Der Weg zum agilen Unternehmen – Wissen für Entscheider - Michael Lang - E-Book

Der Weg zum agilen Unternehmen – Wissen für Entscheider E-Book

Michael Lang

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Beschreibung

Ein unentbehrlicher Ratgeber für alle, die Entscheidungen treffen müssen und sich schnell einen fundierten Überblick verschaffen wollen!

Agilität ist kein „Trend“, der vorbeigeht, sondern eine notwendige Anpassung, um die Zukunft des Unternehmens zu sichern! Will ein Unternehmen weiterhin wettbewerbsfähig sein, muss es sich den geänderten Voraussetzungen stellen und einen Weg finden, um die zunehmende Komplexität und Schnelllebigkeit erfolgreich meistern zu können. Agilität ist hierbei eine gewinnbringende Antwort.
Dieses Buch vermittelt einen kompakten Überblick zum Thema Agilität. Es zeigt, warum Agilität so wichtig ist und in Zukunft auch überlebenswichtig sein wird. Dabei stellen die Autoren dar, was genau Agilität ausmacht, welche Aspekte Agilität umfasst, welche Vorteile, aber auch welche Risiken mit Agilität verbunden sind.

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Michael LangStefan Scherber

Der Weg zum agilen Unternehmen – Wissen für Entscheider

Die Herausgeber:Michael Lang, FürthStefan Scherber, Nürnberg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Print-ISBN 978-3-446-45743-0E-Book-ISBN 978-3-446-45759-1ePub-ISBN 978-3-446-45888-8

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Alle in diesem Buch enthaltenen Verfahren bzw. Daten wurden nach bestem Wissen dargestellt. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen.

Aus diesem Grund sind die in diesem Buch enthaltenen Darstellungen und Daten mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Darstellungen oder Daten oder Teilen davon entsteht.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

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Die Rechte aller Grafiken und Bilder liegen bei den Autoren.

© 2019 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Münchenwww.hanser-fachbuch.deLektorat: Lisa Hoffmann-BäumlCoverrealisation: Stephan Rönigk

Vorwort

Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen: digitale Transformation, zunehmende Komplexität und disruptive Veränderungen. Nur flexible und anpassungsfähige Unternehmen können unter diesen neuen Rahmenbedingungen dauerhaft erfolgreich sein. Somit wird Agilität immer mehr zum Wettbewerbsvorteil und entscheidenden Erfolgsfaktor.

Dabei reicht es heute nicht mehr aus, sich auf einzelne agile Projekte oder Unternehmensbereiche zu beschränken. Stattdessen sind agile Denk- und Vorgehensweisen im gesamten Unternehmen erforderlich.

Diese agile Transition schreitet in Unternehmen oftmals nicht so erfolgreich wie geplant voran, weil sich die Unternehmen lediglich auf die Umsetzung der Vorgehensmodelle, Prozesse und Methoden konzentrieren, die sich in den letzten Jahren im agilen Kontext etabliert haben. Vielmehr sollten die Entscheidungsträger in Unternehmen aber berücksichtigen: Ein erfolgreicher Weg zum agilen Unternehmen erfordert auch geeignete Werte und Prinzipien, bis hin zu einem kompletten Wandel der Unternehmenskultur. Und dazu bedarf es in der Regel Veränderungen in der Organisation des kompletten Unternehmens sowie bei der Form der Führung und Zusammenarbeit.

Erst dadurch können die vollen Potenziale von Agilität ausgeschöpft werden. Für das Unternehmen, seine Mitarbeiter, seine Partner und seine Kunden.

Daher freue ich mich, dass in diesem Buch ausgewiesene Experten wertvolle Hinweise und innovative Ansätze für die Vorgehensweise und die erforderlichen Veränderungen bei einer agilen Transition vorstellen.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen des Buches und viel Erfolg beim Umsetzen der dabei gewonnenen Erkenntnisse auf Ihrem Weg zum agilen Unternehmen!

 

Dr. Robert Mayr

Vorsitzender des VorstandsDATEV eG

 

 

 

Wissen für die OhrenDer Podcast von HANSER

 

Jetzt Podcasts zu diesem Buch hören und abonnieren unter:https://soundcloud.com/user-436278995

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

1 Wozu agil?

Peter Rößler

1.1 Herausfordernde Realitäten

1.1.1 Realität 1: Fachkräftemangel nimmt zu

1.1.2 Realität 2: Keine kundenzentrierten Produkte und zu lange Entwicklungsdauer

1.1.3 Realität 3: Mangelnde Innovationskraft und Bedrohung durch disruptive Technologien

1.2 Der Realität mit Agilität begegnen

1.2.1 Realität 1: Attraktiv für die Generation Y

1.2.2 Realität 2: Kundenzentrierte Produktentwicklung

1.2.3 Realität 3: Innovationskraft ermöglichen

2 The Lean Startup – die Methode für die Entwicklung von Geschäftsmodellen

Judith Grummer

2.1 Lean-Startup-Grundlagen und -Prinzipien

2.1.1 Entrepreneure gibt es überall

2.1.2 Entrepreneurship ist Management

2.1.3 Validiertes Lernen

2.1.4 Bauen, Messen, Lernen!

2.1.5 Innovation bilanzieren

2.2 Lean Startup – die große Klammer um agile Innovationsmethoden

2.3 Lean Startup im Einsatz bei Unternehmen

3 Soziokratische Prinzipien und Werte – die Voraussetzung der Zusammenarbeit

Stephan Lobodda

3.1 Was bedeutet Soziokratie?

3.2 Die wichtigsten Prinzipien des soziokratischen Ansatzes

3.2.1 Prinzip 1: Die soziokratische Kreisstruktur

3.2.2 Prinzip 2: Entscheidungen im Konsent treffen

3.3 Mit soziokratischen Werten zum agilen Netzwerk

3.3.1 Wertschätzende Führung mit Körper, Geist und Seele

3.3.2 Wertschätzende Führung mit Herz und Verstand

3.3.3 Motivation durch wertschätzende Führung

3.4 Soziokratie und Unternehmenskultur

3.4.1 Soziokratie als Mittel zum Zweck

3.4.2 Der kollaborative Führungsstil in der Soziokratie

3.5 Soziokratie in der praktischen Umsetzung

3.5.1 Schritt 1: Überzeugungsarbeit bei sich selbst leisten

3.5.2 Schritt 2: In Kick-off-Veranstaltung Konzept, Vor- und Nachteile darstellen

3.5.3 Schritt 3: Mit überschaubarem Projekt beginnen und Regeln festlegen

3.5.4 Schritt 4: Erfolge feiern und Aufgabenbereiche erweitern

4 Agile Skalierung – das Werkzeug für eine unternehmensweite Übertragung

Valentin Nowotny

4.1 Zentrale Regeln

4.1.1 Nur loslegen, wenn wirklich erforderlich

4.1.2 Sich an agile Prinzipien halten

4.1.3 Nur gemeinsam funktionierts

4.2 Zentrale Skalierungs-Frameworks

4.2.1 SAFe – die komfortable Limousine

4.2.2 LeSS – der Rennwagen

4.2.3 Scrum@Scale – das Tandem

4.2.4 Nexus – das Rennrad

4.2.5 Disciplined Agile Delivery (DAD) – Vorsprung durch Technik!

4.3 Ein eigenes Framework entwickeln?

5 Agiles Change Management – der Weg einer erfolgreichen Veränderung

Hans-Joachim Gergs, Lars C. Schatilow, Marc Vincent Thun

5.1 Mythen des „klassischen“ Change Managements

5.1.1 Mythos 1: Veränderungsprozesse müssen systematisch vorgeplant werden

5.1.2 Mythos 2: Grundlegende Veränderungsprozesse müssen immer von der Spitze eines Unternehmens initiiert und umgesetzt werden

