Der geschlossene Handelsstaat - Johann Gottlieb Fichte - E-Book

Der geschlossene Handelsstaat E-Book

Johann Gottlieb Fichte

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Beschreibung

Fichte schrieb dieses Werk 1800 an den Staatsminister von Struensee. Er propagiert ein Rechtssystem, in dem der Handel stärker von staatlicher Seite geordnet wird.

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© heptagon Verlag, Berlin 2023

Alle Rechte vorbehalten

ISBN der E-Book-Ausgabe: 978-3-96024-037-2

https://heptagon.de

Textvorlage war: Johann Gottlieb Fichte: Der geschlossene Handelsstaat. Herausgegeben von Hans Hirsch. Durchgesehene Auflage nach dem Erstdruck von 1800. Felix Meiner Verlag, Hamburg 1979.

Es wurde hier nur der Haupttext aufgenommen, ohne wissenschaftlichen Apparat. Die Orthografie wurde an die neue deutsche Rechtschreibung angepasst.

Der geschlossene Handelsstaat

Ein philosophischer Entwurf

als Anhang zur Rechtslehre, und

Probe einer künftig zu liefernden Politik von

Johann Gottlieb Fichte.

Vorläufige Erklärung des Titels

Den juridischen Staat bildet eine geschlossene Menge von Menschen, die unter denselben Gesetzen, und derselben höchsten zwingenden Gewalt stehen. Diese Menge von Menschen soll nun auf gegenseitigen Handel und Gewerbe unter- und füreinander eingeschränkt, und jeder, der nicht unter der gleichen Gesetzgebung und zwingenden Gewalt steht, vom Anteil an jenem Verkehr ausgeschlossen werden. Sie würde dann einen Handelsstaat, und zwar einen geschlossenen Handelsstaat, bilden, wie sie jetzt einen geschlossenen juridischen Staat bildet.

Zueignung

Seiner Exzellenz dem Königl. Preußischen wirklichen geheimen Staatsminister, und Ritter des roten Adlerordens Herrn von Struensee.

Vom Verfasser.

Euer Exzellenz

erlauben, dass ich nach der Sitte besonders älterer Dedikations-Schriftsteller vor Ihnen meine Gedanken niederlege über den Zweck und den wahrscheinlichen Erfolg einer Schrift, die ich Ihnen hierdurch öffentlich, als ein Denkmal meiner freien Verehrung, zueigne. – Casaubonus unterredet an der Spitze seiner Ausgabe des Polybius mit Heinrich dem Vierten sich sehr unbefangen über das Studium der Alten und die gewöhnlichen Vorurteile in Rücksicht dieses Studiums. Verstatten Euer Exzellenz, dass ich ebenso unbefangen mit Ihnen, im Angesichte des Publikums, über das Verhältnis des spekulativen Politikers zum ausübenden mich unterrede.

Die letztern haben zu allen Zeiten den erstern das Recht zugestanden, über Einrichtung und Verwaltung der Staaten ihre Gedanken vorzutragen, ohne dass sie übrigens an diese Gedanken sich sehr gekehrt und von den platonischen Republiken und utopischen Verfassungen derselben ernsthafte Kunde genommen hätten. Auch ist der Vorwurf der unmittelbaren Unausführbarkeit, der den Vorschlägen der spekulativen Politiker von jeher gemacht worden, zuzugeben; und gereicht den Urhebern dieser Vorschläge gar nicht zur Unehre, wenn sie nur mit denselben in einer idealen Welt geblieben sind, und dieses ausdrücklich bekennen, oder es durch die Tat zeigen. Denn so gewiss in ihren Gedanken Ordnung, Konsequenz und Bestimmtheit ist, so gewiss passen ihre Vorschriften aufgestelltermaßen nur auf den von ihnen vorausgesetzten und erdichteten Zustand der Dinge, an welchem die allgemeine Regel wie an einem Exempel der Rechenkunst dargestellt wird. Diesen vorausgesetzten Zustand findet der ausübende Politiker nicht vor sich, sondern einen ganz anderen. Es ist kein Wunder, dass auf diesen eine Vorschrift nicht passt, welche aufgestelltermaßen auf ihn nicht berechnet ist.

