Der gebundene Mondkalender der Germanen - Andreas E. Zautner - E-Book

Der gebundene Mondkalender der Germanen E-Book

Andreas E. Zautner

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Beschreibung

Ein jeder von uns ist bestens vertraut mit dem nunmehr weltweit verbreiteten gregorianischen Kalender, der durch Reformierung des julianischen Kalenders entstanden ist. Bei beiden Kalendersystemen handelt es sich um reine Sonnenkalender, bei denen der Lauf des Mondes keinerlei Rolle für die Jahreszählung spielt. Doch vor der Einführung der reinen Sonnenkalender benutzten in Europa sowohl Römer, Griechen als auch Gallier und Germanen gebundene Mond- oder Lunisolarkalender, bei denen der Mond der maßgebliche „Jahrzähler“ war. Neben dem gut überlieferten römischen und griechischen Lunisolarkalendern konnte der gallorömische Lunisolarkalender aus den Fragmenten von Coligny und Villards d’Héria weitestgehend rekonstruiert werden. Dieses Buch versucht nun anhand von antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Literaturquellen die Charakteristika des gebundenen Mondkalenders der Germanen zusammenzustellen. Dieser gebundene Mondkalender hat nicht nur seine Spuren in alten Gesetzbüchern und den mythologischen Überlieferungen der Eddas und Sagas hinterlassen. Er wurde noch lange, d.h. bis in 17. Jahrhundert, parallel zur Berechnung von Jahreskreisfesten benutzt. Diese Jahreskreisfeste im gebundenen Mondjahr bilden nach der Rekonstruktion der Schaltregeln des Lunisolarkalenders der Germanen den zweiten Schwerpunkt des Buches. In Exkursen über die antiken Kalender wird auch auf die Ursprünge von bekannten Festen wie Weihnachten und Ostern eingegangen. Den Abschluss bilden die Festlichkeiten im Rahmen des (inklusiven) neunjährigen Schaltzyklus (Oktaeteris) dieses gebundenen Mondkalenders und der damit verbundene Mythos „Vom Tod König Auns“, der uns als Teil der Ynglingasaga überliefert wurde.

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Andreas E. Zautner

Der gebundene

Mondkalender

der Germanen

Rekonstruktion eines Lunisolarkalenders nach antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen

Edition Roter Drache

Abkürzungsverzeichnis

aeng.

altenglisch

ahd.

althochdeutsch

an.

altnordisch

as.

angelsächsisch

eng.

Englisch

fin.

finnisch

got.

gotisch

gr.

griechisch

Hrsg.

Herausgeber

lat.

lateinisch

no.

norwegisch

S.

Seite

schw.

schwedisch

urgerm.

Urgermanisch

WSW

Wintersonnenwende

2. Auflage Februar 2018

Copyright © 2017 by Edition Roter Drache

Edition Roter Drache – Holger Kliemannel, Haufeld 1,

07407 Remda-Teichel

[email protected]; www.roterdrache.org

Umschlag- und Buchgestaltung: Edition Roter Drache

Titelbild: Sören Hallgren/ The Swedish History Museum

Lektorat: Isa Theobald

Gesamtherstellung: MCP Druck

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018

Alle Rechte der Verbreitung in deutscher Sprache und der Übersetzung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Ton- und Datenträger jeder Art und auszugsweisen Nachdrucks sind vorbehalten.

ISBN 978-3-964260-34-5

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 1. Auflage

Vorwort zur 2. Auflage

1. Die Weltmühle dreht sich

2. Vorbetrachtungen: Von Nächten, Tagen und Wochen

2.1. Die Unterteilung des Tages und der Nacht

2.2. Die Woche

2.2.1. Die Neun-Nächte-Woche bei den baltischen Völkern

2.2.2. Der Nundinalzyklus der Römer

2.2.3. Die Sieben-Tage-Woche (Planetenwoche)

2.2.4. Die Fünf-Tage Woche bei Färingern und Kelten

3. Die Vierteilung des Monats

3.1. Exkurs I: Die Unterteilung des Monats bei Etruskern und Römern

4. Die Monatsnamen

4.1. Die Problematik der zwei Jólmonate

4.2. Der Schaltmonat

4.3. Die regulären Monate

5. Welche Arten von Kalendern gibt es?

6. Die germanischen Lunisolarkalender

6.1. Der 13-Monats-Kalender der Angeln nach Beda Venerabilis

6.2. Der 13-Monats-Kalender der Dänen nach Olaus Wormius

6.3. Der färöerische Lunisolarkalender nach Niels Winther

6.4. Der isländische oder nordische Wochenkalender

7. Das Mit- und Nebeneinander der verschiedenen Kalendersysteme

7.1. Exkurs II: Der julianische Kalender, der 25. Dezember und die Wintersonnenwende

7.2. Exkurs III: Die gregorianische Kalenderreform oder von der Diskrepanz zwischen Sonnenkalender und Sonne

7.3. Vom Mond- zum Lunisolarkalender

7.3.1. Die Diskrepanz zwischen Mond- und Sonnenjahr

7.3.2. Die Wintersonnwende als solares Fixdatum

7.3.3. Exkurs IV: Das Dodekahemeron

7.4. Die Schaltregel des germanischen Lunisolarkalenders

7.4.1. Die Bedeutung der Differenz zwischen Mond- und Sonnenjahr für die Monatsschaltung

7.4.2. Winter-, Jól-, und Distingsregeln im mittelalterlichen Schrifttum

7.4.2.1. Die Jólmondregel
7.4.2.2. Die Distingsregeln
7.4.2.4. Der Finnisch-/Saamische Jahreskreis und dessen Schaltregel
7.4.2.5. Fazit der Merkregeln zur Bindung des Mondjahres an das Sonnenjahr

8. Der Lunisolarkalender in der germanischen Mythologie

9. Die Jahreszeiten

9.1. Der zweigeteilte Jahreskreis: Winter und Sommer

9.2. Der viergeteilte Jahreskreis

9.3. Der dreigeteilte Jahreskreis

10. Die Hohen Zeiten des germanischen Jahreskreises

10.1. Die Sonnenbindung über die beobachtbare Wintersonnenwende

10.1.1. Die Mütternacht

10.1.2. Das Ende der Polarnacht

10.2. Die mondgebundenen Festtage in der Tradition des zwei- bzw. vier geteilten Jahreskreises

10.2.1. Das Winternächteopfer

10.2.2. Mittwinter

10.2.2.1. Die Zwölf Nächte und der Dreizehnte Tag im Wochenkalender
10.2.2.1.1. Die Zwölf Nächte im altenglischen Schrifttum
10.2.2.1.2. Die Zwölf Nächte im Brauchtum
10.2.2.1.3. Der Dreizehnttag auf dem Primstav
10.2.2.1.4. Die Zwölf Nächte als Zeit der Ruhe

10.2.3. Sommerbeginn im zweigeteilten Jahreskreis

10.2.4. Altes Mittsommer – Fahrtage und Brautläufe

10.2.5. Archäologische Belege für die Opferfeste an den Quartalstagen

10.2.6. Die Termine für Vár-, All- und Herbstding

10.3. Festtage außerhalb der Quartalseinteilung des Jahres

10.3.1. Þorrablót – Góiblót – Frøblót und das jährliche Disting in Uppsala

10.3.2. Spurcalia, alte Fasnacht und Funken

10.4. Weniger bedeutsame oder der Quellenlage nach spekulative Jahreskreisfeste

10.4.1. Der heilige Herbstmond

10.4.2. Schlachtfeste im Blótmond

11. „Alle neun Jahre“ – Festlichkeiten im Neunjahreszyklus

11.1. Rekonstruktion des Neunjahreszyklus

11.1.1. Exkurs V: Der griechisch-attische Kalender

11.1.2. Exkurs VI: Die Oktaeteris als Zeitmaß für die Delphischen Spiele

12. Wie lange wurde gefeiert?

13. Das Neunjahr

13.1. Heimdall und die Oktaeteris

13.2. Oegirs neun Töchter

13.3. Njörds neun Töchter

13.4. Odin, Baldr und Draupnir

13.5. Hermóðs Helfahrt

13.6. Odins Selbstopfer

13.7. Grimnir bei König Geirröd

13.8. Die neun Kessel des Hymir

14. Zusammenfassende Rekonstruktion des gebundenen Mondkalenders

Anhang A: Liste der Feiertage des römischen Lunisolarkalenders

Anhang B: Liste der Eintragungen auf den Primstab

Anhang C: Franks Casket: Ein Schicksalszauber und der Lunisolarkalender

Nachwort

Danksagung

Der Autor

Vorwort zur 1. Auflage

Heutzutage benutzen wir nahezu auf der gesamten Welt den gregorianischen Kalender, der durch Reformierung des julianischen Kalenders entstanden ist. Dieser Kalender ist ein reiner Sonnenkalender, bei dem der Lauf des Mondes keinerlei Rolle für die Einteilung des Jahres spielt. Von der römischen Antike über das Mittelalter hinweg bis in die Neuzeit fand er weltweite Verbreitung.

