Der Aufstand - Sean McCabe - E-Book

Der Aufstand E-Book

Sean McCabe

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Beschreibung

Krieg der Vampire Grausame Ritualmorde erschüttern London. Detective Joel Solomon ist der Einzige, der die furchtbaren Verstümmelungen der Opfer und ihre blutleeren Körper richtig zu deuten weiß: Er wurde als Kind Zeuge, wie Vampire seine Familie ermordeten. Jetzt sinnt er auf Rache – und erhält unerwartete Unterstützung von einer jungen Frau, die selbst ein dunkles Geheimnis hütet. Denn Alex Bishop ist Agentin der Vampire Intelligence Agency. Ihr Auftrag: jene Abtrünnigen zu verfolgen, die gegen die Gesetze der World Vampire Federation verstoßen und Jagd auf Menschen machen ...

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Seitenzahl: 541

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Sean McCabe

Der Aufstand

Vampire Intelligence Agency

Roman

Aus dem Englischen von Joachim Peters

Rowohlt Digitalbuch

Inhaltsübersicht

WidmungSeit es Menschen ...PrologKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41Kapitel 42Kapitel 43Kapitel 44Kapitel 45Kapitel 46Kapitel 47Kapitel 48Kapitel 49Kapitel 50Kapitel 51Kapitel 52Kapitel 53Kapitel 54Kapitel 55Kapitel 56Kapitel 57Kapitel 58Kapitel 59Kapitel 60Kapitel 61Kapitel 62Kapitel 63Kapitel 64Kapitel 65Kapitel 66Kapitel 67Kapitel 68Kapitel 69Kapitel 70Kapitel 71Kapitel 72Kapitel 73Kapitel 74Kapitel 75Kapitel 76Kapitel 77Kapitel 78Kapitel 79Kapitel 80Kapitel 81Kapitel 82Kapitel 83Kapitel 84Kapitel 85Kapitel 86Kapitel 87Im Gespräch mit ...Danksagung
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für Lisa

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Seit es Menschen gibt, wurden sie von Vampiren gejagt. Sie haben ihr Blut getrunken. Sie haben Menschen als minderwertige Spezies und bloße Nahrungsquelle verachtet. Eine halbe Ewigkeit lang haben die Vampire die Menschheit beherrscht.

 

Doch vor einigen Jahrzehnten wendete sich das Blatt. Durch die explosionsartige Entwicklung von Wissenschaft und Technologie wurden die Karten neu gemischt. Ein Großteil der Vampire musste einsehen, dass es nicht mehr weitergehen konnte wie bisher, dass sie dringend etwas unternehmen mussten, um den Fortbestand ihrer uralten Kultur zu sichern.

 

So kam es im letzten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts zur Gründung der World Vampire Federation (WVF), eines global tätigen Verbands mit der Aufgabe, die Aktivitäten der Vampire weltweit zu koordinieren. Die Zeiten, in denen Vampire hemmungslos Menschen jagen und sie zu ihresgleichen machen konnten, waren durch die Fortschritte auf den Gebieten der Telekommunikation und Überwachungstechnik endgültig vorbei. Zugleich ermöglichten es neue Biotechnologien den Untoten, auch am Tage unter uns zu wandeln. Die strengen Gesetze der WVF wurden geschaffen, um das Treiben der Vampire zu regulieren und so dafür zu sorgen, dass sie weiter unter uns leben konnten – still und heimlich, unbemerkt und ungestört.

 

Für die Einhaltung dieser Gesetze sorgte die Vampire Intelligence Agency (VIA), deren Agenten von ihrem Gründerrat mit allen nur denkbaren Vollmachten ausgestattet waren, um diejenigen aufzuspüren und zu vernichten, die es wagten, gegen die Regeln zu verstoßen.

 

Doch nicht alle Vampire waren bereit, sich den neuen Gesetzen zu beugen …

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Prolog

Im schottischen Hochland

November 1992

Der Wind tobte um das Cottage, Regen ergoss sich vom pechschwarzen Himmel. Die Zweige der Bäume schlugen wütend gegen die Fenster.

Der Strom war ausgefallen, das alte Gemäuer von den Schatten flackernder Kerzen erfüllt. Der zwölfjährige Junge hatte oben auf der knarrenden Treppe den heftigen Streit zwischen seinen Eltern und seinem Großvater mitgehört und sich gewünscht, dass es endlich still werden würde. Er wusste, dass es um ihn ging. Am liebsten wäre er runtergerannt und hätte sie angeschrien. Sie sollten endlich damit aufhören.

Doch dann war plötzlich diese Kreatur erschienen, die wie ein Mensch aussah, aber unmöglich einer gewesen sein konnte.

Sprachlos vor Entsetzen, hatte der Junge durch die Stäbe des Geländers mit ansehen müssen, wie der Eindringling die Tür eintrat und den Flur durchquerte. Der Streit war augenblicklich verstummt, und alle Beteiligten starrten den Fremden entgeistert an. Der Schrei seiner Mutter übertönte selbst das Heulen des Sturms.

Das Wesen zögerte keine Sekunde. Es packte seinen Vater und seine Mutter und hob sie hoch, als wären sie schwerelos. Krachend wurden ihre Schädel gegeneinander geschlagen – ein Geräusch, das der Junge nie mehr vergessen sollte. Dann hatte es die sterbenden Eltern zu Boden fallen lassen und war über sie hinweggestiegen. Mit einem Lächeln auf den Lippen trat das Wesen auf den Großvater zu, als habe es alle Zeit der Welt.

Der alte Mann wich zurück, zitternd vor Angst, und sagte etwas, das der Junge nicht verstehen konnte.

Die Kreatur lachte nur und biss zu. Ihre Zähne senkten sich in den Hals des Alten, und der Junge hörte deutlich das Gurgeln des Blutes, das die Kreatur gierig aussaugte.

Es war genau wie in den Geschichten seines Großvaters. Jenen Geschichten, die der alte Mann ihm, wäre es nach den Eltern gegangen, niemals hätte erzählen dürfen. Der Junge war von dem Anblick zu erschrocken, um zu weinen. Zitternd schloss er die Augen und begann zu beten.

Dann war es vorbei. Als er die Augen wieder öffnete, war die schreckliche Kreatur verschwunden. Der Junge rannte die Treppe hinunter und starrte die zusammengekrümmten Leichen seiner Eltern an, als er plötzlich vom anderen Ende des Zimmers ein leises Stöhnen hörte.

Sein Großvater lag mit weit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken. Der Junge stürzte auf ihn zu, kniete sich neben ihn und betrachtete entsetzt die Wunde an seinem Hals, aus der kein Tropfen Blut mehr floss.

Die Kreatur hatte ihn leer gesaugt.

«Ich sterbe», keuchte der Großvater.

«Nein!», schrie der Junge.

«Ich werde mich verwandeln.» Das Gesicht des alten Mannes war leichenblass, trotzdem packte er die Arme des Jungen so fest, dass es schmerzte. «Du weißt, was du jetzt zu tun hast.»

«Nein, bitte …»

«Du musst es tun», flüsterte der Alte und zeigte mit letzter Kraft auf den Säbel, der über dem Kamin hing. «Und zwar sofort, bevor es zu spät ist.»

Schluchzend taumelte der Junge zum Kamin und hob den Säbel aus der Aufhängung. Er wog schwer in seiner Hand. «Beeil dich», krächzte sein Großvater.

Der Junge aber ließ die Klinge sinken. «Ich kann nicht», schluchzte er. «Bitte, Opa, ich will das nicht.»

Sein Großvater blickte zu ihm auf. «Du musst es tun, Joel. Und wenn es getan ist, dann denk an das, was ich dir gesagt habe.» Seine Lebenskraft schwand so rasch, dass das Sprechen ihm größte Mühe bereitete. «Du musst es finden. Finde das Kreuz. Es ist das Einzige, wovor sie sich wirklich fürchten.»

Das Kreuz von Ardaich. Der Junge erinnerte sich. Tränenüberströmt schloss er die Augen.

Als er sie wieder öffnete, sah er, dass sein Großvater tot war.

Draußen tobte noch immer der Sturm. Der Junge stand über der Leiche und weinte. Doch dann öffneten sich schlagartig die Augen des Großvaters. Der alte Mann setzte sich auf und fletschte knurrend die Zähne.

Einen Augenblick lang stand der Junge wie hypnotisiert da, dann wich er erschrocken zurück. Sein Großvater wollte sich erheben. Aber nein, das war nicht mehr sein Großvater. Der Junge wusste, was aus ihm geworden war.

Das Kerzenlicht funkelte auf der Klinge, als er den Säbel emporriss. Er schlug mit aller Kraft zu, genau so, wie der alte Mann es ihm beigebracht hatte. Und dann spürte er, wie die Klinge sich ihren Weg durch den Hals seines Großvaters bahnte, den Kopf vom Körper trennte.

Als es vollbracht war, taumelte der Junge hinaus in den Sturm und lief durch den strömenden Regen, Kilometer um Kilometer, wie betäubt vor Schock.

Als die Dorfbewohner ihn am nächsten Morgen fanden, brachte er kein Wort heraus.

