Das Spanische bei Ernest Hemingway. Eine exemplarische Analyse - Matthias Bitzer - E-Book

Das Spanische bei Ernest Hemingway. Eine exemplarische Analyse E-Book

Matthias Bitzer

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Beschreibung

Diese Staatsarbeit setzt sich mit „dem Spanischen“ bei Hemingway auseinander. Da sein literarisches Werk enorm und die Analysen seines Werks sowie seines Lebens zahlreich sind, wird hier nur die für ihn besonders produktive Zeit des Spanischen Bürgerkriegs im Vordergrund stehen. Diese Zeit stellt einen wichtigen Einschnitt in seinem Leben dar, in der er, durch die Einbindung in die spanische Sozialisation, fremde gesellschaftliche Werte annahm und seine Denkweise so veränderte, dass sich in seiner Literatur ein klarer Bruch erkennen lässt. Durch seine kulturelle Sozialisierung in den USA erkennt Hemingway in Spanien kulturspezifische Unterschiede und divergierende Bewertungsmaßstäbe wie sie Thomas unter dem Begriff „Kulturstandard“ zusammenfasst. Hemingway adaptierte zahlreiche Aspekte der spanischen Lebensart und übernahm eine fremdländische kulturelle Identität. Dieser interkulturelle Austauschprozess führte möglicherweise dazu, dass der Autor nach der Niederlage der spanischen Republik nicht mehr außerhalb einer spanischsprachigen Region leben wollte und den fremden Kulturstandard bevorzugte. Besonders deutlich wird der Unterschied der beiden Kulturen im jeweiligen Umgang mit dem Tod (siehe Kapitel 4 und 14.2.). Nach meiner These prägten der Spanische Bürgerkrieg und „das Spanische“ Hemingway persönlich und seine Literatur mehr als jedes andere Element. Aus dem Inhalt: - Bull Fighting a Tragedy - The Turning Point - Hemingways Kurzgeschichten aus dem Bürgerkrieg - For Whom the Bell Tolls - The Spanish Earth

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INHALT

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

3. Hemingways Beziehung zu Spanien

4. Bull Fighting a Tragedy

5. The Turning Point

6. Hemingways Beteiligung am Spanischen Bürgerkrieg

7. Hemingways politische Einstellung

8. Hemingways Kurzgeschichten aus dem Bürgerkrieg

8.1. The Denunciation

8.2. The Butterfly and the Tank

8.3. Night Before Battle

8.4. Hemingways Protagonist aus NBB als Allusion Don Quijotes

8.5. Under the Ridge

9. For Whom the Bell Tolls

10. The Spanish Earth

11. Analyse spanischer Namen bei Hemingway

12. Die spanische Sprache bei Hemingway

13. Zwei amerikanische Protagonisten: Der Tourist und der Ortsansässige

14. Hemingways spanische Motive in den analysierten Werken

14.1. Die Niederlage

14.2. Der Umgang mit dem Tod

14.3. Matador und Gekreuzigter

14.4. Matador und Liebe – Töten und Sex

14.5. Pundonor und cojones:

14.6. Blasphemie und Obszönitäten:

14.7. Religion und heidnische Kulte:

15. Arturo Barea – Not Spain but Hemingway

16. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Werke Hemingways

1. Einleitung

Der Spanische Bürgerkrieg, 1936-1939, bot dem internationalen Kommunismus seine größte Gelegenheit seit der Oktoberrevolution, politisch in Erscheinung zu treten, indem man gegen den gemeinsamen Gegner – den Faschismus – vorging. Der Bürgerkrieg auf der Iberischen Halbinsel zerstörte das Leben vieler Individuen, resultierte in einer über 35 Jahre dauernden Diktatur Francisco Francos und inspirierte neben all dem Leid zu großartiger Literatur. Ernest Miller Hemingway, 1899 in Oak Park/ Illinois geboren, hegte eine besondere Beziehung zu Spanien und nahm als Journalist am Spanischen Bürgerkrieg teil. Als Auslandskorrespondent und Kriegsberichterstatter schrieb er dort Kriegsdepeschen, die in internationalen Magazinen veröffentlicht wurden. Als Schriftsteller publizierte er Kurzgeschichten und 1940 seinen längsten Roman For Whom the Bell Tolls (FWBT), dessen Handlung 1937 während des Bürgerkriegs anzusiedeln ist. Die Erzählkunst zahlreicher Autoren der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs, der kurz nach Beendigung des Spanischen Bürgerkriegs begann, wurde maßgeblich durch Hemingway beeinflusst. Seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und sein abenteuerliches Leben, sein exzentrischer Lebensstil und sein Männlichkeits-Image nährten das Interesse der Presse. So wurde noch jahrzehntelang und bis heute über ihn und seine Werke geschrieben. Er zählt zu den wichtigsten humanistischen Schriftstellern und das, obwohl einige der Hauptthemen in seiner Literatur Krieg, Gewalt und Tod sind.[1]