Dieser Sonnenkalender hat seinen Ursprung im antiken Ägypten. Das Land am Nil war schon seit Jahrtausenden ein Zentrum des Sonnenkultes und Pharao Amenophis IV. (Echnaton) setzte bereits im 14. Jahrhundert v. Chr. die Verehrung des Sonnengottes Aton (Re) als oberste Gottheit durch. Dieser ägyptische Sonnenkult inspirierte auch die alexandrinisch-hellenistischen Gelehrten.

Im Jahre 47 v. Chr. reiste Gaius Julius Caesar nach Ägypten, genauer gesagt nach Alexandria, dem seinerzeit wahrscheinlich größten Zentrum der Wissenschaft weltweit. Dort ließ er sich von Acoreus, Sosigenes und anderen in Alexandria ansässigen Astronomen in die Komputistik des Sonnenkalenders einführen. Zwei Jahre später, im Jahre 45 v. Chr. wurde durch Gaius Julius Caesar ein ursprünglich hellenistisch-ägyptischer Sonnenkalender im gesamten Römischen Reich eingeführt.

Doch bevor dieser Sonnenkalender eingeführt wurde, war es insbesondere auf dem eurasischen Kontinent üblich, die Jahre (auch) nach dem Mond zu bestimmen. Sowohl Römer als auch Griechen, Kelten, Balten und Germanen benutzten anfänglich Lunisolarkalender, bei denen der Lauf von Sonne und Mond durch das Einfügen eines Schaltmonats aufeinander abgestimmt wurde.

Einen dieser Lunisolarkalender verwendete man noch im 17. Jahrhundert in Gamla Uppsala, dem alten Zentrum des schwedischen Königreiches. Dort wurde der Termin des Distingsmarktes, der seinen Ursprung in einem germanischen Fest hatte, weiterhin mit Hilfe von sogenannten Primstäben nach einem gebundenen Mondkalender berechnet. In Reisetagebüchern wie dem von Erich Lasota von Streblau und einigen Chroniken wie denen von Olaus Magnus und Olaus Wormius sind entsprechende Merkregeln hierfür erhalten. Mit Hilfe dieser Merkregeln und anderen Fragmenten, die verstreut über eine Reihe von Literaturquellen erhalten sind, soll in diesem Buch versucht werden, den gebundenen Mondkalender der Germanen zu rekonstruieren, wie er nachweislich in England bis zum 7. Jahrhundert und in Skandinavien bis ins 11. Jahrhundert Verwendung gefunden hat. Der deutsche Germanist und Literaturhistoriker Wolfgang Golther hatte in seinem Handbuch der Germanischen Mythologie (1908) einst behauptet, dass man einen derartigen Lunisolarkalender nicht rekonstruieren könne, da es hierfür zu wenig Quellen gäbe. Doch die Quellenlage ist bei tieferer Recherche gar nicht so gering.

Natürlich ist dies nicht der allererste Versuch sich diesem Mondkalender zu nähern. Insbesondere die Vorarbeiten von dem schwedischen Philologen und Religionshistoriker Martin Persson Nilsson (1920) und dem gleichfalls aus Schweden stammenden Religionshistoriker Andreas Nordberg (2006) sind bereits hier im Vorwort zu würdigen. Im Vergleich zu ihren Vorarbeiten soll in diesem Buch jedoch auch mehr auf kontinentaleuropäische Aspekte eingegangen werden und vor allem die Festtage im Jahreskreis werden eine stärkere Berücksichtigung finden. Im hinteren Teil des Buches werden sowohl die Festzeiten der germanischen Religion, die in den alten Sagas auch als Firne Sitte (an. forn siðr; Steinsland, 2005) bezeichnet wurde, als auch die Termine der eher weltlichen Dingversammlungen, vor dem Hintergrund des Lunisolarkalenders behandelt werden. Darüber hinaus gibt es im Bezug auf einzelne Aspekte unterschiedliche Sichtweisen im Vergleich zu den Vorarbeiten der anderen Autoren.

Bei der Rekonstruktion des gebundenen Mondkalenders werden die aus verschiedenen Epochen vorhandenen Literaturquellen vornehmlich unter der Maßgabe einer gewissen astronomischen Logik betrachtet und dieser Logik Folge leistend zu einem funktionellem Lunisolarkalender zusammengefügt.

Da wir uns bei der Rekonstruktion des gebundenen Mondkalenders der Germanen insgesamt mit fünf verschiedenen Kalendern, dem julianischen Kalender, dem gregorianischen Kalender, dem Nordischen Wochenkalender und selbstverständlich dem eigentlichen gebundenen Mondkalender, der in einer christlich beeinflussten und in einer „vorchristlichen“ Version (vor 1084) rekonstruiert werden wird, auseinandersetzen müssen, werden entsprechende Datumsangaben zur einfacheren Unterscheidung mit einem hochgestellten Buchstaben versehen (G-gregorianisch, J-julianisch, W-Wochenkalender).

Das Buch versucht insgesamt den Spagat zwischen möglichst hoher Wissenschaftlichkeit und allgemeiner Verständlichkeit. Dem entsprechend werden die einzelnen Quellen weitestgehend vollständig angegeben. Dennoch ist dieses Buch keine wirkliche wissenschaftliche Abhandlung und nicht vergleichbar mit einer Dissertationsschrift, die den Anspruch einer vollständigen Diskussion aller zu diesem Thema veröffentlichten Beiträge erhebt. Trotzdem würde ich mich über Hinweise auf weitere Quellen zu dem Thema freuen, um eine gegebenenfalls in Zukunft erscheinende, verbesserte 2. Auflage dieses Buches mit einem größeren Anspruch auf Vollständigkeit verfassen zu können.

Göttingen, 2013

Andreas Zautner

Vorwort zur 2. Auflage

Nachdem die 1. Auflage dieses Buches vor nun etwa fünf Jahren herausgekommen ist, möchte ich mich zunächst für die durchweg positive Resonanz und Korrespondenz zu diesem Buch bedanken, die mich dazu motiviert hat das Buch an einigen Stellen zu ergänzen und zu überarbeiten. In den wesentlichen Aspekten behält die 1. Auflage dennoch ihre Gültigkeit. Was ist nun also hinzugekommen? Als Einstimmung auf die Prinzipien eines Lunisolarkalenders diente der römische Lunisolarkalender. Hier wurde eine Abbildung zu den Fasti Antiates maiores und ein weiterer Anhang mit einer tabellarischen Auflistung der römischen Feiertage ergänzt.

Die Abhandlungen von Shaw und Udolph zu Ostern und Eostre sowie zu Hretha (Nerthus) sind an entsprechender Stelle in das Buch eingeflossen. In diesem Zusammenhang wurden auch die Etymologie des solmónað und des hréðmónað korrigiert.

Die Beschreibung der Festlichkeiten zum Ende der Polarnacht auf der Insel Thule von Procopios von Caesarea sind nun auch im griechischen Original in diesem Buch abgedruckt. Darüber hinaus konnte durch die geodätischen Analysen zur „Entschlüsselung“ von Ptolemaios Atlas der Oikumene diese Insel Thule nun auch exakt lokalisiert werden.

Ein weiterer indirekter Hinweis in Wulfilias Übersetzung des Kolosserbriefes auf einen gotischen Lunisolarkalender ist hinzugefügt worden.

Der neue Artikel über die Spurcalien von Nathan Ristuccia „The Rise of the Spurcalia“ wurde eingearbeitet.

Die wirklich interessante archäologische Arbeit von Magnell und Iregren, die die Opferfeste an den nordischen Quartalstagen auf dem Areal der Frösö-Kirche im schwedischen Jämtland nachweist, wird vorgestellt.

Die meisten Ergänzungen gab es im Bezug auf das Neunjahr bei den Germanen. So wurde der Runenstein von Stentoften als Quelle für das Neunjahresopfer ergänzt. Es gibt einen weiteren Exkurs über die Oktaeteris als Zeitmaß für die Delphischen Spiele und ein ganz neues Kapitel zum Neunjahr in der germansichen Mythologie.

Zur besseren Verständlichkeit wurde der Anhang über Franks Casket mit der Beschreibung der Ikonografie des Kästchens nahezu verdoppelt.

