Der Boxer - Felix Mitterer - E-Book

Der Boxer E-Book

Felix Mitterer

4,5

Beschreibung

DAS NEUE THEATERSTÜCK VON Felix Mitterer ÜBER DAS SCHICKSAL DES DEUTSCHEN SINTO-BOXERS "RUKELI" TROLLMANN IN DER NS-ZEIT. JOHANN "RUKELI" TROLLMANN - DER WERDEGANG EINES AUSSERGEWÖHNLICHEN SPORTLERS Im Juni 1933 kommt es beim BOXKAMPF um den DEUTSCHEN MEISTERTITEL im Halbschwergewicht zum Eklat. JOHANN "RUKELI" TROLLMANN, der einer SINTI-FAMILIE entstammt, punktet mit seinem schnellen, für damalige Zeiten ungewöhnlichen Boxstil in jeder Runde. Doch die Jury betrachtet die Leistungen des Kämpfers als ungenügend und weigert sich den Kampf zu werten: Der Boxstil des "Zigeuners" entspreche nicht dem deutschen Faustkampf. Nur aufgrund massiver Proteste der Zuschauer wird Rukeli Trollmann schließlich doch zum DEUTSCHEN MEISTER ernannt, kurz darauf wird ihm der Titel "wegen schlechten Boxens" wieder aberkannt. Rukelis vielversprechende Boxkarriere ist unter dem nationalsozialistischen Regime jäh zu Ende, mit blankem Zynismus erinnert man sich ihrer. Im KZ wird Rukeli gezwungen, für die SS gegen andere Häftlinge zu boxen. Wer verliert, stirbt. Rukeli stirbt im Jahr 1944. ZUR ERINNERUNG AN DIE ROMA UND SINTI IN DER NS-ZEIT Ungefähr eine halbe Million Roma und Sinti aus dem Deutschen Reich und den besetzten Ländern wurden ermordet. Nach dem Krieg wurden sie sehr schnell zu den "vergessenen Opfern". In Deutschland und Österreich lehnte man eine Wiedergutmachung jahrzehntelang mit der Begründung ab, man habe die "Zigeuner" nicht aus "rassischen" Gründen umgebracht, sondern, weil sie als "Asoziale" galten. Felix Mitterer hat Rukelis - fast vergessenes - Schicksal zum Inhalt seines neuen Stückes gewählt. Rukelis Leidensweg steht dabei stellvertretend für den so vieler Roma und Sinti, die dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen. Dazu Felix Mitterer: "'Der Boxer' erinnert an die ermordeten Sinti und Roma und gibt ihnen und uns einen Helden, der sich von den Nazis niemals unterkriegen ließ, auch wenn sie ihn am Ende töteten. Rukeli lebt."

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Felix Mitterer

Der Boxer

Theaterstück

Frei nach dem Schicksal des Sinto–Boxers

Johann »Rukeli« Trollmann

Mit einem Nachwort

von Marie-Luise Ramos-Farina

Felix Mitterer

Der Boxer

Felix Mitterer Vorwort

2003 erfuhr ich über das deutsche Fernsehen von der Existenz des Sinto-Boxers Johann »Rukeli« Trollmann. Der »Bund deutscher Berufsboxer« hatte ihm endlich – posthum – den Meisterschaftstitel, der ihm 1933 von den Nazis wegen »undeutschen Boxens« aberkannt worden war, wieder zuerkannt und übergab den Meisterschaftsgürtel symbolisch an seine noch lebenden Verwandten Louis und Manuel Trollmann.

Vor allem eine von den Medien überlieferte Szene ließ mich nicht mehr los: Nachdem die Nazis Rukeli mit Konsequenzen drohten, wenn er beim nächsten Kampf sein »zigeunerisches Herumgeflitze« nicht bleiben lasse, betrat er den Ring mit blond gefärbten Haaren und mehlbestäubtem Körper, stellte sich flachfüßig in den Ring und gab die Parodie eines »aufrechten deutschen Faustkämpfers«. Was folgte, war das Grauen, war der Tod, aber ich war wieder auf einen Unbeugsamen gestoßen, auf einen, den die Verbrecher, die Massenmörder nicht besiegen konnten. So wie Leo Reuss, den Schauspieler, der als Jude das Theater verlassen musste und als arisches Naturtalent Kaspar Brandhofer wiederkehrte, gefeiert von den Nazis, bis sie merkten, dass sie da einer grandios an der Nase herumgeführt hatte (»In der Löwengrube«, Uraufführung 1998 Volkstheater Wien).

