David Lynch - Talking - Helen Donlon - E-Book

David Lynch - Talking E-Book

Helen Donlon

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Beschreibung

David Lynch ist Kult. Assoziative Bildreihungen, verstörende Traumsequenzen und eine morbide Ästhetik sind seine Markenzeichen. Bereits mit seinem ersten Spielfilm Eraserhead (1976) gelang es dem Meister, weltweit eine Clique eingeschworener Fans für sich zu begeistern. Die Filme Elefantenmensch und Dune - Der Wüstenplanet - letzterer war ein finanzielles Desaster - festigten seinen Ruf als Genie unter den Filmfreaks. Mit Blue Velvet, dem Film, in dem Lynchs damalige Lebensgefährtin Isabella Rossellini neben Dennis Hopper die Hauptrolle spielt, gelang ihm 1986 der internationale Durchbruch und auch mit Wild At Heart (1990) feierte er Triumphe. Der nächste Höhepunkt in Lynchs beeindruckender Filmographie war der Pilotfilm zur Serie Twin Peaks, zu der er auch das Drehbuch verfasste und bei einigen Folgen Regie führte. Millionen Menschen fieberten bei der Suche nach dem Mörder von Laura Palmer mit, obwohl den meisten klar war, dass es wohl keine Auflösung nach dem klassischen Who-Dunnit-Schema geben würde. In den Neunzigern konnte er mit mit Lost Highway und 2001 mit Mullholland Drive weitere Erfolge vorzeigen. Das Buch versammelt Originalzitate des wohl eigenwilligsten Regisseurs Hollywoods. Aus den Originaltönen entsteht eine spannende Biographie, beginnend mit David Lynchs Aufwachsen im Amerika der fünfziger und frühen sechziger Jahre. Diese Phase hat sein Schaffen nachhaltig geprägt - beschwört er die dunkle Seite der amerikanischen Kleinstadt in den Fünfzigern doch immer wieder in seinen Filmen herauf. Aus dem Alltäglichen bezieht er seine Inspiration, lässt es in Horror und Gewalt umschlagen und hebt mit seiner Erzählweise die Einheit von Raum und Zeit auf. Die Biographie erzählt von seinen Anfängen als Filmemacher, zusammen mit seiner damaligen Ehefrau Peggy, und von seinem Aufstieg in den späten siebziger und achtziger Jahren. In dieser Zeit trifft er auch auf Gleichgesinnte wie seine Muse Laura Dern, Kyle MacLachlan, Isabella Rosselini und seine langjährige Lebensgefährtin Mary Sweeney, die ihn auf seinem weiteren künstlerischen Weg begleiten. In den neunziger Jahren ist er in Hollywood etabliert. Mit seinem aktuellen Film Inland Empire strapaziert er die Aufnahmefähigkeit selbst seiner größten Fans. Das dreistündige Werk verabschiedet sich von der Narration. Ein Feuerwerk der Verwirrung, eben ein echter "David Lynch".

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Seitenzahl: 148

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DAVID LYNCH

Talking

Herausgegeben von Helen Donlon

Aus dem Englischen übersetzt von Thorsten Wortmann

Schwarzkopf & Schwarzkopf

Vorwort

»Es besteht die Gefahr, dass ich für immer und ewig als völlig sonderbar angesehen werde. Heutzutage haben die Leute keine Zeit mehr, sich alle Facetten anzuschauen, und deshalb wird man in eine kleine Schublade gesteckt. Mich steckt man immer in die Kategorie ›seltsam‹, was ich ein wenig sonderbar finde. Ich glaube, ich entspreche diesem Bild nicht ganz.« (Lynch über sich selbst, 1990)

David Keith Lynch, geboren am 20. Januar 1946 in Missoula, Montana, USA, gehört definitiv zu den außergewöhnlichsten Filmemachern aller Zeiten. Mit seinem ersten Spielfilm Eraserhead (1977) machte er in der Filmwelt auf sich aufmerksam und seinen ersten großen Erfolg konnte er mit Der Elefantenmensch (1980) feiern, der für acht Oscars nominiert wurde. Auch die Filme Blue Velvet (1986) und Mulholland Drive– Straße der Finsternis (2001) sollten Oscar-Nominierungen erhalten. Wild At Heart – Die Geschichte von Sailor und Lula (1990) wurde mit einer Goldenen Palme bei den Filmfestspielen in Cannes ausgezeichnet, und Der Elefantenmensch und Mulholland Drive erhielten jeweils einen Cesar Award in der Kategorie »Bester ausländischer Film«.