Doch wird der Philosoph, wenn er nur nicht seine Wissenschaft für ein bloßes Spiel, sondern für etwas Ernsthaftes hält, die absolute Unausführbarkeit seiner Vorschläge nimmermehr zugeben oder voraussetzen; indem er in diesem Falle seine Zeit ohne Zweifel auf etwas Nützlicheres wenden würde, als auf ein von ihm selbst dafür erkanntes Begriffespiel. Er wird behaupten seine, wenn sie nur rein theoretisch aufgestellt worden, unmittelbar unausführbaren Vorschriften, indem sie in ihrer höchsten Allgemeinheit auf Alles passen und eben darum auf nichts Bestimmtes, müssten für einen gegebenen wirklichen Zustand nur weiter bestimmt werden: ebenso, wie man durch die Kenntnis des allgemeinen Verhältnisses der Seiten, und Winkel zueinander im Triangel, noch keine einzige wirkliche Seite oder Winkel im Felde erkennt, und noch immer an irgendein Stück Maßstab und Winkelmesser wirklich anlegen und messen muss; aber durch die Kenntnis des allgemeinen Verhältnisses in den Stand gesetzt wird, das übrige durch bloße Rechnung, ohne wirkliche Anlegung des Maßstabes zu finden.

Diese weitere Bestimmung der im reinen Staatsrechte aufzustellenden allgemeinen Regel geschieht nun meines Erachtens in der Wissenschaft, deren Begriff ich im folgenden bestimme und sie Politik nenne; und welche ich gleichfalls für das Geschäft des spekulativen Philosophen als solchen halte (denn dass der ausübende Politiker zugleich auch ein spekulativer Philosoph sein könne, – vielleicht auch das umgekehrte Verhältnis stattfinde, ergibt sich von selbst). Einer als politisch sich ankündigenden Schrift würde der Vorwurf und der Beweis der Unausführbarkeit ihrer Vorschläge zu größerer Unehre gereichen, als einer staatsrechtlichen. Zwar geht meines Erachtens auch die Politik, so gewiss sie nur Wissenschaft, nicht aber die Praxis selbst ist, nicht von einem durchaus fällmmten wirklichen Staate aus, indem es sodann keine allgemeine, sondern nur eine besondere Politik sein würde für England, Frankreich, Preußen, und zwar für diese Staaten im Jahre 1800, und zwar im Herbste des Jahres 1800, usw. – sondern von dem Zustande, der etwa allen Staaten der großen europäischen Republik in dem Zeitalter, da sie aufgestellt wird, gemeinschaftlich ist. Noch immer hat der ausübende Politiker die in gewisser Rücksicht noch immer allgemeine Regel auf den besonderen Fall anzuwenden, und für jeden besonderen Fall eine wenig anders anzuwenden; aber diese allgemeine Regel liegt doch der Anwendung weit näher. Wenn eine Politik nach dieser Idee nur sonst gründlich, mit richtiger Kenntnis der gegenwärtigen Lage, aus festen, staatsrechtlichen Prinzipien, und mit richtiger Folgerung aus diesen, bearbeitet wäre, so könnte diese Politik meines Erachtens nur noch dem bloßen Empiriker unnütz scheinen, welcher überhaupt keinem Begriffe, und keinem Kalkül, sondern nur der Bestätigung in unmittelbarer Erfahrung vertraut, und der sie verwerfen würde, weil sie doch nicht Tatsachen, sondern nur Begriffe und Berechnungen von Tatsachen enthielte, mit einem Worte, weil sie nicht Historie wäre. Ein solcher Politiker hat eine Anzahl von Fällen und von gelungenen Maßregeln, welche andere vor ihm in diesen Fällen genommen haben, in seinem Gedächtnisse vorrätig. Was ihm auch vorkomme, denkt er an einen jener Fälle, und verfährt wie einer jener Politiker vor ihm, deren einen nach dem anderen er aus dem Grabe erweckt, in seinem Zeitalter wieder darstellt, und so seinen politischen Lebenslauf zusammensetzt aus sehr verschiedenen Stücken sehr verschiedener Männer, ohne aus sich selbst etwas hinzuzutun. Ein solcher wäre bloß zu befragen, wen denn diejenigen, die die von ihm gebilligte und nachgeahmte Maßregel zuerst gebraucht, nachgeahmt hätten; und worauf sie denn bei Ergreifung derselben gerechnet, ob auf vorhergegangene Erfahrung oder auf Kalkül. Er wäre zu erinnern, dass alles, was nun alt ist, irgendeinmal neu gewesen; dass das Menschengeschlecht in diesen letzten Zeiten doch unmöglich so herabgekommen sein könne, dass ihm nur noch Gedächtnis und Nachahmungsvermögen übriggeblieben. Es wäre ihm zu zeigen, dass durch den ohne sein Zutun geschehenen und durch ihn nicht aufzuhaltenden Fortgang des Menschengeschlechtes gar vieles sich verändert habe, wodurch ganz neue, in den vorigen Zeitaltern weder zu ersinnende, noch anzuwendende Maßregeln nötig gemacht würden. – Es ließe sich ihm gegenüber eine vielleicht lehrreiche historische Untersuchung anstellen über die Frage, ob mehr Übel in der Welt durch gewagte Neuerungen entstanden sei oder durch träges Beruhen bei den alten nicht mehr anwendbaren oder nicht mehr hinlänglichen Maßregeln.