„In Hemingway’s writing career two political events of his life had a significant decisive influence. One was the First World War; the other, the Spanish Civil War”.[2] Hemingways Einsatz im Ersten Weltkrieg ist für diese Arbeit sekundär, wobei seine Beteiligung am Spanischen Bürgerkrieg eine für diese Arbeit prägnante Zäsur darstellt. Dort wurde Hemingway nicht nur zu einem gefeierten Roman (FWBT), einem Theaterstück, einem Film, sechs Kurzgeschichten und 31 Kriegsdepeschen inspiriert. Der spanische Bürgerkrieg scheint auch einen mentalen Sinneswandel bei Hemingway herbeigeführt zu haben, der die Art und Themen seines Schreibens zukünftig verändern sollte. Von Hemingways 31 Pro-Republikanischen Kriegsdepeschen aus dem Spanischen Bürgerkrieg wurden 28 in diversen kanadischen, europäischen und US-amerikanischen Zeitungen gedruckt, bevor 1967 neun von ihnen in By-Line: Ernest Hemingway gesammelt veröffentlicht wurden. Bis 1969 wurden Hemingways Kurzgeschichten aus dem Bürgerkrieg insgesamt noch recht wenig beachtet, da der Fokus vermehrt auf seinen Romanen lag. Die Situation änderte sich dann mit der Veröffentlichung von The Fifth Column and Four Stories of the Spanish Civil War (FCAFS), einem Werk, das erneut zu umfangreichen Analysen anregte. Erst 1988 wurden schließlich alle antifaschistischen Depeschen von The Hemingway Review kollektiv als Anthologie publiziert.

Diese Arbeit wird sich mit „dem Spanischen“ bei Hemingway auseinandersetzen (Kapitel 2). Da sein literarisches Werk enorm und die Analysen seines Werks sowie seines Lebens zahlreich sind, wird hier nur die für ihn besonders produktive Zeit des Spanischen Bürgerkriegs im Vordergrund stehen. Diese Zeit stellt einen wichtigen Einschnitt in seinem Leben dar, in der er, durch die Einbindung in die spanische Sozialisation, fremde gesellschaftliche Werte annahm und seine Denkweise so veränderte, dass sich in seiner Literatur ein klarer Bruch erkennen lässt. Durch seine kulturelle Sozialisierung in den USA erkennt Hemingway in Spanien kulturspezifische Unterschiede und divergierende Bewertungsmaßstäbe wie sie Thomas unter dem Begriff „Kulturstandard“ zusammenfasst:

Unter Kulturstandards werden alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns verstanden, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf der Grundlage dieses Kulturstandards beurteilt.[3]

Hemingway adaptierte zahlreiche Aspekte der spanischen Lebensart und übernahm eine fremdländische kulturelle Identität. Dieser interkulturelle Austauschprozess führte möglicherweise dazu, dass der Autor nach der Niederlage der spanischen Republik nicht mehr außerhalb einer spanischsprachigen Region leben wollte und den fremden Kulturstandard bevorzugte. Besonders deutlich wird der Unterschied der beiden Kulturen im jeweiligen Umgang mit dem Tod (siehe Kapitel 4 und 14.2.). Nach meiner These prägten der Spanische Bürgerkrieg und „das Spanische“ Hemingway persönlich und seine Literatur mehr als jedes andere Element.

