Der Untergang der Äkschn GmbH - Clemens Meyer - E-Book

Der Untergang der Äkschn GmbH E-Book

Clemens Meyer

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Beschreibung

Clemens Meyer spricht über die Bücher seiner Kindheit, amerikanische Filme und das Leben, über Anarchie und Leidenschaft. Woher kommt das? Was ist das? Wer ist radikal? Was ist relevant? In den renommierten Frankfurter Poetikvorlesungen spricht Clemens Meyer über den Sound der Moderne, die Spiegelung der Gegenwart und die Splitter im Kopf. Er erzählt von den Büchern seiner Kindheit, spricht über deutsche und amerikanische Schriftsteller und über Filme, die sein Schreiben beeinflussen. Er ist ein Kenner und Enthusiast der Literatur, ein manischer Leser und begeisterter Fürsprecher. Sein Denken und Sprechen über Literatur ist so ernsthaft wie anarchisch und leidenschaftlich. »das sollen ja keine didaktischen scharmützel sein, sondern persönliche, immer wieder die richtung wechselnde stücke über literatur.«

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Clemens Meyer

DER UNTERGANG DER ÄKSCHN GMBH

Frankfurter Poetikvorlesungen

FISCHER digiBook

Inhalt

Wer oder was ist die ÄKSCHN GMBH?CUT-UP (zehn Thesen)12345678910Diario de a bordo del primer viaje de Äkschn GmbH AUS DEM SCHIFFSTAGEBUCH DER ÄKSCHN GMBHApokalyptische ShortcutsAm Anfang war Amerika12345RegisterRetsinaGünther MeyerMein Freund CharlesEndlich MontagskinoHubert FichteSherlock HolmesTruck StopMr Kurtz GatsbySam PeckinpahCharlie und BusterBücherinselVierzig Meter, vierzig GewehreMöglichkeitenSah ein Knab ein Röslein stehnKuBaRamboThüringer Rostbratwurst vs. Thüringer KlößeMelville-MelvilleWilhelm GirnusDie GallerteBahnhöfeTransportpauleDr. SternauKuBa IIRobinson»Mosaik«IzoReimannGauselmannNeumannKrabatFertsch das Ding!

Wer oder was ist die ÄKSCHN GMBH?

Wer oder was ist die ÄKSCHN GMBH?

Was vertreibt die ÄKSCHN GMBH? Wo residiert die ÄKSCHN GMBH? Wer vertreibt die ÄKSCHN GMBH? Wer kennt die ÄKSCHN GMBH? Was will die ÄKSCHN GMBH? Wie alt ist die ÄKSCHN GMBH? Unter welcher Flagge segelt die ÄKSCHN GMBH? Wieso gibt es die ÄKSCHN GMBH auf See und an Land? Wie weit fliegt die ÄKSCHN GMBH in die Tiefen des Alls? Wie steht die ÄKSCHN GMBH zu schwarzen Löchern? Welche Musik wird im Raumschiff der ÄKSCHN GMBH gespielt? Wer ist der Käpt’n der ÄKSCHN GMBH? Gibt es einen Käpt’n der ÄKSCHN GMBH? Wer haftet für die ÄKSCHN GMBH? Steht das GMBH in ÄKSCHN GMBH für Gesellschaft mit beschränkter Haftung, für große Monsterbüstenhalter, für Gaudi mit Bumshäschen, für Gays mit Behinderung (Moment, da fehlt das H der GMBH), für Gott mag bunte Hosenträger, für Gesellschaft mit beschränkter Haltung?

In welcher Gesellschaft befähigt sich die ÄKSCHN GMBH?

Stimmt das Gerücht, dass Adolf Hitler (A.H.) und Beate Zschäpe versucht haben, Mitglied der ÄKSCHN GMBH zu werden? Stimmt das Gerücht, dass A-HA und Helene Fischer versucht haben, Mitglied der ÄKSCHN GMBH zu werden? Stimmt es, dass A-HA (also die norwegische Popband A-HA, bekannt durch Songs wie »The Sun Always Shines on T.V.« und »Hunting High and Low«) innerhalb der ÄKSCHN GMBH eine norwegische GAY-NAZI-FRAKTION gründete, wobei es nur um den FETISCH ging und nicht um die IDEOLOGIE? Ist DES WEITEREN die ÄKSCHN GMBH schuld am SPURLOSEN VERSCHWINDEN der norwegischen Pop-Band A-HA?, weil die ÄKSCHN GMBH den schwulen Superhelden Midnighter (bekannt aus dem Comic »Midnighter«) in die falsche Vergangenheit schickte und er dort A-HA beseitigte und nicht A.H.?!