Ob die gegenwärtige Schrift die eben erwähnten Erfordernisse einer gründlichen Behandlung der Politik an sich habe, darüber maßt der Verfasser derselben sich keine Stimme an. In Absicht ihres eigentlichen Vorschlages, den Handelsstaat ebenso wie den juridischen zu schließen, und des entscheidenden Mittels zu diesem Zwecke, der Abschaffung des Welt-und Einführung des Landes- Geldes, sieht er freilich voraus, dass kein Staat diesen Vorschlag annehmen wollen wird, der nicht müsste, und dass der letztere die versprochenen Vorteile von dieser Maßregel nicht haben werde; dass der Vorschlag sonach unbeschliessbar, und da eben nie ausgeführt wird, wozu man sich nicht entschließen kann, eben darum auch unausführbar gefunden werden wird. Der deutlich oder nicht deutlich gedachte Grund dieses Nichtwollens wird der sein, dass Europa über die übrigen Weltteile im Handel großen Vorteil hat, und ihre Kräfte und Produkte, bei weitem ohne hinlängliches Äquivalent von seinen Kräften und Produkten an sich bringt, dass jeder einzelne europäische Staat, so ungünstig auch in Beziehung auf die übrigen europäischen Staaten die Handelsbilanz für ihn steht, dennoch von dieser gemeinsamen Ausbeute der übrigen Welt einigen Vorteil zieht, und die Hoffnung nie aufgibt, die Handelsbilanz zu seinen Gunsten zu verbessern, und einen noch größeren Vorteil zu ziehen; auf welches alles er durch seinen Austritt aus der größeren europäischen Handelsgesellschaft freilich Verzicht tun müsste. Um diesen Grund des Nichtwollens zu heben, müsste gezeigt werden, dass ein Verhältnis, wie das Europas gegen die übrige Welt, welches sich nicht auf Recht und Billigkeit gründet, unmöglich fortdauern könne: ein Beweis, der außerhalb der Grenzen meines gegenwärtigen Vorhabens lag. Aber auch nachdem dieser Erweis geführt wäre, könnte man mir noch immer sagen: »Bis jetzt wenigstens dauert dieses Verhältnis, – dauert die Unterwürfigkeit der Kolonien gegen die Mutterländer, dauert der Sklavenhandel – noch fort, und Wir werden es nicht erleben, dass alles dieses aufhöre. Lasst uns Vorteil davon ziehen, solange es noch hält; die Zeitalter, da es brechen wird, mögen zusehen, wie sie zurechtkommen. Mögen allenfalls diese untersuchen, ob sie aus Deinen Gedanken sich etwas nehmen können; wir können sogar Deinen Zweck nicht wollen, bedürfen sonach gar keiner Abweisung über die Mittel ihn auszuführen.« – Ich bekenne, dass ich hierauf keine Antwort habe.