In meiner Analyse werden exemplarisch der Roman FWBT und die vier Kurzgeschichten aus dem 1969 veröffentlichten Werk FCAFS genauer betrachtet. Das dort integrierte Theaterstück The Fifth Column (TFC) wird hier nicht thematisiert, weil es als Theaterstück einem anderen literarischen Genre angehört. Hemingway selbst, sah TFC außerdem als „the most unsatisfactory thing I ever wrote“[4] an und sagte später über sein Theatermanuskript: „That book is crap“.[5] Auch der Film, The Spanish Earth (TSE), an dem er aktiv mitwirkte, wird weniger intensiv thematisiert als die schriftlichen Werke.[6] Der Film beinhaltet jedoch mehr für mein Thema relevante Informationen, als das Theaterstück und wird dadurch wertvoller, dass Hemingway selbst den Kommentar sprach. Seine Werke aus der Zeit vor und nach dem Spanischen Bürgerkrieg werden nicht zentral im Fokus stehen, wobei Querverweise unvermeidlich sind, da sie bei einer Analyse „des Spanischen“ in seinen Werken nicht gänzlich außen vor gelassen werden können. Ebenso wird Kuba, wo Hemingway die letzten 20 Lebensjahre verbrachte, zu Vergleichen und Verbindungen herangezogen, aber nicht im Mittelpunkt der Analyse stehen.

Als Gliederung der Arbeit nutze ich nach einigen einleitenden Abschnitten, einer Erklärung, was „das Spanische“ für Hemingway bedeutete und einer Beobachtung seiner politischen Einstellung, das chronologische Erscheinen der Werke. Es werden auch hier selbstverständlich Querverweise hergestellt, die für eine Analyse unerlässlich sind. TSE bildet in der Gliederung eine Ausnahme, da der Film zwischen den Spanischen Bürgerkriegs-Kurzgeschichten erschienen ist und ich diesen aus Gründen der Übersichtlichkeit zuletzt thematisiere (Kapitel 10).

Anschließend wird der Fokus auf den Themen und Motiven liegen, die Hemingway als „Spanisch“ erachtete. Dass die meisten dieser Motive keine rein spanischen Themen sind, soll hier ausdrücklich erwähnt werden. Sie erhalten in Hemingways Literatur aber einen besonders prägnanten Stellenwert, der durch seine persönlichen Erfahrungen in Spanien und seine Auseinandersetzung mit spanischer Kunst und Literatur zustande kommt. Wichtig ist bei einer Analyse auch die Tatsache, dass sich Spanien als Land, seine Einwohner als Nation und deren kulturelle Gepflogenheiten während des letzten halben Jahrhunderts verändert haben. Auch identitätsstiftende Wertvorstellungen und gesellschaftliche Rollenverständnisse (z.B. machismo) haben sich in den USA ebenso wie in Europa verändert. Außerdem gibt es „den Spanier“ oder „das Spanische“ nicht, da solche Begriffe zu verallgemeinernd sind. Dennoch orientiere ich mich daran, wie Hemingway „die Spanier“ darstellte, der regionale Unterschiede zwischen den spanischen Provinzen beobachtete und anschließend zu stark vereinfachend als „Spanisch“ zusammenfasste. Die in seiner Literatur aufgeführten Wertvorstellungen werden auch in der damaligen Zeit keine Allgemeingültigkeit gehabt haben, dienen mir jedoch zur Orientierung. Auch die von mir benutzen Analysen seiner Werke können falsch interpretiert sein, wobei die meisten Kritiker ihm eine hispanophile Art nachsagten. Von Hemingway benutzte Begriffe wie Gypsy (in dieser Arbeit synonym mit Gitano verwendet) sind heute politisch unkorrekt, waren damals aber im alltäglichen Gebrauch. Ich nutze diese Begriffe nicht wertend, sondern um möglichst nah an Hemingways Literatur zu bleiben.

