Der Chinese - Henning Mankell - E-Book

Der Chinese E-Book

Henning Mankell

3,8

Beschreibung

An einem frostigen Januartag 2006 macht die Polizei von Hudiksvall eine grausige Entdeckung. In einem kleinen Dorf ist ein Massaker begangen worden, achtzehn Menschen wurden auf bestialische Weise getötet. Die Polizei vermutet die Tat eines Wahnsinnigen. Als Richterin Birgitta Roslin von der Tat liest, wird ihr sofort klar, dass die Pflegeeltern ihrer Mutter, August und Britta Andrén, unter den Mordopfern sind. Und mehr noch: So gut wie alle Ermordeten haben etwas mit ihr zu tun. Sie erkennt, dass die Polizei eine falsche Spur verfolgt, und beginnt zu recherchieren. Ihre Suche führt sie nach China, wo sie auf die grausamen Machenschaften der politischen Führungselite stößt. "Der Chinese" ist ein Thriller auf höchstem Niveau. Er hat nicht nur eine atemberaubende Handlung, sondern erzählt auch davon, was passiert, wenn ein Land zur wirtschaftlichen Supermacht wird, während im Inneren ein System politischer Unterdrückung herrscht.

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Zsolnay eBook

Henning Mankell

Der Chinese

ROMAN

Aus dem Schwedischenvon Wolfgang Butt

Paul Zsolnay Verlag

Die Originalausgabe erschien erstmals 2008unter dem Titel Kinesen beim Leopard Verlag in Stockholm.

eBook ISBN 978-3-552-05468-4© Henning Mankell 2008Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe:© Paul Zsolnay Verlag Wien 2008Satz: Filmsatz Schröter GmbH, MünchenDatenkonvertierung eBook:Kreutzfeldt Electronic Publishing GmbH, Hamburghttp://www.zsolnay.at

http://www.mankell.de

Ich, Birgitta Roslin, gelobe und versichere auf Ehre und Gewissen, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen in allen Urteilen Recht sprechen will, dem Armen nicht weniger als dem Reichen, und mich an das Gesetz und die gesetzlichen Bestimmungen Schwedens halten werde; ich gelobe, nie das Gesetz zu verdrehen und Unrecht zu befördern, weder aus Gründen der Verwandtschaft, Schwägerschaft und Freundschaft oder aus Neid, bösem Willen und Furcht, noch aufgrund von Bestechung, Geschenken oder aus anderer Ursache, unter welchem Schein auch immer die Gründe auftreten mögen; nicht den schuldig zu sprechen, der schuldlos ist, oder den schuldlos zu machen, der schuldig ist. Ich werde weder vor der Verkündung des Urteils noch danach denen, die vor Gericht gegangen sind, oder anderen über die Beratungen Auskunft geben, die das Gericht hinter verschlossener Tür gehalten hat. Dies alles will und werde ich wie ein ehrlicher und aufrichtiger Richter getreulich halten.

PROZESSORDNUNG KAP. 4, § 11

Richtereid

ERSTER TEIL

Die Stille

(2006)

Die Grabinschrift

1

An einem der ersten Januartage 2006 geht ein Wolf durch das Vauldal von Norwegen über die Grenze nach Schweden. Der Fahrer eines Schneescooters glaubt, ihn in der Nähe von Fjällnäs bemerkt zu haben, doch der Wolf verschwindet in östlicher Richtung in den Wäldern, bevor jemand sieht, wohin er sich wendet. Tief in den norwegischen Österdalar hatte er ein Stück gefrorenen Elchkadaver gefunden, an dem noch nicht alle Knochen abgenagt waren. Doch das ist über achtundvierzig Stunden her. Jetzt ist er wieder hungrig und auf Nahrungssuche.