Um das heidnische Mittwinterfest zum Vollmond, der auf den ersten Neumond nach der Wintersonnenwende folgt, im Lesefluss leichter und eindeutig vom christlichen Weihnachtsfest zur beobachtbaren Wintersonnenwende am 24./25. Dezember unterscheiden zu können, richte ich mich in der 2. Auflage des Buches nach einer in der skandinavischen Literatur zum Teil üblichen Sprachregel und bezeichne nun ersteres mit dem altnordischen Begriff „Jól“ und zweiteres mit dem aktuellen skandinavischen Begriff „Jul“, was jedoch an den Textstellen schwierig wird, in denen von der terminlichen Verlegung des ersten auf das zweite geschrieben wird.

Darüber hinaus gab es hier und da noch einige kleinere Veränderungen.

Ich hoffe, durch diese Ergänzungen wird das Bild von dem oder besser den Lunisolarkalendern, die zwischen Völkerwanderung und später Wikingerzeit in Nordeuropa benutzt wurden, abgerundet und verständlicher.

Göttingen, 2018

Andreas Zautner

1. Die Weltmühle dreht sich – zur Kosmographie der Germanen

Zu Beginn dieses Buches soll zunächst ein schematisierender Blick auf die Kosmographie der Germanen geworfen werden. Dabei sei angemerkt, dass sich diese in ähnlicher Form auch bei anderen antiken, indoeuropäischen Völkern findet.

Interessant hierbei ist zunächst der Wortkern des Begriffes Welt – ahd. Weralt, denn dieser bezeichnet eigentlich eine zeitliche Dimension und zwar das Zeit-alter (-alt), in dem die Menschen (Wer-) existieren. Der ursprüngliche Begriff für den kosmographischen Aufbau des Universums war Weltzimmer (ahd. Weraltzimbar). In seinem Grundaufbau war dieses Weltzimmer oder Weltgefüge dreigeteilt.

In Mittangart (ahd.; an. Miðgarðr) lebten die diesseitigen Menschen. Die große Ebene dieser mittleren Welt wurde als Irmingrunt (ahd.; an. Jörmungrundr), was allergrößter Grund bedeutet, bezeichnet. Nach außen wurde diese Weltebene durch das Weltmeer (ahd. Weraltmeri) begrenzt, welches wiederum ganz außen am Horizont bzw. Weltring (ahd. Weraltring) von einem riesigen Lindwurm (an. Jörmungandr), dem Mittgartswurm (an. Miðgarðsormr) umringt wurde. In der Mitte dieser Welt erhebt sich, wie wir es aus der Vita des Sankt Gallus erfahren, der Weltberg (ahd. Weraltberc) bzw. über diesem die Himmelskuppel, die auch als Himmelsberg (ahd. Himilinberc, an. Himinbjörg) bezeichnet wurde. Wenn man bedenkt, dass ein Weltberg eine Erdhalbkugel approximiert, ist, gemessen an modernen Weltvorstellungen, ein solches Weltbild gar nicht so primitiv.

Im Inneren dieses Weltberges bzw. unter der Weltebene befindet sich die verborgene oder besser verhehlte Welt – die Hellia (ahd.; an. Hel), die u.a. ein Daseinsort der Verstorbenen war.

Über der Menschenwelt Mittgart befindet sich der sogenannte Aufhimmel (ahd. ufhimil, an. upphimin; ae. upheofon). Dort hinein ragt der Gipfel des Welt- bzw. Himmelsberges. Auf dem Gipfel oder besser Gebirgskamm des Welt- bzw. Himmelsberges befand sich die Wohnstätte der Götter. Ein althochdeutscher Begriff für Pfahl, Balken, Dachfirst und dann im übertragenen Sinne auch für Gebirgskamm war ans (ahd.; an. áss, ae. ōs, got. ans, urgerm. ansuz). Dementsprechend hieß diese Wohnstätte der Götter auf dem ans / Gebirgskamm – Ásgarðr (an.). Die Götter wurden dementsprechend als Bewohner dieses Weltbergs-Gebirgsrückens als ensî (ahd.; an. æsir; ae. ēse, got. anseis) bezeichnet. Richard Wagner und andere Nationalromantiker haben diesen Begriff als Asen ins Neuhochdeutsche übertragen, obwohl, basierend auf der althochdeutschen Form ensî, die Bezeichnung Änse die richtigere neuhochdeutsche Schreibweise wäre (Bachmann, 2012). Die Analogie zu den griechischen Göttern, den Olympiern, die auf dem Gipfel des Olymps wohnten, geht auf die gleichen gemeinindoeuropäischen Vorstellungen zurück.

Abb. 1: Schematische Darstellung der germanischen Kosmographie

In der Mitte des Weltberges und der Wohnstätte der Änse befand sich die Weltachse, die Axis mundi, die allergrößte Säule – die Irminsûl (ahd.), die auch als Weltenbaum bzw. Weltesche (an. askr) angesehen wurde.

Doch was uns hier im Besonderen interessiert, ist die dynamische Komponente dieses Weltzimmers, denn dieses dreht sich, wie man leicht vermuten kann.

Abb. 2: Sonne und Mond von den Wölfen der Finsternis verfolgt (John Charles Dollman)

In Strophe 23 des Eddaliedes Vafþrúðnismál sowie in Abschnitt 10 der Gylfaginning aus Snorris Prosaedda erfahren wir, dass Mundilfæri der mythologische Vater von Sonne und Mond ist. Rudolf Simek zufolge kann Mundilfæri auch eine Personifikation des Mondes selbst sein (Simek, 2006). Hiermit wären wir bei den beiden kosmologischen Hauptakteuren dieses Buches, den „Wandelsternen“ Sonne und Mond angelangt, deren Beobachtung die Grundlage für den gebundenen Mondkalender der Germanen bildet.

2. Vorbetrachtungen: Von Nächten, Tagen und Wochen

Bevor wir uns dem eigentlichen Kalender und den Monaten widmen, wenden wir uns den kleineren Zeiteinheiten, den Nächten, Tagen und Wochen zu, um ein Verständnis für das Zeitgefühl der Germanen zu bekommen.

De minoribus rebus principes consultant; de maioribus omnes, ita tamen, ut ea quoque, quorum penes plebem arbitrium est, apud principes pertractentur. Coeunt, nisi quid fortuitum et subitum incidit, certis diebus, cum aut incohatur luna aut impletur; nam agendis rebus hoc auspicatissimum initium credunt. Nec dierum numerum, ut nos, sed noctium computant. Sic constituunt, sic condicunt: nox ducere diem videtur. C.P. Tacitus: De origine et situ Germanorum liber (11)

Über kleinere Dinge beraten die Hohen, über größere Alle, doch so, daß auch Dasjenige, dessen Entscheidung beim Volke ist, bei den Hohen durchgearbeitet wird. Die Gemeinde versammelt sich, wenn nicht etwas Unerwartetes und Plötzliches einfällt, zu bestimmten Fristen, da der Mond anfängt oder voll wird; denn zur Behandlung aller Angelegenheiten halten sie dies für den glückbringendsten Anfang. Übrigens rechnen sie nicht wie wir die Zahl der Tage, sondern der Nächte; so geben sie Bestimmung, so Zusage; die Nacht scheint dem Tage vorauszugehen. (Übersetzung: Fuhrmann, 2000)

Aus diesem Tacitus-Zitat kann man das ursprüngliche Verständnis für den Beginn des Tages zu Mitternacht leicht erkennen. Ein Tag beginnt in der Mitte der Nacht – zu Mitternacht, erreicht vom Morgen zum Mittag, beim höchsten Stand der Sonne, seinen Höhepunkt und findet über den Abend hin zur nächsten Mitternacht sein Ende. Dieses Prinzip hat heute noch seine Gültigkeit. Die ursprüngliche Zählweise nach den Tageswenden, d.h. den Nächten, finden wir noch in alten Feiertagsbezeichnungen wie Weihnachten, den Rauhnächten oder der Walpernacht (Walpurgisnacht). Darüber hinaus wird in diesem Bericht auch die glücksverheißende Rolle des zunehmenden Mondes verdeutlicht. In seinen Annalen berichtet Tacitus noch von einem Fest in einer sternenerhellten Nacht:

…delecta longiore via cetera adcelerantur: etenim attulerant exploratores festam eam Germanis noctem ac sollemnibus epulis ludicram. Caecina cum expeditis cohortibus praeire et obstantia silvarum amoliri iubetur: legiones modico intervallo sequuntur. iuvit nox sideribus inlustris, ventumque ad vicos Marsorum et circumdatae stationes stratis etiam tum per cubilia propterque mensas, nullo metu, non antepositi vigiliis: adeo cuncta incuria disiecta erant neque belli timor, ac ne pax quidem nisi languida et soluta inter temulentos. C.P. Tacitus: Annalium liber primus (50)

Man wählt den längeren [Weg] und befleißt sich in Allem der größten Eile, denn Kundschafter hatten berichtet, daß diese Nacht für die Germanen eine Festnacht sei und mit festlichen Schmausen gefeiert werde. Caecina erhält den Befehl, mit den leichten Cohorten vorzugehen und den Weg durch die Wälder praktikabel zu machen. Die Legionen folgen in mäßiger Distanz. Eine sternhelle Nacht förderte das Unternehmen, und so gelangte man zu den marsischen Dörfern, die man mit Truppenabteilungen umstellte und wo die Bewohner noch in ihren Schlafstätten oder an den Tischen herumlagen, ohne Ahnung einer Gefahr und ohne Wachen aufgestellt zu haben. So sehr war alles aufgelöst in Sorglosigkeit, ohne Furcht vor einem kriegerischen Angriffe, und auch die unter ihnen herrschende Friedensruhe war nur Folge träger Schlaffheit und der augenblicklichen Betrunkenheit. (Übersetzung; Stahr, 1871)

Feste wurden also in der Nacht begangen. Dass hier nicht direkt der Mond als Lichtquelle genannt wurde, kann darauf hindeuten, dass dieser gerade in seiner Neumondphase war.