Häufig wurden in Hemingways Werken die stark autobiographischen Elemente angemerkt. „In Hemingway’s writings fact and fiction overlap frequently and with felicity“, was sowohl für eine Doppelnutzung von Motiven gilt, als auch für Überschneidungen von Themen in Kriegsdepeschen und Kurzgeschichten bzw. Romanen.[7] So hatte zum Beispiel Hemingways Begegnung mit dem alten Mann, der in Old Man at the Bridge (OMB) beschrieben wird, am Ostersonntag 1938 wirklich stattgefunden.[8] Vergleiche zwischen Hemingways Protagonisten aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs und seinem wahren Leben werden hier am Rande betrachtet, da sie seine Verbindung zu Spanien gut veranschaulichen. Ich nenne Hemingways geschaffene Figuren dabei bewusst nicht „Helden”, sondern „Protagonisten“, weil mir „Held“ in vielen Werken zu positiv konnotiert erscheint (z.B. der denunzierende Henry Emmunds in The Denunciation). Die von Philip Young vorgenommene Differenzierung zwischen Code Hero (dt. Codex-Held) und Hemingway Hero soll daher hier nicht thematisiert werden, weil es in FWBT keinen prägnanten Code Hero gibt und die Hero-Diskussion nicht zur Analyse dieser Arbeit passt.[9] Auch die Eisberg-Theorie – das, was der Schriftsteller weglässt, verstärkt das Geschriebene; „only one-eighth of it being above water“ – mit der Hemingway oft arbeitete, soll hier lediglich erwähnt werden.[10]

Schon vor dem Spanischen Bürgerkrieg war Hemingway durch seine Werke weltweit bekannt geworden. So genießt der Autor auch in Spanien heute einen gewissen Kult-Status.[11] Dennoch meint Ángel Capellán in seinem 1985 veröffentlichten Werk: „Spaniards still have not realized or given credit for what he loved most in Spain or what he wrote best about his adoptive country“.[12] Mit dieser Aussage bezieht er sich darauf, dass es (bis heute) kaum Literatur auf Spanisch bzw. von spanischen Autoren über Hemingway gibt. Während der Zeit des Bürgerkriegs wurde von Spaniern insgesamt wenig geschrieben. Anschließend war das Problem, dass Hemingway Unterstützer der Loyalisten gewesen war, die den Bürgerkrieg verloren hatten. Viele loyalistische Schriftsteller gingen ins Exil, Hemingway verließ sein geliebtes Spanien und die faschistischen Anhänger Francos begannen die Kultur zu dominieren.[13] Die Falangisten sorgten somit dafür, dass Hemingways Werke aus der Zeit des Bürgerkriegs bis 1953 kaum Erwähnung fanden. (FWBT wurde während der Diktatur Francos nur heimlich „under the counter“ verkauft).[14] Erst 1953 wurde dann von Franco eine Annäherungspolitik betrieben, die Ausländern das Einreisen wieder vereinfachte und Hemingways Rückkehr nach Spanien ermöglichte.[15] Interessanterweise war bereits vor dem Bürgerkrieg auch Hemingways Death in the Afternoon (DIA) von Spaniern weitestgehend ignoriert und bis 1943 in keinem einzigen spanischen Werk über Stierkampf erwähnt worden. Obwohl er für die Authentizität von DIA auch von Spaniern Lob erntete, (z.B. im Artikel Míster Ernest Hemingway, el amigo de España vom Stierkampf-Kritiker Rafael Hernández), wurde das Werk erst 1966 ins Spanische übersetzt.[16]

Satyabrata Das und Ángel Capellán haben mit ihren Werken Studien veröffentlicht, die in meine Forschungsrichtung gehen. Ansonsten gibt es leider wenig Literatur, die sich intensiv mit „dem Spanischen“ bei Hemingway beschäftigt. Zwar schrieb Bury 1959: „The theme of Ernest Hemingway’s discovery of Spain is a significant phenomenon in recent literature”.[17] Die diversen Analysen der 1960er und 1970er-Jahre blieben meist jedoch oberflächlich und deskriptiv, ohne den wahren Stellenwert Spaniens für den Autor hervorzuheben. Satyabrata Das beschreibt den Spanischen Bürgerkrieg in seinem gleichnamigen Werk als den wesentlichen „Turning Point“ in Hemingways Leben, der eine markante Zäsur in seinem Leben und seinem Schreiben darstellt. Er vergleicht Hemingways Schriften vor dem Bürgerkrieg, seine Stilveränderung während der Jahre 1936-1940 – beginnend mit THAHN – und die Fortsetzung seines literarischen Werkes in der post-Bürgerkriegs-Epoche. Seine Hauptthese ist, der spanische Bürgerkrieg habe „therapeutically“ auf den US-Autor gewirkt, der dadurch seine Traumata aus dem Ersten Weltkrieg überwinden konnte.[18]