David Lynchs Filme bestehen größtenteils aus surrealen, traum- und albtraumhaften Bildern und entziehen sich einer einfachen Interpretation. Er schafft es, sowohl das Banale als auch die dunkle Seite der amerikanischen Psyche mit einer oft überraschend optimistischen Weltsicht zu kombinieren. Seine Markenzeichen sind die in seinen Filmen häufig wiederkehrenden Motive: Rauch, Feuer, Elektrizität, flackerndes Licht, lange, dunkle Korridore, rote Vorhänge, Straßen, körperliche Beschwerden, mysteriöse, außerirdische Wesen, seltsame Frisuren, zwanghaft-besessene Außenseiter und gespielt naive weibliche Schönheiten.

Lynchs Filme spielen entweder in kleinen, verschlafenen Orten oder in amerikanischen Großstädten. Charakteristisch für seine Werke ist auch das penibel gefertigte und unverkennbare Sounddesign, bei dem Lynch seit 1986 fast durchgängig mit dem Komponisten Angelo Badalamenti zusammenarbeitet. Verträumt ruhige Klänge werden mit Fünfziger-Jahre-Rock’n’Roll oder düsterem Industrial-Rock von Künstlern wie Nine Inch Nails oder Rammstein verbunden. Chris Isaak, Julee Cruise und sogar David Bowie gehören zu den Musikern, die nicht nur in Lynchs Filmen mitgespielt haben, sondern deren Songs durch seine Werke auch zu großen Hits wurden.

David Lynch begann seine Karriere als Regisseur in den sechziger Jahren in Philadelphia. Der Zerfall der Industrie und die hohe Kriminalität in der Stadt inspirierten Lynch zu verschiedenen Kurzfilmen sowie zu seinem ersten Spielfilm Eraserhead. Lynch arbeitete insgesamt vier Jahre lang an diesem Film, in dem sein langjähriger Freund, der Schauspieler Jack Nance, die Hauptrolle spielte. Obwohl der Film auf die meisten Zuschauer eher verstörend wirkte, entwickelte er sich dennoch zum Underground-Kinohit, woraufhin der bekannte Regisseur Mel Brooks auf Lynch aufmerksam wurde. Mit Brooks als Produzent und mit den Schauspielern John Hurt und Anthony Hopkins drehte Lynch den Film Der Elefantenmensch, der zu seinem ersten großen Erfolg wurde und seinen Ruf als eigenwilliger Filmemacher festigte.

Mit seinem leidenschaftlichen Individualismus strapazierte David Lynch jedoch 1984 zum ersten Mal die Geduld Hollywoods, als er mit dem teuer produzierten Science-Fiction-Film Dune – Der Wüstenplanet seinen ersten Flop hatte. Doch bereits der 1986 veröffentlichte Film Blue Velvet, bei dem Dennis Hopper und Isabella Rossellini die Hauptrollen spielten, wurde von den Kritikern gefeiert und brachte Lynch wieder zurück in die Erfolgsspur. Auch der nächste Spielfilm, Wild At Heart, eine Hommage an Der Zauberer von Oz mit Laura Dern und Nicolas Cage, wurde 1990 ein Erfolg an den Kinokassen.

1990 betrat Lynch unbekanntes Terrain, als er sich mit dem Autor und Produzenten Mark Frost zusammentat und die Mystery-Serie Twin Peaks fürs Fernsehen schuf. Die Serie über den Mord an der jungen Laura Palmer und die Abgründe einer idyllisch anmutenden amerikanischen Kleinstadt wurde ein unerwartet großer Erfolg. Lynch gab das Projekt jedoch nach kurzer Zeit aus der Hand, und nachdem der Fernsehsender darauf gedrängt hatte, den Mörder von Laura Palmer preiszugeben, sanken die Einschaltquoten drastisch. Nach 29 Folgen wurde die Serie eingestellt, jedoch nahm David Lynch das Thema nochmals in dem Kinofilm Twin Peaks – Fire Walk With Me auf, in dem er die letzten sieben Tage im Leben der Laura Palmer erzählte. Der Film wurde von den Kritikern verrissen und war an den Kinokassen ein Flop.

