Der Amtschirurgus - Heimkehr - Theodor Storm - E-Book

Der Amtschirurgus - Heimkehr E-Book

Theodor Storm

0,0
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Amtschirurgus - Heimkehr ist eine zweigeteilte autobiographische Erzählung von Theodor Storm. Reinlesen: Damals, wenn Unwetter in der Luft drohte, ließen wir uns das nicht, wie anderwärts, durch ein Wetterglas prophezeien, auch nicht durch einen Laubfrosch, der die Leiter in seinem Glase hinabkletterte, sondern durch einen alten Amtschirurgus, der die Treppen der drei Rathausböden hinaufstieg und dann aus der obersten Giebelluke über die Stadt hinaus prophezeite. Zwar betrafen seine Worte nicht zunächst das Wetter; vielmehr pflegte er sich dann als Kronprinzen von Preußen zu proklamieren und hinterher allerlei Verwünschungen über die höchsten Würdenträger der Stadt herabzurufen; aber wir Eingeborenen wußten Bescheid, ein Sturm aus Nordwest war gewiß im Anzuge. Oft habe ich aus dem engen Steinhofe eines Nachbarhauses hinaufgeschaut, wenn das breite rubinrote Gesicht mit dem weißgepuderten Haarschopf droben aus dem Rathausgiebel hinausfuhr, und mit Wonne die ungeheuren Aufrichtigkeiten eingesogen, die der aufgeregte Redner mit beiden Armen aus der Bodenluke hervorarbeitete. Es war dies allerdings nicht das geeignetste Mittel, um in einem jungen Herzen den Respekt vor den Autoritäten des Staatskalenders groß zu ziehen, und ich habe später oft darüber nachdenken müssen, was der Mann nicht alles in mir zerstört haben mag. - Ob im Grunde genommen nicht der Amtschirurgus klarer sah als die Leute unten in der Stadt, die ihn für einen Narren hielten? - Nur so viel ist gewiß; auch wir Gesunden sehen die Dinge nicht, wie sie sind; uns selber unbewußt webt unser Inneres eine Hülle um sie her, und erst in dieser Scheingestalt erträgt es unser Auge, sie zu sehen, unsere Hand, sie zu berühren.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 22

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Amtschirurgus - Heimkehr

Der Amtschirurgus - HeimkehrAnmerkungenImpressum

Der Amtschirurgus - Heimkehr

Allerlei Seltsames war in der alten Stadt. In der alten, sage ich; denn seit der große Brand ihre Treppengiebel verzehrt und die Eisenbahn den Arm nach ihr ausgestreckt hat, ist sie jünger geworden, als sie es in meiner Jugend war.

Damals, wenn Unwetter in der Luft drohte, ließen wir uns das nicht, wie anderwärts, durch ein Wetterglas prophezeien, auch nicht durch einen Laubfrosch, der die Leiter in seinem Glase hinabkletterte, sondern durch einen alten Amtschirurgus, der die Treppen der drei Rathausböden hinaufstieg und dann aus der obersten Giebelluke über die Stadt hinaus prophezeite. Zwar betrafen seine Worte nicht zunächst das Wetter; vielmehr pflegte er sich dann als Kronprinzen von Preußen zu proklamieren und hinterher allerlei Verwünschungen über die höchsten Würdenträger der Stadt herabzurufen; aber wir Eingeborenen wußten Bescheid, ein Sturm aus Nordwest war gewiß im Anzuge. Oft habe ich aus dem engen Steinhofe eines Nachbarhauses hinaufgeschaut, wenn das breite rubinrote Gesicht mit dem weißgepuderten Haarschopf droben aus dem Rathausgiebel hinausfuhr, und mit Wonne die ungeheuren Aufrichtigkeiten eingesogen, die der aufgeregte Redner mit beiden Armen aus der Bodenluke hervorarbeitete. Es war dies allerdings nicht das geeignetste Mittel, um in einem jungen Herzen den Respekt vor den Autoritäten des Staatskalenders groß zu ziehen, und ich habe später oft darüber nachdenken müssen, was der Mann nicht alles in mir zerstört haben mag. – Ob im Grunde genommen nicht der Amtschirurgus klarer sah als die Leute unten in der Stadt, die ihn für einen Narren hielten? – Nur so viel ist gewiß; auch wir Gesunden sehen die Dinge nicht, wie sie sind; uns selber unbewußt webt unser Inneres eine Hülle um sie her, und erst in dieser Scheingestalt erträgt es unser Auge, sie zu sehen, unsere Hand, sie zu berühren.

Ich glaube nicht, daß unser Amtschirurgus der Kronprinz von Preußen war; aber er war vielleicht ein Prinz jenes weit entlegenen, aber viel größeren und schöneren Reiches, in welchem Aschenbrödel einst den Thron bestieg. Bestimmtes über seine Herkunft kann ich nicht berichten; denn er war lange vor meiner Geburt aus der Fremde eingewandert. Seit seine Denkweise von der der andern guten Bürger in so Anstoß erregender Weise abzuweichen begonnen hatte und, wie es hieß, sogar die Kehle eines hohen Beamten unter seinem Schermesser in Gefahr geraten war, hausete er, ich weiß nicht in Folge welches Abkommens, auf den wüsten Böden des Rathauses, die er weder sommers noch winters verließ. – Dennoch konnte man sein Leben kein ungeselliges nennen; nur etwas seltsam mochte, wenigstens dem oberflächlichen Beobachter, die Gesellschaft erscheinen, die er bei sich sah. Da er nämlich auf menschlichen Besuch nicht eingerichtet war, so hatte er dafür desto traulichere Beziehungen mit den großen Ratten der benachbarten Brauerei angeknüpft; und er stand sich dabei um nichts schlechter.