5.1.3 Mythos 3: Tief greifende Veränderungsprozesse müssen schnell und in episodischen Schritten betrieben werden

5.2 Prinzipien des agilen Change Managements

5.2.1 Erstes Prinzip: Denke in Kreisen – Reagieren auf Veränderung steht über dem Befolgen eines Plans

5.2.2 Zweites Prinzip: Liefere „funktionierende“ Veränderungen regelmäßig innerhalb kurzer Zeitspannen ab

5.2.3 Drittes Prinzip: Beteilige die Betroffenen und errichte Change-Projekte rund um motivierte Individuen

5.2.4 Viertes Prinzip: Kommuniziere rechtzeitig und schaffe ein hohes Maß an Transparenz

5.2.5 Fünftes Prinzip: Individuen und Interaktionen gelten mehr als Dokumentationen, Prozesse und Werkzeuge

5.2.6 Sechstes Prinzip: Hole regelmäßig Feedback ein und reflektiere den Veränderungsprozess selbstkritisch

5.2.7 Siebtes Prinzip: Betrachte Veränderung als Daueraufgabe

5.3 Agiles Change Management – Vorgehensweise und Methoden

5.3.1 Step 1: Start with the WHY

5.3.2 Step 2: Prioritize and design

5.3.3 Step 3: Experiment and implement

5.3.4 Step 4: Inspect and adapt

5.4 Agiles Change Management – Rollen und Zuständigkeiten

5.4.1 Der Change Owner

5.4.2 Der Change Master

5.4.3 Das Change Team

6 Vertragsgestaltung – eine besondere Herausforderung

Björn Schotte

6.1 „Time and Material“ auf Basis eines hinreichend stabilen Teams

6.2 Vertrauen aufbauen

6.3 You get what you measure for

6.4 Controlling an agiles Arbeiten anpassen

7 Agiles Human Resources Management – der entscheidende Katalysator

André Häusling und Martin Kahl-Schatz

7.1 Agile Organisation und agile Transformation

7.1.1 Die sechs Dimensionen der agilen Organisation

7.1.2 Die fünf Reifegrade in der agilen Transformation

7.2 Konsequenzen für den HR-Bereich

7.2.1 Agile HR-Instrumente

7.2.2 Die agile HR-Organisation

8 Führung – der entscheidende Erfolgsfaktor

Judith Andresen

8.1 Führen, leiten und managen

8.1.1 Führung auf drei Ebenen bedienen

8.1.2 Teams sich selbst organisieren lassen

8.1.3 Motivation der Teammitglieder fördern

8.2 Lernen ermöglichen und fördern

8.2.1 Retrospektiven mit allen Beteiligten durchführen

8.2.2 PDCA-Zyklen auf allen Ebenen etablieren

8.2.3 Umgang mit Misserfolgen lernen

8.3 Selbstorganisation ermöglichen

8.3.1 Keine Grenzverletzungen tolerieren

8.3.2 Mit Mehrdeutigkeit und Beweglichkeit umgehen lernen

8.3.3 Teams interdisziplinär ausbauen

8.4 Mittels „Target and Track“ führen

8.4.1 Laterale Führung anerkennen

8.4.2 Entscheidungsformen klären

8.4.3 In coachender Haltung führen

9 Agiles Coaching – die notwendige Unterstützung

Judith Andresen

9.1 Organisationen entwickeln

9.1.1 Inkremente liefern

9.1.2 Iterativ arbeiten

9.1.3 Lernen ermöglichen

9.2 Organisationsentwicklung agil vorantreiben

9.2.1 Agile Reifegrade anstreben

9.2.2 SWBLM: So wie beim letzten Mal

9.2.3 AR-D: Echt im Team arbeiten

9.2.4 AR-C: Im großen Team liefern

9.2.5 AR-B: Führung an Teams ausrichten

9.2.6 AR-A: In und mit der Organisation lernen

9.2.7 Scrum Master und agile Coaches erfolgreich einsetzen

9.3 Wirksamkeit agiler Coaches überprüfen

9.3.1 Die Chemie muss stimmen

9.3.2 Effiziente agile Coaches finden

9.4 Geeignete agile Coaches auswählen

10 Management-3.0 – die zukunftsweisende Strategie

Valentin Nowotny

10.1 Der grundlegende Ansatz von Management 3.0

10.2 Die Themenfelder

10.2.1 Energize people – Menschen mit Energie ausstatten

10.2.2 Empower teams – Teams erfolgreich in die Selbstorganisation führen

10.2.3 Align constraints – einen Erfolgsrahmen schaffen

10.2.4 Develop competence – Kompetenzen entwickeln

10.2.5 Grow structure – Teamstrukturen intelligent skalieren

10.2.6 Improve everything – das System nachhaltig verbessern

10.3 Beispiele für typische Management-3.0-Tools

10.3.1 Personal Maps – die Besonderheiten der Menschen kennenlernen, auch auf Distanz

10.3.2 Kudo Cards – Teammitglieder verstärken wechselseitig positives Feedback

10.3.3 Moving Motivators – Reflexion über Lebensmotive im Change-Prozess nutzen

10.3.4 Delegation Poker – gemeinsam die zentralen Leitplanken der Teams definieren

10.3.5 Team Competence Matrix – spielerisch erforderliche Kompetenzen erarbeiten

10.3.6 Meddlers Game – neue Strukturen gemeinsam aufstellen und mit Leben füllen

10.3.7 Happiness Index/Happiness Door

10.3.8 Mit Improvu Cards Storytelling für den Verbesserungsprozess nutzen

10.3.9 Change Agent Game

10.4 Kritik und Würdigung des Management-3.0-Ansatzes

10.4.1 Feedback als Schlüssel der Weiterentwicklung

10.4.2 Bedeutung von Metaphern und Geschichten

10.4.3 Alles eine große Marketingidee?

10.4.4 Frischzellenkur für Traditionsunternehmen?

11 Scrum – die zentrale Herangehensweise

Sven Winkler

11.1 Scrum im Überblick

11.1.1 Ein Paradigmenwechsel

11.1.2 Flaccid Scrum

11.1.3 Cargo Cult

11.2 Prinzipien

11.2.1 Empirische Prozesskontrolle und faktenbasierte Entscheidungsfindung

11.2.2 Potenziell auslieferungsfähiges Produktinkrement

11.2.3 Timeboxing

11.2.4 Pull-Prinzip

11.2.5 Selbstorganisation

11.2.6 Crossfunktionale Teams

11.3 Rollen

11.3.1 Das Scrum Team

11.3.2 Product Owner

11.3.3 Development Team

11.3.4 Scrum Master

11.4 Product Backlog und Product Backlog Item

11.5 Der Sprint

11.5.1 Forecast und Velocity

11.5.2 Forecasts und Burndowns

11.5.3 Der Sprintabbruch

11.5.4 Einführung

11.5.5 Sprint 0

11.5.6 Umgang mit Fehlern im Sprint

11.6 Sprint Backlog

11.6.1 Einführung

11.6.2 Skalierung

11.7 Definition of Done

11.7.1 Einführung

11.7.2 Skalierung

11.8 Die Events bzw. Meetings

11.8.1 Einführung der Events

11.8.2 Refinement

11.8.3 Sprint Planning

11.8.4 Daily

11.8.5 Review

11.8.6 Retrospektive

11.9 Allgemeines zur Einführung

11.10 Allgemeines zur Skalierung

12 Kanban – der alternative Pfad zu Agilität

Wolfgang Wiedenroth

12.1 Prinzipien und Praktiken

12.1.1 Veränderungsprinzipien

12.1.2 Serviceprinzipien

12.1.3 Praktiken

12.2 Kanban im Einsatz

12.2.1 Kanban auf Team- und Abteilungsebene

12.2.2 Kanban zur Koordination

12.2.3 Kanban auf Portfolio-Ebene

12.2.4 Kanbans drei Agenden

13 Agiles Projektmanagement – alt und neu kombiniert

Sabine Herr und Magdalena Richtarski

13.1 Klassisches Projektmanagement vs. agiles Projektmanagement – eine Gegenüberstellung