2.1. Die Unterteilung des Tages und der Nacht

Bezeugt durch alte angelsächsische und altnordische Sonnenscheiben (ae. asol-merca ordægmæl, an. sólarhringr) wissen wir ziemlich genau, wie der Tag in Abschnitte unterteilt wurde. Sowohl der Tag als auch die Nacht wurden in jeweils vier Abschnitte unterteilt. Insgesamt gab es also acht gleichmäßige Abschnitte, sog. Acht (átt oder eykt) (im Sinne von Oktanten). Diese Abschnitte, die nach heutigem Maß ungefähr drei Stunden umfassten, bezeichnete man als stunda (also Stunden) oder auch als tíd (also Zeiten). Die Namen für diese Abschnitte finden wir durchweg in der althochdeutschen, altenglischen und altnordischen Literatur (Anderson, 1998):

0-3 Uhr: Mitternacht (ahd. mittinaht, ae. midniht, an. miðnætti)

3-6 Uhr: Uchte (ahd. ûhta, ae. úht, úhten tid, an. ótta, german. *uhtwón) Morgengrauen, Zeit vor dem Tagesanbruch, wahrscheinlich die Zeit, zu der man besonders Acht geben musste.

6-9 Uhr: Morgen (ahd. morgan, ae. morgen, an. miðr morgun [Mittmorgen])

9-12 Uhr: Untarn (ahd. untarn, ae. undern dial. oanders, aunders, und andrum, an. undorn, undorneykt, nón oder undarn, dä. unden, afr. unden, ond) bedeutet in etwa soviel wie Zwischenzeit oder Mahlzeit

12-15 Uhr: Mittag (ahd. mittitag, ae. middæg, an. miðdagr/miðr dagr/hádegi (Hochtag))

15-18 Uhr: Nachmittag (ae. gelotendæg, an. *eptirmiðdagr)

18-21 Uhr: Abend (ahd. âbant, ae. æfen, an. aptann)

21-24 Uhr: Nacht (ahd. naht, ae. niht, an. nótt)

Viele dieser Begriffe sind noch heute in unserem Wortschatz vorhanden. Ihre genaue Bedeutung bzw. ihr Ursprung ist jedoch kaum jemanden bewusst. Die wichtigste Tagesmarkierung war Mittag. Um den genauen Mittagszeitpunkt zu bestimmen orientierte man sich an der Landschaft, meistens an einem sogenannten Mittagsberg, den wir bis heute noch als Landschaftsbezeichnung finden: Middagsfjället, Middagshorn, Middagshaugen, Middagsnib, Middagsberg und Middagsfjeld (Anderson, 1998).

In der sechsten Strophe der Völuspá (Der Seherin Weissagung) werden fünf der acht Stunden des Tages zusammen mit anderen Zeitbegriffen aufgeführt, allerdings nicht in ihrer zeitlichen Reihenfolge, sondern nach den Regelungen des Stabreimes geordnet.

Altnordisch

Deutsche Übersetzung

Þá gengu regin öll

Da gingen all die Räte

á rökstóla,

zu den Ratssitzen,

ginnheilög goð,

Hochheilige Götter

ok um þat gættusk;

um Rat zu halten:

nótt

ok niðjum

Der

Nacht

und dem Nidmond

nöfn of gáfu,

gaben sie Namen,

morgin

hétu

hießen den

Morgen

ok

miðjan

dag

,

und die

Mitte des Tages

,

undorn

ok

aftan

,

(sowie)

Untarn

und

Abend

,

árum at telja.

die Jahre zu zählen.

(Eigene Übersetzung)

2.2. Die Woche

2.2.1. Die Neun-Nächte-Woche bei den baltischen Völkern

Im 14. Jahrhundert wurde im Großfürstentum Litauen nachweislich ein Lunisolar-kalender benutzt. Die Arbeitsweise dieses Kalenders konnte mit Hilfe des 1680 entdeckten Zepters des Großfürsten Gediminas entschlüsselt werden. Dieses beweist, dass auch die alten Balten, d.h. die Litauer, den siderischen Monat in drei Teile untergliederten und demnach eine Neun-Nächte-Woche benutzten. In diesem Kalender begann das Jahr im April und war in 12 Monate unterteilt, die 29-31 Tage umfassten. Jeder dieser Monate begann mit einem Neumond. Die Monate sind auf dem Zepter durch Symbole versinnbildlicht (Gusev, 1865; Klimka, 1995).

Abb. 3: Gediminas Zepter, ein mittelalterlicher Litauischer Kalender auf der Grundlage einer Jahresunterteilung von 12 Monaten und einer 9-Tage-Woche

2.2.2. Der Nundinalzyklus der Römer

Auch in der Römischen Republik benutzte man eine achttägige bzw. neunnächtige Woche, die sogenannte „Marktwoche“. Sie ist als Erbe der Etrusker anzusehen. Der lateinische Ausdruck für diesen Marktrhythmus war bzw. ist Nundinalzyklus (Graf, 1997). Das lateinische Nundînae bedeutet einfach neuntägig. Mit dem Begriff benannte man sowohl die Art dieses Wochenrhythmus als auch den darin mit einbezogenen Markttag selbst. Die Bezeichnung „neuntägig“ ist dabei vielleicht etwas irreführend, da die Länge der Nundinal-Woche in Ihrer Summe nur acht Tage ergibt. Dies lässt sich jedoch einfach aus der, in der Römischen Republik üblichen, inklusiven Zählweise erklären, denn hier wurden die beiden flankierenden Markttage mit eingerechnet. Dass heißt, zwischen den einzelnen Marktagen (lat. Nundinales dies) lagen nur sieben Tage. Allerdings werden acht Tage, wie oben geschrieben, von neun Nächten flankiert. Beginnend mit dem 1. Januar sind die Tage einer Marktwoche im Kalender mit den Nundinalbuchstaben „A“ bis „H“ fortlaufend gekennzeichnet worden. Der Buchstabe für den Markttag wechselte jährlich, da die Anzahl der Tage eines Jahres (365 Tage) kein Vielfaches von 8 (Tagen) ist. Hier haben wir im Prinzip einen in der Römischen Republik parallel benutzten Wochenkalender, wie wir ihn auch auf Island und den Färöern vorfinden werden (dazu später mehr).

Der Nundinalzyklus war für das tägliche Leben in der Römischen Republik ein grundlegender Rhythmusgeber. Am Markttag fuhren die Menschen vom Lande in die Stadt, und die Stadtbewohner kauften ihre Naturalien für die nächsten 8 Tage. Während der frühen Reichsperiode, nachdem auch der julianische Kalender eingeführt worden war, wurde der Nundinalzyklus schließlich durch die siebentägige Woche ersetzt. Das System der Nundinalbuchstaben ist jedoch an die neue siebentägige Wochenlänge angepasst worden. So haben die Sonntagsbuchstaben ihre Vorläufer im Nundinalsystem. Für eine gewisse Zeit existierten die Sieben-Tage-Woche und der Nundinalzyklus parallel nebeneinander. Als jedoch unter Konstantin dem Großen im Jahre 321 die christliche Sieben-Tage-Woche mit dem Sonntag als Ruhetag offiziell eingeführt wurde, kam der Nundinalzyklus vollends außer Gebrauch.

2.2.3. Die Sieben-Tage-Woche (Planetenwoche)

Die Sieben-Tage-Woche ist eine Erkenntnis der Astronomen des alten Orients (nach Walthard, 2010). Teilt man die Zeiträume des zunehmenden und des abnehmenden Mondes, d.h. die obsigende (zunehmende) und die nidsigende (abnehmende) Hälfte des Monats in zwei Teile, erhält man jeweils zwei Wochen zu sieben Tagen.