Stimmt es, dass die ÄKSCHN GMBH versucht hat, an die Original-Handschriften der Breivik-Papiere und der Zschäpe-Papiere zu gelangen, um durch Untersuchungen ihres Chefgraphologen Dr. Bronson die menschliche Hölle zu ergründen?

Durch mich geht man hinein zur Stadt der Trauer,

Durch mich geht man hinein zum ewigen Schmerze,

Durch mich geht man zu dem verlornen Volke.

Besteht der Ursprung der ÄKSCHN GMBH in der sogenannten Kolportage-Literatur? Ist die ÄKSCHN GMBH nur eine Legende? Sucht die ÄKSCHN GMBH ähnlich radikal nach Transzendenz wie der IS? Hat es die ÄKSCHN GMBH jemals gegeben? Ist die ÄKSCHN GMBH eher eine ÄKSCHN GBR? Ist die ÄKSCHN GMBH börsennotiert? War Jesus in der ÄKSCHN GMBH? Ist die ÄKSCHN GMBH konfessionell? Besitzt die ÄKSCHN GMBH eine Atombombe? War Mohammed in der ÄKSCHN GMBH? Wie kann man Mitglied der ÄKSCHN GMBH werden? Dürfen Homosexuelle und Ausländer Mitglied der ÄKSCHN GMBH werden? Ist Jean Genet Ehrenpräsident der ÄKSCHN GMBH? War Jesus in der ÄKSCHN GMBH? Gibt es Frauen in der ÄKSCHN GMBH? Ist die Frauenbrigade der PKK eine SUPPORTERIN der ÄKSCHN GMBH? Sind die WALKÜREN Mitglied der ÄKSCHN GMBH? Erschafft die ÄKSCHN GMBH als Beitrag zur Emanzipation einen weiblichen RAMBO? (Her name is RAMBA – THE MAMBA.)

Ist die Lügenpresse verantwortlich für das Gerücht, es würde eine ÄKSCHN GMBH existieren? Besitzt die ÄKSCHN GMBH eine Zeitmaschine? Ist die Lügenpresse verantwortlich für das Gerücht, die ÄKSCHN GMBH wäre untergegangen? Versucht die ÄKSCHN GMBH, die Kunst zu vernichten, SICH SELBST ZU VERNICHTEN, 1984, um dunkle Materie zu generieren?

Warum ist Juri Gagarin Ehrenpräsident der ÄKSCHN GMBH? Warum ist THE MAN FROM MARS in der ÄKSCHN GMBH? Ist SNICKERS die Notration der ÄKSCHN GMBH?

Gab es eine trotzkistische Strömung in der ÄKSCHN GMBH? Gab es einen Stalin-Kult in der ÄKSCHN GMBH? Hat die ÄKSCHN GMBH tatsächlich eine Helmut-Kohl-Biographie finanziert? Hat die ÄKSCHN GMBH einst Dr. Putin beim KGB in Dresden eingeschleust? Warum ist Perry Rhodan der Ehrenpräsident der ÄKSCHN GMBH? Wie ist die Hierarchie innerhalb der ÄKSCHN GMBH? Gibt es eine Hierarchie innerhalb der ÄKSCHN GMBH? Ist Elvis Presley Mitglied der ÄKSCHN GMBH? Ist Freddy Mercury Mitglied der ÄKSCHN GMBH?

MUSSIDENN, MUSSIDENN SUM SCHTÄDELE HINAUS, SCHDÄDELE HINAUS, NUR DU, MEIN SCHATZ, BLEIBST HIER. Versucht eine Splittergruppe der ÄKSCHN GMBH, Beate Zschäpe mit Hilfe einer Zeitmaschine aus ihrer Zelle aus Glas, aus ihrer Zelle aus Licht in die Zukunft zu entführen, um sie dort zur Anführerin einer nationalsozialistischen Resistance zu machen, damit diese von innen heraus vernichtet wird, weil sich alle in sie verlieben werden, Fluch der Walküre? Oh Erde, oh Sonne, oh ihr stillen Planeten …SOLL ICH, WEIL’S BRAUCH IST, EIN STÜCK EISEN STECKEN IN DAS NÄCHSTE FLEISCH …