Wie nach dem Misserfolg von Dune kehrte Lynch auch dieses Mal wieder mit neuer Kraft in die Kinowelt zurück und präsentierte 1997 sein bis dato düsterstes Werk Lost Highway, in dem Patricia Arquette und Bill Pullman in den Hauptrollen glänzten. Völlig andere Wege schlug der Regisseur 1999 mit seinem nächsten Film Eine wahre Geschichte – The Straight Story ein, eine Geschichte über einen alten Mann, der auf einem Aufsitz-Rasenmäher durch den Mittleren Westen der USA fährt, um sich mit seinem Bruder zu versöhnen.

Lynchs Eigenwilligkeit war wohl ausschlaggebend dafür, dass sein nächstes Projekt, die Fernsehserie Mulholland Drive, nicht verwirklicht werden konnte. Der Fernsehsender ABC lehnte das Material ab, und auch die großen Filmbosse in Hollywood wollten keinen Kinofilm daraus machen.

Ein enthusiastischer Produzent des französischen Fernsehsenders Canal Plus rettete das Material davor, in Vergessenheit zu geraten, und ließ Lynch daraus schließlich doch einen Kinofilm machen. Mulholland Drive wurde 2001 in Europa ein großer Erfolg und verschaffte der Schauspielerin Naomi Watts einen Karrieresprung, als sie sich in der heute berühmten Szene des Vorsprechens schwer atmend als glaubwürdige Schauspielerin etablierte.

Nach einigen Projekten, die Lynch auf seiner eigenen Homepage veröffentlicht hatte, kehrte er 2007 mit dem Film INLAND EMPIRE auf die Kinoleinwand zurück. Das Werk wurde ausschließlich auf Digital Video gefilmt, was für Lynch eine ganz neue Herangehensweise war und von den Kritikern mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde. Um Geld für die Promotion des Films zu sparen, dachte Lynch sich etwas Besonderes aus: Er fand, dass Laura Dern für ihre schauspielerische Leistung einen Oscar verdient habe, daher setzte er sich mit einem Klappstuhl und einer lebendigen Kuh auf den Sunset Boulevard in Los Angeles und stellte große Banner auf: »BITTE BERÜCKSICHTIGEN SIE LAURA DERN BEI DEN OSCARS« und »OHNE KÄSE HÄTTE ES KEIN ›INLAND EMPIRE‹ GEGEBEN«. Als man ihn bat, seine Aktion zu erläutern, antwortete er kurz und bündig: »Ich habe viel Käse gegessen, als ich ›INLAND EMPIRE‹ gedreht habe.«

Seit nunmehr vierzig Jahren verblüfft und begeistert David Lynch seine Zuschauer und Kritiker gleichermaßen, und mit jedem Werk schafft er neue Perspektiven, bleibt aber dennoch seinem unverkennbaren Stil immer treu. Wie sein Held Stanley Kubrick (die Bewunderung beruhte auf Gegenseitigkeit) bringt Lynch es jedes Mal fertig, etwas wirklich Einmaliges zu schaffen, das seiner Zeit weit voraus ist. Wie Kubrick auch geht Lynch mit absoluter Hingabe seiner Vision nach. Das alles führt er auf die Transzendentale Meditation zurück, die er seit langem ausübt.

Lynch arbeitet mit vielen Darstellern sowie seiner Crew schon jahrelang zusammen. Mit dem Bühnenbildner Jack Fisk zum Beispiel ist er seit der Schulzeit befreundet. Fisk, der mit der Schauspielerin Sissy Spacek verheiratet ist, arbeitete mit an Der Elefantenmensch; beide spielten wichtige Rollen bei The Straight Story: Sissy als Hauptdarstellerin und Jack als Bühnenbildner.

Der Schauspieler Jack Nance, der in Eraserhead die Hauptfigur des Henry gespielt hatte, war bis zu seinem plötzlichen und mysteriösen Tod 1996 in fast allen Werken von Lynch zu sehen. Laura Dern, die in Wild At Heart die Figur der Lula gespielt hatte, war auch wieder in David Lynchs jüngstem Film INLAND EMPIRE als Hauptdarstellerin zu sehen. In Twin Peaks allein spielte eine ganze Reihe von Schauspielern mit, deren Namen und Gesichter für immer mit dieser skurrilen Fernsehserie in Verbindung gebracht werden sollten: Kyle MacLachlan, Sherilyn Fenn, Sherryl Lee, Lara Flynn Boyle, Mädchen Amick, Grace Zabriskie, Ray Wise und natürlich Michael Anderson – oder »Little Mike«, wie man den kleinwüchsigen Schauspieler in Lynch-Kreisen liebevoll nennt. Er wurde als »Der Mann von einem anderen Ort« bekannt, und seine rückwärts gesprochenen Parts in Twin Peaks galten damals als bemerkenswerte Soundmanipulation.