Ich musste unbedingt über Rukeli schreiben. Und begann nachzuforschen. Der Maler, Satiriker und aufrechte Antifaschist Hans Firzlaff aus Hannover, der Heimatstadt von Rukeli, selbst Boxer in seiner Jugend und großer Verehrer von Rukeli, begann schon in den 1960er-Jahren zu recherchieren. Niemand interessierte sich, und so gab er schließlich sein Buch 1997 im Eigenverlag heraus. 2012 verstarb er. Danke, Hans Firzlaff!

Es folgte im Jahre 2000 das Buch »Kampftage – die Geschichte des deutschen Berufsboxens« von Knud Kohr und Martin Krauß, in dem Rukeli ausführlich vorkommt. Und dann der Durchbruch, der Rukeli endgültig einem größeren Publikum bekannt machte: »Leg dich, Zigeuner – die Geschichte von Johann Trollmann und Tull Harder« von Roger Repplinger (Piper 2008), wo wir nicht nur wichtige, neue Erkenntnisse über Rukeli erfahren, sondern wo der Autor dem Sportler und KZ-Häftling Johann »Rukeli« Trollmann einen anderen Sportler gegenüberstellt, nämlich den berühmten Fußballer Tull Harder, der Wächter im KZ Neuengamme bei Hamburg wurde, im selben KZ, in dem auch Rukeli inhaftiert war, zum Boxen gezwungen wurde und letztlich starb. Dank an Roger Repplinger!

Ich hatte schon 2005 zu schreiben begonnen, ein Drehbuch, denn Boxen am Theater schien mir ein Ding der Unmöglichkeit. Mein Vorfühlen beim Fernsehen, bei Filmproduzenten war nicht erfolgreich. Ich ließ es wieder bleiben.

2013 dann der Erfolg mit »Jägerstätter« (dem Bauern, der sich lieber enthaupten ließ, als für die Nazi-Verbrecher in den Krieg zu ziehen) im Wiener Theater an der Josefstadt. Hauptdarsteller Gregor Bloéb. Der Mann, der mit dem Motorrad Paris-Dakar fährt, der auch am Theater seinen Körper so einsetzt wie Robert de Niro den seinen im Film. Stephanie Mohr, die Regisseurin, Gregor, der Theaterdirektor Herbert Föttinger und ich setzten uns zusammen. Wie soll es mit uns weitergehen? Was machen wir als Nächstes? Never change a winning team! Ich schaute Gregor an, der mir immer (mitsamt seinen Brüdern) wie ein »Karrner« vorgekommen war, so nennt man bei uns in Tirol die »Jenischen«, die Fahrenden. Menschen, die – wie die Sinti und Roma – gesegnet sind mit großer Lebensfreude, mit großem Lebensmut, Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen, so widrig auch die Umstände sein mögen. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Gregor muss Rukeli spielen!

Allgemeine Zustimmung: Schreib das. – Boxen am Theater? Wie soll das gehen? Das schob ich beiseite. Steffi Mohr wird einen Weg finden. Tat sie auch schon beim »Jägerstätter«. Da gab es auch Regieanweisungen, Szenen von mir, die unmöglich 1 zu 1 umsetzbar waren. Steffi fand eine Umsetzung.