Rekrutiert die ÄKSCHN GMBH transsexuelle Huren, um sie mit Bankern zu paaren und so den finanziellen Fortbestand zu sichern? Bezahlt die ÄKSCHN GMBH stets in Naturalien, weil sie kein Geld besitzt und keines besitzen will? Plant die ÄKSCHN GMBH die Pleite Europas, um in den Trümmern wieder die wahre Kunst auferstehen zu lassen? Klont die ÄKSCHN GMBH den Chansonnier Heino? Ist die ÄKSCHN GMBH eine Ansammlung von verkappten Romantikern, die das Unvollendete im Eichendorff’schen Sinne feiern?, Eichendorff, Novalis & Co. is the ÄKSCHN GMBH.

Hat die ÄKSCHN GMBH die Anwälte Sturm, Stahl und Heer vor mehr als 30 Jahren geklont? Ist die Zeitmaschine der ÄKSCHN GMBH in Wirklichkeit nur ein magischer Spiegel? Wir fallen, und was ist die Wirklichkeit?

Gehört der SAGENUMWOBENE Fortunati Glückssäckel zur ÄKSCHN GMBH?

Besteht die ÄKSCHN GMBH nur aus Old Shatterhand, Old Firehand, Old Surehand, Old Death? (Old Death ist die ÄKSCHN GMBH, die Indianer nennen Old Death Koscha-pehve, Old Death kaute mit Opium versetzten Kautabak, während er seinen verschollenen Bruder suchte, dessen Frau einst durch seine, Old Deaths, Schuld starb, Old Death ist ein Gerippe, das durch den Westen reitet, Old Death likes Old Shatterhand, old Knochendaumen für GERMANIAS EISENFAUST, Max Schmeling ist die ÄKSCHN GMBH, Old Death ist tot, Old Shatterhand ist niemals tot, weil er Nscho-tschi liebt, die ist tot und für ihn gestorben, IST JESUS MITGLIED DER ÄKSCHN GMBH? Old Death, Old Shatterhand, Old Surehand, Old Jesus, Old Firehand sind Mitglieder der ÄKSCHN GMBH, wer oder was ist die ÄKSCHN GMBH?)

GERMANIAS HELDEN sind Mitglied der ÄKSCHN GMBH, Siegfried & Hagen, Heckler & Koch, die Walküren aus dem Norden, die gute Edda ist die ÄKSCHN GMBH, Bertolt Brecht ruft die wahre ÄKSCHN GMBH aus, zuweilen ist die General-Feldmarschall-Rommel-Kaserne das Hauptquartier der ÄKSCHN GMBH, Heino ruft die wahre ÄKSCHN GMBH aus.

»Wenn die bunten Fahnen wehen, geht die Fahrt wohl übers Meer.

Woll’n wir ferne Länder sehen, fällt der Abschied uns nicht schwer.

Leuchtet die Sonne, ziehen die Wolken,

klingen die Lieder weit übers Meer.

Sonnenschein ist unsere Wonne, wie er lacht am lichten Tag.

Doch es geht auch ohne Sonne, wenn sie mal nicht scheinen mag.

Blasen die Stürme, brausen die Wellen,

singen wir mit dem Sturm unser Lied.

Hei, die wilden Wandervögel ziehen wieder durch die Nacht.

Singen ihre alten Lieder, dass die Welt vom Schlaf erwacht.«

O Mensch! Gib acht! / Was sprich die tiefe Mitternacht? / »Ich schlief, ich schlief –«, / Aus tiefem Traum bin ich erwacht: –

A-HA besuchte den letzten öffentlichen Auftritt Karl Mays im Jahre 1912 in Wien; verschanzt in der Kantine der General-Feldmarschall-Rommel-Kaserne tötet die ÄKSCHN GMBH genau 100 Jahre später 2000 Nazi-Zombies, IN THE HEART OF DARKNESS, Joseph Conrad ist der Hochseekapitän der ÄKSCHN GMBH, Fluss ohne Ufer, Hans Henny Jahnn ist der Hochsee- und Binnen-Kapitän der ÄKSCHN GMBH, hat Colonel Kurtz mit einem Putsch das Kommando der ÄKSCHN GMBH übernommen?, DAS GRAUEN ist die ÄKSCHN GMBH, die Mitternacht ist die ÄKSCHN GMBH, die ÄKSCHN GMBH SCHLÄFT100 JAHRE LANG … Old Zwerg Nase … OLD FIREHAND VERLIERT BEIM FEIERN SEINEN LETZTEN CENT … Wer oder was –––

 

Offenbach, Hessen. O-Town.