13.2 Vision und Ziele

13.2.1 Warum eine klare Vision wichtig ist

13.2.2 Was eine Vision erreichen kann

13.2.3 Eine Vision ist keine Strategie

13.2.4 Von der Vision zur Strategie mit einem agilen Ansatz – Ziele definieren mit Impact Mapping

13.2.5 Von der Strategie zum Ergebnis: Das Richtige messen – Outcome statt Output

13.3 Iterativ und inkrementell – die Basismethode für agiles Projektmanagement

13.3.1 Iteratives Vorgehen und Planung

13.3.2 Inspect and Adapt – mit Feedbackschleifen lernen und Risiken minimieren

13.4 Selbstorganisation im agilen Projektmanagement

13.4.1 Was ist Selbstorganisation?

13.4.2 Warum braucht agiles Projektmanagement Selbstorganisation?

13.4.3 Wie gelingt Selbstorganisation?

13.4.4 Crossfunktionale Teams und die Vorteile des interdisziplinären Arbeitens

13.4.5 Welche Art von Führung braucht Selbstorganisation und wie sehen die Aufgaben von Führungskräften in diesem Kontext aus?

14 Agilität in der Softwareentwicklung – praxisbewährt und erfolgreich

Fabian Schiller

14.1 Geschichtlicher Rückblick

14.2 Was ist Agilität in der Softwareentwicklung?

14.3 Wie agil müssen wir sein?

14.4 Dimensionen der Agilität

14.5 Wie werden wir agil?

14.5.1 Arbeit in Teams

14.5.2 Dialogische Entwicklung mit dem Kunden

14.5.3 Fachübergreifende Zusammenarbeit: Crossfunktionalität

14.5.4 Colokation

14.5.5 Visual Management und Taskboards

14.5.6 Kurze Iterationen und schnelles Liefern

14.5.7 Testautomatisierung

14.5.8 Test First

14.5.9 Pair Working

14.5.10 Agile Architektur

14.5.11 Domain-Driven Design

14.5.12 Retrospektiven

14.5.13 Zusammenfassung und Überblick

14.6 Agile Frameworks

14.6.1 Crystal Clear

14.6.2 eXtreme Programming

14.6.3 Scrum

14.6.4 Kanban

14.6.5 Feature-Driven Development

14.6.6 Zusammenfassung und Überblick

14.7 Herausforderungen bei der Einführung agiler Methoden und Praktiken

14.7.1 Im Team

14.7.2 In der Organisation

15 Agil und Lean – ähnlich, und doch verschieden

Albert Schlotter

15.1 Wettbewerb im Methodenmarkt

15.2 Das Zwiebelmodell

15.2.1 Sichtbarkeit

15.2.2 Hebelwirkung

15.3 Gemeinsamkeiten

15.3.1 Sichtbare Gemeinsamkeiten

15.3.2 Gemeinsame Werte

15.3.3 Gleiche Herausforderungen für Entscheider

15.4 Unterschiede

15.4.1 Sichtbare Unterschiede

15.4.2 Unterschiedliche Hebelwirkungen

15.4.3 Unterschiedliche Herausforderungen für Entscheider

Die Herausgeber und Autoren

1Wozu agil?

Peter Rößler

Dieser Artikel beschreibt drei Realitäten, mit denen sich Unternehmen aktuell konfrontiert sehen, stellt dar, warum Agilität eine logische Entwicklung auf die bestehende Realität ist, und gibt erste Ansatzpunkte, wie Agilität versucht, diesen Realitäten zu begegnen.

In diesem Beitrag erfahren Sie,

       warum Agilität entstanden ist,

       welchen Herausforderungen viele Unternehmen sich aktuell stellen müssen und

       wie Sie diesen Herausforderungen mit Agilität begegnen können.

„Wir müssen agil(er) werden.“ Es gibt kaum ein Unternehmen, in dem dieser Satz in den letzten Jahren nicht gefallen ist oder in dem „agil(er) werden“ nicht bereits auf der aktuellen Agenda steht. Für viele Chefs, Manager oder anderweitig Verantwortliche scheint „agil“ eine Art Zauberwaffe zu sein und wird als neueste Managementmethode ausgerufen: Das Unternehmen wird agil, und damit werden die aktuellen Probleme oder Herausforderungen gemeistert.

Umfragen unterstützen das erfolgreiche Bild von Agilität. In der Softwareentwicklung ist agiles Arbeiten inzwischen der neue Standard. Ein Artikel in der Harvard Business Review von 2015 nennt eine Verbesserung der Time-to-Market von 18 bis 20 %, eine Produktivitätssteigerung von bis zu 95 % und eine Kostenreduzierung von bis zu 29 %. Der 12th Annual State of Agile Report (VersionOne 2018) erwähnt, dass 74 % der Befragten angaben, dass mehr als die Hälfte ihrer agilen Projekte erfolgreich gewesen seien.

Agilität gewinnt auch in Bereichen außerhalb der Softwareentwicklung immer mehr an Bedeutung. Unternehmen unterschiedlicher Art merken, dass sie mit ihren zwar etablierten, aber auch verstaubten Vorgehensweisen nicht mehr mithalten können, und wollen das, was in der agilen IT scheinbar so gut funktioniert, auch in ihren Kontext übertragen. Einige stehen bereits mit dem Rücken zur Wand: Sie merken, dass eine Veränderung nicht nur nützlich, sondern notwendig ist, um mittelfristig konkurrenzfähig zu sein.

Andere Unternehmen merken, dass ihre Prozesse zwar ordentlich dokumentiert und geregelt, gleichzeitig aber auch extrem träge und langsam geworden sind. Selbst kleine (Ver-)Änderungen können nicht einfach und schnell in das System integriert werden, da man nach kurzer Zeit bereits bei internen Hindernissen an„eckt“. Fokussiert an einem wichtigen Projekt zu arbeiten oder eine neue Produktentwicklung voranzutreiben, fällt schwer.

Unter Agilität versteht man die Fähigkeit eines Unternehmens, sich kontinuierlich entlang von Nutzerbedürfnissen an seine komplexe, turbulente und unsichere Umwelt anzupassen, indem es diese Veränderungen möglichst rechtzeitig antizipiert und sein Geschäftsmodell, seine Kultur und seine Arbeitsprozesse entsprechend erneuert. Dadurch werden Menschen in agilen Organisationen sukzessive befähigt, vom Reakteur zum proaktiven Gestalter der unternehmerischen Zukunft zu werden.

1.1Herausfordernde Realitäten
1.1.1Realität 1: Fachkräftemangel nimmt zu

Mitarbeiter, die jetzt Anfang 50 oder älter sind, sind als Generation Babyboomer (Geburtsjahr 1955 bis 1968) noch in eine Arbeitswelt hineingewachsen, deren maßgebliches Ziel es war, Arbeitsplatzsicherheit zu finden. Persönliche Entwicklungschancen wurden diesem Ziel eher untergeordnet. Die neuen Generationen suchen oft das Gegenteil: Während die Generation X (Geburtsjahr 1969 bis 1979) bereits auf eine ausgeprägte Work-Life-Balance achtet, ohne die finanzielle Sicherheit zu verlieren, will die Generation Y (Geburtsjahr 1980 bis 1994) den Sinn der Arbeitstätigkeit verstehen und bevorzugt flache Hierarchien, Teamwork und Vernetzung. Über die Generation Z (Geburtsjahr ab 1995), die gerade erst das Arbeitsleben beginnt, wissen wir noch zu wenig, wie sie sich verhalten wird (vgl. Mihovilovic, Knebel 2017).