Der Verfasser bescheidet sich daher, dass auch dieser Entwurf eine bloße Übung der Schule ohne Erfolg in der wirklichen Welt bleiben möge; ein Glied aus der Kette seines allmählich aufzuführenden Systems: und begnügt sich, wenn er durch die Bekanntmachung desselben anderen auch nur die Veranlassung geben sollte, über diese Gegenstände tiefer nachzudenken, und vielleicht auf eine oder die andere in der Sphäre, aus der man nun einmal nicht herausgehen wollen wird, nützliche und anwendbare Erfindung zu geraten; und er schränkt ausdrücklich und wohlbedacht auf diese Zwecke sich ein.

Euer Exzellenz aber geruhen die; Versicherung der Verehrung, die ich Ihnen zolle, als einem der ersten Staatsbeamten der Monarchie, in welcher ich einen Zufluchtsort fand, als ich in den übrigen Teilen meines deutschen Vaterlandes mir keinen versprechen durfte, und als Demjenigen, dessen persönliche Eigenschaften zu bemerken und zu verehren mir vergönnt war, gütig aufzunehmen.

Berlin, den 31. Oktober 1800.

Einleitung: Vom Verhältnisse des Vernunftstaates zu dem wirklichen und des reinen Staatsrechts zur Politik

Das reine Staatsrecht lässt unter seinen Augen den Vernunftstaat nach Rechtsbegriffen entstehen; indem es die Menschen ohne alle vorherige den rechtlichen ähnliche Verhältnisse voraussetzt.

Aber in diesem Zustande findet man die Menschen nirgends. Allenthalben sind sie unter einer, großenteils nicht nach Begriffen, und durch Kunst, sondern durch das Ohngefähr, oder die Fürsehung entstandenen Verfassung schon beisammen. In dem letzteren Zustande findet sie der wirkliche Staat; und er kann diese Verfassung nicht plötzlich zerstören, ohne die Menschen zu zerstreuen, zu verwildern, und so seinen wahren Zweck, einen Vernunftstaat aus ihnen aufzubauen, aufzuheben. Er kann nicht mehr tun, als sich dem Vernunftstaate allmählich annähern. Der wirkliche Staat lässt sich sonach vorstellen, als begriffen in der allmählichen Stiftung des Vernunftstaates.

Es ist bei ihm nicht bloß, wie beim Vernunftstaate die Frage, was Rechtens sei, sondern: wie viel von dem was Rechtens ist, unter den gegebenen Bedingungen ausführbar sei? Nennt man die Regierungswissenschaft des wirklichen Staate nach der eben angegebnen Maxime Politik, so läge diese Politik in der Mitte zwischen dem gegebnen Staate und dem Vernunftstaate: Sie beschriebe die stete Linie, durch welche der erstere sich in den letzteren verwandelt, und endigte in das reine Staatsrecht.

Wer es unternimmt zu zeigen, unter welche Gesetze insbesondere der öffentliche Handelsverkehr im Staate zu bringen, sei, hat daher zuvörderst zu untersuchen, was im Vernunftstaate über den Verkehr Rechtens sei; dann anzugeben, was in den bestehenden wirklichen Staaten hierüber Sitte sei; und endlich den Weg zu zeigen, wie ein Staat aus dem letzteren Zustande in den ersteren übergehen könne.