Die alten Astronomen ordneten jedem der sieben Tage einen bestimmten Planeten und damit eine bestimmten Gottheit zu. Die Römer übernahmen diese Einteilung, und zur Zeit des römischen Reiches in den ersten Jahrhunderten der neuen Zeitrechnung verbreiteten sich diese Zuordnungen, wohl zusammen mit dem julianischen Kalender, auch im germanischen Raum. Dabei wurden die römischen Götternamen durch germanische Götternamen ersetzt. So wurde zum Beispiel aus dem babylonischen Tag des Nergal der Tag des Ares, dann der Tag des Mars und schließlich der des germanischen Zius.

Bei der Übernahme der Sieben-Tage-Woche von den Römern, die in etwa im 2.-3. Jahrhundert, d.h. in der römischen Kaiserzeit, stattgefunden haben soll (Maier, 2003), wurde auch die Gepflogenheit übernommen, die Woche mit dem dies Jovis, d.h. mit dem Donnerstag, beginnen zu lassen. So sollen beispielsweise nach dem isländischen Gesetzesbuch – Graugans die Fahrtage mit dem ersten Donnerstag sechs Wochen nach Sommeranfang beginnen, d.h. mit dem Donnerstag in der 7. Woche nach dem 14. AprilW. Genau 4 Wochen später tagte laut Graugans das Allding gleichfalls ab einem Donnerstag für die folgenden zwei Wochen. Auch der Brauch, dass der Osterhase (regional auch heute noch) die Eier am Gründonnerstag bringt, könnte ein Relikt dieser Regelung sein. Im Indiculus (c. 20) finden wir „de feriis, quae faciunt Iovi vel Mercurio“, d.h. neben dem Donarstag/dies Jovis sollte auch der Wodanstag/dies Mercurii geheiligt werden. So bildeten Wodans- und Donarstag das damalige Wochenende. Die Namen der Wochentage seien im Folgenden aufgeführt:

Donnerstag: Der dies Jovis, der Tag des Blitzeschleuderers Zeus-Jupiter, wurde von den Germanen als Donars-Tag aufgefasst. Außer im Bayerischen, wo Pfinztag eine kirchliche Korrektur widerspiegelt, hat sich der Name im ganzen deutschen Raum erhalten. Der Donnerstag war sowohl bei Germanen als auch den Römern der erste Tag der Woche und hatte damit eine ähnliche Stellung wie heute der Sonntag. Er war eine Art allwöchentlicher Feiertag.

Freitag: Die römische Göttin Venus wurde von den Germanen mit Frija gleichgesetzt. Tatsächlich sind beide Namen mit dem altindischen prya (Geliebte) verwandt. Im Alemannischen hat sich die althochdeutsche Form Friijatag in Friitig erhalten. Sie stimmt mit dem altisländischen friadagr überein. In Bayern wurde auch dieser Wochentag mit einem christlichen Namen belegt. Der Pferintag bezeichnete den Rüsttag zum Sabbat. Der Begriff ist mittlerweile ausgestorben.

Sonnabend/Samstag: Die Bezeichnung Sonnabend meint eigentlich den Vorabend des Sonntags und weist auf eine weitere Besonderheit des germanischen Kalenders hin. In allen germanischen Sprachen wird nämlich der Vorabend zum folgenden Tag gezählt. Der heilige Abend ist der Vorabend vor Weihnachten, der dänische Sankthansaften ist der Vorabend von Johanni und der Werk- oder Feierabend ist der Vorabend eines Werktages. Anstatt in Jahren wurde, wie wir später noch genauer sehen werden, in Wintern, und, wie oben gesagt, anstelle von Tagen in Nächten gerechnet. Auch Feste verlegte man im germanischen Kulturraum in die Nacht, neben den obigen Beispielen seien die bei Beda Venerabilis aufgeführte Mütternacht (siehe unten), die Fasnacht und die Perchten-/Hullefrauensnacht genannt.

Der Tag endete also mit dem Abend, und die einbrechende Nacht gehörte bereits zum folgenden Tag. So ging die Wodans-Nacht dem Wodans-Tag voran, so folgte auf den Donars-Tag mit dem Eindunkeln die Frija-Nacht. Der Beginn der Nacht dürfte durch das Erscheinen des Abendsterns gekennzeichnet gewesen sein, der Übergang zum Tag mit dem Erscheinen des Morgensterns. Das Aufgehen der Sonne ist eine alte deutsche Sprachwendung, die Bezeichnung Sonnenuntergang wird, vielleicht wegen ihres apokalyptischen Beiklangs, noch heute von bodenständigen Dialektsprechern im Alpenraum vermieden. Die Bezeichnung Sonnabend (althochdeutsch: sunnunaband) stammt eigentlich aus dem Altenglischen (sunnanæfen) und wurde quasi als Anglizismus durch angelsächsiche Missionare vor allem im Norden Deutschlands eingeführt. Gemäß mittelhochdeutscher Sprichwörter geht die Sonne niemals unter, sondern nur zu Rast und Gnaden. Es war früher eine allgemeine Sitte, beim Anblick von Sonne und Mond freundlich den Hut zu ziehen und die Gestirne zu grüßen.

Diese etwas besondere Benennung des Vortages zum Sonntag lässt sich zum einen aus der Sonderstellung des Sonntages als Mitte und Höhepunkt der Woche im Christentum erklären.

Der Samstag, wie der Sonnabend in den südlicheren Gegenden Deutschlands bezeichnet wird, ist der einzige Tag, der keinen Götternamen trägt, der im Sinne einer interpretatio romana von einer römischen Gottheit abgeleitet wurde. Er ist aus dem Griechischen ins Bayrische gewandert. Der althochdeutsche Sambaztag geht demnach wohl auf den griechischen Sambaton zurück. Im Nordwesten Deutschlands hat sich, wie in England, die Bezeichnung Saterstag, eine direkte Übertragung des lateinischen dies saturni erhalten. Im Norden heißt der Sonnabend laugardagr, d.h. Wasch- oder Badetag. Das samstägliche Baden und Waschen war auch im deutschen Raum bekannt und hat sich in den Alpen bis zum heutigen Tage erhalten. Der Brauch ist entweder uralt oder erst nach der Christianisierung entstanden, da man am Tag des Herrn sauber zu sein hatte. Darüber hinaus finden wir im Altnordischen auch den Ausdruck sunnunótt, also Sonn-Nacht, für die Nacht vor dem Sonntag. Der Begriff Sonn-Nacht, stimmt also inhaltlich mit dem Sonnabend als Ende der Woche überein.

Tab. 1: Übersicht der römischen und germanischen Wochentage

Römisch- Lateinisch

Norwegisch

Altnordisch

Englisch

Altenglisch

Deutsch

Althochdeutsch

Bedeutung

dies Iovi

torsdag

thursday

Donnerstag

Tag des Donar

(Tag des Jupiter)

þórsdagr

þûnresdæg

Donarestag

1. Tag der Woche

dies Veneris

fredag

friday

Freitag

Tag der Frija/Frigg

(Tag der Venus)

frjádagr

oder

freyjudagr

frîgedæg

Frîjatag

dies Saturni

lørdag

Saturday

Sonnabend

Abend/Nacht der Sonne

(Tag des Saturn)

laugardagr

(Saturnstag)

Sunnûnâband

Vor-Sonntag

(Badetag)

sunnanæfen

sunnunótt

dies Solis

søndag

Sunday

Sonntag

Tag der Sonne/Sunna

(Tag der Sonne)

sunnudagr

sunnandæg

Sunnûntag

Mitte der Woche

dies Lunae

mandag

monday

Montag

Tag des Mondes

(Tag des Mondes)

mánadagr

mônandæg

Mânetag

dies Martis

tirsdag

tuesday

Ziestag/Dienstag

Tag des Ziu (=Mars Thingsus)

(Tag des Mars)

týsdagr

tîwesdæg

Zîestag

Tag des Dings

dies Mercurii

onsdag

Wednesday

*Wodanstag

Tag des Wodan

(Tag des Merkur)

óðinsdagr

wôdnesdæg

Wôdanstag

Ende der Woche

Sonntag: Als dies solis – Tag der Sonne – wurde von Germanen und Römern der vierte Wochentag bezeichnet. Im romanischen Bereich setzte sich ab dem vierten Jahrhundert mit der Festigung der Sieben-Tage-Woche der Name dies dominica (Tag des Herrn) durch. Analog hierzu finden wir später auch die Namensform Fronstag (Tag des Herren) im deutschsprachigem Gebiet.

Montag: Analog zum Sonntag wird der fünfte Tag der Woche als Montag, als Tag des Mondes –dies Lunae – bezeichnet. Seine althochdeutsche Form Manatag ist im Dialektwort Määntig erhalten geblieben.

