Das Stunden-Buch - Rilke, Rainer Maria - kostenlos E-Book

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Rilke, Rainer Maria

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The Project Gutenberg EBook of Das Stunden-Buch, by Rainer Maria RilkeThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.orgTitle: Das Stunden-BuchAuthor: Rainer Maria RilkeRelease Date: January 15, 2008 [EBook #24288]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS STUNDEN-BUCH ***Produced by Markus Brenner and the Online DistributedProofreading Team at http://www.pgdp.net

Das Stunden-Buch

enthaltend die drei Bücher:

Vom mœnchischen Leben / Von der Pilgerschaft / Von der Armuth und vom Tode

Rainer Maria Rilke

Insel-Verlag / Leipzig / im Jahre 1918

Das 12. bis 16. Tausend

Gelegt in die Hände von Lou

Erstes BuchDas Buch vom mönchischen Leben (1899)

Da neigt sich die Stunde und rührt mich anmit klarem metallenem Schlag:mir zittern die Sinne. Ich fühle: ich kann –und ich fasse den plastischen Tag.
Nichts war noch vollendet, eh ich es erschaut,ein jedes Werden stand still.Meine Blicke sind reif, und wie eine Brautkommt jedem das Ding, das er will.
Nichts ist mir zu klein, und ich lieb es trotzdemund mal es auf Goldgrund und großund halte es hoch, und ich weiß nicht wemlöst es die Seele los ...
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,die sich über die Dinge ziehn.Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,und ich kreise jahrtausendelang;und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturmoder ein großer Gesang.
Ich habe viele Brüder in Soutanenim Süden, wo in Klöstern Lorbeer steht.Ich weiß, wie menschlich sie Madonnen planen,und träume oft von jungen Tizianen,durch die der Gott in Gluten geht.
Doch wie ich mich auch in mich selber neige:mein Gott ist dunkel und wie ein Gewebevon hundert Wurzeln, welche schweigsam trinken.Nur, daß ich mich aus seiner Wärme hebe,mehr weiß ich nicht, weil alle meine Zweigetief unten ruhn und nur im Winde winken.
Wir dürfen dich nicht eigenmächtig malen,du Dämmernde, aus der der Morgen stieg.Wir holen aus den alten Farbenschalendie gleichen Striche und die gleichen Strahlen,mit denen dich der Heilige verschwieg.
Wir bauen Bilder vor dir auf wie Wände;so daß schon tausend Mauern um dich stehn.Denn dich verhüllen unsre frommen Hände,sooft dich unsre Herzen offen sehn.
Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden,in welchen meine Sinne sich vertiefen;in ihnen hab ich, wie in alten Briefen,mein täglich Leben schon gelebt gefundenund wie Legende weit und überwunden.
Aus ihnen kommt mir Wissen, daß ich Raumzu einem zweiten zeitlos breiten Leben habe.Und manchmal bin ich wie der Baum,der, reif und rauschend, über einem Grabeden Traum erfüllt, den der vergangne Knabe(um den sich seine warmen Wurzeln drängen)verlor in Traurigkeiten und Gesängen.
Du, Nachbar Gott, wenn ich dich manches Malin langer Nacht mit hartem Klopfen störe, –so ists, weil ich dich selten atmen höreund weiß: Du bist allein im Saal.Und wenn du etwas brauchst, ist keiner da,um deinem Tasten einen Trank zu reichen:ich horche immer. Gib ein kleines Zeichen.Ich bin ganz nah.
Nur eine schmale Wand ist zwischen uns,durch Zufall; denn es könnte sein:ein Rufen deines oder meines Munds –und sie bricht einganz ohne Lärm und Laut.
Aus deinen Bildern ist sie aufgebaut.
Und deine Bilder stehn vor dir wie Namen.Und wenn einmal das Licht in mir entbrennt,mit welchem meine Tiefe dich erkennt,vergeudet sichs als Glanz auf ihren Rahmen.
Und meine Sinne, welche schnell erlahmen,sind ohne Heimat und von dir getrennt.
Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.Wenn das Zufällige und Ungefähreverstummte und das nachbarliche Lachen,wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,mich nicht so sehr verhinderte am Wachen –