Auch wenn das Konzept der Kategorisierung in die benannten Generationen gerne kritisiert wird, werden Unternehmen in den nächsten Jahren die Auswirkungen des demografischen Wandels spüren: Während die geburtenstarken Babyboomer ausscheiden, profitiert vor allem die Generation Y von dem dadurch entstehenden Vakuum an fehlenden Fachkräften. Sie können sich ihren Arbeitgeber nach ihren Präferenzen aussuchen.

Arbeitnehmer der Generation Y wollen ein anderes Arbeitsleben: Sie wollen die Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit sehen, anstatt losgelöste Arbeitspakete zu bearbeiten. Sie wollen in einem Team oder Netzwerk mit flacher Hierarchie arbeiten, statt Befehlsempfänger in einer hierarchischen Kette zu sein.

Arbeitgeber müssen sich attraktiv für die Generation Y aufstellen, um nicht in naher Zukunft in die Lage zu geraten, keine passenden Fachkräfte zu bekommen. Oder andersherum: Die heranwachsende Generation an Fachkräften wird sich nicht bei Unternehmen bewerben, die noch in alten Denkmustern agieren. Diese Generation wird sich die Unternehmen aussuchen, die das für sie vielversprechendste Arbeitsleben ermöglichen.

1.1.2Realität 2: Keine kundenzentrierten Produkte und zu lange Entwicklungsdauer

Strategie- oder Roadmap-Meetings sind in Organisationen weitverbreitet: Auf einem Zeitstrahl ordnen Führungskräfte die gewünschte Fertigstellung verschiedener Projekte oder Produktentwicklungen an, die dann nach Diskussion feierlich beschlossen werden. Der Zweijahresplan steht, und alle haben ein „gutes Gefühl“. Der eigentliche Fehler passiert bereits hier: Es werden die vermeintlich richtigen Lösungen beschlossen, ohne zu wissen, ob diese wirklich vom Nutzer benötigt oder angenommen werden.

Dieses Vorgehen ist nicht mehr Erfolg versprechend. Denn wir leben zunehmend in einer VUCA-Welt, die durch Volatility (Unberechenbarkeit), Uncertainty (Ungewissheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Ambivalenz) geprägt ist.1 Dahinter steckt, dass unsere Welt durch die Globalisierung und den Einfluss der unterschiedlichsten Faktoren immer weniger vorhersehbar geworden ist (Hofert 2018).

Das Stacey Landscape Diagram (Stacey 1996) verdeutlicht diese Situation: Das Diagramm zeigt auf der x-Achse die Sicherheit der Technologie und auf der y-Achse die Klarheit der Anforderungen (vgl. Bild 1.1). Sichere Technologie bedeutet, dass diese von den Umsetzern verstanden und beherrscht wird. Im Gegensatz dazu steht zu wenig oder keine Erfahrung der Umsetzer mit der Technologie, die sich scheinbar jeden Tag anders verhält oder nicht mit der Dokumentation übereinstimmt. Klare Anforderungen können vorab detailliert aufgeschrieben und dann ohne Überraschungen in das System integriert werden, und die beschriebenen Funktionen sind genau so, wie vom Nutzer benötigt. Im Gegensatz dazu können unklare Anforderungen nicht detailliert aufgeschrieben werden oder es stellt sich bei der Fertigstellung heraus, dass eigentlich etwas anderes benötigt wurde.

Bild 1.1Stacey Landscape Diagram (Stacey 1996)

Stacey unterscheidet vier Bereiche in seinem Diagramm: einfach (klare Anforderungen und beherrschte Technologie), kompliziert (unsichere Technologie oder unklare Anforderungen), komplex (noch unsicherere Technologie oder noch unklarere Anforderungen) und chaotisch. In dem einfachen Bereich greifen Best Practices: Wir müssen kaum nachdenken und können „einfach machen“. In dem komplizierten Bereich können wir analysieren und entsprechend einen Plan erstellen, den wir anschließend ausführen. Im komplexen Bereich müssen wir anders agieren, denn wir können den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang erst im Nachhinein sicher analysieren (retrospektive Kohärenz). Und sind wir im chaotischen Bereich, lassen sich Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge selbst hinterher nicht analysieren (Roock, Wolf 2016).

Vor ein paar Jahrzehnten befanden wir uns vornehmlich in einem komplizierten Bereich, während wir in der aktuellen VUCA-Welt uns fast ausschließlich im komplexen Bereich aufhalten. Wir wissen im Vorfeld nicht, was der Kunde wirklich will oder benötigt (unklare Anforderungen), und oft wissen wir nicht, mit welcher Technologie wir das umsetzen wollen oder in unserer technologischen Umgebung ermöglichen können (unsichere Technologie). Wir müssen also einen Umgang mit der existierenden Ungewissheit finden, da die traditionelle und von vielen Unternehmen gelernte Vorgehensweise nicht mehr funktioniert.

Unternehmen sehen sich mit einer immer größer werdenden Schere konfrontiert: Der Markt und der Endnutzer erwarten schnelles und regelmäßiges Liefern des Produkts und werden ungeduldig, wenn das nicht passiert. Das Realisierungsteam in der Produktentwicklung hat (noch) nicht die Fähigkeit, schnell zu entwickeln oder auszuliefern.

1.1.3Realität 3: Mangelnde Innovationskraft und Bedrohung durch disruptive Technologien

Während es früher kein Problem war, sich längere Analysephasen zu nehmen und entsprechend längere Entwicklungsphasen zu haben, besteht heute immer öfter die Gefahr, dass die Konkurrenz schneller entwickelt und eine Innovation früher auf den Markt bekommt. Eine weitere Gefahr birgt die zunehmende Komplexität mit den sich ständig verändernden Rahmenbedingungen, die bewirkt, dass nicht das geliefert wird, was eigentlich benötigt wird.

Folglich entstehen neben dem „falschen“ Produkt und den dadurch entstandenen Entwicklungskosten auch noch unzufriedene Kunden: Der Kunde hat nicht nur lange auf sein Produkt gewartet, sondern auch noch ein Produkt erhalten, das er nicht nutzen kann oder will.

Werden die Erwartungen der Kunden nicht oder nur ungenügend erfüllt, wechseln sie schnell. Durch die Globalisierung und den rasanten Fortschritt der Technologie hat der heutige Kunde eine Vielzahl an Dienstleistern, die das gewünschte Produkt oder den gewünschten Service besser und schneller anbieten. Die Kundentreue schwindet und die Anforderungen steigen. Und das trifft nicht nur mittelständische Unternehmen, sondern auch gestandene Konzerne.

1996 war Kodak noch die viertwertvollste Marke auf der Welt, 15 Jahre später, 2011, lag die Kodak-Aktie unter einem Dollar und das Unternehmen meldete wenig später Insolvenz an. Wie konnte der Traditionsmarke, die Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, das passieren? Kodak war einer der Pioniere der Fotografie, ermöglichte vielen Endverbrauchern preiswert die private Fotografie und hatte in den 1970ern über 80 % Anteil am amerikanischen Fotomarkt. Bereits 1975 erfand Kodak die erste Digitalkamera, doch das Management glaubte nicht an Digitalfotografie. Vor allem, da die Digitalkameras das eigentliche Kerngeschäft von Kodak bedrohen würden: Durch den Verkauf von mehr Digitalkameras würden die Kunden weniger Kodak-Fotofilmrollen kaufen, da diese dann nicht mehr benötigt würden. Durch diese strategische Entscheidung hängte sich Kodak selber ab, denn der Endverbraucher liebte das digitale Fotografieren: Er musste keine teuren Filmrollen mehr kaufen, missglückte Fotos wurden nicht unnötigerweise abgezogen, sondern einfach gelöscht, der Speicherplatz wurde zunehmend unerschöpflich, er konnte sofort die Aufnahme prüfen, sowie weitere für den Endverbraucher nützliche Funktionen.

Beim Thema Digitalfotografie nutzte Kodak also nicht die rasante Entwicklung der Technologie zu deren Vorteil, reagierte nicht auf die Bedürfnisse der Kunden und wurde folglich von der Konkurrenz überholt und abgehängt (vgl. Kehrhan 2012). Dahinter steckt das Schlagwort Wirtschaftsdarwinismus: Ähnlich der Evolutionstheorie von Darwin überlebt nur dasjenige Unternehmen, das sich an die sich verändernden Gegebenheiten des Marktes oder die Bedürfnisse des Nutzers am schnellsten und besten anpasst (survival of the fittest). Unternehmen, die das nicht schaffen, müssen mit erheblichen Konsequenzen rechnen und werden im schlimmsten Fall als Unternehmen nicht überleben.

Das Unternehmen Kodak hat nach dem Insolvenzantrag signifikante Änderungen und Umstrukturierungen durchführen müssen: Unter anderem wurden mehrere Produktionseinheiten eingestellt und man gab schließlich das Kerngeschäft der Fotofilmproduktion komplett auf.

Andere Unternehmen werden durch fehlende oder ähnlich schleppende Innovation von der Konkurrenz überrollt. Zwei Unternehmen, die diese Gegebenheit ausnutzten, sind Airbnb und Uber. Beide konnten den jeweiligen Markt aufmischen und sich inzwischen die Mehrheit der Marktanteile in ihrem Segment sichern. Airbnb erschüttert nicht nur die Ferienwohnungsbranche, sondern auch die Hotelbranche, Uber revolutioniert den Umgang mit Transportdienstleistungen jeglicher Art. Und beide Unternehmen stellen den direkten Kontakt zwischen Endnutzer und Serviceanbieter her, statt wie gewohnt über eine dritte Partei abzuwickeln.

Unternehmen wie Airbnb und Uber sowie andere Unternehmen aus dem Start-up-Bereich werden gerne als disruptiv, also (zer)störend oder auflösend, bezeichnet. Diese Unternehmen zeichnet aus, dass sie Technologieunternehmen sind: Sie haben zahlreiche Ingenieure und Entwickler, die für eine leistungsstarke Plattform mit den neuesten Technologien sorgen und damit bestehende, langjährige Unternehmen in Geschwindigkeit schlagen. Das Produkt stellt den Kunden in den Vordergrund und ist zudem preiswerter, schneller und moderner als vergleichbare Anbieter, die den gleichen Service anbieten.

Weitere Beispiele disruptiver Innovationen, die viele von uns benutzen und die unsere Gewohnheiten geändert haben oder zukünftig ändern:

       Digitale Buchangebote über z. B. Amazon ersetzen den Besuch im Buchladen.

       Musikdienste wie Spotify ersetzen CDs oder den Kauf digitaler Alben.

       Online-Reisebüros oder Flugbörsen ersetzen den Besuch eines Reisebüros.

Gerne werden diese Innovationen von den Marktführern in dem betroffenen Segment zunächst belächelt und oft erst zu spät ernst genommen, auch weil „man sich zu sehr mit sich selber beschäftigt“.

Bestehenden Unternehmen fehlt es häufig an vergleichbarer Innovationskraft. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Oft behindern die selbst aufgebauten Strukturen die Innovation: Das benötigte Wissen ist in verschiedenen Silos aufgeteilt, die technische Infrastruktur ist unflexibel aufgrund von aufgebauten technischen Schulden oder es wird gleichzeitig an zu vielen Projekten oder Weiterentwicklungen gearbeitet, sodass der Fokus verloren geht.

1.2Der Realität mit Agilität begegnen

Nach Skizzierung der drei Realitäten wird deutlich, dass ein Weiter-wie-bisher wenig Erfolg versprechend ist. Unternehmen, die sich der Realität nicht stellen, werden mittel- bis langfristig in erhebliche Schwierigkeiten kommen; sei es durch keine oder fehlende Fachkräfte, zu wenig oder keine Kundenzentrierung oder eben durch Konkurrenzunternehmen, die sich schneller an die aktuellen Gegebenheiten anpassen, oder durch eine Mischung von alldem.

Bevor wir konkreter darauf schauen, wie Agilität den vorher genannten Realitäten begegnen kann, ist es wichtig, zu verstehen, worauf der Ursprung von Agilität basiert. Agilität, oder was wir heute darunter verstehen, entstand Ende der 1990er-Jahre als Reaktion und Gegenbewegung zu klassischen Planungsmethoden wie etwa dem Wasserfallmodell. Zu dieser Zeit nahm die Bedeutung von IT zu. Entsprechend stieg die Anzahl und Größe von IT-Projekten. Viele dieser Projekte scheiterten, sodass unter den Entwicklern verschiedene alternative Ansätze zur Vorgehensweise gefahren wurden. Diese neuen Ansätze wurden zunächst als leichtgewichtig bezeichnet. 2001 kamen auf einer Konferenz in Snowbird Vertreter dieser leichtgewichtigen Ansätze zusammen und definierten das „Agile Manifest“. Dieses besteht aus vier Werten in Form von Gegensatzpaaren und zwölf Prinzipien und gilt als Ursprung agilen Arbeitens (vgl. Beck et al. 2001).

Seitdem wurde aus dem, was im „Agilen Manifest“ steht, eine weltweite Bewegung mit verschiedenen Ausprägungen. Der ursprüngliche Bereich der Softwareentwicklung wurde aufgespannt und umfasst alle Bereiche eines agilen Unternehmens.

Im Kern agilen Arbeitens stehen laut Alistair Cockburn, einem der Co-Autoren des „Agilen Manifests“, weiterhin vier Dinge:

       Collaborate (Zusammenarbeiten),

       Deliver (Ausliefern),

       Reflect (Reflektieren),

       Improve (Verbessern).

Cockburn reduziert Agilität auf diese vier Dinge, da diese jeder verstehen kann und jeder ehrlich beantworten kann, ob das Unternehmen diese Dinge auf allen Ebenen tut oder nicht (vgl. Cockburn 2015).

Es ist entscheidend, zu verstehen, dass Agilität auf Werten und Prinzipien beruht und daher die Einführung agiler Arbeitsweisen wie Scrum oder Kanban nicht ausreicht, um eine nachhaltige Veränderung im Unternehmen zu erwirken. Die eigentliche Herausforderung ist die Verankerung agiler Werte und Prinzipien in der Organisation und auf der Führungsebene.

1.2.1Realität 1: Attraktiv für die Generation Y

Agile Arbeitsweisen setzen auf Teamarbeit. Diese Teams sind crossfunktional besetzt und arbeiten möglichst autonom mit flacher oder keiner Hierarchie. Zusammenarbeit ist ein entscheidender Faktor für Erfolg. Weiterhin hat jedes Team eine klare Produktvision oder Serviceorientierung.

So ein Rahmen für Zusammenarbeit kann die intrinsische Motivation der Mitarbeiter fördern. Denn damit sind die drei Dinge gegeben, die nach Daniel Pink intrinsische Motivation unterstützen (vgl. Pink 2011):

       Purpose (Sinnerfüllung)Ich verstehe den Zweck meiner Arbeit und finde diesen sinnvoll.

       Mastery (Wunsch, besser zu werden)Ich kann an den Aufgaben wachsen, ohne daran maßlos überfordert zu sein.

       Autonomy (Selbstbestimmung)Ich kann das Wie der Aufgabenerledigung weitestgehend selbst bestimmen.

Die Generation Y sucht genau nach diesem vernetzten Arbeiten mit Selbstbestimmung in Kombination mit Sinnerfüllung. Aber auch andere Mitarbeiter, die bis jetzt gewohnt waren, in Abteilungssilos zu arbeiten, finden schnell Gefallen an crossfunktionalen Teams und erkennen den Vorteil.

Und ein Unternehmen steigert die Attraktivität für Fachkräfte der neuen Generation, wenn es mehr auf Teams setzt statt auf klare Hierarchie innerhalb verschiedener Silos.