Ziestag/Dienstag: Der römische Mars wurde von germanischen Legionären gemeinhin mit dem Gott Ziu gleichgesetzt. Demnach nannte man den sechsten Wochentag Zîestag. Die Bezeichnungen Ziistag, Ziestag oder Zienstag haben sich im alemannischen Raum gehalten und entsprechen genau dem altnordischen tyrsdagr. Der deutsche Dienstag erklärt sich damit, dass Ziu auch als Mars Thingsus, Schutzgott der Dingversammlung, bekannt war, was jedoch nur einmal inschriftlich bezeugt ist. Ansonsten war der Mars Thingsus faktisch unbekannt. Der Zîestag wurde erst im 17. Jahrhundert mit der Verbreitung der Lutherbibel durch den mittelniederdeutschen dingesdach verdrängt. Die Schreibweise Dienstag geht also allein auf Luther zurück. In Bayern heißt der Dienstag mundartlich auch Ertag, was auf den griechischen Ares oder den Bischof Arius bezogen werden kann. Das schwäbische Aftermontag geht offensichtlich auf eine kirchliche Intervention zurück.

Wodanstag/Gudenstag (Mittwoch): Eine solche kirchliche Umbenennung erklärt ebenfalls den deutschen Namen Mittwoch. Diese harmlose Bezeichnung sollte den dem römischen Tag des Merkurs entsprechenden Wuodanestag (Wodanstag) ersetzen. Im Nordwesten Deutschlands hat sich der Gudenstag erhalten, auch im friesischen Wönsdei und im altnordischen Óðinsdagr zeigt sich der alte germanische Name, der im englischen Wednesday heute weltweit verbreitet ist.

2.2.4. Die Fünf-Tage Woche bei Färingern und Kelten

Niels Winther berichtet uns in seiner Abhandlung über die Frühgeschichte der Färöer, dass dort die älteste Wocheneinteilung des Jahres in sogenannte Fimtern (Fünfern), das heißt in Perioden von fünf Tagen, erfolgt ist (Winther, 1875). Dies sei letztendlich eine rein mathematische Einteilung der 365 Tage des Jahres in 73 Fünfer-Wochen. Der Fehler bei dieser Einteilung beträgt nur etwa einen Tag auf vier Jahre. Als man später durch südlichen (fränkischen – indirekt historisch-römischen) Einfluss auf die Sieben-Tage-Woche umstellte, bestand das Jahr nur noch aus 52 Wochen, die 364 Tage umfassten, so dass man im Sommer wochenlose Tage einfügen musste.

Eine ähnliche Einteilung in eine Fünf-Tage-Woche finden wir nach Plinius im irischen Kalender. Hier wurde der 30-tägige Lunarmonat in sechs Teile untergliedert, bzw. sowohl die Monatshälfte des zunehmenden als auch die des abnehmenden Mondes wurden dreigeteilt, so dass jeder Monat aus sechs Fünf-Tage-Wochen bestand. Diese Fünf-Tage-Woche bezeichnete man als còicide. Drei dieser còicide – Fünf-Tage-Wochen fasste man zu einer fünfzehntägigen còicthiges zusammen. Diese còicthiges entspricht begrifflich der englischen fortnight (ae. fēowertyne niht) bzw. der quinzejours im Französischen. Nach Plinius Aussage ante omnia sexta luna begann jeder neue Lunarmonat am sechsten Tag nach Neumond, d.h. die erste còicide nach Neumond gehörte noch zum Vormonat (Olmsted, 1992).

Zusammenfassend sollte hier festgehalten werden, dass die Wochenfolge und damit auch die Tagesabfolge in einem Sonnen- oder Mond- sowie in einem Lunisolarkalender eine unabhängige, parallele Zusammenfassung von Tagen ist, die eher bei der Organisation des Arbeitslebens als für die Kalenderberechnung von Bedeutung ist. Bei sogenannten Wochenkalendern, d.h. insbesondere beim altisländischen und wahrscheinlich auch gesamtnordischen Wochenkalender, der parallel zum Lunisolarkalender benutzt wurde, sind die Wochen jedoch von Bedeutung, wie wir noch später sehen werden.

Kommen wir nun zu der eigentlichen Grundlage des gebundenen Mondkalenders – den Lunarmonaten.

3. Die Vierteilung des Monats: Zündung, Neu-, Voll- und Nidmond

Die Beobachtung der Mondphasen bildet die Grundlage für den Monat und somit für den gebundenen Mondkalender der Germanen. Bereits Beda Venerabilis schreibt: cursum lunæ suos menses computavere, was soviel heißt wie „Sie berechneten die Monate nach dem Lauf des Mondes.“ Einen Monat anhand der beobachteten Mondphasen bezeichnet man auch als „synodischen Monat“. Die Lunation (abgeleitet von lateinisch Luna für Mond) bezeichnet die Zeitspanne eines vollständigen Mondumlaufs auf seiner Bahn um die Erde im Bezug zur Sonne.

In nahezu allen Mondkalendern beginnt der Monat mit der ersten Sichtung der noch dünnen Mondsichel – der Neumondzündung. Der Begriff Zündung steht hier für das erstmalige Auftreten des Neulichtes und ist eine Lehnübersetzung des schwedischen Begriffs Nytändningen, die im Weiteren noch häufiger Verwendung finden wird (Textbeispiele hierfür folgen im Kapitel über die Schaltregeln).

Der Vollmond bildet die Mitte des Monats. Die Zeiten des zunehmenden und abnehmenden Mondes teilen den Monat in zwei Hälften zu etwa 14 Tagen (eng. fortnight) und jede fortnight zerfällt in je zwei Monatsviertel von etwa sieben Tagen. „Ein nuwe und ein wedil, daz sint vier wochin“, meldet das Mühlhäuser Statut aus dem 13. Jahrhundert und gibt dabei gleich die alten deutschen Bezeichnungen für Neu- und Vollmond an (Walthard, 2010). Grimm vermutete eine Beziehung zwischen dem deutschen Wedel und dem Sanskritwort vidhu (Mond). Der Begriff scheint ein sehr hohes Alter zu haben. Beda venerabilis nennt den Vollmond Filleth, was auch dem gotischen Wort Fullith entspricht. Grimm vermutet Niuwid und Fullid als althochdeutsche Bezeichnungen der Mondphasen.

Im Altnordischen bezeichnete ny das neue Licht des zunehmenden und nið das schwindende Licht des abnehmenden Mondes. Nyji und Niði sind denn auch die Namen zweier Zwerge, die in der Edda auftreten. Das Interlunium, die Zeit, da der Mond nicht zu sehen ist, zählte offenbar zum Nið, zum abnehmenden Mond, wie die schwedische Bezeichnung nedmörk für „stockfinster“ beweist. Im Deutschen heißen die beiden Mondphasen traditionell „im obsigenden“ und „im nidsigenden“ Mond. Die Bezeichnung „Nid si gehend“ legt nahe, dass auch hier mit Nid das Interlunium gemeint ist.

„Ny und Nið“ (Neu und Nid) sind eine in einigen germanischen Sagas und Rechtstexten verwendete Bezeichnung, die zum einen synonym für Monat, aber auch für Mond steht (was eine gewisse Doppeldeutigkeit des Begriffspaares zur Folge hat) und zum anderen die Reihenfolge Monatsbeginn zum Neumond, Vollmond und Monatsende mit dem abnehmenden Mond widerspiegelt und bestätigt. Einige dieser Beispiele seien im Folgenden aufgeführt (Nordberg, 2006 S. 67 ff):

1) Þar baddus þair byggias firir af grica kunungi. vm. ny oc niþar kunungr þann lufaþi þaim Oc hugþi at ai miþ ann manaþr wari. Siþan gangnum manaþi wildi hann þaim bort wisa En þair annzsuaraþv at ny oc niþar wari.e oc e. Oc quaþu so sir wara lufat. (Historia Gotlandiae, 1852 und Holmbäck-Wessén, 1943)

(In der gotländischen Saga wird zunächst berichtet, dass die Bevölkerung auf der Insel Gotland so stark angewachsen ist, dass nicht alle dort genug Raum zum Leben hatten und darum eine Gruppe Gotländer auf einem Schiff nach Griechenland zogen …) Da baten sie den griechischen König sich im [Schein/Anblick des] Neu und Nid niederlassen zu dürfen. Der König versprach ihnen dies und glaubte, dass sie nicht länger als einen Monat bleiben werden. Als ein Monat vorübergegangen war, wollte er sie hinfort schicken. Aber sie antworteten ihm, dass „Neu und Nid“ (als Synonym für Mond) für alle Zeit bestehen und sagten, dass es ihnen so versprochen worden ist. (eigene Übersetzung aus dem Schwedischen nach Nordberg, 2006)

2) Þat er nu þvi nest. at maðr kaupir máns mann at manne oðkaupa nder auf einem Schiff nacht des Begiffspaares zur Folge hat schicken.und darum eine Gruppe Gotländer auf einem Schiff nachrom. kaupa saman laga kaupi oc lyritar. sa scal hallða abyrgð a er sellðe. um ny hit nesta oc niðar. at hann drecce eigi kýr. oc við stiarva oc við stinga. oc við fársottom ollom. oc við þvi at han bere sjalfr land sitt. oc skit af klædom. oc abyrgiasc við leynanda lostom ollom. manað hinn fyrsta. Nu ef sa lostr er einhverr a. þa scal þat kaup a fyrsta manaðe aptr fora. með vattom (Das ältere Gulathingsgesetz; Keyser, R. & Munch, P.A., 1846).