Dann könnte ich in einem tausendfachenGedanken bis an deinen Rand dich denkenund dich besitzen (nur ein Lächeln lang),um dich an alles Leben zu verschenkenwie einen Dank.
Ich lebe grad, da das Jahrhundert geht.Man fühlt den Wind von einem großen Blatt,das Gott und du und ich beschrieben hatund das sich hoch in fremden Händen dreht.
Man fühlt den Glanz von einer neuen Seite,auf der noch alles werden kann.
Die stillen Kräfte prüfen ihre Breiteund sehn einander dunkel an.
Ich lese es heraus aus deinem Wort,aus der Geschichte der Gebärden,mit welchen deine Hände um das Werdensich ründeten, begrenzend, warm und weise.Du sagtest leben laut und sterben leiseund wiederholtest immer wieder: Sein.Doch vor dem ersten Tode kam der Mord.Da ging ein Riß durch deine reifen Kreiseund ging ein Schreinund riß die Stimmen fort,die eben erst sich sammelten,um dich zu sagen,um dich zu tragen,alles Abgrunds Brücke –
Und was sie seither stammelten,sind Stückedeines alten Namens.
Der blasse Abelknabe spricht:
Ich bin nicht. Der Bruder hat mir was getan,was meine Augen nicht sahn.Er hat mir das Licht verhängt.Er hat mein Gesicht verdrängtmit seinem Gesicht.Er ist jetzt allein.Ich denke, er muß noch sein.Denn ihm tut niemand, wie er mir getan.Es gingen alle meine Bahn,kommen alle vor seinen Zorn,gehen alle an ihm verlorn.
Ich glaube, mein großer Bruder wachtwie ein Gericht.An mich hat die Nacht gedacht;an ihn nicht.
Du Dunkelheit, aus der ich stamme,ich liebe dich mehr als die Flamme,welche die Welt begrenzt,indem sie glänztfür irgendeinen Kreis,aus dem heraus kein Wesen von ihr weiß.
Aber die Dunkelheit hält alles an sich:Gestalten und Flammen, Tiere und mich,wie sie’s errafft,Menschen und Mächte –
Und es kann sein: eine große Kraftrührt sich in meiner Nachbarschaft.
Ich glaube an Nächte.
Ich glaube an alles noch nie Gesagte.Ich will meine frömmsten Gefühle befrein.Was noch keiner zu wollen wagte,wird mir einmal unwillkürlich sein.
Ist das vermessen, mein Gott, vergib.Aber ich will dir damit nur sagen:Meine beste Kraft soll sein wie ein Trieb,so ohne Zürnen und ohne Zagen;so haben dich ja die Kinder lieb.
Mit diesem Hinfluten, mit diesem Mündenin breiten Armen ins offene Meer,mit dieser wachsenden Wiederkehrwill ich dich bekennen, will ich dich verkündenwie keiner vorher.
Und ist das Hoffart, so laß mich hoffärtig seinfür mein Gebet,das so ernst und alleinvor deiner wolkigen Stirne steht.
Ich bin auf der Welt zu allein und doch nicht allein genug,um jede Stunde zu weihn.Ich bin auf der Welt zu gering und doch nicht klein genug,um vor dir zu sein wie ein Ding,dunkel und klug.Ich will meinen Willen und will meinen Willen begleitendie Wege zur Tat;und will in stillen, irgendwie zögernden Zeiten,wenn etwas naht,unter den Wissenden seinoder allein.Ich will dich immer spiegeln in ganzer Gestaltund will niemals blind sein oder zu alt,um dein schweres schwankendes Bild zu halten.Ich will mich entfalten.Nirgends will ich gebogen bleiben,denn dort bin ich gelogen, wo ich gebogen bin.Und ich will meinen Sinnwahr vor dir. Ich will mich beschreibenwie ein Bild, das ich sahlange und nah,wie ein Wort, das ich begriff,wie meinen täglichen Krug,wie meiner Mutter Gesicht,wie ein Schiff,das mich trugdurch den tödlichsten Sturm.
Du siehst, ich will viel.Vielleicht will ich alles:das Dunkel jedes unendlichen Fallesund jedes Steigens lichtzitterndes Spiel.
Es leben so viele und wollen nichtsund sind durch ihres leichten Gerichtsglatte Gefühle gefürstet.
Aber du freust dich jedes Gesichts,das dient und dürstet.
Du freust dich aller, die dich gebrauchenwie ein Gerät.
Noch bist du nicht kalt, und es ist nicht zu spät,in deine werdenden Tiefen zu tauchen,wo sich das Leben ruhig verrät.
Wir bauen an dir mit zitternden Händen,und wir türmen Atom auf Atom.Aber wer kann dich vollenden,du Dom.