Es ist ein junger Wolfsrüde, der sich auf die Wanderung begeben hat, um ein eigenes Revier zu suchen. Er zieht unbeirrt weiter nach Osten. Bei Nävjarna, nördlich von Linsell, findet er einen weiteren Elchkadaver. Einen Tag lang bleibt er liegen und frisst sich satt, bevor er weiterzieht. Unentwegt nach Osten. Bei Kårböle läuft er über den gefrorenen Ljusnan und folgt dann dem Fluss auf seinem gewundenen Weg zum Meer. In einer mondhellen Nacht überquert er auf lautlosen Pfoten die Brücke bei Järvsö und wendet sich dann seitwärts in die großen Waldgebiete, die sich zum Meer hin erstrecken.

Früh am Morgen des 13. Januar erreicht der Wolf Hesjövallen, ein kleines Dorf auf der Südseite des Hansesjö in Hälsingland. Er bleibt stehen und nimmt Witterung auf. Irgendwoher kommt Blutgeruch. Der Wolf blickt um sich. In den Häusern leben Menschen. Aber es steigt kein Rauch aus den Schornsteinen. Sein scharfes Gehör nimmt auch kein Geräusch wahr.

Doch der Blutgeruch ist da, kein Zweifel. Der Wolf wartet am Waldrand. Versucht zu wittern, woher der Geruch kommt. Dann läuft er langsam durch den Schnee. Der Geruch zieht von einem der Häuser herüber, das am Rand des kleinen Dorfes liegt. Er ist jetzt auf der Hut, in der Nähe von Menschen gilt es, vorsichtig und geduldig zu sein. Wieder hält er inne. Der Geruch kommt von der Rückseite des Hauses. Der Wolf wartet. Schließlich bewegt er sich. Als er zu dem Haus kommt, sieht er den frischen Kadaver. Er zieht die schwere Beute zum Waldrand. Noch hat niemand ihn entdeckt, nicht einmal Hunde bellen. Das Schweigen an diesem kalten Morgen ist vollkommen.

Am Waldrand beginnt der Wolf zu fressen. Es geht leicht, weil das Fleisch noch nicht gefroren ist. Er ist jetzt sehr hungrig. Nachdem er einen Lederschuh von einem Fuß gezerrt hat, beginnt er, das Bein von unten her abzunagen.

In der Nacht hat es geschneit, danach hat es aufgehört. Während der Wolf frisst, fallen wieder leichte Schneeflocken auf den gefrorenen Boden.

2

Beim Erwachen erinnerte sich Karsten Höglin daran, dass er von einem Bild geträumt hatte. Er lag im Bett und fühlte den Traum langsam zurückkehren, als schickte das Negativ des Traums ihm eine Kopie ins Bewusstsein. Er kannte das Bild. Es war schwarzweiß und zeigte einen Mann, der auf einem alten Eisenbett saß, an der Wand hing ein Jagdgewehr, und zu seinen Füßen stand ein Nachttopf. Als er es zum ersten Mal gesehen hatte, war er vom wehmütigen Lächeln des alten Mannes angerührt worden. Er hatte etwas Scheues und Abwartendes an sich. Viel später hatte Karsten erfahren, was im Hintergrund des Bildes verborgen war. Der Mann hatte, einige Jahre bevor das Bild aufgenommen wurde, seinen einzigen Sohn bei einer Wasservogeljagd erschossen. Seitdem hing das Gewehr dort an der Wand, und der Mann war immer sonderlicher geworden.

Von den Tausenden von Bildern und Negativen, die er gesehen hatte, war dies eins, das er nie vergessen würde, dachte Karsten Höglin. Er wünschte, er hätte es selbst aufgenommen.

Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte halb acht. Normalerweise wachte Karsten Höglin sehr früh auf. Aber er hatte in dieser Nacht schlecht geschlafen, und die Matratze war durchgelegen. Er würde sich beschweren, wenn er die Hotelrechnung bezahlte und abfuhr.

Es war der neunte und letzte Tag seiner Reise. Er arbeitete an einer Dokumentation über verlassene Dörfer und von der Entvölkerung bedrohte Ortschaften, und ein Stipendium hatte ihm die Reise ermöglicht.