Das ist nun das nächste, daß ein Mann einen unfreien Knecht kauft von einem anderen Manne. Sie schließen einen Kauf nach Gesetz und Recht, da soll die Bürgschaft dabei übernehmen der Verkäufer für den nächsten zu- und abnehmenden Mond, daß er die Kühe nicht melkt, und für Krampf- und Fallsucht (Epilepsie) und alles gefährliche Siechtum, und dafür, daß er selbst sich keinen Harn und Dreck aus den Kleidern schafft, und sich verbürgen für alle verheimlichten Schäden, während des ersten Monats. Nun wenn sich irgendein Schaden herausstellt, da soll er diesen Kauf im ersten Monate rückgängig machen, vor Zeugen. (Meißner, 1935)

3) Bonde skal værþe fa ær fæl. Þræl ok ambut. Þem, ær köpir, bæþi ny ok naþær þar næstu firi brote. æn firi griþum allæn aldær. (Äldre Westgöta-lagen, 1827)

Der Bauer, der einen Leibeigenen oder eine Leibeigene verkauft, steht gegenüber dem Käufer für das nächste Neu und Nid in Verantwortung, wenn diese an Fallsucht (Epilepsie) erkranken, und für alle Zeit für deren rechtmäßige Rückkehr. (eigene Übersetzung aus dem Schwedischen nach Nordberg, 2006)

4) En sidan schal warda fyri trim lastum, Brutfalli, oc Bed roytu, wardar om ny oc nidan, tha en fran beyni werkir, ta wardar til at melis oc sidan fyri brigsl allan alder. (Gutalagen, 1852; Wessén, Gutalagen 32a, översätting, 1943)

Aber dann haftet der Verkäufer für drei Fehler: Für Fallsucht (Epilepsie) und Bettröte (Bluterkrankheit, Hämophilie?) ist er für ein Neu und Nid verantwortlich, für Beinwerk (Knochenschmerzen) ist er für ein Jahr verantwortlich und dann für Tadel alle Zeit. (eigene Übersetzung aus dem Schwedischen nach Nordberg, 2006)

5) Bitir hundir fælaþi manz giældi quict firi döth. Bitir hundir hion. ær ypith baþi a ny oc niþum. Böti firi sex öra. (Dalalagen, 1842)

Wenn ein Hund jemandes Vieh beißt, ersetzt der Eigentümer des Hundes das tote Vieh durch lebendiges Vieh. Wenn ein Hund einen Menschen beißt und die Wunde offen ist, sowohl im Neu als auch im Nid, so muss der Eigentümer des Hundes sechs Öre Strafe zahlen. (eigene Übersetzung aus dem Schwedischen nach Nordberg, 2006)

Auch in der mythischen Dichtung finden wir diesen Ausdruck des „Ny und Nið“ (Neu und Nid) zum Beispiel in der bereits aufgeführten sechsten Strophe der Völuspá:

Altnordisch

Deutsche Übersetzung

Þá gengu regin öll

Da gingen all die Räte

á rökstóla,

zu den Ratssitzen,

ginnheilög goð,

Hochheilge Götter um

ok um þat gættusk;

Rat zu halten:

nótt ok

niðjum

Der Nacht und dem

Nidmond

nöfn of gáfu,

gaben sie Namen,

morgin hétu

hießen den Morgen

ok miðjan dag,

und die Mitte des Tages,

undorn ok aftan,

(sowie) Untarn und Abend,

árum at telja.

die Jahre zu zählen.

Sowie in der Strophe 25 der Vafþrúðnismál:

Altnordisch

Deutsche Übersetzung

Dellingr heitir,

Tägling

heißt

hann er Dags faðir,

des Tages Vater,

en Nótt var Nörvi borin;

und die Nacht war von Nörr

*

geboren.

ný ok nið

Neu und Nid

skópu nýt regi

n

schufen neue Götter/Räte

öldum at ártali.

den Menschen als Jahrzähler

* Nörr ist eine andere Bezeichnung für Nacht vgl. aeng. narouua und ist etymologisch verwandt mit narrow eng. schmal, eng

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Mondmonat mit dem ersten Erscheinen des neuen Lichts, dem Nuwe, Ny oder Neu beginnt, dann obsigend bis zum Erreichen des Vollmondes, des Wedels oder Fullids, und nidsigend bis zum erreichen des Nið oder Nid, der lichtlosen Zeit, ist, die das Ende des Monats darstellt. Der vollständig verschwundene Mond wird im Volksmund auch als „Schwarzmond“ oder gar als „Höllenmond“ bezeichnet. Die Dauer der Schwarzmondzeit beträgt drei Nächte. Danach erscheint ein nächster Neumond.

Zwei Ausnahmen von dieser Regel sind der isländische Kalender des Ari Þorgilson in fróði, bei dem die Monate von Voll- zu Vollmond und nicht von Neu- zu Neumond gerechnet wurden, sowie der Färöerische Mondkalender, in dem die Monatsrechnung abwechselnd Voll- zu Vollmond bzw. Neu- zu Neumond vorgenommen wurde, da nur ein halber Monat eingeschaltet wurde (siehe unten).

3.1. Exkurs I: Die Unterteilung des Monats bei Etruskern und Römern

Um an dieser Stelle das im weitesten Sinne gemein-indoeuropäische Prinzip der Unterteilung des Lunarmonats in vier Abschnitte (Zündung, Neu-, Voll- und Nidmond) und die damit verbundenen religiösen und kultischen Aspekte zu verdeutlichen, möchte ich hier einen Exkurs zu den Etruskern bzw. Römern einschieben.

Auch bei den Etruskern und ihren kulturellen Erben, den Römern, begann der Monat mit der Neumondsichel, genauer gesagt mit der Ausrufung der beobachteten Neumondsichel. Die Ausrufungen der Neumondsichel nannte man Kalendae oder Kalenden in Ableitung von dem Begriff kalo für Ausrufungsritual. Ausgerufen wurde jedoch nicht die Beobachtung der Neumondsichel selbst, sondern wieviele Tage bis zum ersten Mondviertel abgeschätzt wurden, denn dann war eine öffentliche Versammlung. Diese Bekanntgabe erfolgte durch das fünf bis siebenfache Anrufen (je nachdem wieviele Tage bis zum ersten Mondviertel geschätzt wurden) der römischen Mondgöttin Iuno Covella, die auch, gemäß ihrer Funktion, als Iuno Kalendaris bekannt war. Da es immer mindestens fünf An- bzw. Ausrufungen waren, wird der Begriff der Kalendae ausschließlich in der Mehrzahl benutzt. Die Ausrufungen erfolgten durch einen sakralen Beamten, einen sogenannten Pontifex des Opferkönigs (rex sacrorum). Darüber hinaus opferte an dem Tag der Ausrufung die Ehegattin des Opferkönigs, die Opferkönigin – regina sacrorum, der Mondgöttin Iuno Covella ein weibliches Schaf oder Schwein.

Der nächste bedeutende Tag im römischen Lunarmonat war also der an den Kalenden ausgerufene Versammlungstag, der neunte Tag vor Vollmond. Nach der in Rom üblichen inklusiven Zählweise lagen diese als Nonae oder Nonen bezeichneten Tage in Monaten mit 29 Tagen auf dem fünften und in Monaten mit 31 Tagen auf dem siebten Tag. Bei den Nonen-Versammlungen wurden durch den Opferkönig die Festtage und die Veranstaltungsorte der Feierlichkeiten für den jeweiligen Monat bekanntgegeben.

Im Abstand einer Nundial-Woche folgten dann die wichtigsten Tage des Monats, die Vollmondtage, die sogenannten Idae oder Iden. In den 31 Tage andauernden Monaten: März (Martius), Mai (Maius), Juli (Quintilis) und Oktober (October) fielen diese Iden auf den 15. Tag im Monat, in den verbleibenden 29-Tage-Monaten auf den 13. Tag des Monats. Der Idus-Tag war der Höhepunkt des Monats und dem obersten Himmelsgott Iuppiter geweiht, dem an diesem Tag ein weißer Widder geopfert wurde. Des Weiteren wurden auch Wagenrennen und Zweikämpfe veranstaltet.