Und so schrieb ich das Stück. Wichtig war mir: über Rukeli erzählen heißt auch, dem Publikum Genaueres über die Verfolgung der Sinti und Roma zu erzählen. Aus diesem Grund habe ich einen Teufel in Menschengestalt zu einer der Hauptfiguren erwählt: Dr. Robert Ritter, Leiter der »rassenhygienischen Forschungsstelle« im Reichsgesundheitsamt in Berlin. Ritter beschäftigte sich geradezu obsessiv mit den Sinti und Roma in Deutschland, und nach dem Anschluss auch in Österreich. Das sogenannte »Zigeunerbuch« der Münchner Polizei vom Jahre 1905 als Vorbild und Grundlage nehmend, das bereits über 3000 Personenbeschreibungen enthielt, begutachtete Ritter mit seinem »fliegenden« Team 24.000 Sinti und Roma, indem er sie vermaß, ihnen Blut und Fingerabdrücke abnahm, sie fotografierte, Namen, Geburtsort, Heimat, Beruf und körperliche Kennzeichen aufschrieb. Seine pseudowissenschaftlichen bis irrwitzigen Gutachten bildeten die Grundlage für die Zwangssterilisation und Vernichtung tausender Sinti und Roma. Nach dem Krieg wurde er (wie so viele andere) für seine Untaten nicht zur Verantwortung gezogen. Zwar erstatteten einige überlebende Opfer Anzeige gegen ihn, aber er verteidigte sich erfolgreich mit dem Argument, die Zeugen seien »asoziale Elemente und zu jeder Unwahrheit bereit«, beweisbar durch seine damaligen Gutachten.

Große Karriere machte Ritter keine mehr, aber immerhin schaffte er es bis zum Medizinalrat, leitete ab 1947 in Frankfurt die »Fürsorgestelle für Gemüts- und Nervenkranke« sowie die Jugendpsychiatrie der Stadt.

Eine Besonderheit, die wohl noch nicht ausführlich genug erforscht wurde, bilden die in den KZs abgehaltenen Boxkämpfe. Die meisten fanden offenbar in Auschwitz statt und dienten zur Belustigung der Kommandanten und SS-Männer. Auch immer höhere Wetten auf die Kämpfe wurden abgeschlossen. Der Verlierer wurde meistens sofort erschossen, außer es handelte sich um eine Berühmtheit, von der man noch höhere Wettprämien erwarten konnte. Die Boxer, meistens Juden, kamen aus ganz Europa. Hier zum Gedenken einige der Namen:

Victor »Young« Perez, im französischen Tunesien geboren, Weltmeister im Fliegengewicht, 1943 aus Paris nach Auschwitz deportiert, nach vielen Boxkämpfen erschossen am 22. Jänner 1945.

Noach Klieger aus Straßburg, 1943 als 17-Jähriger nach Auschwitz deportiert. Überlebte zweiundzwanzig Boxkämpfe, überlebte den Todesmarsch, wurde einer der Kommandanten des legendären Schiffes »Exodus«, das Juden nach Palästina brachte.

Leendert »Leen« Josua Sanders wurde mit der gesamten Familie 1941 nach Auschwitz deportiert. Die Familie wurde ermordet, Leen Sanders überlebte durch Boxen.

Der Italiener Leone »Lelleto« Efrati verlor 1938 knapp gegen den amerikanischen Weltmeister Leo Rodak. 1940 kam er nach Auschwitz und musste gegen wesentlich schwerere Gegner boxen, die er alle bezwang. Am 19. April 1944 verteidigte er seinen Bruder, der von Wachleuten schwer misshandelt wurde. Das kostete ihn das Leben.

Der Grieche Salomo Arouch wurde 1941 mit 17 Jahren Balkanmeister im Weltergewicht. Nachdem die Wehrmacht Griechenland besetzt hatte, kam er mit der gesamten Familie nach Auschwitz. Insgesamt absolvierte er 208 Kämpfe, keinen einzigen verlor er. Kurz vor Ende des Krieges wurde er nach Bergen-Belsen gebracht, wo er die Befreiung erlebte.

Jacko Razon, Freund von Salomo Arouch, 1939 18-jährig griechischer Meister der Amateure, wurde ebenfalls nach Auschwitz deportiert, überstand ungefähr 120 Kämpfe, landete am Ende auch in Bergen-Belsen, sollte dort gegen seinen Freund Salomo boxen, aber die Befreiung des Lagers durch die britische Armee im Mai 1945 verhinderte das.

Der Pole Tadeusz »Teddy« Pietrzykowski lernte das Boxen erst mit 20 Jahren, wurde zuerst Warschauer, dann polnischer Vizemeister im Bantamgewicht. 1939 half er mit, Warschau zu verteidigen, wollte dann nach Frankreich fliehen, wurde aber verhaftet und nach Auschwitz gebracht. Nach etwa 40 Boxkämpfen wurde er in das KZ Neuengamme bei Hamburg verlegt, wo er noch einmal etwa 20 Kämpfe absolviert haben soll. Ob er in Neuengamme auch gegen Johann »Rukeli« Trollmann kämpfte, wissen wir nicht.