Lynch war in den Sechzigern mit Peggy Lentz verheiratet, mit der er eine Tochter hat. Die Ehe wurde nach sieben Jahren geschieden, und 1977 heiratete Lynch Jack Fisks Schwester Mary. Auch diese Ehe hielt nicht lange, und Ende der Achtziger war er kurzzeitig mit Isabella Rossellini, der Tochter von Ingrid Bergman und Roberto Rossellini, liiert. Die Filmproduzentin und Cutterin Mary Sweeney, die mit David Lynch seit Blue Velvet zusammenarbeitete, ist auch die Mutter seines jüngsten Kindes. Lynch und Sweeney heirateten im Mai 2006, jedoch wurde die Ehe nach zwei Monaten annulliert.

In kreativer Hinsicht hat David Lynch viele Seiten. Abgesehen davon, dass er mittlerweile seit über vierzig Jahren Filme macht, ist er auch Maler (seine Bilder werden weltweit ausgestellt und verkauft) und Möbeldesigner (er hat Möbelstücke für die schweizerische Designfirma Casanostra entworfen). Sein liebevoll gestaltetes Buch Catching The Big Fish aus dem Jahr 2006 verkauft sich bestens, und die begleitenden Lesungen zusammen mit einigen Prominenten waren sehr erfolgreich. Lynchs Bilder wurden im Frühjahr 2007 bei einer Ausstellung in der Fondation Cartier in Paris unter dem Titel The Air Is On Fire gezeigt, die reges Interesse hervorrief. Außerdem arbeitet Lynch weiterhin an verschiedenen Musikprojekten, mal als Produzent, mal als Instrumentalist.

David Lynch hat in den vergangenen Jahren viele Interviews gegeben und hatte dabei immer viel zu sagen. Dieses Buch präsentiert eine Auswahl der aufschlussreichsten und amüsantesten Zitate. Lynch redet nicht einfach nur trocken über Filmtechnik, über die Filmschule oder wie raffiniert dieses oder jenes Setup ausgedacht war. Stattdessen spricht er in seiner unverkennbaren Art über seine Gedanken, seine Weltanschauung und seine Visionen. Und genau diese Visionen sind es, die seine Fans wirklich interessieren. Wie wird man so wie David Lynch? Wie kann man die Dinge so sehen wie er? Wie fühlt oder hört es sich an, wie sieht es aus, wenn man in Lynchs Kopf steckt? Dieses Buch schickt den Leser auf eine wunderbare Reise ins Lynchland – erklärt vom Meister selbst.

Kapitel 1

Philadelphia

David Lynch wohnte Ende der Sechziger in Philadelphia und hier begann auch seine Filmkarriere. Er ging zur Pennsylvania Academy Of The Fine Arts und ließ sich von den dunklen Ecken der Stadt inspirieren. Seine Beziehung zu der Stadt ändert sich ständig, und er sagt, dass er sie wirklich stimulierend und wahrlich schrecklich findet. In Philadelphia drehte Lynch einige Kurzfilme und begann die Arbeit an seinem berüchtigten ersten Kinofilm Eraserhead, den er selbst als seine »eigene Version« von Die Nacht vor der Hochzeit bezeichnet.

Ich hatte meinen ersten aufregenden Gedanken in Philadelphia. (1990)

Ich wollte nicht nach Philadelphia. Ich verachtete die Stadt, bevor ich sie kennenlernte: Es war einer der letzten Orte, wo ich hinwollte. Aber schuld daran war eigentlich mein Freund Jack Fisk, ich weiß nicht, warum er dort hingegangen ist … Zuerst flogen wir gemeinsam nach Europa, um in Salzburg bei Oskar Kokoschka zu studieren. Ich sollte eigentlich drei Jahre bleiben, aber nach nur zwei Wochen brachen wir ab! Ich hielt es dort nicht aus. In Salzburg hatte ich das Gefühl, wieder zurück im amerikanischen Nordwesten zu sein: Alles ist so sauber und nett, die vielen Bäume und Täler … Das war keine Inspiration. Manchmal probiert man etwas aus und bekommt sofort die Antwort. Ich glaube, ich habe damals nach einem Ort wie Philadelphia gesucht: Ich habe mich auf Anhieb von Philadelphia angezogen gefühlt, habe aber auch gleichzeitig eine Abneigung verspürt. Das ist eine der ungesündesten Städte, die ich kenne: Korruption, Angst, Wut, Gewalt, Hass, Wahnsinn … was für ein toller Ort! Ich hatte zuvor nie so was gesehen … (2002)