Ángel Capellán hat seine ausführliche Monographie Hemingway and the Hispanic World stark an Hemingways Faszination für Don Quijote ausgelegt. Auch ich werde einige Parallelen zwischen Hemingways Protagonisten und dem Ritter von der traurigen Gestalt aufführen. Allerdings soll Don Quijote nicht das dominierende Element dieser Arbeit sein. Die von Capellán gefundenen Parallelen zwischen Hemingway und den großen Künstlern des Siglo de Oro, der Generación del ’98, der Generación del ’27 oder dem Lazarillo de Tormes können hier ebenfalls nicht so detailliert beschrieben werden, wie bei Capellán auf fast 300 Seiten, sondern finden lediglich Erwähnung.

Unerlässlich sind bei einer Analyse Hemingways auch die Werke von Carlos Baker. Michael Reynolds, der selbst eine fünf-bändige Biographie Hemingways schrieb und ein Student von Baker war, schrieb über ihn, er sei nicht nur „father of a generation of scholars, but ‚grandfather to the next‘“ gewesen.[19] Als wegweisendes Werk gilt Carlos Bakers Ernest Hemingway: Selected Letters, 1917-1961, in dem man eine enorme Auswahl von Hemingways Briefen findet. Auf Grund der Subjektivität, den Briefe per se aufweisen, können viele autobiographische Aspekte gefunden werden, in denen eine andere Art von Ehrlichkeit, Einstellungen und Charakterzügen des Autors auftauchen, als man durch ein Interview oder seine Prosa finden kann. Glücklicherweise findet man aber auch Seiten seiner Persönlichkeit, die sich während seines Lebens nicht verändert haben, wofür seine Schwärmerei für Spanien, dessen Natur, Menschen und Lebensweisen prägnante Beispiele sind. „Many reviewers see the letters as evidence of the development of the Hemingway style“, schreibt daher Wylder in seiner kritischen Rezeption über Bakers Briefsammlung.[20]

Die Rezeption von Hemingways Werken in Spanien ist ambivalent. Obwohl man seine Literatur wohl las (soweit möglich, siehe oben), wurde darüber nicht geschrieben. José Luis Castillo-Puche veröffentlichte 1974 eines der wenigen spanischen Werke über Hemingway.[21]Hemingway in Spain. A Personal Reminiscence of Hemingway’s years in Spain by his Friend ist jedoch weder eine klassische Biographie, noch eine wissenschaftliche Monographie. Es ist die persönliche und teils unpräzise Erzählung eines Freundes, der Hemingway in den 1950er-Jahren kennenlernte; „a chaotic, hasty, Hemingwayesque confession […] a book from the heart […a] little stone for his monument“, wie Castillo-Puche es selbst beschreibt.[22] Er nutzt viel wörtliche Rede, erzählt persönliche Anekdoten und springt unübersichtlich in der zeitlichen Abfolge der Ereignisse hin und her, ohne Titel für die einzelnen Unterkapitel zu nutzen.

Während Hemingways Rezeption in Spanien nicht geradlinig und beständig ist, ist er auf Kuba, seinem zweitliebsten spanischsprachigen Land, positiv in Erinnerung geblieben. In Cojímar, bei Havanna, steht ein Hemingway-Monument im Park und seine alte Residenz ist heute ein Museum.[23] Norberto Fuentes schrieb ein interessantes Werk über Hemingways Jahre auf Kuba, wo u.a. ein Interview mit Fidel Castro geführt wurde, der positiv über den US-Autor spricht.[24] Das Hemingway International Billfishing Tournament bei Havanna, welches er selbst die ersten drei Male gewann, feiert 2015 sein 65. Jubiläum.[25]