Neubauten, Brachen, Gewerbegebiete, Supermärkte, verfallene 50er-Jahre-Flachbauten, vergammelte Grünflächen neben Trinkhallen.

An den Ecken Gangs, zwielichtige Typen, viele Ausländer. In einer Wohnung, in der eine Gang Videospiele spielt, kommt es zu einem brutalen Zugriff der Polizei von O-Town.

Ein Gangmitglied wird erschossen. Geht es um Drogen? Haben die Bullen Dreck am Stecken?

Am nächsten Tag, Freitagnachmittag: Kommissar Murot ist privat im Auto unterwegs. Im Radio wird immer wieder die Sonnenfinsternis erwähnt, die schon in wenigen Minuten beginnen soll. Kommissar Murot, fast schon in O-Town, schaut aus dem Fenster in den blauen Himmel, noch hämmert die Sonne auf die Randgebiete der Stadt.

Kommissar Murot will zu einer kleinen Polizeiwache, ein Flachbau im Niemandsland am Rand von O-Town, mitten auf einer Brachfläche aus Kies, umgeben von Kleingarten-Ruinen, pleitegegangenen Gewerbegebieten, flachen Neubauten, leerstehenden Fabriken, ein paar Siedlungen im 50er-Style, fällt schon der erste Schatten auf die Sonne? Nein, noch glüht sie auf O-Town. Neben der Wache ein kleiner Verkehrsgarten mit Ampeln, Straßenschildern, kleinen Fußgängerüberwegen, ein paar Kinder fahren auf Fahrrädern durch die schmalen Straßen. Eine Schulklasse kommt aus der Wache, ein alter Bulle in Uniform begleitet sie, er humpelt etwas. Er gibt jedem Schüler eine Infobroschüre. Die Wache ist nur ein Polizeimuseum, wird seit Jahren nicht mehr regulär genutzt. Eine junge Kollegin, eine Verkehrspolizistin, schiebt die Fahrräder zusammen. Die Kinder schmeißen die Broschüren zu Boden, spielen Krieg auf dem Weg über den Kiesplatz.

Der alte Bulle schaut ihnen hinterher. Staub weht über den Platz. Er hat eine Wanderkugel im Leib from the good old RAF, in der Nähe der Wirbelsäule, die sie nicht entfernen können. Manchmal kriegt er deswegen leichte Lähmungserscheinungen. Wenn die Kugel wandert. Er reißt hier seine letzten Jahre ab.

Im Museum gibt es keine Telefone, nur Ausstellungsstücke, Zellen aus den 60ern/70ern im Keller, uralt-Computer from the 80s. Ein paar Waffen in Vitrinen.

Kommissar Murots Auto fährt über den Kiesplatz. Die beiden kennen sich von früher.

Woanders, auch ganz in der Nähe: Ein Hipster-Vater ist mit seiner kleinen Tochter (ca. 10 Jahre) im Auto unterwegs, Berliner Kennzeichen. Sie steigen aus, wollen Club-Mate kaufen.

In den Straßen von O-Town braut sich etwas zusammen, das kann nicht nur die kurz bevorstehende Sonnenfinsternis sein, Rollläden werden runtergelassen, die Straßen leeren sich. Lange Schatten auf den Hinterhöfen, in den Seitenstraßen. Vater und Tochter gehen in einen kleinen Spätverkauf. Keiner da, gibt auch kein Club-Mate. Hinter der Verkaufstheke liegt ein Toter. Mehrere Schusswunden. Sie rennen nach draußen.

Und da sind sie: links und rechts, an beiden Enden der Straße. Gang-Typen mit Sonnenbrillen, einige Vermummte, sie halten Waffen mit langen Schalldämpfern.

Der Vater wird sofort erschossen. Plopp-plopp. Plopp-plopp. Der erste Schatten des Mondes fällt auf die Sonne. Sie nähern sich. Carpenter-Score. Assault, Main-Theme. Ba-da-da-dadamm. Ba-da-da-dadamm. Sie rennt zurück in den Laden, findet eine Knarre bei dem toten Verkäufer. Erledigt einen der Typen. Sie rennt.

Ein Gefangenentransport, ein kleiner grüner Bus nähert sich der Wache, Kommissar Murot sitzt mit dem alten Bullen an einem kleinen Plastiktisch draußen vor der Wache, die Verkehrspolizistin bringt den Verkehrsgarten auf Vordermann, sammelt die Broschüren ein. Was ist mit dem Bus? Hat er eine Panne? Ein Reifen schlackert über den Kies des Platzes. An Bord: 4 Verbrecher, 2 Beamte.

Im Zwielicht der beginnenden Sonnenfinsternis steigen alle aus. Die Gefangenen tragen Handschellen. Einer von ihnen ist der berüchtigte Kannibale von Peine. Ein kultivierter, gebildeter Mann. (Sie sollen verlegt werden. Haben die beiden Fahrer/Wächter eine unglaubliche Scheißerei, ebenfalls verursacht vom Kannibalen, der ihnen eine Sekretmischung aus seinem Körper in den Kaffee gemischt hat, er kennt sich aus mit so was vom Verzehr, und wollen das aus Scham beim alten Bullen im Museum abseits des Dienstweges erledigen, es gibt dort legendäre Sanischränke von 1970? »Die wollten sich nur mal leerscheißen, jetzt sind sie tot.«)

Später, als der Angriff bereits im vollen Gange ist, immer mal Kannibalen-Witze. »Der Kannibale von Peine isst am liebsten Beine.«

Das Mädchen rennt über den Kiesplatz, auf das Polizei-Museum zu.

Scheiben zersplittern, Einschusslöcher in Körpern, der Mond schiebt sich ganz langsam vor die Sonne, Zwielicht wie nach einem Atomschlag. Und da kommen sie, von allen Seiten, Staub steigt auf, Waffen mit langen Schalldämpfern.

Die Überlebenden flüchten ins Innere der Wache. »Was verdammt nochmal ist hier los?« Es leben: Kommissar Murot; der alte Bulle mit der Wanderkugel; der Kannibale von Peine; ein weiterer Gefangener, ein riesiger Vietnamese, der King der Zigarettenschmuggler; die Verkehrspolizistin, die schon ein paar Kugeln abgekriegt hat. Später erwischt es sie richtig, aber im Obergeschoss ist eine Putzfrau, die von alldem nichts mitgekriegt hat (Walkman!) und eine kleine Fuffzehn macht (d.h. Pause), die wird sofort rekrutiert. Sie ist eine Deutschrussin, war bei den Pionieren und in den sowjetischen Jugendlagern usw., deswegen gibt sie vor, militärische Erfahrung zu haben. Dazu hat überlebt: das kleine Mädchen with the gun. Auch sie schießt scharf, die Schweine haben ihren Vater umgelegt, sie will Rache, Kommissar Murot versucht, sie davon abzubringen, den Kreislauf des Todes zu druchbrechen.

Die wenigen Waffen werden verteilt. Die Vitrinen leergeräumt. Erst sind die Gefangenen im Keller in den alten Zellen untergebracht, aber dann müssen sie alle zusammenarbeiten. Kommissar Murot und der Kannibale von Peine verstehen sich gut. Die Sonnenfinsternis scheint ewig zu dauern, und die zombiegleichen Angreifer werden immer mehr. Kommissar Murots Handy war schon auf der Fahrt nach O-Town halbleer, die anderen haben keins. Und als sie an ein Handy gelangen, müssen sie feststellen: kein Netz. Der Sound von Carpenter hämmert die Bässe in die apokalyptische Finsternis.

Wer greift sie an? Lautlos sind die Waffen und die Männer. Spekulationen im Überlebenskampf. Die Leichen der Angreifer werden durchsucht. IS? Crystal-Freaks? Anarchisten? Ganglords? Einer trägt ein kleines Hakenkreuztattoo, ein anderer eine Gebetskette.

»Wenn sich aller Abschaum zusammentut, dann gnade uns Gott, dann gehört ihnen die Welt.«

Die Angriffe werden heftiger. Die Verteidiger versuchen, ein altes Funkgerät umzufrequentieren. Der alte Bulle stirbt, als er mit einem alten Bren-MG (ein tschechisch-englisches MASCHINENGEWEHR, das u.a. im WK 2 zum Einsatz kam) aus dem Keller kommt, über Jahre hat er es dort versteckt, die geheimnisvolle Geschichte der stillgelegten Wache. Die Wanderkugel durchtrennt schließlich sein Rückenmark, die Anstrengung war zu viel.

