wieder herstellenden Fähigkeit zur Gesamtsicht. Dazu wird für Viele, wenn auch nicht für Alle, der Glaube an einen „höheren Sinn“ des Lebens treten.

Wie lange der Übergang von der heutigen, durch zahlreiche einander sich überschneidende und gegenseitig sich aufschaukelnde Krisen gekennzeichneten Situation zu dieser neuen Periode der Menschheitsgeschichte dauert, und ob er überhaupt gelingt, hängt wesentlich davon ab, wie geschickt und beharrlich die Besorgten auf eine hellere Zukunft drängen werden. Sie kommen heute aus allen Kontinenten, allen Völkern, allen Schichten und allen politischen Lagern. Bisher eint sie nur die Ablehnung des Bestehenden und die oft unerträgliche Last ihrer Betroffenheit, doch sie werden unter dem Druck der Ereignisse allmählich gemeinsame Überlebensstrategien entwickeln.

Dieses Buch ist geschrieben worden, weil der Verfasser auf Grund seiner Beobachtungen in vielen Regionen der Welt zu der Erkenntnis gekommen ist, daß die Anfänge des „Sonnenzeitalters“ nicht in ferner Zukunft liegen, sondern schon heute beobachtet und beschrieben werden können. Oft genug bleiben solche Versuche in diesem Stadium des Beginns stecken, werden durch eigene Unfähigkeit oder ihre Widersacher zum Aufgeben gezwungen, lassen sich aufkaufen oder mißbrauchen. Dennoch ist das Gesamtbild eher ermutigend, denn manches Neue gelingt. Vor allem aber: Langsam, hoffentlich nicht zu langsam wandeln sich die vorherrschenden Auffassungen und gelegentlich sogar die Verhältnisse.

Als ich noch in die Schule ging, las ich eine von B. Traven nacherzählte mexikanische Sage, die ich nie mehr vergessen konnte. Sie erzählt, wie die Sonne eines Tages nicht mehr aufgehen wollte. Eine Weile lang hofften die Indianer auf ihre Wiederkehr. Vergeblich. Erst als die Dunkelheit lange genug gedauert hatte, entsandten sie einen der ihren, auf daß er am Firmament viele kleine Funken sammle und aus ihnen eine neue Sonne forme.

Als ein solcher Lichtsammler bin ich ausgezogen.13

ERSTES KAPITEL:

DIE SONNE GEHÖRT ALLEN

1.

Aus den Mythen der verschiedenen Rassen und Völker erfahren wir, daß die Sonne von einer Gegenmacht entführt und gefangen oder gar umgebracht und verschlungen wird. Aber nie ist diese Eklipse endgültig. Die Verschwundene entgeht den Mächten der Finsternis und erscheint wieder in strahlendem Glanz. Der Morgen folgt der Nacht, das Licht verdrängt das Dunkel.

Das wirkliche Drama der Sonne in dieser Historie schildert keine dieser Sagen. Rauben, einsperren oder morden kann man sie in Wirklichkeit nicht. Ihr Schicksal war und ist es, mißbraucht zu werden. Immer wieder versuchen Mächtige, die Ausstrahlung dieser lebensspendenden Urkraft für sich allein in Anspruch zu nehmen. Priester, Kaiser, Könige, Generäle und Technokraten haben sich zu privilegierten Deutern, Verwaltern und Vertretern derselben ernannt. Sogar als direkte Abkommen des Himmelsgottes geben sich Herrschende aus, um damit eine Stellung für sich zu reservieren, die allen zusteht: Kinder der Sonne zu sein.

Diese Akte der Usurpation haben die Historiker dazu verleitet, Sonne und Macht gleichzusetzen. Sie sahen nicht – oder durften nicht sehen –, daß die Rolle als „Haupt des Himmels“, die der Sonne zugeschrieben wurde, von den Häuptern der Erde erdacht und verkündet wurde. Derart wollten sie ihrer eigenen Herrschaft den Anschein naturbestimmter Gesetzlichkeit verleihen.

Daß sich diese Funktion der Sonne in unseren Tagen zu ändern beginnt, ist eines der Zeichen, die ein grundlegend anderes Zeitalter ankündigen. In ihm soll die Macht so wie die Sonne nicht mehr einigen Wenigen, sondern allen gehören.

In den Träumen, den Vorhaben, den Hoffnungen und den Kämpfen der Abhängigen und Ausgebeuteten wird heute die Sonne zum Leitstern. Sie ist das eine sichtbare Stück der Natur, das nicht erobert und in Besitz genommen werden kann. Ihre Unzerstörbarkeit durch menschliche Eingriffe wird in einer Epoche, die Zerstörung erlebt und erwartet, zum Zeichen der Dauer inmitten täglich wahrnehmbarer Vergänglichkeit. Nicht als Herrscherin, sondern als freigiebige Spenderin, aus deren Überfluß jeder schöpfen kann, erscheint sie nun: die unerschöpflich Gebende als leuchtender Gegensatz zu den unersättlich Nehmenden.