3. Hemingways Beziehung zu Spanien

Mit 22 Jahren wusste der abenteuerlustige Ernest Hemingway bereits, dass er Schriftsteller werden wollte und nach seinen anfänglichen Lehrjahren nicht auf Dauer in Kansas, Toronto oder Chicago bleiben wollte. Nachdem ihm bereits mit 19 Jahren der angestrebte Militärdienst auf Grund zu schwacher Augen verwehrt worden war, nutzte er kurz später seine Chance, um voll jugendlicher Naivität für das Rote Kreuz als Krankenwagenfahrer in den Ersten Weltkrieg zu ziehen. Weniger als zwei Monate nach seiner Abreise aus den USA wurde er (als vermutlich erster US-Amerikaner) bei Fossalta in Italien schwer verwundet und nach einiger Zeit im mailändischen Krankenhaus zurück in seinen Geburtsort Oak Park/ Illinois, gebracht.[26] Diese „curious experience of death and resurrection“ sollte seine Karriere und Motive als Schriftsteller – das starke Interesse an den Themen: Tod, Gewalt, Unsterblichkeit und kriegerische Handlungen – sowie seinen persönlichen Lebensstil stark beeinflussen.[27] Nur drei Jahre später nutzte er die nächste Gelegenheit, die USA zu verlassen, als ihm sein damaliger Arbeitgeber, der Toronto Star Weekly (TSW), anbot, als Auslandskorrespondent nach Europa zu gehen.[28] Gemeinsam mit seiner ersten Frau Hadley schiffte er sich am 8. Dezember 1921 nach Paris ein, wählte jedoch den längeren Weg mit einem Zwischenstopp in Vigo, Galizien. Diesen ersten Kontakt mit der spanischen Halbinsel beschrieb er seinem Freund, dem Autor Sherwood Anderson, in einem Brief aus Paris euphorisch: „You ought to see the Spanish coast. Big brown mountains looking like tired dinosaurs slumped down into the sea […] The coast of Spain is long and brown and looks very old“.[29] Seit dem Moment seines ersten Betretens schien er von Spanien begeistert zu sein. Spanien sollte ihn auch zukünftig anziehen wie ein Magnet. 1923 schrieb er seinem Vater: „It is a great country. Spain, I think, is the best country in Europe“.[30] Bei einer rein quantitativen Betrachtung seines literarischen Lebenswerkes fällt schnell auf, dass ein Großteil seiner Werke durch das spanische Land, seine Traditionen und Kultur, die Lebensweisen und kollektiven Werte der Einwohner sowie das politische Geschehen beeinflusst wurde. Zu dieser Zeit hatte er nachgewiesenermaßen bereits Werke von Cervantes und Blasco Ibáñez gelesen, die seine romantische Vorstellung von Spanien mitformten.[31] 1925 verbrachte Hemingway sechs geschäftige Wochen in Valencia, San Sebastian und Madrid, um seinen zweiten Roman zu schreiben.[32] Das Ergebnis, SAR, 1926 erschienen, spielt sowohl in Frankreich als auch in Spanien und verarbeitet unter anderem Hemingways Eindrücke von den Stierläufen der Fiesta de San Fermín, an denen der abenteuerlustige Schriftsteller erstmals persönlich teilgenommen hatte. Dieses Werk, das in vielen Sprachen (interessanterweise auch im britischen Englisch) unter dem spanischen Titel Fiesta veröffentlicht wurde, zeigte bereits Hemingways Affinität zur spanischen Kultur und machte ihn weltweit berühmt.[33] Es gilt heute als das klassische Werk der sogenannten Lost Generation, einer Gruppe von intellektuellen Exil-Amerikanern, zu denen Hemingway während seiner Zeit in Paris gehörte.[34] Mit Death in the Afternoon (DIA), neben The Green Hills of Africa (GHOA), seinem einzigen non-fiktionalen Werk aus dem Jahre 1932, machte er sich nicht nur einen Namen als aficionado des Stierkampfes. Hemingway selbst schrieb über sein tauromachisches Lexikon: „It is intended as an introduction to the modern Spanish bullfight and attempts to explain that spectacle both emotionally and practically“.[35] Schnell hatte der Autor sich zu dieser Zeit auch eine Meinung über die spanische Politik gebildet, die er schon 1934 in einem Brief an einen Freund mit Sorge beschrieb: „Spain is a big country […] inhabited by too many politicians […] The spectacle of its governing is at present more comic than tragic; but the tragedy is very close“.[36] Fünf Jahre nach DIA wurde THAHN publiziert. Es zählt im Allgemeinen zu den schwächeren Werken Hemingways. Es spielt zu großen Teilen im spanischsprachigen Kuba und thematisiert u.a. die kubanischen revolutionären Aktivitäten und Intrigen der 1930er.[37] 1940 wurde schließlich FWBT