»Kid Francis« war der Spitzname eines in Frankreich lebenden Italieners namens Francesco Buonagurio. 1925 wurde er französischer Bantamgewichtsmeister, 1931 begeisterte er im New Yorker Madison Square Garden bei einem Schaukampf gegen Fidel LaBarba. Als die Wehrmacht Paris besetzte, wurde er nach Auschwitz deportiert, wo er viele Boxkämpfe absolvierte. 1943 erschoss man ihn.

Hertzko Haft ist neben Johann »Rukeli« Trollmann wohl der berühmteste KZ-Boxer. Protegiert von einem SS-Mann, lernte der Pole erst im Auschwitz-Nebenlager Jaworzno boxen, absolvierte siegreich unzählige Kämpfe und entkam Ende des Krieges bei einem Todesmarsch. In Amerika wurde er zu einem bekannten Boxer und verlor am 18. Juli 1949 gegen den späteren Schwergewichtsweltmeister Rocky Marciano durch K.-o. in der dritten Runde. Erst gegen Ende seines Lebens brach er sein Schweigen und erzählte seinem Sohn Alan Scott Haft sein schreckliches Schicksal. 2006 erschien das Buch »Harry Haft – Auschwitz survivor, challenger of Rocky Marciano« in Amerika, 2009 in deutscher Übersetzung beim »Verlag Die Werkstatt« unter dem Titel »Eines Tages werde ich alles erzählen – die Überlebensgeschichte des jüdischen Boxers Hertzko Haft«.

Es folgte 2012 vom Zeichner Reinhard Kleist eine »graphic novel« unter dem Titel »Der Boxer – Die wahre Geschichte des Hertzko Haft« beim Carlsen Verlag, in dessen Anhang sich der Artikel »Boxen im KZ« des Berliner Sportjournalisten Martin Krauß befindet, dem all die von mir zitierten Boxer-Schicksale entnommen sind.

Ein weiteres, großes Problem hatte ich noch beim Schreiben dieses Stückes. KZ kann man nicht darstellen. Weder im Film noch auf der Bühne. Im Film engagiert man 500 möglichst abgemagerte Statisten, schert ihnen die Haare, schminkt sie noch abgehärmter, steckt sie in dreckige, zerschlissene Häftlingskleidung. Es hilft alles nichts, die Peinlichkeit bleibt. Ich half mir damit, dass wir in meinem Stück nur zwei Häftlinge sehen, nämlich Rukeli und seinen Bruder »Stabeli«, alle anderen bleiben unsichtbar. Und doch fehlte mir etwas von dem abgrundtiefen Grauen, das KZ bedeutet. Da erinnerte ich mich an einen Dokumentarfilm, den ich 2005 gesehen hatte und den ich nie vergessen werde. Er heißt »Unter den Brettern hellgrünes Gras« und stammt von der Filmemacherin Karin Berger. Viele Jahre lang hat Karin Berger die österreichische Romni Ceija Stoijka besucht, begleitet, interviewt, wurde schließlich zur vertrauten Freundin. Aus den Gesprächen entstanden mehrere Bücher und Filme. Und ganz am Ende, im letzten Film, öffnet sich Ceija Stoijka plötzlich ganz und gar. Sie beginnt zu sprechen, wie im Traum, und erzählt, was sie erlebt hat, als kleines Mädchen, gegen Ende des Krieges, in Bergen-Belsen. Tausende von toten Häftlingen liegen herum, Seuchen grassieren, es gibt keinen Nahrungsmittelnachschub mehr, die Häftlinge verhungern, die SS überlässt die Todgeweihten ihrem Schicksal, lässt sich nicht mehr blicken. Und Ceija erzählt vom grünen Gras, das sie und ihre Mutter unter Brettern finden, und es schmeckt wie Zucker, und erzählt vom bernsteinfarbenen Harz, das aus einem kleinen Baum kommt, und es schmeckt wie das pure Leben, und erzählt von den Leichen, von denen sich viele Häftlinge ernähren, nicht aber die Sinti und Roma, die sterben lieber als Menschenfleisch zu essen; nein, Ceija macht etwas ganz anderes: sie spricht zu den Toten, sie macht sich ganz vertraut mit ihnen, und dann schlüpft sie hinein in eine der toten, ausgehöhlten Frauen, dort drinnen ist es warm und angenehm und man erfriert nicht.