Ich verteidige mich nicht darüber, dass ich von einer Wissenschaft und einer Kunst, den Vernunftstaat allmählich herbeizuführen, rede. Alles Gute, dessen der Mensch teilhaftig werden soll, muss durch seine eigne Kunst, zufolge der Wissenschaft, hervorgebracht werden: Dies ist seine Bestimmung. Die Natur gibt ihm nichts voraus, als die Möglichkeit, Kunst anzuwenden. In der Regierung ebensowohl als anderwärts muss man alles unter Begriffe bringen, was sich darunter bringen lässt, und aufhören, irgendetwas zu Berechnendes dem blinden Zufalle zu überlassen, in Hoffnung, dass er es wohl machen werde.

Erstes Buch: Philosophie: Was in Ansehung des Handelsverkehrs im Vernunftstaate Rechtens sei

Erstes Kapitel: Grundsätze zur Beantwortung dieser Frage

Ein falscher Satz wird gewöhnlich durch einen ebenso falschen Gegensatz verdrängt; erst spät findet man die in der Mitte liegende Wahrheit. Dies ist das Schicksal der Wissenschaft.

Man hat in unseren Tagen die Meinung, dass der Staat unumschränkter Vormünder der Menschheit für alle ihre Angelegenheiten sei, dass er sie glücklich, reich, gesund, rechtgläubig, tugendhaft, und so Gott will, auch ewig selig machen solle, zur Genüge widerlegt; aber man hat, wie mir es scheint, von der anderen Seite die Pflichten und Rechte des Staats wiederum zu eng beschränkt. Es ist zwar nicht geradezu unrichtig und lässt einen guten Sinn zu, wenn man sagt; der Staat habe nichts mehr zu tun, als nur jeden bei seinen persönlichen Rechten, und seinem Eigentum zu erhalten und zu schützen: wenn man nur nicht oft in der Stille vorauszusetzen schiene, dass unabhängig vom Staate ein Eigentum stattfinde, dass dieser nur auf den Zustand des Besitzes, in welchem er seine Bürger antreffe, zu sehen, nach dem Rechtsgrunde der Erwerbung aber nicht zu fragen habe. Im Gegensatze gegen diese Meinung würde ich sagen: Es sei die Bestimmung des Staats, jedem erst das Seinige zu geben, ihn in sein Eigentum erst einzusetzen, und sodann erst, ihn dabei zu schützen.

Ich mache mich deutlicher, indem ich auf erste Grundsätze zurückgehe.

I.

Es lebt beisammen ein Haufen von Menschen in demselben Wirkungskreise. Jeder regt und bewegt sich in demselben, und geht frei seiner Nahrung und seinem Vergnügen nach. Einer kommt dem anderen in den Weg, reißt ein, was dieser baute, verdirbt, oder braucht für sich selbst, worauf er rechnete; der andere macht es ihm von seiner Seite ebenso; und so jeder gegen jeden. Von Sittlichkeit, Billigkeit u. dgl. soll hier nicht geredet werden, denn wir stehen auf dem Gebiet der Rechtslehre. Der Begriff des Rechts aber lässt sich in dem beschriebnen Verhältnisse nicht anwenden. Ohne Zweifel wird der Boden, der da getreten, der Baum, der seiner Früchte beraubt wird, sich in keinen Rechtsstreit einlassen mit dem Menschen, der es tat. Täte es aber ein anderer Mensch, welchen Grund könnte dieser dafür anführen, dass nicht jeder andere denselben Boden ebensowohl betreten, oder desselben Baumes Früchte nicht ebensowohl nehmen dürfte als Er selbst?

In diesem Zustande ist keiner frei, weil alle es unbeschränkt sind, keiner kann zweckmäßig irgendetwas ausführen, und einen Augenblick auf die Fortdauer desselben rechnen. Diesem Widerstreite der freien Kräfte ist nur dadurch abzuhelfen, dass die Einzelnen sich untereinander vertragen; dass einer dem anderen sage; mir schadet's wenn du dies tust, und wenn der andere ihm antwortet, mir dagegen schadet's wenn du dies tust, der erste sich erkläre: Nun so will ich das dir Schädliche unterlassen, auf die Bedingung, dass du das mir Schädliche unterlassest; dass der zweite dieselbe Erklärung von seiner Seite tue; und von nun an beide ihr Wort halten. Nun erst hat jeder etwas Eignes, ihm allein und dem ändern keineswegs Zukommendes; ein Recht, und ein ausschließendes Recht.

Lediglich aus dem beschriebenen Vertrage entsteht das Eigentum, entstehen Rechte auf etwas Bestimmtes, Vorrechte, ausschließende Rechte. Ursprünglich haben alle auf alles dasselbe Recht, das heißt, kein einziger hat gegen den anderen das mindeste Recht voraus. Erst durch die Verzichtleistung aller übrigen auf Etwas, zufolge meines Begehrens es für mich zu behalten, wird es mein Eigentum. Jene Verzichtleistung Aller, und sie allein, ist mein Rechtsgrund.

Der Staat allein ist's, der eine unbestimmte Menge Menschen zu einem geschlossenen Ganzen, zu einer Allheit vereinigt; er allein ist's, der bei allen, die er in seinen Bund aufnimmt, herumfragen kann; durch ihn allein sonach wird erst ein rechtsbeständiges Eigentum begründet. Mit den übrigen Menschen auf der Oberfläche des Erdbodens, wenn sie ihm bekannt werden, verträgt er sich im Namen aller seiner Bürger als Staat. Außer dem Staate erhalte ich allerdings durch meinen Vertrag mit meinem nächsten Nachbar ein Eigentumsrecht gegen ihn, sowie er gegen mich, Aber einen dritten, der hinzukommt, verbinden unsere Verabredungen nicht; er behält auf alles, was wir zwischen uns beiden das Unsere nennen, ebensoviel Recht, als zuvor, d.i. ebensoviel Recht als wir.

Ich habe das Eigentumsrecht beschrieben, als das ausschließende Recht auf Handlungen, keineswegs auf Sachen. So ist es. So lange Alle ruhig nebeneinander sind, geraten sie nicht in Streit; erst wie sie sich regen und bewegen und schaffen, stoßen sie aneinander. Die freie Tätigkeit ist der Sitz des Streits der Kräfte; sie ist sonach der wahre Gegenstand, über welchen die Streiter sich zu vertragen haben, keineswegs aber sind die Sachen dieser Gegenstand des Vertrags. Ein Eigentum auf den Gegenstand der freien Handlung fließt erst und ist abgeleitet aus dem ausschließenden Rechte auf diel freie Handlung. Ich werde mich nicht ermüden, nachzusinnen, wie ich einen idealen Besitz dieses Baumes haben könne, wenn nur keiner, der in dessen Nähe kommt, ihn antastet, und wenn nur mir allein es zusteht, zu der mir gefälligen Zeit, seine Früchte abzunehmen. Ich werde dann ohne Zweifel, und kein anderer, diese Früchte abnehmen, und genießen; und dies ist doch das einzige worum es mir zu tun ist.

Durch diese Behandlung der Aufgabe erspart man sich eine Menge unnützer Spitzfindigkeiten und ist sicher, alle Arten des Eigentums in einem durchaus umfassenden Begriffe erschöpft zu haben.

II.

Die Sphäre der freien Handlungen sonach wird durch einen Vertrag Aller mit Allen unter die Einzelnen verteilt, und durch diese Teilung entsteht ein Eigentum.

Aber wie muss die Einteilung gemacht werden, wenn sie dem Rechtsgesetze gemäß sein soll; oder ist es überhaupt nur genug, dass da geteilt werde, wie diese Teilung auch immer ausfalle? Wir werden sehen.

Der Zweck aller menschlichen Tätigkeit ist der, leben zu können; und auf diese Möglichkeit zu leben haben alle, die von der Natur in das Leben gestellt wurden, den gleichen Rechtsanspruch. Die Teilung muss daher zuvörderst so gemacht werden, dass alle dabei bestehen können. Leben und leben lassen!

Jeder will so angenehm leben, als möglich: Und da jeder dies als Mensch fordert und keiner mehr oder weniger Mensch ist, als der andere, so haben in dieser Forderung alle gleich recht. Nach dieser Gleichheit ihres Rechts muss die Teilung gemacht werden, so, dass alle und jeder so angenehm leben können, als es möglich ist, wenn so viele Menschen, als ihrer vorhanden sind, in der vorhandenen Wirkungssphäre nebeneinander bestehen sollen; also, dass alle ungefähr gleich angenehm leben können. Können, sage ich, keineswegs müssen. Es muss nur an ihm selbst liegen, wenn einer unangenehmer lebt, keineswegs an irgendeinem anderen.

Setze man eine bestimmte Summe möglicher Tätigkeit in einer gewissen Wirkungssphäre, als die Eine Größe. Die aus dieser Tätigkeit erfolgende Annehmlichkeit des Lebens ist der Wert dieser Größe. Setze man eine bestimmte Anzahl Individuen, als die zweite Größe. Teilet den Wert der ersteren Größe zu gleichen Teilen unter die Individuen; und ihr findet, was unter den gegebenen Umständen jeder bekommen solle. Wäre die erste Summe größer, oder die zweite kleiner, so bekäme freilich jeder einen großem Teil: Aber hierin könnt ihr nichts ändern; eure Sache ist lediglich, dass das Vorhandene unter Alle gleich verteilt werde.

Der Teil, der auf jeden kommt, ist das Seinige von Rechts wegen; er soll es erhalten, wenn es ihm auch etwa noch nicht zugesprochen ist. Im Vernunftstaate erhält er es; in der Teilung welche vor dem Erwachen und der Herrschaft der Vernunft durch Zufall und Gewalt gemacht ist, hat es wohl nicht jeder erhalten, indem andere mehr an sich zogen, als auf ihren Teil kam. Es muss die Absicht des durch Kunst der Vernunft sich annähernden wirklichen Staates sein, jedem allmählich zu dem Seinigen, in dem soeben angezeigten Sinne des Worts, zu verhelfen. Dies hieß es, wenn ich oben sagte: Es sei die Bestimmung des Staates, jedem das Seinige zu geben.

Zweites Kapitel: Allgemeine Anwendung der aufgestellten Grundsätze auf den öffentlichen Verkehr

I.

Die beiden Hauptzweige der Tätigkeit, durch welche der Mensch sein Leben erhält und angenehm macht, sind: die Gewinnung der Naturprodukte und die weitere Bearbeitung derselben für den letzten Zweck, den man sich mit ihnen setzt. Eine Hauptverteilung der freien Tätigkeit wäre sonach die Verteilung dieser beiden Geschäfte. Eine Anzahl Menschen, die nunmehr durch diese Absonderung zu einem Stande würden, erhielte das ausschließende Recht, Produkte zu gewinnen; ein anderer Stand das ausschließende Recht, diese Produkte für bekannte menschliche Zwecke weiter zu bearbeiten.

Der Vertrag dieser beiden Hauptstände wäre der folgende. Der zuletzt genannte Stand verspricht, keine Handlung, die auf die Gewinnung des rohen Produkts geht, und, was daraus folgt, keine Handlung an irgendeinem Gegenstande, der der Gewinnung der Produkte ausschließend gewidmet ist, vorzunehmen. Dagegen verspricht der erstere, sich aller weiteren Bearbeitung der Produkte, von da an, wo die Natur ihre Arbeit geschlossen hat, gänzlich zu enthalten.