Was ist Rom?Es zerfällt.Was ist die Welt?Sie wird zerschlagen,eh deine Türme Kuppeln tragen,eh aus Meilen von Mosaikdeine strahlende Stirne stieg.Aber manchmal im Traumkann ich deinen Raumüberschauntief vom Beginnebis zu des Daches goldenem Grate.Und ich seh: meine Sinnebilden und baundie letzten Zierate.
Daraus, daß einer dich einmal gewollt hat,weiß ich, daß wir dich wollen dürfen.Wenn wir auch alle Tiefen verwürfen:wenn ein Gebirge Gold hatund keiner mehr es ergraben mag,trägt es einmal der Fluß zutag,der in die Stille der Steine greift,der vollen.
Auch wenn wir nicht wollen:Gott reift.
Wer seines Lebens viele Widersinneversöhnt und dankbar in ein Sinnbild faßt,der drängtdie Lärmenden aus dem Palast,wird anders festlich, und du bist der Gast,den er an sanften Abenden empfängt.
Du bist der zweite seiner Einsamkeit,die ruhige Mitte seinen Monologen;und jeder Kreis, um dich gezogen,spannt ihm den Zirkel aus der Zeit.
Was irren meine Hände in den Pinseln?Wenn ich dich male, Gott, du merkst es kaum.Ich fühle dich. An meiner Sinne Saumbeginnst du zögernd, wie mit vielen Inseln,und deinen Augen, welche niemals blinzeln,bin ich der Raum.
Du bist nicht mehr inmitten deines Glanzes,wo alle Linien des Engeltanzesdie Fernen dir verbrauchen mit Musik, –du wohnst in deinem allerletzten Haus.Dein ganzer Himmel horcht in mich hinaus,weil ich mich sinnend dir verschwieg.
Ich bin, du Ängstlicher. Hörst du mich nichtmit allen meinen Sinnen an dir branden?Meine Gefühle, welche Flügel fanden,umkreisen weiß dein Angesicht.Siehst du nicht meine Seele, wie sie dichtvor dir in einem Kleid aus Stille steht?Reift nicht mein mailiches Gebetan deinem Blicke wie an einem Baum?
Wenn du der Träumer bist, bin ich dein Traum.Doch wenn du wachen willst, bin ich dein Willeund werde mächtig aller Herrlichkeitund ründe mich wie eine Sternenstilleüber der wunderlichen Stadt der Zeit.
Mein Leben ist nicht diese steile Stunde,darin du mich so eilen siehst.Ich bin ein Baum vor meinem Hintergrunde,ich bin nur einer meiner vielen Mundeund jener, welcher sich am frühsten schließt.
Ich bin die Ruhe zwischen zweien Tönen,die sich nur schlecht aneinander gewöhnen:denn der Ton Tod will sich erhöhn –
Aber im dunklen Intervall versöhnensich beide zitternd.Und das Lied bleibt schön.
Wenn ich gewachsen wäre irgendwo,wo leichtere Tage sind und schlanke Stunden,ich hätte dir ein großes Fest erfunden,und meine Hände hielten dich nicht so,wie sie dich manchmal halten, bang und hart.
Dort hätte ich gewagt, dich zu vergeuden,du grenzenlose Gegenwart.Wie einen Ballhätt ich dich in alle wogenden Freudenhineingeschleudert, daß einer dich fingeund deinem Fallmit hohen Händen entgegenspringe,du Ding der Dinge.
Ich hätte dich wie eine Klingeblitzen lassen.Vom goldensten Ringeließ ich dein Feuer umfassen,und er müßte mirs haltenüber die weißeste Hand.
Gemalt hätte ich dich: nicht an die Wand,an den Himmel selber von Rand zu Rand,und hätt dich gebildet, wie ein Gigantdich bilden würde: als Berg, als Brand,als Samum, wachsend aus Wüstensand –oderes kann auch sein: ich fanddich einmal ...Meine Freunde sind weit,ich höre kaum noch ihr Lachen schallen;und du: du bist aus dem Nest gefallen,bist ein junger Vogel mit gelben Krallenund großen Augen und tust mir leid.(Meine Hand ist dir viel zu breit.)Und ich heb mit dem Finger vom Quell einen Tropfenund lausche, ob du ihn lechzend langst,und ich fühle dein Herz und meines klopfenund beide aus Angst.
Ich finde dich in allen diesen Dingen,denen ich gut und wie ein Bruder bin;als Samen sonnst du dich in den geringen,und in den großen gibst du groß dich hin.
Das ist das wundersame Spiel der Kräfte,daß sie so dienend durch die Dinge gehn:in Wurzeln wachsend, schwindend in die Schäfteund in den Wipfeln wie ein Auferstehn.
Stimme eines jungen Bruders.
Ich verrinne, ich verrinnewie Sand, der durch Finger rinnt.Ich habe auf einmal so viele Sinne,die alle anders durstig sind.Ich fühle mich an hundert Stellenschwellen und schmerzen.