Und so hört nun Rukeli (Dank an Karin Berger für die Erlaubnis!), schon nicht mehr wirklich da, kurz vor seinem Ende, auch kurz vor dem Ende seines großen Gegners, die Stimme dieses Mädchens Ceija Stoijka, das ihm und uns vom Grauen erzählt, aber auch von der Hoffnung und von der Lebensfreude ihres wundervollen Volkes.

Ungefähr eine halbe Million Roma und Sinti aus dem Deutschen Reich und den besetzten Ländern wurden ermordet. Nach dem Krieg wurden sie sehr schnell zu den »vergessenen Opfern«. In Deutschland und Österreich lehnte man eine Wiedergutmachung Jahrzehnte lang mit der Begründung ab, man habe die »Zigeuner« nicht aus »rassischen« Gründen umgebracht, sondern weil sie als »Asoziale« galten.

»Der Boxer« erinnert an die ermordeten Sinti und Roma und gibt ihnen und uns einen Helden, der sich von den Nazis niemals unterkriegen ließ, auch wenn sie ihn am Ende töteten.

Rukeli lebt.

Dank an die Familie Trollmann, die mich bei meinem schwierigen Vorhaben unterstützte.

Personen:

Johann »Rukeli« Trollmann, Sinto, Boxer

Reinhard Wolf, Boxer, später Lagerkommandant

Olga Bilda, deutsche Frau von Rukeli

Familienmitglieder, die auftreten:

Vater Wilhelm »Schnipplo« (66)

Mutter Friederike »Pessi« (60)

Bruder Wilhelm »Carlo« (etwas älter als Rukeli)

Bruder Heinrich »Stabeli« (zehn Jahre jünger als Rukeli)

Heinz Harms, Polizist bei der »Zigeunerzentrale« (50)

Dr. Robert Ritter, Leiter der Rassenhygienischen Forschungsstelle (40)

Kid Francis, Boxer im KZ (kein Dialog, nur boxend)

Ringrichter (Statist)

Sprecherstimme

Mädchenstimme

Bühne: Boxring und Böschung, letztere dann verwandelt zu einer Lehmgrube

1.

Boxring.

Rukeli in Boxkleidung (knallgelbe Shorts, eingestickt rechts der Schriftzug in Rot: »Gipsy«), mit Boxhandschuhen. Betreibt Schattenboxen.

Reinhard Wolf tritt in Boxkleidung auf.

Wolf: (zum Publikum) Unser Führer hat es schon sehr früh gesagt: »Wenn das Boxen der Wehrertüchtigung dienen soll, dann darf es nicht spielerisch und lustvoll sein, sondern hart und voller Anstrengung; zugunsten der Wehrfähigkeit des ganzen deutschen Volkes.

Dr. Robert Ritter (Anzug, weißes Hemd, Krawatte) tritt auf. Während Wolf spricht, nimmt Ritter seine Krawatte ab, bindet sie um den Oberarm von Rukeli, verknotet sie, nimmt ihm mit einer Spritze aus der Ellenbeuge Blut ab. Rukeli nimmt das mit spöttischem Grinsen hin, hinter dem sich leichte Angst verbirgt.

Wolf:(weiter) Schon der junge, gesunde Knabe soll Schläge ertragen lernen. Das mag in den Augen unserer heutigen Geisteskämpfer als wild erscheinen, doch hat der völkische Staat eben nicht die Aufgabe, eine Kolonie friedsamer Ästheten und körperlicher Degeneraten aufzuzüchten. Es geht um die trotzige Verkörperung männlicher Kraft. Die Nation braucht keine Muttersöhnchen, sondern ganze Kerle.«

Ritter setzt einen Tupfer auf den Einstich, zieht die Nadel heraus, Rukeli winkelt den Arm an, Ritter hebt die Spritze hoch, schaut das Blut an. Er ist durchwegs freundlich und höflich.

Rukeli: Zigeunerblut. Auch nicht viel anders. Oder?

Ritter: (lächelnd) Sagen Sie das nicht, Rukeli.

Wolf: