Der Kirschgarten - Anton Tschechow - E-Book

Der Kirschgarten E-Book

Anton Tschechow

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Beschreibung

Anton Tschechows Werk 'Der Kirschgarten' ist ein Meisterwerk der russischen Literatur, das die Geschichte der aristokratischen Familie Ranevskaya erzählt, die ihren Kirschgarten verlieren könnte. Tschechow nutzt seinen charakteristischen subtilen und nuancierten Stil, um die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen Russlands am Ende des 19. Jahrhunderts darzustellen. Das Stück wird oft als Tragikomödie bezeichnet, da es sowohl tragische als auch komische Elemente enthält, die die Vielschichtigkeit der menschlichen Natur widerspiegeln. Tschechow's subtile Charakterisierungen und sein Blick für die feinen Nuancen des Lebens machen den Kirschgarten zu einem zeitlosen Werk der Literatur. Anton Tschechow, selbst Arzt und Schriftsteller, schrieb 'Der Kirschgarten' als eines seiner letzten Stücke vor seinem Tod. Seine persönliche Erfahrung mit gesellschaftlichen Veränderungen und sein tiefes Verständnis für die menschliche Psyche prägen das Werk und machen es zu einem wichtigen Teil seines literarischen Erbes. Tschechow's Fähigkeit, komplexe Charaktere zu schaffen und die soziale Realität seiner Zeit kritisch zu reflektieren, zeigt sich in diesem Stück auf eindrucksvolle Weise. 'Der Kirschgarten' ist ein zeitloses Werk, das Leser aller Generationen anspricht. Tschechow's scharfer Blick auf die Gesellschaft und die menschliche Natur macht das Stück zu einem fesselnden und erkenntnisreichen Leseerlebnis. Für jeden, der an russischer Literatur, sozialer Kritik und der Vielschichtigkeit des menschlichen Lebens interessiert ist, ist 'Der Kirschgarten' ein absolutes Muss.

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Anton Tschechow

Der Kirschgarten

Klassiker der russischen Literatur

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1275-0

Inhaltsverzeichnis

Personen
Erster Aufzug
Zweiter Aufzug.
Dritter Aufzug.
Vierter Aufzug.

Personen

Inhaltsverzeichnis

Ranewskaja, Ljubow Andrejewna, Gutsbesitzerin.

Anja, ihre Tochter, 17 Jahre alt.

Warja, ihre Pflegetochter, 22 Jahre alt.

Gajew, Leonid Andrejewitsch, ihr Bruder.

Lopachin, Jermolaj Alexejewitsch, Kaufmann.

Trofimow, Peter Ssergejewitsch, Student.

Ssimeon-Pischtschik, Boris Borissowitsch, Gutsbesitzer.

Scharlotta Iwanowna, Gouvernante.

Epichodow, Ssemjon Pantelejewitsch, Buchhalter.

Dunjascha, Stubenmädchen.

Firs, ein alter Lakai, 87 Jahre alt.

Jascha, ein junger Lakai.

Ein Landstreicher.

Der Stationsvorsteher.

Der Posthalter.

Gäste, Musikanten, Dienerschaft.

Ort der Handlung: Das Gut der Ranewskaja.

Erster Aufzug

Inhaltsverzeichnis

Das »Kinderzimmer«, nach seiner einstmaligen Bestimmung noch immer so benannt. Eine der Türen führt nach Anjas Zimmer. Morgendämmerung, kurz vor Sonnenaufgang. Monat Mai, die Bäume blühen, im Garten ist es jedoch kühl, der Morgenwind weht. Die Fensterläden sind noch geschlossen, der junge Tag schimmert durch die Spalten. Dunjascha kommt mit einem Licht und Lopachin mit einem Buch in der Hand.

Lopachin. Der Zug ist da, Gott sei Dank! Wie spät ist's denn?

Dunjascha. Bald zwei. Löscht das Licht aus. Es ist schon hell draußen.

Lopachin. Wieder einmal Verspätung. Wenigstens um zwei Stunden. Gähnt und reckt die Glieder. Ich bin auch ein rechter Tölpel. Komme her, um sie auf dem Bahnhofe zu empfangen und verschlafe die Zeit. Im Sitzen bin ich eingeschlafen. Zu ärgerlich. Du hättest mich doch wecken sollen!

DunjaschaÖffnet die Fensterläden. Ich dachte, sie seien längst fort. Horcht. Da – ich glaube, sie kommen schon.

Lopachinhorcht. Nein … Ehe sie das Gepäck besorgt haben, und dies und das, vergeht eine ganze Weile. Pause. Fünf Jahre hat sie nun im Auslande zugebracht, unsere Ljubow Andrejewna – ob sie sich sehr verändert hat? Eine prächtige Frau, so umgänglich, so einfach. Ich erinnere mich noch einer Geschichte aus meiner Jugendzeit, wie ich so fünfzehn Jahre alt war. Ich hatte von meinem Vater selig eine Ohrfeige bekommen, daß mir die Nase blutete  – war wohl nicht ganz nüchtern gewesen, mein Alter. Er hatte hier im Dorfe einen Kramladen, und wir waren geschäftlich auf dem Gutshofe. Na, kurz und gut, Ljubow Andrejewna, die damals noch ganz jung war, ganz schlank und schmächtig, nahm mich bei der Hand und führte mich hier in dieses Kinderzimmer, ans Waschbecken. »Weine nicht, kleiner Bauernjunge,« sagte sie, »bis du Hochzeit machst, ist's wieder gut.« Pause. Bauernjunge, ja … Mein Vater war ein Bauer, und ich trage eine weiße Weste und gelbe Schuhe. Eine Krähe, die sich mit fremden Federn schmückt … Geld hab ich wie Heu, aber wenn ich's recht bedenke, bin ich doch ein richtiger Bauer geblieben. Blättert in dem Buche. Da lese ich nun, lese und versteh' nichts … Eingeschlafen bin ich über dem Buche. Pause.

Dunjascha. Die Hunde haben die ganze Nacht gebellt – die witterten wohl, daß die Herrschaft kommt.

Lopachin. Was ist denn mit dir, Dunjascha?

Dunjascha. Meine Hände zittern so … ich glaube, ich fall' in Ohnmacht …

Lopachin. Hast dich schon gar zu sehr … kleidest dich wie ein Fräulein, und auch die Frisur … Das schickt sich nicht, man darf nie vergessen, wer man ist.

Epichodow tritt ein, mit einem Blumenstrauß, er trägt ein Jakett und blitzblanke hohe Stiefel, die beim Auftreten laut knarren; läßt beim Eintreten den Blumenstrauß fallen.

Epichodow.hebt den Blumenstrauß auf. Der Gärtner schickt das Bukett, nach dem Eßzimmer soll's kommen. Gibt den Strauß an Dunjascha.

Lopachinzu Dunjascha. Bring mir ein Glas Sauerbier mit.

Dunjascha. Sehr gern. Ab.

Epichodow. 's ist mächtig kalt draußen, drei Grad Frost! Und die Kirschen sind gerade in der Blüte! Kann mich nicht erwärmen für unser Klima. Seufzt. Nee doch! 's ist nicht viel los damit … Sagen Sie mal, bitte, Jermolaj Alexeïtsch, ich hab mir vorgestern ein Paar Stiefel gekauft, und die knarren so eklig – womit könnt' ich sie wohl einschmieren? Raten Sie mir!

Lopachin. Bleib mir vom Leibe mit deinem Geschwätz.

Epichodow. Jeden Tag muß mir auch was passieren. Aber ich mach' mir nichts draus, hab mich dran gewöhnt und lach' einfach drüber.

Dunjascha tritt ein und reicht Lopachin das Bier.

Epichodow. Ich geh' nun. Stößt an einen Stuhl an, der hinfällt. Da. … Triumphierend. Hab' ich's nicht gesagt? Einfach nicht zu glauben … Merkwürdig geradezu … entschuldigen Sie den harten Ausdruck! Ab.

Dunjascha. Ich kann's Ihnen ja sagen, Jermolaj Alexeïtsch: Epichodow hat mir einen Antrag gemacht …

Lopachin. Ah!

Dunjascha. Ja, und ich weiß nur nicht … er ist so weit ganz brav, aber er red't so komisches Zeug zusammen, daß man ihn manchmal gar nicht versteht. Sonst gefällt er mir ganz gut. Er liebt mich wahnsinnig. Ein Pechvogel ist er ja, jeden Tag passiert ihm was. Wir nennen ihn alle nur den Unglücksraben …

Lopachinhorcht. Jetzt kommen sie, glaub' ich …

Dunjascha. Ja, jetzt kommen sie! Was ist nur mit mir? Ganz eiskalt bin ich …

Lopachin. Jetzt kommen sie wirklich. Wir wollen ihnen entgegengehen. Ob sie mich erkennt? Fünf Jahre haben wir uns nicht gesehen …

Dunjaschaerregt. Ich fall' gleich hin – ach, ich falle!

Man hört zwei Kutschen vorfahren. Lopachin und Dunjascha rasch ab. Die Bühne bleibt einen Augenblick leer. Im anstoßenden Zimmer wird es laut. Der alte Lakai Firs, der seine Herrin vom Bahnhof abgeholt hat, humpelt in seiner altmodischen Livree, den hohen Hut auf dem Kopfe, hastig an einem Stock über die Bühne; er murmelt etwas Unverständliches vor sich hin. Hinter der Bühne wird es immer lauter. Man hört eine Stimme: »Hier durch, Herrschaften, hier durch!« Es erscheinen im Zimmer Ljubow Andrejewna, Anja und Scharlotta Iwanowna, die ein Hündchen an der Leine führt, alle drei im Reisekostüm. Dann Warja in Mantel und Kopftuch, Gajew, Ssimeonow-Pischtschik. Lopachin, Dunjascha mit Reisetasche und Schirm und andere Dienstboten; alle gehen durch das Kinderzimmer.

Anja. Wir wollen hier durchgehen. Weißt du noch, Mama, was für ein Zimmer das ist?

Ljubow Andrejewnain freudiger Rührung, unter Tränen. Das Kinderzimmer!

Warja. Wie kalt es ist, meine Hände sind ganz steif gefroren. Zu Ljubow Andrejewna. Ihre Zimmer, das weiße und das veilchenblaue, sind ganz unverändert geblieben.

Ljubow Andrejewna. Das Kinderzimmer, mein liebes, reizendes Zimmerchen … Hier hab' ich als kleines Mädchen geschlafen … Küßt ihren Bruder, dann Warja, dann wieder ihren Bruder. Und unsere Warja ist immer noch die Alte, wie eine Nonne. Auch Dunjascha hab ich erkannt … Küßt Dunjascha.

Gajew. Zwei Stunden Verspätung hat der Zug. Nette Zustände, wie?

Scharlottazu Pischtschik. Mein Hündchen ißt sogar Nüsse.

Pischtschikerstaunt. Was Sie sagen!

Alle ab, außer Anja und Dunjascha.

Dunjascha. Wir haben gewartet und gewartet …

Nimmt Anja Mantel und Hut ab.

Anja. Vier Nächte war ich unterwegs, ohne Schlaf … Ganz erstarrt bin ich.

Dunjascha. Wie Sie damals wegfuhren, lag draußen Schnee, und so kalt war es! Mitten in der Fastenzeit war's. Und jetzt … Ach, mein liebes Fräulein! Lacht und küßt sie. Wie hab' ich mich nach Ihnen gesehnt, mein Herzblättchen, mein Augentrost … Ich hab' Ihnen was zu sagen … ein Geheimnis …

Anjamüde Kann's mir schon denken!

Dunjascha. Der Buchhalter Epichodow hat mir zu Ostern einen Antrag gemacht.

Anja. Immer die alten Geschichten. Streicht ihr Haar glatt. Alle Haarnadeln hab' ich verloren. Sie schwankt vor Müdigkeit.

Dunjascha. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Er liebt mich so sehr, so sehr.

Anjablickt nach der Tür ihres Zimmerchens, weich. Mein Zimmer, meine Fenster! Als ob ich gar nicht weggewesen wäre! Ich bin zu Hause! Morgen früh steh' ich auf und lauf gleich in den Garten. Wenn ich nur einschlafen könnte! Ich war unterwegs in solcher Unruhe, nicht ein Auge konnt ich zumachen.

Dunjascha. Vorgestern ist auch Peter Ssergjeïtsch angekommen.

Anjafreudig. Petja!

Dunjascha. Er hat sich im Badehaus eingerichtet und schläft dort auch. Er will nicht lästig fallen, sagt er. Sieht auf ihre Taschenuhr. Ich müßte ihn eigentlich wecken, aber Fräulein Warja meinte, ich solle ihn nur schlafen lassen.

Warjakommt herein, mit einem Schlüsselbund an der Seite. Dunjascha, Mama wünscht Kaffee … mach rasch!

Dunjascha. Sofort, sofort. Ab.

Warja. Nun, Gott sei Dank, mein Herzchen, da hätt' ich dich wieder. Liebkost Anja. Mein Schwesterchen! Es war wohl keine Kleinigkeit, die Mama wieder heimzubringen, wie?

Anja. Die reine Qual war es. Und diese Scharlotta – während der ganzen Fahrt hat sie geschwatzt und ihre Faxen gemacht. Warum du mir die eigentlich aufgepackt hast? …

Warja. Ich konnte dich doch nicht allein fahren lassen, Kind, mit deinen siebzehn Jahren!

Anja. Wir kommen in Paris an – eine Kälte. Der Schnee lag noch auf den Dächern. Mein Französisch hat mich natürlich im Stich gelassen. Mama wohnt oben im fünften Stockwerk, und wie ich hinkomme, sitzt sie da unter lauter Franzosen, ein paar Damen sind bei ihr und ein alter Pater mit einem Gebetbuch, und vollgequalmt hatten sie – ganz abscheulich! Sie tat mir auf einmal so leid, die arme Mama, so leid, und ich umarmte sie und konnte sie gar nicht loslassen. Sie wurde so weich, so zärtlich, und begann zu weinen …

Warjaunter Tränen. Still, still, erzähl' nicht ...

Anja. Ihre Villa bei Mentone hatte sie schon verkauft, nichts ist ihr geblieben, nicht ein Pfennig. Auch ich bin ganz blank, kaum daß wir die Rückreise bezahlen konnten. Und dabei ist Mama ganz ahnungslos – wir sitzen auf dem Bahnhof und wollen etwas essen: natürlich bestellt sie gleich das Teuerste und gibt dem Kellner einen Rubel Trinkgeld. Auch Scharlotta wirft das Geld mit vollen Händen fort, und sogar Jascha läßt sich seine Portion geben – einfach schrecklich. Mama hält sich nämlich jetzt einen Lakaien, Jascha heißt er, wir haben ihn mit hergebracht  …

Warja. Ich habe den Halunken gesehen.

Anja. Nun, wie steht es hier? Sind die Zinsen bezahlt?

Warja. Bewahre!

Anja. Mein Gott, mein Gott!

Warja. Im August kommt das Gut unter den Hammer …

Lopachin sieht zur Tür herein, brummt etwas vor sich hin und zieht sich sogleich wieder zurück.

Warjaunter Tränen, droht mit der Faust hinter Lopachin her. Ich könnte den Menschen prügeln ...

Anjaumarmt Warja, leise. Wie steht's? Hat er sich dir erklärt? Warja schüttelt den Kopf. Er liebt dich doch – warum sprecht ihr euch nicht aus, worauf wartet ihr?

Warja Ich glaube nicht, daß aus der Sache was wird. Er hat nur das Geschäft im Kopfe und denkt gar nicht an mich. Mir soll's gleich sein. Ich will ihn überhaupt nicht mehr sehen. Alles schwatzt: Lopachin wird dich heiraten, alle gratulieren mir, und in Wirklichkeit liegt gar nichts vor, alles leere Einbildung. Mit veränderter Stimme. Was für eine Brosche hast du da? Was soll das sein? Eine Biene?

Anjatraurig. Mama hat sie mir gekauft. Geht in ihr Zimmer. Mit kindlicher Fröhlichkeit. In Paris bin ich im Luftballon gefahren!

Warja.