Ich habe dort eine Frau in einem Garten gesehen, die wie ein Huhn gackerte und auf Händen und Knien durch hohes Gras kroch. Ich habe viele seltsame Dinge gesehen. (1997)

Ich hatte lange Haare, oh ja. Als ich in Philadelphia in meiner Gegend ankam, fuhr ein Typ auf einem Fahrrad an mir vorbei, warf einen Blick auf meine Haare und rief mir nach: »Wir mögen Typen wie dich hier nicht! Die Gang von der 24th Street wird dir richtig in den Arsch treten! (1992)

Unsere Wohnung war nicht teuer, aber wir lebten in ständiger Angst. Ein Junge wurde auf der Straße vor unserem Haus erschossen, und die Kreidemarkierung, wo er gelegen hatte, konnte man noch fünf Tage später sehen. Wir wurden zweimal überfallen, unsere Fenster wurden eingeschlagen und unser Auto geklaut. (1984)

Als ich in Philadelphia wohnte, gab es dort überall Ziegelsteine. Gebäude aus roten Ziegelsteinen, Fabriken. Na ja, eigentlich waren die Ziegelsteine nicht mehr rot, sondern total schwarz vom Schmutz und der Witterung. Heute sind die meisten dieser Fabriken geschlossen. Aber es waren wirklich tolle Orte. Die Natur hat sie zurückerobert. In dem Haus, in dem ich wohnte, fühlte es sich an, als wären die Ziegelsteine hauchdünn. Es kam mir so vor, als wäre da nur ganz wenig zwischen mir und den bösen Dingen, die draußen vor sich gingen. Die Leute sagten immer: »Ach was, Ziegelsteine sind Ziegelsteine!« Aber ich fand immer, dass sie das Gefühl von Unsicherheit nicht abschirmen konnten. Philadelphia war ein sehr unsicherer Ort. Die Ziegelsteine verströmten mehr oder weniger eine gewisse Angst. (2007)

Ich wuchs mit Malerei auf, nicht mit Musik, … und mein Lieblingskünstler war Francis Bacon. Ich fuhr nach New York, um mir eine seiner Ausstellungen anzusehen, sie war großartig. Ich fühle mich eher Bacon zugeneigt, nicht der Pop-Art. In Philadelphia interessierte ich mich besonders für natürliche Phänomene. Ich drehte 1967 in Philadelphia meinen ersten Kurzfilm (Six Men Getting Sick), 1968 den zweiten (The Alphabet), und 1970 stellte ich den dritten fertig, The Grandmother. Dadurch wurde ich beim American Film Institute (AFI) in Los Angeles aufgenommen, und ich erkannte langsam, dass die Filme mindestens genauso wichtig waren wie die Malerei. Vielleicht war das Filmemachen für mich mittlerweile sogar schon wichtiger geworden. Ich weiß nicht, wie es kam. Aber ich hatte Ideen für Filme und ein großes Verlangen, sie wirklich zu machen. (2002)

Das war es, was ich lange Zeit ausschließlich machen wollte – einfach nur malen. Aber plötzlich war da der Film, eine ganz große Sache. (2007)

Ich habe die Geschichte, wie ich zum Film gekommen bin, schon millionenmal erzählt. Ich arbeitete an der Pennsylvania Academy Of The Fine Arts gerade an einem Gemälde eines Gartens bei Nacht. Die Pflanzen in dem dunklen Gemälde fingen an sich zu bewegen, und ich hörte Wind. Ich dachte: »Oh, das ist aber interessant. Ein Gemälde, das sich bewegt.« Das war der Gedanke, mit dem alles anfing. (2007)