Welche Rolle spielen die korrupten Bullen von O-Town? Lassen sie die Gangs und den Abschaum wüten, Bauernopfer altes Bullen-Museum?, um dann richtig zuzuschlagen?

Ein alter Gang wird entdeckt, Folterkeller aus guten alten RAF-Zeiten … Der Fidschi-King opfert sich, als er mit der Bren loszieht. Der Kannibale aus Peine wittert seine Chance. »Oh herrlicher Geruch verbrannten Fleisches!« In der Wache löst sich die Gesellschaft auf. »Wenn die Toten aus ihren Gräbern kommen, wenn der Abschaum sich zusammentut, dann gnade uns Gott.«

»Gott ist tot!« Mit letzter Kraft wird der Angriff abgewehrt. Taucht Joachim Król als Retter auf in einem alten Eiswagen, der Eisverkäufer legt sie alle um? Was machen die korrupten Bullen aus O-Town. Where is the IS?

Wird die Sonne jemals wieder ohne Schatten sein?

COMING SOON: MEYER/STUBER – DER ANGRIFF.

 

Anfang der 90er, vielleicht ’91, eher ’92, kaufte ich auf einem Flohmarkt eine Videokassette des Films »Der Angriff«, im Original »Assault on Precinct 13« von John Carpenter. Zu diesem Zeitpunkt war Beate Zschäpe 16 oder 17 Jahre alt.

23 Jahre später sitze ich (zusammen mit dem Filmregisseur Thomas Stuber, THOMAS STUBER IST MITGLIED DER ÄKSCHN GMBH) an einem Remake von Carpenters »Assault«, ein Auftrag für ein Drehbuch für einen Fernseh-Tatort, ein Exposé entsteht.

Beate Zschäpe sitzt in einer Zelle aus Licht (eine Zeitlang wurde das Licht in ihrer Zelle nicht abgeschaltet, um sie permanent unter Beobachtung zu halten), wird verteidigt von Sturm, Stahl und Heer, und wir wissen nicht, war sie der Kopf des NSU oder die Hausfrau und die Heimstatt der beiden Uwes und damit auch der Kopf des NSU …

Ich kann mich erinnern, wie ich gebannt und schockiert vor dem flimmernden Bild saß, DER ANGRIFF, hundertfach wurde diese Gebraucht-VHS wohl schon abgespielt, das Bild verzerrt sich an den oberen und unteren Rändern, ich hatte das Geld für meinen ersten Videorekorder einige Wochen zuvor als Komparse bei der Wagner-Oper »Lohengrin« verdient, ich war ein Junge mit einem Holzschwert, ein Soldat mit einem Holzschwert, das Gesicht leuchtend weiß geschminkt, manchmal ließ ich die Schminke nach der Probe oder nach der Vorstellung drauf und ging so durch die Nacht nach Hause.

Wie ein Zombie, der doch nur seine Pubertätsakne verdecken wollte.

Und Carpenters Zombies in »Assault«, die eigentlich keine Zombies sind, die aber wie die Untoten beim großen George A. Romero, den ich erst später kennenlernen sollte, schweigend und scheinbar unaufhaltsam gegen die Eingeschlossenen vorgehen, ließen mich gebannt auf den großen alten Röhrenfernseher starren, den ich von irgendeiner Straßenecke in mein Zimmer geschleppt hatte, denn meine Mutter lehnte lange einen Fernseher ab, lehnte das Fernsehen an sich ab, und in diesen Jahren standen die alten Ostfernseher an den Straßenecken, auf den Schrottplätzen, denn die Leute kauften neue Westware, Philips, Sony, Grundig … Und bei Carpenter kommen sie aus der Nacht, mit schallgedämpften Waffen, sie greifen die alte Polizeiwache an, die nur noch eine Nacht existieren soll, aufgelöst wird, vom Netz genommen wird, das es damals noch nicht gab, weder 1976, als der Film entstand, noch 1992, als ich ihn das erste Mal sah. Große Zeit der VHS, große Zeit der Videotheken, die seit 1990 in L. an allen Ecken entstanden … Große netzlose Zeit, große vernetzte Zeit. Die meisten dieser kleinen Eckvideotheken, die nur ein beschränktes Sortiment an Action-Filmen und Pornos verliehen, denn ein Markt für Porno-Action existierte ja nicht in L. vor ’90, vor ’89, schlossen nach wenigen Jahren (oft nur Monaten) wieder, die Filme wanderten auf die Flohmärkte.