Jetzt befand er sich in Hudiksvall und hatte noch ein Dorf zu fotografieren. Dass er genau dieses Dorf gewählt hatte, lag an einem alten Mann, der von seiner Dokumentation gelesen und ihm in einem Brief von dem Ort erzählt hatte, an dem er selbst lebte. Der Brief hatte Karsten Höglin beeindruckt, so dass er beschloss, seine Fotoreise dort zu beenden.

Er stand auf und zog die Gardine zur Seite. Es hatte in der Nacht geschneit. Es war grau, am Horizont war noch keine Sonne zu sehen. Eine dick vermummte Frau radelte unten auf der Straße vorbei. Karsten blickte ihr nach und fragte sich, wie kalt es sein mochte. Minus fünf Grad, vielleicht minus sieben. Nicht mehr.

Er zog sich an und fuhr mit dem langsamen Aufzug nach unten. Seinen Wagen hatte er auf dem Innenhof des Hotels geparkt. Dort stand er sicher. Die Fototaschen nahm er trotzdem immer mit aufs Zimmer. Sein schlimmster Albtraum war, eines Tages vor seinem Wagen zu stehen und zu entdecken, dass seine Fototaschen fort waren.

An der Rezeption war eine junge Frau, fast noch ein Teenager. Er sah, dass sie nachlässig geschminkt war, und ließ den Gedanken fallen, sich über das Bett zu beschweren. Er würde doch nie wieder in dieses Hotel zurückkommen.

Im Frühstücksraum saßen nur wenige Gäste, über ihre Zeitungen gebeugt. Einen Moment lang fühlte er sich versucht, eine Kamera herauszuholen und ein Bild dieses von Schweigen erfüllten Frühstücksraums zu machen. Irgendwie vermittelte es ihm den Eindruck von einem Schweden, das immer schon so ausgesehen hatte. Schweigende Menschen, über Zeitungen und Kaffeetassen gebeugt, jeder mit seinen eigenen Gedanken, seinem eigenen Schicksal befasst.

Er gab den Gedanken auf, schenkte sich Kaffee ein, machte sich zwei belegte Brote und nahm ein weichgekochtes Ei. Weil keine Zeitung mehr für ihn da war, aß er schnell. Es widerstrebte ihm, allein an einem Tisch zu sitzen und zu essen, ohne etwas zu lesen zu haben.

Draußen war es kälter, als er erwartet hatte. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und schaute auf das Thermometer neben dem Fenster der Rezeption. Elf Grad unter null. Außerdem noch fallend, dachte er. Der Winter bisher war viel zu warm gewesen. Jetzt kommt die Kälte, auf die wir so lange gewartet haben.

Er stellte die Taschen auf den Rücksitz, ließ den Motor an und begann, die Windschutzscheibe frei zu kratzen. Auf dem Sitz lag eine Straßenkarte. Am Tag zuvor hatte er darauf den Weg zu dem letzten Dorf gesucht, als er nach dem Fotografieren in einem Ort in der Nähe des Hasselasjö eine Pause gemacht hatte. Zuerst würde er die Hauptstraße nach Süden nehmen und bei Iggesund in Richtung Sörforsa abbiegen. Dann gab es zwei Möglichkeiten, er konnte östlich oder westlich vom See fahren, der abwechselnd Storsjön oder Långsjön hieß. Diese Straße war schlecht, wie er an einer Tankstelle an der Einfahrt nach Hudiksvall erfahren hatte. Dennoch beschloss er, sie zu nehmen. Es würde schneller gehen. Und es war ein schönes Licht an diesem Wintermorgen. Er konnte sich schon den Rauch aus den Schornsteinen vorstellen, der senkrecht zum Himmel aufstieg.

Er brauchte vierzig Minuten. Da hatte er sich einmal verfahren und war auf eine Straße eingebogen, die nach Süden führte, nach Näcksjö.

Hesjövallen lag in einem kleinen Tal an einem See, an dessen Namen Karsten sich nicht erinnerte. Vielleicht Hesjön? Die dichten Wälder reichten bis an den Rand des Dorfs, das an dem zum See hin abfallenden Hang lag, auf beiden Seiten der Landstraße, die nach Hälsingland hinaufführte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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