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Kapitel 1

Achtzehn Jahre später

27. Oktober

Dichte Herbstnebelschwaden zogen über die Themse, als das große Frachtschiff auf den Londoner Hafen zufuhr. Kleinere Wasserfahrzeuge schienen ihm schüchtern auszuweichen. Die Scheinwerfer wie leuchtende Teleskopaugen ins Dunkel gerichtet, bahnte sich das Schiff seinen Weg ins Herz der Stadt.

Als es sich den Docks näherte, dröhnte das Geräusch eines Hubschraubers durch die kalte Abendluft.

Acht Matrosen, Rumänen und Tschechen, warteten bereits am Landeplatz auf dem Vorderdeck. Zu ihren Füßen lagen fünf identische, unbeschriftete, stahlverstärkte Lattenkisten von jeweils gut zwei Metern Länge, die man aus dem Laderaum hochgeschafft hatte. Die meisten Crewmitglieder achteten darauf, den Kisten nicht zu nahe zu kommen. Der starke Abwind von den Rotoren des Helikopters zerrte bei der Landung an den Kleidern und Haaren der Männer.

«Also los, Jungs, schaffen wir diese verdammten Dinger von Bord», schrie der Vorarbeiter, um den Lärm zu übertönen, während sich die Luke des Frachtraums öffnete.

«Was zum Teufel da wohl drin ist», sagte einer der Rumänen, mehr zu sich selbst als zu den anderen.

«Scheiß drauf», antwortete einer der Männer. «Ich bin jedenfalls froh, wenn die Dinger endlich weg sind.»

Jeder einzelne Mann an Bord hatte es gespürt, dieses seltsame Unbehagen, das wie ein Sargtuch über dem Schiff gelegen hatte, seit es in der rumänischen Hafenstadt Konstanza ausgelaufen war. Die Fahrt hatte unter keinem glücklichen Stern gestanden. Fünf Matrosen waren an einer Art Fieber erkrankt, das dem Schiffsarzt Rätsel aufgab. Im Radio war andauernd von einer grassierenden Grippewelle die Rede, die weite Teile Europas fest im Griff habe; vielleicht war das ja die Quelle allen Übels. Einige der Matrosen aber wollten nicht recht daran glauben. Mit Grippe wachte man schließlich nicht mitten in der Nacht auf – schreiend vor Entsetzen.

Die Seeleute hievten sämtliche Kisten in den Hubschrauber und traten schnell wieder aus dem Rotorwind, während die Fracht festgeschnallt wurde. Dann fiel krachend die Luke zu, die Rotoren beschleunigten mit ohrenbetäubendem Donnern, und der Helikopter hob ab. Einige von ihnen blieben noch an Deck und sahen zu, wie die blinkenden Lichter des Helikopters im Nebel über der Skyline der Stadt verschwanden. Einer murmelte ein leises Gebet und bekreuzigte sich anschließend. Er war gläubiger Katholik – was ihn innerhalb der Crew häufig zum Opfer von Frotzeleien machte.

Doch an diesem Tag machte sich niemand über ihn lustig.

Crowmoor Hall

Bei Henley-on-Thames, Grafschaft Oxfordshire

Fünfundsechzig Kilometer weiter trat Seymour Finch aus der Eingangstür des stattlichen Herrenhauses von Crowmoor Hall. Die knorrige Gestalt hob ihren kahlen Schädel und spähte in den nebelverhangenen Himmel. Leblos und kalt funkelte hier und da ein Stern durch das Grau.

Obwohl seine großen Hände zitterten, trat unwillkürlich ein Lächeln auf seinen Mund, während er ungeduldig auf die Ankunft des Helikopters wartete. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr.

Nicht mehr lange. Nicht mehr lange.

Schließlich hörte er das ferne Schlagen sich nähernder Rotorblätter. Er zog ein kleines Funkgerät aus der Jacke und sprach hinein.

«Er kommt. Er ist gleich da.»

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Kapitel 2

Karpaten, Nordrumänien

31. Oktober

Es wurde bereits dunkel, als Alex Bishop das baufällige alte Haus auf der anderen Seite der Lichtung erblickte. Sie hoffte nur, dass ihr Informant recht gehabt hatte und sie hier richtig war. Leben standen auf dem Spiel.

Schnell überprüfte sie die Ausrüstung, die sie am Gürtel trug, und löste den Riemen am Holster. Dann stieg sie vorsichtig über die morschen Stufen der Eingangsterrasse. Die Haustür schwang knarrend auf, und ein modriger Geruch schlug ihr entgegen.

Alex schlüpfte hinein und drückte die Tür, so leise wie es ging, hinter sich zu. Das rotorangene Leuchten der untergehenden Sonne war bereits ganz schwach geworden. Gleich würde völlige Finsternis über die von Spinnweben verhangenen Fensterscheiben hereinbrechen. Plötzlich vernahmen ihre empfindlichen Ohren ein dumpfes Geräusch. Kam es von irgendwo unter ihren Füßen? Sie erstarrte. Da unten bewegte sich etwas. Sie folgte dem Geräusch durch den Hausflur, ging auf eine Tür zu. Eine aufgescheuchte Ratte flüchtete sich in die immer undurchdringlicher werdende Dunkelheit.

Hinter der Tür ertönte ein gedämpfter Schrei, dann noch einer. Verzweifelt klangen diese Laute, schrill und voller Angst.

Jemand war schon vor ihr gekommen.

Sie stieß die Tür mit dem Fuß auf und fand sich am oberen Ende einer steinernen Treppe wieder, die in den Keller hinabführte. Sie war nicht allein.

Mit einem Blick erfasste sie, was sich dort unten abspielte: Ein junger Mann um die zwanzig lag am Boden in einer immer größer werdenden Blutlache. Auf seiner Brust kniete die Kreatur, die ihn zur Strecke gebracht hatte. Die beiden anderen Männer waren noch auf den Beinen. Der eine klammerte seine Hände fest um ein hölzernes Kreuz, der zweite war mit einem schweren Hammer und einem Holzpflock bewaffnet. Beide wichen panisch zurück, als das Wesen sich vom Leichnam ihres Freundes löste und einen Schritt auf sie zutrat. Es sah aus wie ein gewöhnlicher Mann, doch als es den Mund öffnete, waren da plötzlich Reißzähne wie bei einem Raubtier.

Mit einem lauten Schrei schnellte der junge Mann mit dem Kreuz nach vorne – und hielt es dem Vampir direkt vors Gesicht. Das war zwar tapfer, aber leider völlig vergebens. Er hatte offenbar erwartet, dass der Blutsauger die Hände vors Gesicht schlagen und zischend zurückweichen würde, aber so etwas gab es nur im Kino.

Der Vampir zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Stattdessen stieß er seinen Angreifer brutal zu Boden, warf sich über ihn und grub die Zähne in seinen Hals. Nur ein paar Sekunden, dann ließ er von dem zuckenden Körper ab. Aus der aufgerissenen Kehle spritzte Blut.

Dem Letzten der drei war jeder Fluchtweg versperrt. Der Vampir wandte sich ihm zu und drängte ihn in die Ecke des Kellers. Der Unglückliche hatte Hammer und Pfahl längst fallen gelassen und bettelte nun, an die kalte Wand gedrückt, um sein Leben. Der Vampir ging weiter auf ihn zu.

Erst als er bemerkte, dass Alex hinter ihm seelenruhig die Treppe herunterstieg, verharrte er und drehte sich schließlich um. Als er sie erkannte, riss er ungläubig den blutverschmierten Mund auf.

«Überrascht?», fragte sie und zog die Desert Eagle aus dem Holster.

Der Vampir fletschte wütend die Zähne. «Sieh an, der Abschaum von der Federation. Deine Zeit ist abgelaufen.»

«Nicht vor deiner», erwiderte sie und drückte ab.

Die großkalibrige Pistole erzeugte einen heftigen Rückstoß in Alex’ starker Hand.

Der Vampir schrie auf – nicht, weil die Kugel ein faustgroßes Loch in seine Brust gerissen hatte, sondern weil er sofort die verheerende Wirkung des Nosferols spürte. Das für Vampire tödliche Gift war von den Chemikern der Federation entwickelt und an ausgewählte Agenten wie Alex Bishop verteilt worden.

Der Vampir sank auf den Kellerboden und wand sich im Todeskampf. Entsetzt starrte er auf seine Hände, als die Blutgefäße aus seiner Haut hervortraten. Sein Gesicht schwoll auf groteske Weise an, die Augen quollen aus den Höhlen. Dann spuckte er Blut, und seine grässlich aufgeblähten Adern platzten und färbten den Boden und die steinerne Wand hinter ihm dunkelrot. Alex drehte sich weg, um nicht zu viel abzubekommen. Der Vampir zuckte noch kurz, während sein Körper aussah, als wäre sein Innerstes nach außen gestülpt worden. Dann hörte das Blut auf zu spritzen, und er blieb reglos liegen.

Alex steckte die Pistole zurück ins Holster, ging zu dem jungen Mann in der Ecke, packte ihn am Arm und half ihm wieder auf die Beine.

Er starrte sie an. «Wie haben Sie …»

Sie sah den feuchten Fleck in seinem Schritt. Erbärmlich. Diese Amateure hatten einfach keine Ahnung, worauf sie sich einließen.

«Nur ein Vampir kann einen Vampir wirklich vernichten», sagte sie, während sie den Reißverschluss des Beutels an ihrem Gürtel öffnete. Noch bevor er etwas erwidern konnte, hatte sie bereits die Spritze mit Vambloc herausgeholt und ihm in die Vene unter seinem Ohr gejagt. Er verlor augenblicklich das Bewusstsein. Wenn er wieder aufwachte, würde das Geschehene vollständig aus seinem Gedächtnis gelöscht sein.

Alex steckte die Vambloc-Spritze wieder ein und holte eine andere hervor: gefüllt mit Nosferol. Sie ließ den jungen Mann liegen, wo er war, und ging zu seinen beiden toten Freunden. Sie injizierte ihnen je zehn Milliliter der farblosen Flüssigkeit – das übliche Vorgehen, um sicherzustellen, dass die beiden tot blieben. Dann steckte sie sorgfältig die Kappe zurück auf die Nadel und verstaute die Spritze wieder in dem Beutel.

Zwei Minuten später verließ sie das Haus mit dem bewusstlosen jungen Mann über der Schulter. Im Gehen warf sie eine Mikro-Brandbombe hinter sich durch die Tür. Das flammende Inferno, das daraufhin ausbrach, tauchte den finsteren Wald um das Haus in flackerndes orangerotes Licht. Die Spuren eines weiteren Arbeitstages waren verwischt.

«Ruht in Frieden», murmelte sie. Dann holte sie ihr Telefon heraus und gab Rumbles Nummer in der Londoner Zentrale ein.

«Sie hatten recht, Harry. Es hat begonnen.»

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Kapitel 3

Das ländliche Oxfordshire, acht Kilometer von Henley-on-Thames

Dieselbe Nacht, 0.05 Uhr

Stell dich nicht so an, Kate!», rief Dec. Doch sie war bereits aus dem Wagen gesprungen und stapfte nun über das hohe Gras auf die Straße zu.

«Verpiss dich», rief sie über die Schulter zurück. Dec schlug aufs Lenkrad und fluchte lauthals.

Kate kochte vor Wut und ging unbeirrt weiter. Um keinen Preis wollte sie wieder in den Wagen zurück. Notfalls war sie auch bereit, den ganzen Weg nach Wallingford zu Fuß zu gehen.

Sie war verdammt wütend auf Dec Maddon, aber, wenn sie ehrlich war, noch mehr auf sich selbst, weil sie seine Einladung zu der Spazierfahrt angenommen hatte. Sie mochte den Nachbarsjungen. Wirklich. Aber als er plötzlich diese kleinen weißen Pillen hervorholte und ihr eine anbot, da hatte sie es mit der Angst zu tun bekommen. Angst, in Schwierigkeiten zu geraten. Angst, er könnte sie in einen Zustand versetzen, in dem sie mit ihm Sex haben würde.

Und Angst davor nachzugeben. Er war ein paar Monate älter als sie, fast achtzehn. Er sah besser aus als alle Jungs in der Schule und fuhr einen tollen Wagen. Und er war aufregend und wild – vielleicht ein bisschen zu wild. Denn mit Drogen wollte Kate auf keinen Fall etwas zu tun haben.

Sie ging so schnell, wie ihre hochhackigen Schuhe es zuließen. Mittlerweile war ihr kalt. Sie spürte den feuchten Nebel auf ihrer Haut. Es war keine gute Idee gewesen, nur das dünne Baumwolltop anzuziehen.

Wenig später sah sie, wie sich von hinten die Scheinwerfer eines Autos näherten. Sie drehte sich um und hielt den Daumen heraus. Der Wagen antwortete mit einem Hupen und fuhr vorbei. «Wichser!», fluchte sie den entschwindenden Rücklichtern hinterher. Sie ging weiter. Die dunkle, leere Straße war unheimlich, doch das machte ihr nichts aus. Halloween hin oder her – sie war schließlich kein Kind mehr. Die Kälte bereitete ihr da schon mehr Sorgen.

Ein Stück weiter sah sie noch ein Auto kommen. Sie wollte erneut den Daumen herausstrecken, als der Wagen ganz von selbst blinkte und anhielt. Sie lief hinüber. Große rechteckige Scheinwerfer, das herrliche Schnurren eines sehr teuren Wagens. Es war kaum zu glauben, ein echter Rolls-Royce. Das Fenster auf der Fahrerseite fuhr herunter. Kate blickte hinein und sagte freundlich: «Danke fürs Anhalten.»

 

Dec Maddon saß da, murmelte wütend vor sich hin und schlug sich mit der Handfläche gegen die Stirn. Was war er doch für ein Idiot. Sein Vater würde ihn umbringen, wenn er davon erfuhr. Er hatte nie zuvor Ecstasy angefasst. Er hatte bloß gedacht, es könnte cool sein, es zusammen mit Kate auszuprobieren. Aber das würde ihm natürlich kein Schwein glauben. Er steckte bis zum Hals in der Scheiße. Kate würde wahrscheinlich kein Wort mehr mit ihm reden, und ihre eingebildete Kuh von einer Mutter würde wieder mal ihren großen Auftritt haben.

Er war seit dem Tag in Kate Hawthorne verknallt, an dem seine Eltern das Haus neben dem ihrer Eltern gekauft hatten. Kate hatte leuchtend blaue Augen, wogende rote Locken, und wenn sie ihn anlächelte, war er jedes Mal aufs Neue überwältigt. Bislang war er sich ziemlich sicher gewesen, dass er ihre Signale richtig gedeutet hatte und sie ihn ebenfalls sympathisch fand. Jetzt aber hatte er alles gründlich vermasselt.

Ein paar Minuten lang machte er sich selbst heftige Vorwürfe, dann beschloss er, ihr zu folgen. Er wollte ihr alles erklären. Sie würde es schon verstehen. Zumindest hoffte er das.

Dec ließ den Wagen an, rumpelte über den Grasstreifen auf die Landstraße und fuhr nach rechts in Richtung zu Hause. Obwohl vor seinen Scheinwerfern Nebel waberte, hoffte er, sie schnell zu finden.

Das tat er auch, allerdings war sie nicht allein. Sie stieg gerade in einen schwarzen Rolls-Royce ein, der mit laufendem Motor am Straßenrand stand. Die Tür schloss sich hinter ihr, und der große Wagen fuhr los.

Dec folgte ihm ein paar Kilometer weit, während der Nebel immer dichter wurde. Er konzentrierte sich so sehr darauf, an dem Rolls dranzubleiben, dass er allmählich die Orientierung verlor, zumal sie sich nun auf kleinen, kurvigen Wegen weitab seiner üblichen Strecken bewegten. Nach einer Weile blinkte der Rolls links und fuhr durch ein hohes Tor. Hinter ihm schlossen sich automatisch die Torflügel, und Dec blieb zurück.

Er stellte den Wagen am Straßenrand ab. Es war verdammt kalt geworden. Sein Atem bildete kleine weiße Wölkchen vor seinem Mund, als er zum Tor ging und die Hand über die kalten schmiedeeisernen Gitterstäbe gleiten ließ. Sein Blick wanderte nach oben.

Zwei riesige Vögel spähten aus den Nebelschwaden auf ihn herab. Er starrte hoch zu ihren gekrümmten Schnäbeln und großen Flügeln, zuckte zusammen und erkannte erst mit Verzögerung, dass es sich um Statuen handelte, die auf die Torpfosten montiert waren. Und dennoch erzeugte die Art, wie ihre Augen sich in ihn zu bohren schienen, ein merkwürdiges Unbehagen. Dec wandte den Blick von ihnen ab und entdeckte ein mattiertes bronzenes Schild auf der Mauer. Um es lesen zu können, musste er erst einen Teil des Mooses abreißen, das sich über die Mauersteine ausgebreitet hatte.

CROWMOOR HALL.

Was war das für ein Ort? Ein altes Herrenhaus, in dem jetzt irgendein Neureicher wohnte? Was hatte Kate hier verloren?

Sieh den Tatsachen ins Auge, Dec. Du bist einfach nicht ihr Niveau. Sie ist die Tochter eines Rechtsanwalts, und du bist nur ein kleiner Autoschrauber wie dein Dad.

Er wollte schon wieder zum Auto zurück, als ihn plötzlich das starke Bedürfnis überwältigte, Kate die Meinung zu sagen. Er konnte nicht zulassen, dass es so endete.

Er zog sich an der hohen Mauer hinauf.

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Kapitel 4

Jericho, North Oxford

Joel Solomon fuhr hoch und rang keuchend nach Luft. Einen Augenblick lang hatte das nächtliche Entsetzen ihn noch im Griff, dann merkte er, wo er sich befand. Er war im Hier und Jetzt, zu Hause in seiner Erdgeschosswohnung in der ruhigen Straße am Stadtrand. Er lag im Bett. Alles war in Ordnung.

Die Leuchtziffern seines Weckers verrieten ihm, dass es 0.34 Uhr war. Er rieb sich das Gesicht und blinzelte die Überreste seines Albtraums weg. Als sein Herz endlich aufhörte, wie wild zu pochen, legte er den Kopf zurück aufs Kissen und schloss die Augen.

Aber er konnte nicht wieder einschlafen, nicht nach diesem Traum.

Ich werde mich verwandeln, klang ihm die Stimme seines Großvaters im Ohr.

Er hatte diese Erinnerungen nie wieder durchleben wollen. Im Alter von fünfzehn – nach drei Jahren Psychotherapie und Hypnose – hatte er geglaubt, sie für immer los zu sein. Und nun war sein Albtraum zurückgekehrt. Wie aus dem Nichts. Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage.

Joels Finger ballten sich unter der Bettdecke zu Fäusten. Die Jahre hatten den Bildern und ihrer entsetzlichen Lebendigkeit nichts anhaben können. Noch immer sah er ganz deutlich vor sich, wie die Klinge des Säbels seitwärts nach unten fuhr, und noch immer spürte er dieses furchtbare Knirschen, mit dem der scharfe Stahl Knorpel und Knochen durchtrennte.

Er atmete tief durch. Es ist nicht wirklich geschehen, redete er sich ein. Du hast es dir nur eingebildet. Du warst in einem Schockzustand. Das Gehirn spielt einem manchmal seltsame Streiche; da stellt man sich alles Mögliche vor.

Genau das zu glauben hatten die Ärzte ihm eingeredet – dass es gar keine Ungeheuer gab, die im Dunkeln auf ihn lauerten. Dass das einzig Böse in dieser Welt vom Menschen ausging. Wie etwa von dem psychopathischen Mörder, der in jener Nacht in das abgelegene Landhaus eingefallen war und diese schrecklichen Dinge getan hatte. Und dass Joel den Säbel überhaupt nur einmal berührt habe – als der alte Mann ihn damit hatte spielen lassen.

Dass der Rest nur die Schutzphantasie eines schwer traumatisierten Kindes war.

Auch wenn es lange gedauert hatte, war es ihm am Ende doch gelungen, den Worten von Logik und Vernunft zu trauen. Er hatte begonnen, den Männern und Frauen in den weißen Kitteln zu glauben. Hatte die Worte, die sie ihm wieder und wieder eingetrichtert hatten, übernommen wie ein Mantra.

In diesem Augenblick aber war er sich nicht mehr so sicher. Er schwang die Beine aus dem Bett und betrachtete durch das Fenster den Nebel unter den Straßenlaternen. Er würde ohnehin nicht mehr genug Schlaf bekommen, da er am Morgen früh rausmusste. Und er wusste, was er zu tun hatte, um den Kopf freizubekommen.

Er ging ins Bad, duschte, zog seine lederne Motorradkluft an und verließ die Wohnung. Draußen auf der nebligen Straße schwang er sich auf seine Suzuki Hayabusa und fuhr los.

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Kapitel 5

Wo bin ich hier bloß gelandet?, fragte sich Dec, während er über das herrschaftliche Anwesen schlich und die Türme und Türmchen von Crowmoor Hall in dem Nebel über ihm aufragten. Die Wagen, die hier parkten, waren ausnahmslos Aston Martins, Bentleys und Rolls-Royces. Er näherte sich den hellerleuchteten Fenstern, aus denen Musik drang, und spähte hinein.

Die Fenster gehörten zu einem großen, glitzernden Ballsaal. Einige Hundert Menschen schienen dort zu feiern, zu tanzen und zu trinken. Die Frauen trugen allesamt Abendkleider, die Männer Smokings und seltsame schwarze Umhänge. Jedes Gesicht im Raum war hinter einer Maske verborgen.

Dec drückte sich an der Außenwand entlang und spähte um die Ecke. Der Haupteingang war nur über eine Treppe zu erreichen, und die Tür stand offen. Er ging hinein – gerade noch rechtzeitig, um nicht von einem alten Kerl in Butler-Uniform entdeckt zu werden – und lief in einen Korridor. Hinter einer offenen Tür lag die größte Toilette, die er je gesehen hatte. Auf einem Stuhl neben der Tür hatte jemand einen Umhang und eine schwarze Maske abgelegt, die Dec sich kurz entschlossen schnappte.

Mit dem Umhang über den Schultern und der Maske vor dem Gesicht, betrat er den Ballsaal und suchte in der Menge nach Kate. Er fühlte sich vollkommen fehl am Platz und konnte nur hoffen, dass sein Auftritt nicht allzu unsicher wirkte. Ein Streichquartett spielte, und tanzende Paare wirbelten über das glänzende Parkett. Kellner bahnten sich mit silbernen Tabletts voller Champagnergläser ihren Weg durch die Menge.

Dann erhaschte Dec durch eine Lücke zwischen den Tänzern einen Blick auf Kates unverkennbares rotes Haar. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, aber sie war es, definitiv. Sie ging gerade mit einem Mann zu einem Ausgang am hinteren Ende des Saals, der durch einen Vorhang abgetrennt war. Seine Hand lag auf ihrem Rücken, so als führte er sie mit sanfter Gewalt. Dec fragte sich, ob das der Typ aus dem Rolls war. Reich genug sah er jedenfalls aus – teurer Anzug, schicke Frisur. Dec konnte sein Gesicht nicht sehen, aber irgendwie kam der Kerl ihm bekannt vor. Nicht, dass er irgendetwas Auffälliges an sich gehabt hätte; er war weder besonders dick noch übermäßig hager, weder klein noch groß. Trotzdem war Dec sich sicher, ihn von irgendwoher zu kennen. Er glaubte, eine gewisse Verunsicherung im Gang des Mannes zu bemerken, während er Kate durch den Raum geleitete.

Plötzlich sah Dec, dass Kate und der Mann Teil einer größeren Gruppe von Leuten waren, die alle in dieselbe Richtung strebten. Es waren sechs Personen, drei Männer und drei Frauen, Kate eingeschlossen. Ihm fiel sofort auf, wie attraktiv die zwei anderen Frauen waren; beide trugen ziemlich freizügige Kleider und hochhackige Schuhe. Die Blonde wirkte, als wäre sie direkt einem Hochglanzmagazin entsprungen, und auch die andere war mit ihrem wilden rabenschwarzen Haar trotz ihrer Maske einfach umwerfend. Ihr aufreizendes purpurrotes Kleid betonte ihre schlanke Silhouette, und goldene Armbänder zierten ihre honigfarbene Haut. Sie und der Rolls-Royce-Typ schienen sich zu kennen. Als sie ihn anlächelte, schien er ein wenig vor ihr zurückzuzucken, als wolle er sich vor ihr in Acht nehmen, woraufhin sie mit einem verführerischen Kichern antwortete.

Die beiden anderen Männer in der Gruppe zogen ebenfalls Decs Blicke auf sich – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Der eine war ein regelrechter Baum von einem Mann; er war dunkelhäutig, stämmig und fast zwei Meter groß. Seine Muskeln erweckten den Eindruck, als würden sie seinen Smoking sprengen, wenn er sich auch nur ein kleines bisschen zu schnell bewegte. Der Kopf des anderen reichte ihm kaum bis zur Brust. Der Kleinere wirkte drahtig und erinnerte mit seinen Augen, die hinter der schwarzen Maske unablässig hin und her schossen, an ein Frettchen.

Dec beobachtete, wie sie alle durch den Vorhang verschwanden. Keiner der anderen im Raum schien auch nur Notiz davon zu nehmen, als sie den Ballsaal verließen. Dec bahnte sich seinen Weg durch die Menge zur Tür und schlüpfte so unauffällig wie möglich durch den Vorhang, um der seltsamen Gruppe in sicherem Abstand durch die Korridore zu folgen. Immer wieder erhaschte er einen Blick auf Kate. Was war nur mit ihr los? Sie schien irgendwie merkwürdig zu gehen, beinahe wie in einer Art Trance.

Die sechs durchschritten eine weitere Tür. Dec wartete einen Augenblick, bevor er zur Tür schlich und sie einen Spalt breit öffnete. Dahinter führte eine steinerne Treppe hinab in die Dunkelheit. Dec schluckte schwer und folgte ihnen, immer darauf bedacht, außer Sichtweite zu bleiben.

Erst hörte Dec noch, wie die Schritte der anderen zu ihm heraufhallten, dann wurde es plötzlich still. Er ging schneller hinunter und erreichte einen Raum, von dem aus in verschiedenen Richtungen weitere Treppen abgingen. Wo waren die anderen hin?

Er setzte seinen Weg durch das Labyrinth fort. Es war finster dort unten, und er verlor zunehmend die Orientierung. Er stieß gegen grobgezimmertes Holz und ertastete einen kalten eisernen Ring. Als er ihn drehte, öffnete sich knarrend eine Tür.

Dec stand in einer Art Gruft, die sich unter dem gesamten Herrenhaus entlangzuziehen schien und nur spärlich von Fackeln erhellt war. Das Feuer warf flackernde Schatten über den Steinboden und den Wald aus Säulen, der die Gewölbedecke trug.

Auf einmal hörte er Stimmen, drehte sich um – und sah die Gruppe, der er gefolgt war. Sie hatten sich rund vierzig Meter von ihm entfernt in einem Kreis aufgestellt, umgeben von brennenden Kerzenleuchtern. Kate war nicht mehr unter ihnen, dafür aber ein weiterer Mann, der in seinem Smoking einen ausgesprochen eleganten und stattlichen Eindruck machte. Er trug keine Maske, sodass Dec im Kerzenlicht seine feingeschnittenen Gesichtszüge sehen konnte. Sie wirkten wie in Stein gemeißelt. Er schien eine Autoritätsperson zu sein, denn selbst aus dieser Entfernung war deutlich zu erkennen, dass alle anderen sich ihm unterwarfen – vor allem der Rolls-Royce-Typ, der jetzt noch nervöser wirkte als zuvor und einen Schweißfilm auf der Stirn hatte. Er schien kurz davor, in Panik auszubrechen. Erst als der vermeintliche Anführer ihm eine Hand auf die Schulter legte und etwas Unverständliches zu ihm sagte, beruhigte er sich etwas.

Dann öffnete sich mit einem lauten, widerhallenden Krachen genau über den Köpfen der Gruppe eine Falltür, durch die etwas herabgelassen wurde. Dec biss sich auf die Lippen, als er erkannte, dass es sich nicht um einen Gegenstand, sondern um ein Mädchen handelte. Ein nacktes Mädchen. In eisernen Fußfesseln, die man ihr um die Knöchel gelegt hatte, hing sie kopfüber an einer Kette. Voller Entsetzen versuchte sie, gegen ihr Schicksal anzukämpfen, während ein Knebel ihre Schreie dämpfte.

Dec schlich sich näher heran und drückte sich an eine Säule. Er wagte kaum hinzuschauen. Sein Mund war trocken, sein Herz raste. Nun konnte er das Mädchen deutlicher sehen. Sie hatte kurzes braunes Haar und ein auffälliges Spinnennetz-Tattoo im Nacken.

Dec spürte förmlich, wie die Erregung innerhalb der Gruppe wuchs, während das Mädchen schluchzend und wehrlos über ihren Köpfen schwebte. Nur der Rolls-Royce-Typ wirkte verstört. Er versuchte zurückzuweichen, doch die beiden Frauen hielten ihn sanft an den Armen fest, lächelten und überhäuften ihn mit Küssen.

Die schwarzhaarige Schönheit trug etwas an ihrem Gürtel, der tief über ihrer Hüfte hing. Es war ein Schwert in einer Scheide. Dec vernahm das leise, aber unverkennbare Geräusch von Metall, das über Metall gleitet, als sie es herauszog und die lange Klinge im Licht der Fackeln glänzte.

Der Anführer nickte ihr zu.

Zu Decs Entsetzen holte die Frau mit dem Schwert aus und durchtrennte die Kehle des herabhängenden Mädchens. Ein Schwall von Blut ergoss sich über die Gruppe. Mit nach oben gewandten Gesichtern und ekstatischen Blicken genossen sie sichtlich, wie das Blut auf sie niederspritzte und ihnen über die Lippen lief. Stöhnend verschmierten die Frauen es über ihre Gesichter, ihre nackten Schultern und Brüste. Der Anführer blieb etwas im Hintergrund und sah ungerührt zu, wie der riesige Schwarze und der kleine, verschlagen wirkende Typ gierig begannen, ihnen das Blut von der Haut zu lecken.

Der Rolls-Royce-Typ zitterte, auch wenn Dec nicht klar war, ob vor Erregung oder Entsetzen. Die Schwarzhaarige schob ihr Schwert wieder in die Scheide zurück und strahlte ihn mit ihrem rot glänzenden Mund an. Sie griff nach ihm, verschränkte ihre blutigen Finger hinter seinem Kopf und zog sein Gesicht zu sich heran. Sie drückte es an ihren Busen wie eine Mutter, die einem Säugling die Brust geben will, und warf erregt den Kopf in den Nacken. Als sie ihn wieder losließ, war das Gesicht des Mannes blutverschmiert, und er taumelte einen Schritt zurück. Er sah aus, als würde er jeden Augenblick zusammenbrechen.

Noch immer stand der Anführer abseits und leckte sich ruhig die Lippen, während die letzten Tropfen Blut von dem sterbenden Mädchen herabregneten. Sie stieß noch einen gurgelnden Laut aus, bevor ihr Körper an der Kette erschlaffte.

Dec war kaum in der Lage, seine Gedanken zu ordnen, bis es ihn wie ein Hammerschlag traf.

Wo war Kate?

Eine zweite Falltür öffnete sich, und dann sah er sie. Nackt und angekettet, genau wie das andere Mädchen. Ihr blasser Körper strahlte im Feuerschein, ihre vollen, glänzenden Locken hingen herab.

Die Schwarzhaarige wischte sich das Blut vom Mund, und ein leuchtend roter Streifen zog sich über ihr Gesicht. Wilde Grausamkeit blitzte in ihren Augen auf, als sie ein zweites Mal ihr Schwert zückte und sich auf den Hieb vorbereitete wie eine schöne, aber tödliche Kobra auf ihren nächsten Biss, während die Blonde voller Vorfreude mit leicht geöffnetem Mund zuschaute.

Dec wollte schreien, doch seine Kehle war vor Entsetzen wie zugeschnürt. Kurz bevor die Klinge Kate den Hals aufgeschlitzt hätte, hob der Anführer die Hand.

«Halt, Lillith. Anastasia, zurück mit dir! Diese hier will ich für mich allein.» Seine Stimme hallte in der Gruft wider. Die Frau namens Lillith senkte die Waffe und blickte ihn überrascht an, während die Blonde augenblicklich gehorchte.

«Das ist nicht fair, Bruder», sagte Lillith neckisch.

«Lass sie los.»

Lillith bleckte die Zähne.

Dec starrte entsetzt auf den Mund der Frau, in dem plötzlich Reißzähne saßen, die zuvor noch nicht da gewesen waren; lang, gebogen und spitz hoben sie sich in strahlendem Weiß von ihren blutigen Lippen ab.

Der Anführer trat entschlossen einen Schritt auf Lillith zu und schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht. Sie schrie auf vor Wut und Schmerz, dann ging sie zu Boden. Er streckte ihr warnend den Zeigefinger entgegen, bevor er sich Kate zuwandte, um ihr über die Haut zu streichen.

«Sie gehört mir», sagte er.

Dec hatte genug gesehen. Er musste hier raus. Die Polizei rufen oder sonst wen. Hilfe holen. Er wandte sich ab, fast ohne zu atmen, und versuchte verzweifelt, seinen rasenden Puls unter Kontrolle zu bekommen, während er auf Zehenspitzen so schnell wie möglich seinen Rückweg durch die Gruft antrat.

Als er die Treppe erreicht hatte, begann er wie ein Wahnsinniger zu rennen und schluckte den galligen Geschmack hinunter, der ihm die Kehle hochstieg.

Ein paar schreckliche Minuten lang lief er orientierungslos durch das riesige Haus, durch vornehme Korridore. Schließlich riss er eine Tür auf und fand sich in einer Bibliothek wieder, deren bis zum Boden reichende Fenster in die Dunkelheit starrten. Er rannte hinüber, doch sie waren verschlossen. Irgendwie musste er ins Freie gelangen. Als er sich voller Panik umsah, fiel ihm auf einem Schreibtisch ein großer Briefbeschwerer aus Quarz ins Auge. Er packte ihn und schleuderte ihn gegen eines der Fenster. Das Glas zersplitterte mit lautem Klirren, er zwängte sich durch das gezackte Loch und taumelte in die Nacht hinaus.

Dec blickte nicht zum Haus zurück, sondern sprintete zur Mauer, kletterte hinüber und rannte zu seinem Wagen. Seine Hände zitterten so sehr, dass er nur mit größter Mühe den Schlüssel ins Zündschloss bekam, doch dann sprang der Motor an, und er fuhr los.

Während er davonraste, riss er sein Handy aus der Tasche und wählte den Notruf.

Verdammt! Der Akku war leer. Er schleuderte das Handy weg und fuhr noch schneller durch die neblige Nacht. Irgendwo musste es doch ein öffentliches Telefon geben, dachte er, doch außer Landschaft sah er nichts. Er drückte noch fester aufs Gaspedal und ließ den Fuß volle fünf Minuten lang in dieser Stellung. War denn da gar nichts? Wo befand er sich eigentlich?

Nach vielen Kilometern sah er durch die Bäume ein Licht. Ein Haus, vielleicht eine Dorfwirtschaft.

Dec starrte eine halbe Sekunde zu lange auf das Licht. Als er den Blick wieder auf die Straße richtete, war es bereits zu spät. Die enge Kurve kam schneller auf ihn zu, als er reagieren konnte. Der Wagen neigte sich nach außen, flog von der Straße und krachte gegen einen Baum, und dann traf ihn der explodierende Airbag im Gesicht.

 

Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, bevor er wieder zu sich kam. Er versuchte, sich zu bewegen, und schrie auf, als ihm ein fürchterlicher Schmerz durchs linke Handgelenk schoss. In seinem Kopf drehte sich alles, und ihm war übel. Er spürte, wie ihm schwarz vor Augen wurde.

Nein. Nein. Ich muss Hilfe holen. Kate helfen. Ich muss …

Das war das Letzte, woran er dachte, bevor er bei blinkendem Blaulicht aufwachte und sah, dass zwei Polizisten auf ihn herabschauten.

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Kapitel 6

VIA-Zentrale im Londoner Zentrum

Am nächsten Morgen, 6.28 Uhr

Alex durchschritt energisch die Türen aus Glas und Stahl und durchquerte die großzügige Eingangshalle von Schuessler & Schuessler Ltd. bis zur Rezeption. Sie war gerade erst mit dem Flieger aus Bukarest gekommen und trug Jeans und einen Rollkragenpulli unter einem langen dunkelgrauen Kaschmirmantel. Die Absätze ihrer kniehohen Stiefel von Giuseppe klickerten über die glänzenden Fliesen.

Albert, der sanftmütige alte Nachtwächter, stand kurz vor dem Ende seiner Schicht, und sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln, als sie sich anmeldete.

«Sie sind ja früh dran heute Morgen, Miss Bishop», sagte er.

«Na ja, Sie kennen mich ja, Albert.»

«Unterwegs gewesen?»

«Ja, ich hatte im Ausland zu tun.»

«Immer beschäftigt, was?»

Sie grinste. «Immer.»

Dann durchquerte sie den vornehmen Empfangsbereich mit seinen Ledersesseln und dem plätschernden Brunnen, stieg in den Aufzug und fuhr nach ganz oben.

Schuessler & Schuessler, eine große Anwaltskanzlei, belegte die unteren drei Stockwerke des Gebäudes. Die Juristen hatten jedoch keine Ahnung, was sich wirklich hinter den Türen der Firma abspielte, die in den oberen beiden Stockwerken untergebracht war.

Der Aufzug öffnete sich vor einem kleinen, schmucklosen Flur, und Alex ging zur einzigen Tür, auf der in goldenen Lettern «KEILLER VYSE INVESTMENTS» geschrieben stand. Sie nahm eine Magnetstreifenkarte aus ihrer Handtasche, zog sie durch den Schlitz und hörte das Klicken der sich öffnenden Tür. Dahinter erstreckte sich ein langer, fensterloser Korridor, dessen Fußboden und Wände mit glänzend weißen Kacheln ausgekleidet waren. Sie durchschritt eine weitere Tür am hinteren Ende des Flurs und betrat einen zweiten Empfangsbereich.

Hinter einem Schreibtisch saß eine streng aussehende Frau in einem dunklen Kostüm, deren Haar zu einem Knoten zusammengebunden war. Alex wusste, dass sie unter dem Schreibtisch eine Pistole hatte, deren Patronen mit Nosferol präpariert waren, und dass diese Waffe direkt auf sie gerichtet war, während sie zum Fingerabdruck- und Netzhaut-Scanner ging und sich am Spracherkennungssystem auswies. Stählerne Türen öffneten sich zischend, und Alex betrat einen quadratischen Vorraum. In der Mitte des auf Hochglanz polierten Granitfußbodens war ein großes kreisförmiges Emblem mit den Insignien der VIA eingelegt.

Alex befand sich im Nervenzentrum einer der verschwiegensten Organisationen der Welt, die unter der Aufsicht eines weltweit tätigen Verbands operierte, von dessen Existenz nur ein paar wenige Auserwählte wussten.

Alex nickte den Leuten, die sie kannte, grüßend zu, während sie das luftige Großraumbüro durchschritt, in dem Angestellte der VIA telefonierten, auf Computertastaturen herumtippten oder auf den riesigen Bildschirmen, mit deren Hilfe die weltweiten Aktivitäten der Organisation überwacht wurden, die neuesten Entwicklungen wachsam verfolgten.

Am hintersten Ende des obersten Stocks lag Rumbles privates Büro. Ohne zu klopfen, trat sie ein.

Harry Rumble war schlank und von mittlerer Statur, und sein Haar nahm um die Schläfen bereits einen elegant wirkenden Grauton an. In seinem dunkelgrauen Nadelstreifenanzug hätte man ihn ohne weiteres für einen Geschäftsmann halten können. Dabei war er der Leiter des Londoner Büros der Vampire Intelligence Agency, des für die Sicherheit zuständigen Flügels der Federation, gegründet mit dem Ziel, die mindestens hunderttausend über die ganze Welt verstreuten Mitglieder des Verbands zu überwachen.

Die Federation stand für den Übergang des Vampirismus in die Moderne, und die Rolle der VIA innerhalb dieses globalen Imperiums bestand darin, unter dem wachsamen Auge des Herrschenden Rats die Aufnahme neuer Mitglieder zu kontrollieren und die Einhaltung der drei Gesetze durchzusetzen, die in die kristallene Tafel über Harrys Schreibtisch eingraviert waren.

1. Ein Vampir darf keinem Menschen etwas zuleide tun.

 

2. Ein Vampir darf keine Menschen in Vampire verwandeln.

 

3. Ein Vampir darf niemals einen Menschen lieben.

Diesen Gesetzen Geltung zu verschaffen, gehörte zu Alex’ Aufgabenbereich, wie viele abtrünnige Vampire am eigenen Leib hatten erfahren müssen. Wann immer jemand aus der Reihe tanzte, wurde sie aktiv.

Rumble schaute über seine halbmondförmigen Brillengläser zu ihr hoch, als sie hereinkam. Sie wusste, dass er gar keine Brille brauchte und sie nur trug, weil er glaubte, damit irgendwie intellektueller auszusehen. Vampire haben ein Sehvermögen wie Katzen. Auf der anderen Seite von Rumbles Schreibtisch stand Xavier Garrett, sein Assistent. Er war groß und wirkte mit seiner hohen Stirn und dem geölten schwarzen Haar ein wenig wie ein Geier. Er trug denselben dunklen, zerknitterten Anzug wie immer. Er musterte Alex kurz von Kopf bis Fuß und verzog einen Mundwinkel; näher kam er einem Lächeln nie.

«Kühl wie ein Leichnam auf Eis, aber schärfer als eine Peperoni», kommentierte er. «Gut sehen Sie aus, Agentin Bishop.»

Das Verhältnis zwischen Alex und Garrett war von gegenseitiger Abneigung geprägt. Aus seiner Sicht war sie viel zu aufsässig und eigenwillig, und es ging ihm gehörig gegen den Strich, dass sie bei Rumble einen Stein im Brett hatte. Und er war für sie schlicht ein Kotzbrocken. Dabei machten beide aus ihren Gefühlen keinen Hehl.

«Hallo, Garrett. Der Bestatter hat eben angerufen; er will seinen Anzug wiederhaben.»

Garretts Beinahe-Lächeln verzog sich zu einem höhnischen Grinsen.

«Haben Sie meinen Bericht erhalten, Harry?», fragte sie Rumble. Sie war der einzige VIA-Agent im Außendienst, der den Chef mit seinem Vornamen statt mit «Sir» ansprechen durfte. Garrett beneidete sie deswegen, was sie wiederum sichtlich genoss.

Rumble nickte. Er tippte auf eine Taste des Laptops vor sich, und der Bildschirm spiegelte sich in seiner Brille.

«Sie haben da draußen gute Arbeit geleistet», sagte er anerkennend, doch Sorgenfalten durchzogen seine Stirn, was für Harry Rumble durchaus untypisch war. Er wandte sich Garrett zu. «Xavier, haben Sie sich schon bei Slade diese Verschiffungsdaten beschafft?»

«Ich wollte gerade –»

«Dann tun Sie das, und zwar sofort.»

Garrett verzog beleidigt den Mund und verließ das Büro.

Als sie allein waren, fragte Alex: «Was ist denn so geheim, dass selbst Ihr Assistent es nicht hören darf?» Rumble setzte seine Brille ab, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und kaute auf einem der Bügel herum. «Franklin hat sich noch nicht aus Budapest zurückgemeldet.»

Franklin war Alex’ Kollege draußen im Feld und in der Münchener Nebenstelle stationiert. Nachdem in ungarischen Blogs Gerüchte über Vampir-Attacken aufgetaucht waren, hatte Rumble ihn beauftragt, der Sache auf den Grund zu gehen.

«Er ist am Samstag dort angekommen, aber seit Dienstag haben wir nichts mehr von ihm gehört. Das gefällt mir ganz und gar nicht.»

«Sie glauben, ihm ist etwas passiert?», fragte sie leicht besorgt.

«Es passt nicht zu ihm, sich einfach nicht mehr zu melden», seufzte Rumble. «Aber das ist noch nicht alles. Schauen Sie mal auf meinen Monitor.»

Alex trat hinter ihn und sah auf den Monitor. «Ach du Scheiße.»

«Genau.»

Auf dem Bildschirm war eine Weltkarte zu sehen, auf der alle Hauptstädte mit weißer und die VIA-Filialen mit blauer Schrift eingezeichnet waren, während kleine rote Flaggen die Orte markierten, an denen es in jüngster Zeit zu illegalen Vampir-Aktivitäten gekommen war. Immer wieder einmal kam es vor, dass ein Vampir gegen die Gesetze verstieß und unkontrolliert über Menschen in seiner Umgebung herfiel, ohne seinen von der Vampire Federation zur Verfügung gestellten Vorrat an Vambloc einzusetzen – mit der Folge, dass seine Opfer sich häufig an Einzelheiten der Übergriffe erinnerten, ihre Wunden nicht schnell genug verheilten und sie erkrankten. Nutzte der Vampir an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen dasselbe Opfer zur Speisung, konnte es in extremen Fällen auch passieren, dass die Betroffenen starben und selbst zu Vampiren wurden.

In der Welt der Blogs verbreiteten sich Gerüchte wie Lauffeuer. Und wann immer das geschah, schickte die VIA ihre Leute los, um sich der Sache anzunehmen.

Allzu oft war das jedoch nicht erforderlich, denn die Federation hatte die Dinge im Allgemeinen sehr gut im Griff. Es gab also selten mehr als ein oder zwei rote Fähnchen auf einmal.

Nun aber sah Alex eine Unmenge davon, verteilt über ganz Europa.

Sie pfiff durch die Zähne. «Das ist ungewöhnlich.»

«Mehr als ungewöhnlich. So etwas hat es noch nie gegeben.»

«Sie sagten zwar, wir hätten einen Anstieg verbrecherischer Übergriffe, aber nicht, dass es so schlimm aussieht.»

Rumble schwieg einen Augenblick und fuhr dann düster fort. «Ich hatte gehofft, dass sich das wieder einpendeln würde. Aber das ist leider nicht der Fall. Es kommt ein Bericht nach dem anderen rein. Dexter in Kopenhagen, erst vor einer Stunde. Carbone in Barcelona gestern spätnachts. Ich mag gar nicht darüber nachdenken, was geschehen wird, wenn die Medien davon Wind bekommen. Aber das Merkwürdigste daran ist –»

Er drehte seinen Stuhl vom Schreibtisch weg und blickte sie an. «Diese Übergriffe passieren immer bei Nacht. Ausnahmslos. Fast so, als würden die Täter das Tageslicht meiden. Warum nehmen sie nicht einfach das Solazal, mit dem wir sie versorgen?»

«Ich habe schon lange befürchtet, dass das passieren könnte», meinte Alex.

«Dass was passieren könnte?»

«Ein Aufstand der Traditionalisten. Das war doch nur eine Frage der Zeit, Harry. Die Federation hat harte Maßnahmen ergriffen, um die alten Unsitten auszurotten. Ich habe mich immer gefragt, wie lange es dauert, bis die Anhänger der alten Schule versuchen, es uns heimzuzahlen. Vielleicht ist es nun so weit?»

Rumble schien das nicht zu überzeugen. «Ach kommen Sie – selbst, wenn Sie recht hätten, könnten ein paar verstreute Unzufriedene sich doch niemals zu einer ernsthaften Bedrohung organisieren. Aber in dieser Größenordnung und so schnell? Das ist einfach nicht vorstellbar.»

«Wir beide waren doch dabei, als die Federation die Macht übernommen hat, wissen Sie nicht mehr? Soweit ich mich erinnere, waren längst nicht alle Vampire begeistert davon. Das Einzige, was denen damals fehlte, war ein geeigneter Anführer. Vielleicht haben sie mittlerweile einen gefunden. Und jetzt steht die große Auseinandersetzung zwischen Traditionalisten und Modernisten bevor.»

«Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst, oder?»

Sie zuckte mit den Achseln. «Vielleicht ist die Zeit dafür reif, Harry.»

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Kapitel 7

Die am Ende ihres Laufs so mächtige Themse ist an vielen Orten Englands kaum mehr als ein schlammiger, schilfgesäumter Bach. An dieser Stelle war sie nicht breiter als ein gewöhnlicher, unbekannter Fluss. Die Morgendämmerung stand unmittelbar bevor, und bald sollten die Tiere am Ufer erwachen. Über das nebelverhangene Wasser glitt ein einsamer Schwan, der sich in den Uferbewuchs flüchtete, als sich ein Ruderboot näherte.

Seymour Finch hielt die Ruder fest in seinen knorrigen Händen und trieb das Boot mit kraftvollen Schlägen durch die Dunkelheit. Er bevorzugte die stillen, abgelegenen Orte, wo er vor neugierigen Blicken sicher war. Und er hatte einen Auftrag zu erledigen – nun, da Mr. Stone und sein innerer Kreis sich zur Ruhe begeben hatten.

Finch lenkte das Ruderboot zwischen die Binsen am Ufer. Dann legte er die Ruder ins Boot und griff nach dem Bündel zwischen seinen Füßen. Als er daran dachte, was da in Plastik und Sackleinen eingewickelt war, musste er unwillkürlich lächeln.

Mr. Stone hatte ihm erlaubt zu tun, wonach ihm der Sinn stand, nachdem die anderen fertig gewesen waren. Finchs panische Angst vor seinem Arbeitgeber war ebenso absolut wie seine Ergebenheit ihm gegenüber. Er fühlte sich geehrt durch die Aufgabe, die sein Herr ihm übertragen hatte, und war fest entschlossen, sie so gewissenhaft wie möglich zu erledigen. Zumal er sich seines Lohnes sicher war.

Finch zog das Messer aus der Scheide an seinem Gürtel, schnitt den Strick durch, der den Sack zusammenhielt, und kippte den Inhalt über Bord.

Er betrachtete noch kurz die sich ausbreitenden Wellen und griff dann wieder nach den Rudern. Er wollte gerade das Boot wenden, um sich auf den Rückweg zu machen, als er nur wenige Meter von ihm entfernt den Schwan erblickte.

Er starrte das Tier an. Die ersten Strahlen der Morgensonne durchdrangen den Nebel und glänzten wie Gold auf dem weißen Gefieder des majestätischen Vogels, der wie eine Galeone durchs Wasser glitt.

Er hätte ihm am liebsten den Kopf abgerissen und sein Fleisch gegessen.

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Kapitel 8

Auf einer Hayabusa konnte man ziemlich schnell eine große Strecke zurücklegen, und Joel war bereits den längsten Teil der Nacht unterwegs. Sein Weg hatte ihn durch ganz Oxfordshire geführt, und als der Nebel sich in den Stunden vor Sonnenaufgang gelichtet hatte, war er gezielt die kurvenreichsten Abschnitte der Landstraße entlanggerast, auf denen, wie er wusste, kaum mit Geschwindigkeitskontrollen zu rechnen war. So zu fahren hatte er bei seiner Polizeieinheit gelernt, und er wusste ganz genau, wie weit er die Kraft seiner Maschine ausreizen konnte und wann er die Grenzen seiner Konzentrationsfähigkeit und seines Reaktionsvermögens erreicht hatte. Und je schneller er durch die Kurven fuhr, desto besser gelang es ihm, die quälenden Überreste der Erinnerung an seinen Albtraum zu verdrängen.

Es wurde bereits hell, als er auf einem Parkplatz am Rand eines verschlafenen Dorfes anhielt. Er stellte den Motor ab, richtete sich im Sattel seiner Maschine auf und sog für ein paar Augenblicke die Stille ein. Er fühlte sich schon viel besser – innerlich ruhig, klar im Kopf und bereit für einen weiteren Tag.

Er schob den Ärmel seiner Lederjacke hoch und schaute auf die Uhr.

Es war Zeit, zur Arbeit zu gehen. Er ließ die Suzuki wieder an und fuhr auf das Polizeirevier von Oxford and Thames Valley zu.

 

Als Joel gegenüber der Kirche von St. Aldates die Wache betrat, musterte seine blonde diensthabende Kollegin anerkennend seine schlanke, hochgewachsene Gestalt. Er selbst aber war zu sehr in Gedanken versunken, um die Blicke zu bemerken, die sie ihm zuwarf. Er winkte ihr nur geistesabwesend zu, als er am Empfangstresen vorbeiging und auf die Kantine zusteuerte.

Die Wache war fast leer. Nur eine Handvoll Uniformierter, die gerade von der Nachtschicht gekommen waren, und ein paar Frühaufsteher unter den Zivilangestellten saßen bei Tee und Gebäck an den Resopaltischen. Die immer chaotischer werdenden Partys und die alljährliche Zunahme alkoholbedingter Gewalt in der Halloween-Nacht machten der Polizei zunehmend zu schaffen, und nun sahen die meisten Kollegen entsprechend blass und müde aus und reif fürs Bett.

Joel kannte dieses Gefühl. Er ignorierte die Auslagen mit Donuts und Plundergebäck, holte sich einen Kaffee und zog sich an einen Ecktisch zurück. Der Kaffee war die übliche dünne Plörre und erst nach dem vierten Stück Zucker überhaupt genießbar. Er nippte an seiner Tasse und betrachtete durch das Fenster die aufgehende Sonne.

An einem Tisch wenige Meter entfernt entspannten sich zwei Polizisten und eine Polizistin bei einer Kanne Tee. Joel kannte alle drei gut. Der Hagere mit dem schütteren Haar war Nesbitt, die Frau hieß Gascoigne, und der Typ, der ununterbrochen quasselte, war Macleod. Big Bob Macleod, wie seine Kollegen ihn nannten. Der korpulente Mann hatte bis zu seiner Pensionierung nur noch zwei Jahre durchzuhalten, schnaufte aber jetzt schon schwer und wirkte mit seinem knallroten Gesicht wie der klassische Kandidat für einen Herzinfarkt. Jetzt war er kurz davor, eine Geschichte zu Ende zu erzählen, die den anderen beiden ein breites Grinsen entlockte, doch Joel, der in Gedanken ganz woanders war, hatte kein Wort davon mitbekommen.

«Ist denn das zu fassen?», gluckste Macleod mit seiner rauen Stimme. «Als ob wir nicht schon genug um die Ohren hätten.» Dann zog er sein fettes Handgelenk zu sich heran und schaute auf die Uhr. «Aber ich verzieh mich jetzt in die Falle.» Er hievte sich vom Tisch hoch, nahm seinen Hut und machte sich auf den Weg zur Tür.

«Hey, Bob», rief Nesbitt ihm nach, «pass bloß auf, dass der Graf dich nicht erwischt.»

«Zieh dir lieber ein paar Knoblauchzehen rein», ergänzte Gascoigne.

Macleod blickte angewidert zu ihnen zurück. «Erinnert mich nicht an den kleinen Schwachkopf.» Kurz vor der Tür drehte er sich plötzlich noch einmal zu ihnen um und fletschte seine gelblichen Zähne wie Christopher Lee als Dracula. Seine beiden Kollegen lachten auf, als Macleod die Kantine verließ.

Joel wandte sich ihnen zu. «Was sollte das denn gerade?»

Gascoigne zögerte einen Augenblick, als wunderte sie sich darüber, dass der Detective Inspector sich für ihre Scherze interessierte.

«Ach, nichts weiter, Sir. Bob wollte nur auf den Unfall bei Henley letzte Nacht anspielen, wahrscheinlich infolge von Drogeneinfluss. Ein Jugendlicher hat seinen Wagen um einen Baum gewickelt und sich dabei das Handgelenk verstaucht. War ziemlich neben der Spur, als wir ihn gefunden haben. Im Handschuhfach waren Pillen, die für mich wie Ecstasy ausgesehen haben, aber Genaueres wissen wir noch nicht.»

Das polizeiliche Vorgehen in einem solchen Fall war ziemlich klar festgelegt: Die Pillen wurden ebenso untersucht wie das Blut des Verdächtigen. Und wenn nach einer oder zwei Wochen dann die Laborergebnisse kamen, war klar, ob Anklage wegen Besitzes von und Fahren unter Drogen erhoben werden konnte. Aber daran war Joel nicht interessiert.

«Das kapier ich nicht. Was hatte das denn mit der Dracula-Geschichte zu tun?»

Gascoigne schnaubte verächtlich. «Ach, der arme Spinner war vollkommen fertig mit den Nerven. Als wir ihn eingebuchtet haben, hat er die ganze Zeit von Vampiren gefaselt. Der wollte gar nicht mehr aufhören.»

«Vampire?»

«Ja, Blutsauger. Angeblich ist er mit seinem Auto verunglückt, weil er aus einem Vampirnest flüchten musste, über das er und seine Freundin gestolpert sind. Und sie wurde natürlich von ihnen entführt.»

Joel runzelte die Stirn. «Aber als vermisst gemeldet hat man sie nicht.»

Gascoigne schüttelte den Kopf. «Natürlich nicht, Sir. Sie liegt friedlich in ihrem Bett in Wallingford. Ich hab selber mit den Eltern gesprochen.»

Joel nickte nachdenklich. Halloween und Ecstasy-Pillen – eine üble Kombination. Die Droge führte bekanntlich zu den wildesten Halluzinationen. Dennoch hatte ihn schon die bloße Erwähnung von Vampiren hellhörig gemacht. Und ihm einen Schauer über den Rücken gejagt. Auch wenn es lächerlich klang, konnte er doch seine Neugier nicht unterdrücken. «Haben wir ihn noch in Gewahrsam?»

«Ich würde auf den Knaben nicht meine Zeit verschwenden, Sir. Er hat die Nacht im JR verbracht.» Als JR bezeichneten die Einheimischen das John-Radcliffe-Hospital. «Wird wahrscheinlich heute irgendwann entlassen, wenn die Ärzte grünes Licht geben, und dann muss der Blödmann sich nur noch Sorgen darum machen, ob wir ihm Fahren unter Drogeneinfluss anhängen oder lediglich Drogenbesitz.»

«Wie heißt er?»

«Declan Maddon. Aber wie gesagt, Sir, ich würde keine Sekunde mit dem Typen vergeuden.»

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Kapitel 9

VIA-Zentrale, London

Die Sonne ging bereits über der Stadt auf, als Alex und Harry Rumble mit ihrer Besprechung fertig waren. Alex stand auf und trat ans Fenster. Das orangefarbene Leuchten am Horizont erinnerte sie an ihr Solazal. Sie griff rasch in die Gesäßtasche ihrer Jeans, holte das Röhrchen heraus, warf eine Tablette ein und spürte das süßliche Prickeln auf der Zunge.

Rumble lehnte sich in seinem Stuhl zurück, warf einen weiteren besorgten Blick auf seinen Monitor und sortierte dann ein paar Notizen auf seinem Schreibtisch.

«Egal – was auch immer geschieht, wir machen weiter wie gewohnt. Ich habe übrigens wieder Arbeit für Sie.»

Sie wandte sich vom Fenster ab und kaute auf ihrer Solazal-Tablette herum. «Ich bin gerade erst aus Rumänien zurückgekommen, Harry.»

«Das ist reine Routine. Dürfte nicht allzu lange dauern. Haben Sie Ihre Waffe dabei?»

«Nur meinen Reserve-Revolver.» Sie schlug ihren Mantel zurück und gab den Blick frei auf ihren kurzläufigen .44 Smith & Wesson aus rostfreiem Stahl, den sie hinter ihrer rechten Hüfte trug.

«Das nennen Sie Reserve-Waffe?» Rumble reichte ihr ein Blatt offiziellen VIA-Notizpapiers von seinem Schreibtisch. Sie nahm es und überflog die Worte mit hellwachen grünen Augen. «Baxter Burnett» lautete der Name auf dem Blatt.

«Der Filmstar?»

Rumble nickte.

«Ich wusste gar nicht, dass er einer von uns ist.»

«Er wurde gegen Ende der Sechziger verwandelt, aber in den Neunzigern wurde ihm dann langweilig, und da hat er es mit der Schauspielerei versucht. Dabei stellte sich heraus, dass der kleine Schwachkopf gar nicht so untalentiert war.»

«Ich hätte es mir denken können. Ich sehe mir schon seit Jahren seine Filme an, und er ist in der ganzen Zeit kein bisschen gealtert.»

«Und genau da liegt unser Problem», bestätigte Rumble. «Wir dürfen nicht zulassen, dass er weiterhin Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ich möchte, dass Sie und Greg ein Wörtchen mit ihm reden. Aber seid nicht zu streng mit ihm; erklärt ihm einfach nur noch einmal, worin das Problem besteht.»

Alex blinzelte. «Und wer ist dieser Greg?»

«Das hätte ich Ihnen wohl vorher erklären müssen», räumte Rumble mit einem verschlagenen Grinsen ein. «Greg Shriver. Genau genommen Lieutenant Greg Shriver, ehemaliger Marinesoldat, eben erst angekommen. Ihr neuer Partner.»

Sie stöhnte auf. «Tun Sie mir das nicht an. Verdammt nochmal, Sie wissen doch, dass ich allein am besten arbeite.»

Rumble bedachte sie mit einem strengen Blick. «Kommen Sie mir doch nicht mit diesem Mist. Ich schätze zwar keinen Agenten in meinem Team so sehr wie Sie, aber auch Sie sollten es nicht zu weit treiben.»

«Mein Gott, Harry.»

«Er ist noch ziemlich unerfahren, also sehen Sie zu, dass Sie ihm ordentlich was beibringen. Ich weiß, dass er schnell lernen wird, schließlich hat er die beste Lehrerin, die man sich vorstellen kann. Ich verlasse mich auf Sie, verstanden?» Rumble schob ihr über seinen Schreibtisch eine Akte zu. «Lesen Sie das. Er ist gutes Rohmaterial für uns.»

Alex überflog den Inhalt. Wie alle Vampire konnte sie zehnmal schneller lesen als ein durchschnittlicher Mensch. «Und wann lerne ich dieses Wunderkind kennen?»

«Jetzt gleich.» Rumble drückte einen Knopf auf seinem Telefon. «Jen, würden Sie ihn bitte hereinbringen?»

Wenige Sekunden später führte Jen Minto, Rumbles Sekretärin, den neuen Rekruten ins Büro. Greg Shriver war Mitte dreißig, schlank und dunkelhäutig, und er wirkte extrem nervös.

Alex streckte ihm ihre Hand entgegen, als ihr Chef die beiden einander vorstellte.

«Special Agent Alex Bishop.»

Beim Händeschütteln fiel ihr auf, dass sich seine Handfläche ein wenig feucht anfühlte. So manch einer behielt bestimmte menschliche Eigenschaften auch nach seiner Verwandlung zum Vampir noch einige Zeit bei.

«Baxter wohnt in der Trafalgar-Suite im Ritz, während er sich in der Stadt aufhält, um für seinen neuen Berserker-Film zu werben», erklärte Rumble. «Sie machen sich am besten gleich auf den Weg.»

«Berserker 6? O Mann», meinte Alex. «Ich habe den fünften gesehen, und der war schon totaler Mist.»

«Haben Sie ihn auch in Raptus gesehen?», fragte Rumble. «Das war wirklich ein verdammt guter Film.»

«Wir besuchen Baxter Burnett?», fragte Greg mit weit aufgerissenen Augen.

«Gehen wir, Kleiner», erwiderte Alex nur.

 

Unten auf dem Parkplatz von S&S entriegelte Alex per Fernbedienung die Schlösser ihres schwarzen Jaguar XKR. Sie glitt auf den Fahrersitz, und Greg stieg neben ihr ein. Er bewegte sich wie ein übergroßer Welpe – unbeholfen, aber mit überbordender Energie – und schlug die Tür so heftig zu, dass die Scheibe bebte.

Sie strafte ihn mit einem strengen Blick. «Wenn Sie meinen Wagen kaputt machen, schneide ich Ihnen den Kopf ab.»

«Tut mir leid», murmelte er betreten. «Ich vergesse manchmal immer noch, wie stark ich jetzt bin. Auch, dass ich nachts jetzt viel besser sehen kann. Ich fühle mich noch immer wie benommen.»