Eine weitere Nundial-Woche später, in der Phase des abnehmenden Mondes, waren die sogenannten Terminalien bzw. Tubilustrien. Die Tubilustrien haben ihren Namen von den priesterlichen Tubicines, den Trompetenbläsern, die zur Stärkung des Mondes bzw. der Mondgöttin in der Phase des abnehmenden Mondes ihre Instrumente spielten. Zum Tubilistrium wurde auch eine Versammlung abgehalten und ein Lamm geopfert.

Noch eine weitere Nundial-Woche später waren demnach die Kalendae des nächsten Monats (nach Rüpke, 1995 und 2006).

Abbildung 4 zeigt die Fasti Antiates maiores. Sie sind der bislang einzige und damit älteste archäologisch bewahrte römische Wandkalender aus der Zeit vor der julianischen Kalenderreform. Hier sind für alle 13 Monate, d.h. einschließlich des Schaltmonats mensis intercalaris, die Kalendae mit einem „K“ jeweils am 1. Tag des Monats, die Nonae mit „NON“ jeweils am 5. Tag des Monats und die Idae mit „EIDVS“ jeweils am 13. oder 15. Tag des Monats vermerkt. Die Tubilustrien sind mit „TVBIL“ für den 23. März und den 23. Mai, und die Terminalien sind mit „TERM“ für den 23. Februar verzeichnet.

Abb. 4: Die Fasti Antiates maiores (Rekonstruktion) sind der älteste erhaltene römische Kalender aus der Zeit vor der julianischen Kalenderreform.

4. Die Monatsnamen

Allein anhand der Auflistung der Monatsnamen kann man erkennen, ob es sich bei der jeweiligen Monatsreihe um einen Lunisolarkalender handelt oder nur um einen reinen Solarkalender. Kriterien für einen Lunisolarkalender sind zum einen Doppelmonate und zum anderen Schaltmonate, das heißt, ein Name für einen dreizehnten Monat ist in der entsprechenden Monatsreihe angegeben. Aber auch die anderen Monatsnamen sind nicht uninteressant, da sie Hinweise auf Feste und Jahreszeiten geben können.

4.1. Die Problematik der zwei Jólmonate

Ein sowohl bei West-, Nord- als auch Ostgermanen nachgewiesener Doppelmonat ist bzw. sind die beiden Jólmonde. Die älteste vollständige germanische, d.h. angelsächsische Monatsreihe finden wir bei Beda Venerabilis in seinem Werk De Temporum ratione, in dem Kapitel de mensibus anglorum. Beda berichtet hier:

Der erste Monat, den die Lateiner Januar nennen, heißt Giuli […] und den Dezember (nennen sie) Giuli, in gleicher Weise wie auch der Januar bezeichnet wird. […] Die Monate Giuli leiten ihren Namen von dem Tag ab, an dem die Sonne (im Winter) wendet und sich wieder zu erheben beginnt, denn einer dieser Monate geht diesem Tag voran und der andere folgt diesem Tag.

Bei Bedas angelsächsischer Monatsreihe werden also sowohl der Dezember als auch der Januar als Giuli (Jól) bezeichnet. In anderen angelsächsischen Quellen, namentlich der Bibliotheca Cottonensis bzw. der Antiquæ literaturæ septentrionalis libri duo I, werden diese Monate als ærra jéola und æftera jéola bezeichnet, was soviel wie „Frühes Jól“ und (vgl. neuenglisch: *early Yule) „Spätes Jól“ bedeutet. (vgl. neuenglisch: *after Yule, wobei das altenglische Wort æftera im Vergleich zu dem neuenglischen Wort after nicht nur die Bedeutung danach, sondern eben auch spät besitzt. Im Kontext der Monatsnamen ergibt jedoch nur die Übersetzung als spät einen Sinn, da man hier ein Gegenstück zu ærra – früh zu finden hat.) Dieser Doppelmonat ist ein deutlicher Hinweis auf einen Lunisolarkalender, da die Mondphasen und damit die lunaren Monate im Bezug zu einem festen solaren Datum wie der Wintersonnenwende beweglich sind. Bei Lunisolarkalendern, in denen Schaltmonate eingefügt werden, kann diese Schwankung maximal einen ganzen Monat betragen. Demnach sind beide Jólmonate in irgendeiner Weise mit der Wintersonnenwende assoziiert.

Eine ähnliche Bezeichnung wie die des „Frühen Jóls“ (ærra jéola) finden wir bereits im Gotischen, genauer in dem gotischen Kalenderfragment Codex Ambrosianus A aus dem Jahre 350. Das Fragment bezieht sich offenbar auf einen Lunarmonat, der sich von Ende Oktober bis in den November hinein erstrecken konnte. Der November trägt in diesem Fragment die Überschrift Naubaimbair: fruma jîuleis. Übersetzt bedeutet dies soviel wie „November: Der Monat vor der Jólzeit“ oder „November: der Monat vor dem Jólmonat“. In Analogie hierzu finden wir in der gotischen Fassung des Markusevangeliums (Mk 15,42) das Wort Prosabbaton (Vorsabbat) mit dem Begriff fruma sabbato übersetzt. Aus dieser Lesart wurde ein eigentlicher, als *jîuleis bezeichneter, Jólmonat bei den Goten abgeleitet.

In einer Abhandlung über die Monatsnamen bei den Isländern aus dem 13. Jahrhundert, die den Namen Bókarbók trägt, findet man noch die Monatsbezeichnung ýlir als Ableitung von jól. Ýlir bezeichnete damals den Zeitraum vom 14. November bis zum 12. Dezember. Der darauf folgende Monat wurde direkt als jólmánaðr, d.h. als Jólmonat, bezeichnet. Mit den Doppelmonaten ærra jéola – æftera jéola, ýlir– jólmánaðr, und fruma jîuleis – *jîuleis haben wir drei Belege für den doppelten Jólmonat bzw. für die zwei Jólmonate, die sich zum einen über einen Zeitraum von etwa 900 Jahren erstrecken, zum anderen ein weites geographisches Gebiet umfassen und damit auf ein gemeingermanisches Prinzip hinweisen. Die gotischen, angelsächsischen und altwestnordischen Jólmonate unterstreichen auch, dass die Jólzeit zwischen Mitte November und Mitte Januar lag. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, dass beim isländischen Kalender die Monate von Voll- zu Vollmond dauerten.

4.2. Der Schaltmonat – dritter Lithemond / Sildemaen / Zwiemond / økusólin

Auch für einen eingeschoben 13. Schaltmonat gibt es drei, eigentlich sogar vier Belege. In Beda Venerabilis’ De Temporum ratione finden wir zunächst um die Sommersonnenwende eine vergleichbare Situation wie bei dem doppelten Jólmonat vor, denn sowohl der sechste als auch der siebte Monat tragen bei Beda den Namen Lithe (liða). Liða bedeutet soviel wie „sanft“ oder „schiffbar“, weil in beiden bzw. allen drei Monaten die Lüfte still und sanft sind. Beda zufolge pflegten die Angeln bei herrschender Flaute auf der glatten See zu segeln. In weiteren Quellen, genauer der Bibliotheca Cottonensis und der Antiquæ literaturæ septentrionalis libri duo I, werden diese beiden Monate auch wieder in Analogie zu den beiden Jólmonaten in ein frühes Lithe (ærra líða) und ein späthes Lithe (æftera líða) unterschieden. In Schaltjahren wurde laut Beda Venerabilis ein dritter Lithe-Monat eingeschoben. Wo dieser genau eingeschoben wurde, d.h. ob zwischen dem sechsten und siebten oder ob zwischen dem siebten und achten Monat, kann man nicht genau schlussfolgern. Da ein Schaltjahr mit drei Litha-Monaten dementsprechend als þrilíða bezeichnet wurde, wird jedoch suggeriert, dass dieser Schaltmonat zwischen siebten und achten Monat – als drittes liða – eingeschoben wurde.

In den nordischen Monatsnamen findet sich ebenfalls eine Spur dieses Schaltmonats. Sowohl der siebte als auch der achte Monat heißen hier unter anderem tvímanuðr, also „Zwiemonat“, was als Relikt eines doppelten Mondmonates zu verstehen ist. In Schaltjahren wurde der zweite, im angelsächsischen als (æftera) liða bezeichnete Monat, „verdoppelt“ und umfasste zwei Mondmonate. Auch dies suggeriert eine Monatsschaltung nach dem siebten Lunarmonat. Eine mögliche Ursache für das Einschieben eines Schaltmonats nach dem eigentlichen siebten Monat könnte darin bestehen, dass so ein lunarer Mittsommertermin im siebten Lunarmonat (siehe unten) weiterhin konstant im siebten Lunarmonat verbleiben würde, was insofern sinnvoll erscheint, da die germanische Jahreszählung mit dem Winter, d.h. mit dem Winterbeginn im Oktober begann.