Und in meinen nächtlichen Träumen ’92 kreuzen und mischen sich die Bilder und Sounds aus »Assault« mit den Bildern und Sounds aus Wagners »Lohengrin« … Der Gral wird in einer Polizeistation versteckt, Leipzig Südost, die toten Ritter greifen an, weiße Gesichter in der Nacht. Parzival hält die Stellung, ich habe die Nacherzählung von Eschenbachs »Parzival« als Kind gelesen und stellte erst später fest, dass der große Erzähler Werner Heiduczek, dessen Roman »Tod am Meer«, erschienen erstmals in meinem Geburtsjahr 1977, mich 2006 ganz unerwartet traf und tief traf, dass eben dieser Werner Heiduczek den »Parzival« nacherzählte. Aus frühen Zeiten ist uns die Nachricht von jenem wundersamen Gral geblieben, den einige als kostbaren Stein gekannt haben wollen, andere hingegen als Schale oder als Kelch. Wie auch immer beschrieben und wo aufbewahrt, in Britannien oder Mesopotamien, ihm war die Kraft eigen, dem Glück zu geben und Vollendung, der ihm nahe war. So lebte er als Sehnsucht in den Menschen fort. So las ich es als Kind.

»Ich habe nicht gewusst, wie sehr ich leben möchte.« Und so beginnt »Tod am Meer«, einer der großen Romane auf dem großen Flohmarkt der Romane nach 1945 (DIE ÄKSCHN GMBH LIEBT WORTSPIELE UND KALAUER UND FLOHMÄRKTE), Jahre des Herrn.

Ein Roman über den Krieg, über den Anfang und das Ende und das Dazwischen. Das Lebenswerk Werner Heiduczeks, sein zweiter und letzter Roman, der Erste hieß »Abschied von den Engeln«, ein Titel, den ich sofort verwenden würde, wenn es ihn nicht schon gäbe aus des Meisters Hand, ABSCHIED VON DEN ENGELN, ein großer Roman, seiner (und meiner, der anders heißen wird, vielleicht auch irgendwas mit Engeln …), und Werner Heiduczek, der mit fast 90 Jahren immer noch in der Stadt L. sitzt, wachen Geistes, den ich ein paarmal besucht habe seit 2006, dessen Roman »Tod am Meer« den Anfang der Illusion DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK beschreibt, DIE ÄKSCHN GMBH LIEBT DIE WORTE DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK, DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK, ABSCHIED VON DEN ENGELN. DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK … DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK … Deutsche Demokratische Republik … Deutsche Demokratische Republik … Abschied von den Engeln.

Ein Ich-Erzähler, der, dem Tode nah, sich erinnert, der seinen Weg gegangen ist, Zugeständnisse gemacht hat, in dieser DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK, ABSCHIED VON DEN ENGELN, seinen Weg gegangen ist, ein Künstler, ein Dramatiker, der sein Leben sieht, seinen Betrug sieht, sein Scheitern sieht, seine Träume sieht, sein Scheitern sieht … Im Zwiegespräch mit Bai Dimiter, in Bulgarien am Meer, in einem Krankenhaus, in einem Zimmer, DIE ÄKSCHN GMBH HASST NACHERZÄHLUNGEN, DIE SICH TARNEN ALS EIGENE BETRACHTUNG DES NACHERZÄHLTEN.