Es gab einen Wettbewerb für experimentelle Gemälde und Skulpturen am Ende des Jahres, also schuf ich ein sich bewegendes Gemälde, eine Skulptur auf Leinwand. Ich ging los und kaufte mir eine Kamera, und ich fragte den Verkäufer, wie man das Ding belichtet, und er zeigte es mir. Danach hätte die Sache für mich eigentlich erledigt sein können, aber ein Typ beauftragte mich, ein ähnliches Werk für sein Haus zu entwerfen. Ich besorgte mir eine gebrauchte Bolex, wunderschön, mit einer Ledertasche. Ich arbeitete zwei Monate lang an einer Animation, aber dabei merkte ich nicht, dass die Kamera eine defekte Spule hatte und den Film nicht transportierte. Am Ende war es nur ein einziger verschwommener Brei – alle dachten, ich würde mich total aufregen, aber irgendwie freute ich mich darüber. Ich rief den Auftraggeber an und erzählte ihm, was passiert war. Er sagte mir, dass ich das Geld behalten und damit tun solle, was ich wollte, und ihm später eine Kopie des Werks geben sollte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits einige Ideen zu natürlicher Bewegung kombiniert mit Animation. Also machte ich einen komplett anderen Film aus diesem angeblichen Desaster, und das war in Wirklichkeit ein Geschenk. Ein Geschenk jenseits des Jenseits … Ich weiß nicht mehr, wie Ihre Frage lautete … (2007)

Ich habe nur einen einzigen Filmkurs in meinem ganzen Leben belegt, und das war bei einem Lehrer namens Frank Daniel. Er zeigte den Studenten Filme und bat sie, sich nur auf ein Element zu konzentrieren: die Geräusche, die Musik, das Schauspiel, die Schauspieler … Hinterher sprachen wir über den Einsatz dieser Elemente in den Filmen, und wir entdeckten so viele unglaubliche Dinge. Es war faszinierend. Aber es funktionierte, weil Frank wie alle guten Lehrer die Fähigkeit hatte, seine Schüler zu inspirieren und in ihnen Leidenschaft für das Thema zu wecken. Aber ich glaube, ich könnte das nicht. (1997)

Es hat mich bisher niemand darum gebeten, einen Kurs über Filme zu geben, und es hat mich auch nie wirklich gereizt, weil ich wahrscheinlich kein guter Lehrer wäre. Lehren ist eine Kunst für sich, und nur wenige Leute können das wirklich gut. Ich habe nicht viel Ahnung von Filmgeschichte, und ich habe auch nicht die notwendigen rhetorischen Fähigkeiten, deshalb wüsste ich auch nicht, was ich meinen Studenten erzählen könnte – außer dass sie sich einfach eine Kamera schnappen, rausgehen und mit dem Filmen anfangen sollen. So habe ich es jedenfalls gelernt. (1997)

Ich konnte nicht glauben, was ich fühlte und was ich sah, und es wurde immer schlimmer und schlimmer … mehr Angst, mehr Gewalt und diese seltsame Luft. Heute ist Philadelphia nur eine Großstadt. Es war damals eine sehr starke, beängstigende Erfahrung. Es war nicht schön, aber irgendwie aufregend. Ich wollte mehr über die Stadt wissen, aber aus einer sicheren Distanz. (1990)

Philadelphia hat mich mehr als jeder Filmemacher beeinflusst. (1990)

Mein größter Einfluss war die Stadt Philadelphia. Das ist kein Scherz! Eraserhead wurde in Philadelphia geboren. (1997)

Über »Eraserhead«

Ein Traum von dunklen und beunruhigenden Dingen. (1984)

Der Film war inspiriert von Philadelphia. Es wurde zwar kein Philadelphia-Akzent im Film eingesetzt, aber trotzdem ist es eine Art eigene Version von Die Nacht vor der Hochzeit. (1978)

Als ich als Student Filme machte – und ich zähle Eraserhead dazu –, gab es für mich keinen Unterschied zwischen Malerei und Filmemachen. Das lag daran, dass ich die Filme für mich selbst machte. Ganz allein, völlig unabhängig. (1984)

Ich fing meine Arbeit als Regisseur am AFI an. Ich hatte ein paar kleine Jobs. Meine Frau lebte mit meiner Tochter in einer Garage, wir lebten getrennt … Es war eine wunderschöne Garage, sie war eher wie ein Bungalow. Meine Frau wollte umziehen. Sie fragte mich, ob ich dort einziehen wolle, aber ich konnte es mir nicht leisten. Mein Freund Jack Nance, der Hauptdarsteller in Eraserhead