»Ich muss aufpassen, Bai Dimiter, dass du mich noch verstehst. Ich möchte alles gleichzeitig aufschreiben, um mich von der Erinnerung zu befreien.«

Und ich sitze mit Werner Heiduczek, 2006 bis …, und lausche seinen Erzählungen über die großen Kollegen in der DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK, lausche seinen Erzählungen über »Die Schatten meiner Toten«, was für ein Titel, die ÄKSCHN GMBH LIEBT TITEL UND HASST DUMME TITEL, WEISS ABER AUCH, DASS EIN SCHLECHTER TITEL EIN GUTES BUCH NUR BEDINGT VERSCHLECHTERT, WEISS, DASS EIN GUTER TITEL EIN SCHLECHTES BUCH NUR BEDINGT VERBESSERT, DIE ÄKSCHN GMBH LIEBT TITEL, schlechte Titel sind zum Beispiel: »Die NSU-Morde«, obwohl, das ist kein schlechter Titel, schlechte Titel sind zum Beispiel: die meisten Genitiv-Titel, außer »Die Schatten meiner Toten«, »Abschied von den Engeln« (Moment, ist das überhaupt ein Genitiv-Titel?), »Die Entdeckung der Langsamkeit« (Nadolny), »Vom Mut des Künstlers« (J.R. Becher) usw. usw., wobei wir eingestehen müssen, dass es auch sogenannte okaye Titel gibt, die etwas besser als Scheiß-Titel sind, aber weitaus schwächer als meisterhafte Titel. Okaye Titel sind beispielsweise »Ein Fall für Micky« aus der Serie Lustige Taschenbücher (während »Der Kolumbusfalter« aus derselben Reihe ein schillerndes Beispiel für wahre und klare Poesie ist) …, aber wir wollen unsere Zeit nicht allzu sehr verschwenden, um über die schlechten Titel in der Gegenwartsliteratur zu sprechen, aber »XXX« ist nun mal wirklich schlecht, weil viel zu harmlos als Titel, »XXX« ist schlecht, und »XXX« ist ebenfalls schlecht, bitte keine Titel mehr, es wäre ja ertragbar, wenn die Bücher nicht auch so schlecht wären, man sollte manchen Schriftstellern TITELGHOSTWRITER zur Seite stellen, obwohl ca. 90 % der Gegenwartsliteratur (sagen wir 2 Drittel) überhaupt einen Ghostwriter bräuchten, HUST HUST, DAS IST DIE MEINUNG DER ÄKSCHN GMBH, »XXX« und »XXX« und »XXX« sind Müll, OH IHR SCHLECHTEN TITEL (hier ganz nebenher, weil’s grad so gut passt, meine Titel-Top-Ten ohne Reihenfolge: »Die Nackten und die Toten« von Norman Mailer – Gänsehauttitel; »Die Schatzinsel« von Robert Louis Stevenson – einfach, knackig, gut; »Der Zauberberg« von Thomas Mann – The Magic Mountain; »Als wir träumten« von mir – ich konnte nicht glauben, als ich den Titel fand und erfand, dass es den noch nicht gab; »Die Nacht, die Lichter« auch von mir – scheinbar einfache Klarheit, zwei Substantive durch Komma getrennt, fließende Bewegung von Einzahl zu Mehrzahl, ganz poetisch; »Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull« von Thomas Mann – Bekenntnisse sind immer gut, Hochstapler auch; »Die Nacht aus Blei« von Hans Henny Jahnn – dunkel wie Herrenschokolade; »Der Ölprinz« von Karl May – sehr schöner Titel; »Der Fremde« von Albert Camus – ice-cool!; »Krieg und Frieden« von Leo Tolstoi – da ist schlichtweg ALLES drin, schon im Titel; »Das Kapital« von Karl Marx – wie bei Tolstoi; »Wozu Literatur?« von Wilhelm Girnus ––– VERDAMMT, DAS WAREN12, und das ohne »Reise ans Ende der Nacht« und »Die Stoßburg«! Und weiter im Titelirrsinn …), einer der okayen Titel, von denen ich sprach, aber nicht TOP-TEN-würdig, ist zum Beispiel »Die Schlange – ein Mike Hammer Roman«, obwohl das vielleicht sogar ein genialer Titel ist, wie eigentlich alle Mike-Hammer-Romane geniale Titel haben, wie »Tote kennen keine Gnade«, im Original fast noch genialer »The Killing Man«; »Survival Zero«, in der deutschen Ausgabe »Keine Chance – ein Mike-Hammer-Roman«; »Ich, der Richter«, im Original »I, the Jury«; »Küss mich, Tod«, im Original »Kiss me deadly«, MIKE HAMMER IS THE ÄKSCHN GMBH, MIKE HAMMER VERSUS NSU, MIKE HAMMER VERSUS IS, MIKE HAMMER VS. THE ÄKSCHN GMBH, MIKE HAMMER GOT HIS GUN