1.2.2Realität 2: Kundenzentrierte Produktentwicklung

Für das „gute Gefühl“, nach einem Strategiemeeting einen „Plan“ für die nächsten zwei Jahre zu haben, gibt es in der agilen Welt nur noch wenig Platz. Auch wenn der Mensch im Allgemeinen nach einem Gefühl der Sicherheit strebt, wird der langfristige Plan ohne Realitätsabgleich ihn schnell in die falsche Richtung schicken. Mutig mit Unsicherheit umgehen zu können und die Ungewissheit der Zukunft als Realität zu verstehen, ist ein notwendiges Verhaltensmerkmal und ein entscheidender Teil des agilen Mindsets.

Agiles Vorgehen fordert schnelle Feedback-Loops durch kurze Zeiteinheiten (Iterationen oder Sprints). Wir tasten uns mit Inspect and Adapt voran und begegnen so dem komplexen Umfeld, in dem wir uns bewegen. Es geht also um ständiges Experimentieren: Ausprobieren, Erfolgskontrolle, Anpassung. Oder anders gesagt: Wir werden nie einen besten und finalen Zustand erreichen, sondern agieren in einem Modus der kontinuierlichen Verbesserung.

Dabei steht im Kern von agilem Arbeiten ein einfacher Zyklus (vgl. Bild 1.2): Kunden haben Probleme. – Ein agiles Team löst diese Probleme. Dieser Zyklus wird schnell durchlaufen und bedingt direkte Interaktion zwischen dem Team und dem Kunden (vgl. Hoffmann, Roock 2018).

Bild 1.2Kernzyklus agiles Arbeiten (Hoffmann, Roock 2018)

Wir planen kurze Iterationen von wenigen Wochen, reflektieren und beurteilen, ob wir noch in eine richtige Richtung gehen, und passen unser Vorgehen entsprechend an. Bei diesem Vorgehen benötigen und reagieren wir auf das Feedback unserer Endkunden, die bei der Produktentstehung von Anfang an mit einbezogen werden. Der Endnutzer kann nach jeder der Zeiteinheiten Feedback geben, auf das wiederum in der nächsten Zeiteinheit eingegangen werden kann. Fehlentwicklungen, die früher erst nach Monaten oder Jahren aufgetaucht sind, werden dadurch früh entdeckt, sparen Kosten und Nerven. Das „gute Gefühl“ aufgrund eines Plans weicht der Sicherheit, dass wir entwickeln, was vom Endnutzer tatsächlich benötigt wird und benutzt werden kann.

Dieses Vorgehen passt nicht zu der in Unternehmen oft gelernten und praktizierten langfristigen Planung. Und nachdem ein Unternehmen verstanden hat, dass es sich in der VUCA-Welt befindet, muss es die gelernte Vorgehensweise auch erst wieder verlernen, bevor ein passender neuer Ansatz greift.

1.2.3Realität 3: Innovationskraft ermöglichen

Innovation kann nur passieren, wenn etwas technisch oder organisatorisch Neues geschaffen wird. Dies passiert in den seltensten Fällen durch jemand Einzelnen oder in einem homogenen Rahmen. Innovation benötigt Diversität, also Austausch zwischen verschiedenen fachlichen Disziplinen.

Agiles Arbeiten setzt auf crossfunktionale (interdisziplinäre) Teams. Diese ermöglichen Innovation durch kontinuierliche Abstimmung und Kooperation sowie Einbringung verschiedenster Perspektiven. Ansätze wie z. B. Design Thinking fördern das rasche Finden von Lösungen, die aus Anwendersicht überzeugend sind.

Agile Entwicklungspraktiken, wie das kontinuierliche Ausliefern der Software, testgetriebene Entwicklung und eine flexible Architektur, stellen sicher, dass das Produkt langfristig leistungsfähig und stabil läuft. Auch somit wird verhindert, dass die Innovationskraft der Teams geschwächt wird.

Bild 1.3 zeigt, welche Vorteile durch agiles Arbeiten erzielt werden können. Durch das Arbeiten mit kleineren Batches (Einheiten) verkürzt sich die Time-to-Market, erhöht sich die Qualität und steigert sich die Effizienz.

Bild 1.3Vorteile agilen Arbeitens (nach Roock, Wolf 2016)

Wichtige Punkte in Kürze

Unternehmen befinden sich aktuell in einer VUCA-Welt. Mit konservativen Vorgehensweisen dieser VUCA-Welt zu begegnen, ist wenig Erfolg versprechend. Agiles Vorgehen gibt neue Ansatzpunkte, auf Veränderungen zu reagieren und mit der Ungewissheit umzugehen.

Unternehmen werden heute mit sehr unterschiedlichen und herausfordernden Realitäten Unternehmen konfrontiert. Neben dem demografischen Wandel hat sich durch die Globalisierung und den rasanten technologischen Fortschritt die Komplexität stark erhöht. Alte Muster und Vorgehensweisen funktionieren nicht mehr.

Agilität ist eine Reaktion auf diesen Zustand. Sie setzt genau hier an und scheint aktuell das einzige sinnvolle Vorgehen zu sein, um der wachsenden Komplexität und Unsicherheit zu begegnen.

Da Agilität auf Werten und Prinzipien basiert, ist es nicht damit getan, agile Vorgehensweisen einzuführen. Die dahinterstehenden Werte und Prinzipien müssen auf allen Ebenen der Organisation verstanden, angenommen und gelebt werden.

Unternehmen, die fit für die Zukunft sein wollen, erkennen, dass der gekonnte Umgang mit Komplexität und Unsicherheit eine Grundvoraussetzung ist. Agilität ist für sie nur Mittel zum Zweck.

„To survive, let alone thrive, firms today must learn to embrace the new business reality: they are entering the age of Agile.“

Denning (2018)

Literatur

Beck, K. et al. (2001): „Manifesto for Agile Software Development“. http://agilemanifesto.org/. Abgerufen am 28.06.2018

Cockburn, A. (2015): http://heartofagile.com/. Abgerufen am 28.06.2018

Denning, S. (2018): Why Agile Is Eating The World.https://www.forbes.com/sites/stevedenning/2018/01/02/why-agile-is-eating-the-world/. Abgerufen am 28.06.2018

Harvard Business Review (2015): Agile Practice: The Competitive Advantage for a Digital Age. https://www.atlassian.com/agile/advantage/agile-is-a-competitive-advantage. Abgerufen am 28.06.2018

Hofert, S. (2018): Agiler führen: Einfache Maßnahmen für bessere Teamarbeit, mehr Leistung und höhere Kreativität. Springer Gabler, Wiesbaden

Hoffmann, J.; Roock, S. (2018): Agile Unternehmen: Veränderungsprozesse gestalten, agile Prinzipien verankern, Selbstorganisation und neue Führungsstile etablieren. dpunkt.verlag, Heidelberg

Kehrhan, J.-H. (2012): „Kodak: Der lange Fall eines Industrie-Pioniers“. In: c’t Fotografie, 20.01.2012. https://www.heise.de/foto/meldung/Kodak-Der-lange-Fall-eines-Industrie-Pioniers-1418252.html. Abgerufen am 28.06.2018

Mihovilovic, J.; Knebel, K. (2017): Generation Y, Generation X, Generation Z, Babyboomer – Was sie unterscheidet und wie Sie sie erfolgreich managen. https://www.berlinerteam.de/magazin/generation-y-generation-x-generation-z-babyboomer-unterschiede-chancen/. Abgerufen am 28.06.2018

Pink, D. (2011): Drive – The Surprising Truth About What Motivates Us. Canongate Books, Edinburgh Roock, S.; Wolf, H. (2016): Scrum verstehen und erfolgreich einsetzen. dpunkt.verlag, Heidelberg

Stacey, R. D. (1996): Strategic management and organisational dynamics: the challenge of complexity. 2. Auflage, Prentice Hall, Upper Saddle River et al.

Takeuchi, H.; Nonaka, I. (1986): „The New New Product Development Game“. Harvard Business Review, Januar 1986

VersionOne (2018): The 12th Annual State of Agile Report. http://stateofagile.versionone.com/. Abgerufen am 28.06.2018

 

1 VUCA ist eine Strategiemethode, die das amerikanische Militär in den 1990er-Jahren entwickelte, um die multilaterale Welt nach dem Kalten Krieg zu beschreiben. Später wurde das Konzept von Managementexperten aufgegriffen.
2The Lean Startup – die Methode für die Entwicklung von Geschäftsmodellen

Judith Grummer

Start-ups gehen weltweit bei der Entwicklung neuer Produkte und Services nach der Lean-Startup-Methode vor. Hierbei handelt es sich um ein agiles Vorgehensmodell aus dem Silicon Valley. Bei der Suche nach neuen Geschäftsmodellen wird diese Herangehensweise zunehmend auch von Digitalisierern, Innovationsteams und Entscheidern in DAX-Konzernen und bei Mittelständlern entdeckt, um Unternehmen für die Zukunft wettbewerbsfähig zu positionieren.

In diesem Beitrag erfahren Sie

       dass Lean Startup viel mehr ist als eine Methode,

       warum Lean Startup sich bei der Innovierung von Geschäftsmodellen und für die digitale Transformation auch in etablierten Unternehmen zunehmend verbreitet,

       wie sich das Entwicklungsrisiko und die Gefahr des Scheiterns unter Bedingungen hoher Unsicherheit senken lassen und

       welche Stolperfallen sich bei der Suche nach einem wiederholbaren, skalierbaren Geschäftsmodell auftun können, wenn man nicht konsequent und diszipliniert vorgeht.

Das Silicon Valley gilt heute vielerorts als Sinnbild für Innovationskraft, Hightech-Produkte, disruptive Geschäftsmodelle, Tech-Schmieden, Venture Capital und für ein gigantisches Ökosystem bestehend aus Talenten, Ideen, Wissen und Kapital. Demütig blicken Unternehmenslenker und Firmengründer auf das GAFA-Ursprungsland – GAFA ist der Sammelbegriff für die Internetkonzerne Google, Apple, Facebook und Amazon –, aus dem in kürzester Zeit gigantische Unternehmen hervorgegangen sind, die die größte Konzentration von Finanzkapital in der Menschheitsgeschichte in sich vereinen. Zusammen mit Microsoft – auch ein US-amerikanischer Tech-Konzern – repräsentiert die GAFA die fünf weltweit größten Unternehmen der Welt, die die traditionelle Industrie weit abgehängt haben und deren Machtstellung weltweite Auswirkungen auf Ökonomie, Politik und Gesellschaft mit sich bringt. Zu einer respektvollen Würdigung mischt sich zuweilen jedoch auch eine Valley-Romantisierung, die einen gewissen Start-up-Tourismus nach sich zieht. CEOs, Asset Manager und Entrepreneure aus der ganzen Welt bereisen das Silicon Valley, um zu lernen, eine Außenstelle anzusiedeln oder einen der begehrten Jobs bei einem der Internetriesen oder Start-ups zu ergattern.

In der jüngsten Vergangenheit scheinen DAX-Konzerne wie auch Mittelständler aus einer gewissen Schockstarre erwacht zu sein. So als hätten sie erkannt, wenn sie nicht eine ausgeprägte Verteidigungsstrategie entwickeln und das Unternehmen nicht zukunftstauglich erneuern, dann bekommen sie ein Problem, bei dem es nicht nur um Marktanteile geht, sondern um ihre Existenz. Dabei dreht es sich nicht nur um die seit jeher bekannte Forschung und Entwicklung für Produktinnovationen, sondern um das eigentliche Geschäftsmodell, welches es auf den Prüfstand zu stellen gilt. So beäugt die traditionelle, assetlastige Wirtschaft mit Argwohn beispielsweise den größten Medienkonzern der Welt Facebook, der keinen eigenen Content produziert, oder den größten Personenbeförderer Uber ohne eigene Fahrzeuge, den größten Zimmervermittler Airbnb ohne eigene Immobilien und nicht zuletzt den größten Handelskonzern der Welt Alibaba, der kein eigenes Inventar hat. Diese Firmen skalieren über neuartige Geschäftsmodelle.

Der Veränderungsdruck ist durch weltweit neue Herausforderer, die heute nahezu auf Knopfdruck globale Aktivitäten entfalten können, sowie durch die technologischen Möglichkeiten enorm. Zugleich verändern sich Kundenbedürfnisse und regulatorische Rahmenbedingungen rasant. Die Globalisierung erhöht das Veränderungstempo zusätzlich. Noch nie haben Unternehmen unter einem so hohen Maß an Unsicherheit Entscheidungen für die Zukunft treffen müssen.

Vielen Unternehmen wie auch Gründern stellt sich nun die Frage, was sie aus dem Silicon Valley lernen können. Sie beobachten, wie die Unternehmen an der Westküste Amerikas an die Entwicklung neuer Produkte, Services und Geschäftsmodelle herangehen, wie das Ökosystem funktioniert und welche neuen, erfolgreichen Geschäftsmodellmuster sich ableiten lassen.

The Lean Startup ist ein Vorgehensmodell aus dem Silicon Valley, das seit 2011 von seinem Begründer Eric Ries (Ries 2011) zunächst der weltweiten Gründerszene zugänglich gemacht wurde und nunmehr vermehrt Einzug in etablierte Unternehmen hält. Lean Startup stellt die methodische Klammer für die Vorgehensweise vieler Silicon-Valley-Unternehmen dar und folgt klaren Vorgehensprinzipien. Lean Startup ist jedoch mehr als eine Methode. Lean Startup ist ein Mindset.

The Lean Startup beschreibt Prinzipien und eine systematische Herangehensweise an die Entwicklung innovativer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle unter extremer Unsicherheit.

Lean Startup hat in seinen Ursprüngen einen großen Bezug zu Internet-Start-ups und die Digitalwirtschaft. Seine Grundsätze haben sich bis heute jedoch auch für Dienstleistungs-, Medien- und Industrieunternehmen weiterentwickelt.

Neben Eric Ries zählen zu den weiteren Treibern der Lean-Startup-Bewegung unter anderem auch Steve Blank mit seinem Werk The Startup Owners Manual (Blank, Dorf 2012), Sean Ellis mit der Ergänzung um das sogenannte „Growth Hacking“, Ash Maurya mit Running Lean (Maurya 2012), Dave McClure mit Startup Metrics 4 Pirates (McClure 2012) oder Alexander Osterwalder mit Business Model Generation. A Handbook for Visionaries, Game Changers, and Challengers (Osterwalder, Pigneur 2010).

2.1Lean-Startup-Grundlagen und -Prinzipien

The Lean Startup basiert auf fünf wesentlichen Prinzipien, die im Folgenden näher erläutert werden sollen.

2.1.1Entrepreneure gibt es überall

The Lean Startup findet seine Anwendung in der Geschäftsentwicklung unter Bedingungen großer Unsicherheit. Hierbei handelt es sich um neuartige Problemstellungen, die sowohl Start-ups als auch etablierte Unternehmen umtreiben können. Steve Blank fasst den Start-up-Begriff vor diesem Hintergrund weiter, als wir bei einem Start-up gemeinhin von einem neuen Unternehmen ausgehen. Er definiert ein Start-up als eine (temporäre) Organisation, die dafür geformt wurde, um nach einem wiederholbaren, skalierbaren Geschäftsmodell zu suchen (Blank, Dorf 2012). Insofern gilt dieses Begriffsverständnis auch für ein Start-up in einem bestehenden Unternehmen, also eine Organisationseinheit mit einer Gruppe von Menschen, die ein neues Produkt unter Bedingungen hoher Unsicherheit entwickeln soll.

2.1.2Entrepreneurship ist Management

Geschäftsentwicklung unter hoher Unsicherheit erfolgt nicht zufällig und erfordert Führungskompetenzen. Unternehmerqualitäten sind hierbei genauso wichtig wie die Führung entlang eines entsprechenden Prozesses.

Üblicherweise fanden in den frühen 2000ern die Entwicklungen von Start-ups sowohl hierzulande als auch im Silicon Valley nach dem klassischen Wasserfallprinzip statt. Nach einer kaskadischen Abarbeitung von aufeinander aufbauenden Entwicklungsstufen wie Konzeption, Design, Entwicklung, Testphase und Markteintritt fand der erste Kontakt mit dem Kunden erst im allerletzten Entwicklungsschritt statt. Jedem Start-up und Unternehmen kommt diese Vorgehensweise bekannt vor: Geheime Konzeptpapiere werden erstellt, Businesspläne verfasst, Geld wird eingeworben, Marktanalysen werden hinter verschlossenen Türen durchgeführt, der Produktentwicklungsprozess wird gemanagt und schließlich werden Pressemitteilungen geschrieben und die Vertriebsmannschaft geschult. Dann, mit einem lauten Knall, kommt es zum Marktlaunch und zum ersten Kontakt mit dem Kunden. Nach vielen Monaten, manchmal erst nach Jahren. Dieser reagiert jedoch nicht immer mit der erhofften Nachfrageeuphorie. Start-ups scheitern. Unternehmen investieren meistens noch einmal und korrigieren nach – es sind zu viele Ressourcen bereits hineingeflossen, und meistens hängt irgendwessen Stuhl daran. Irgendwann scheitert das Vorhaben jedoch auch oder schleicht sich heimlich davon.

Nach Lean Startup beginnt der erste Kontakt mit dem potenziellen Kunden sofort. Steve Blank (Blank, Dorf 2012) beschreibt es in seiner geflügelten Aussage trefflich:

„Get out of the building, because inside there is no truth.“

Steve Blank

Eine Feedbackschleife, die kontinuierlich Kundenrückmeldungen unterschiedlichster Art in den Entwicklungsprozess einbezieht, bildet das Herzstück des Lean-Startup-Modells (Bild 2.1).

Bild 2.1Lean-Startup-Feedbackschleife im Vergleich zum klassischen Wasserfallmodell (in Anlehnung an Ries 2011)

Sind die Anforderungen an die Entwicklung von neuen Produkten und Services sowie an die Herausforderungen bei der Markteinführung ex ante nur unvollständig bekannt – wie bei den allermeisten Innovationsfeldern heute –, ist die Vorgehensweise Lean Startup dem klassischen Wasserfallmodell vorzuziehen, um die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns zu verringern.

Es wird leicht erkennbar, dass auch ein scheinbar chaotisches Unternehmen wie ein Start-up einer Systematik und Lenkung bedarf, die in systematischen Arbeits- und Führungsprozessen mit hoher Disziplin ausgeübt werden müssen.

2.1.3Validiertes Lernen

Inspiriert wurde Eric Ries bei der Systematisierung von Lean Startup aus den Lehren des Lean Manufacturings, das in 1980er-Jahren ausgehend von der Automobilherstellung die Verkürzung von Produktentwicklungszyklen und die Anpassungsfähigkeit für schnelle Planänderungen begründete. Pionier war damals Toyota.

Vor diesem Hintergrund lautet das oberste Gebot bei Lean Startup: Waste not! Du sollst nichts verschwenden. In diesem Zusammenhang fällt oft die Aussage „Fail fast“. Treffender und ergebnisorientierter wäre allerdings „Learn faster“, denn wer möchte gezielt scheitern? Nichtsdestotrotz verbirgt sich hinter dieser Aussage das konsequente und schnelle Überprüfen und gegebenenfalls Verwerfen von Annahmen und Entwicklungsschritten, sobald offenbar wird, dass eine falsche, erfolglose Richtung eingeschlagen wurde. Der frühe Kontakt zum Kunden und eine systematisch kundenzentrierte Vorgehensweise erlauben es, frühzeitig falsche Entwicklungen zu erkennen und in diesem Fall Zeit und Ressourcen einzusparen, um sich neuen Ideen und Vorhaben zuwenden zu können. Im Kontext von Lean Startup spricht man hierbei von validiertem Lernen und den Entscheidungstatbeständen Iteration (Verbessern) oder Pivot (Kurswechsel).

Validiertes Lernen ist ein Prozess, der empirisch nachweist, dass ein Team wichtige Wahrheiten über die gegenwärtigen und zukünftigen Geschäftsaussichten entdeckt hat (Ries 2011).

Mit dem Prinzip des validierten Lernens folgt Lean Startup im Grunde genommen dem empirischen Falsifikationsprinzip nach Karl Raimund Popper, der dieses als Methode von Versuch und Irrtum beschreibt:

„Es ist die Methode, kühne Hypothesen aufzustellen und sie der schärfsten Kritik auszusetzen, um herauszufinden, wo wir uns geirrt haben.“

Karl Raimund Popper

Nach Lean Startup werden Hypothesen anhand fortlaufender Experimente überprüft. Das Team kann auf diese Weise jeden Bestandteil seiner unternehmerischen Vision validieren.

2.1.4Bauen, Messen, Lernen!

Validierte Lernprozesse finden in einem Build-Measure-Learn-Kreislauf statt. Hierbei handelt es sich um eine fortwährend zu wiederholende Feedbackschleife mit dem Kunden. Ziel eines Start-ups ist es, vom ersten Tag an Ideen in Angebote für den Kunden zu wandeln. Während des Entwicklungsprozesses werden Annahmen über Kundensegmente, Kundenversprechen, Funktionalitäten, Marktzugänge, Erlösmodelle oder Kundenbeziehungen getroffen (Hypothesen), welche schrittweise anhand von Experimenten direkt am Kunden überprüft werden. Die Kundenreaktionen werden gemessen und ausgewertet. Innerhalb dieser Lernschleife wird bei jedem Durchlauf die Entscheidung getroffen, ob der gewählte Weg fortgesetzt werden soll oder ob Anpassungen notwendig sind. Alle Prozesse sind darauf ausgerichtet, diese Schleife zu beschleunigen (Bild 2.2).

Bild 2.2Validierte Lernprozesse finden innerhalb eines festlegten Kreislaufs statt (in Anlehnung an Ries 2011)

2.1.4.1Hypothesen aufstellen

Jede Idee beruht auf einer ganzen Menge von Annahmen. Insbesondere in großen Unternehmen scheint die Überzeugung vorzuherrschen, aus der Erfahrung und aus Marktstatistiken heraus das Kundenverhalten genau vorhersagen und darauf aufbauend valide Konzepte entwickeln zu können. So fließen Annahmen über Erwartungen von Kunden, deren Zahlungsbereitschaft, Vertriebskanäle oder Nutzungskontexte wie selbstverständlich in ausgereifte Geschäftspläne. Bei Unsicherheiten wird oft noch eine Befragung durchgeführt, die zumeist sehr viele Fragestellungen im Konjunktiv enthalten mag, welche selbst der Kunde schwerlich beantworten kann. Sehr treffend sind in diesem Zusammenhang folgende Zitate von zwei großen Unternehmerpersönlichkeiten (goodreads.com):

„People don’t know what they want until you show it to them.“

Steve Jobs

„If I had ask people what they wanted, they would have said faster horses.“

Henry Ford

Es bedarf demnach einer differenzierten Interpretation von Beobachtungen, um die richtigen Schlüsse für ein neues Produkt zu ziehen. In Zeiten multioptionaler Entscheidungssituationen bei Kunden sind die Unsicherheiten über die Richtigkeit der Annahmen über Kundenverhalten umso größer.

Lean Startups überprüfen jede Annahme rigoros und fortlaufend mithilfe unterschiedlicher Experimente, um Unsicherheit unmittelbar zu reduzieren. Eric Ries unterscheidet bei der Bildung von Annahmen zwei Arten von Hypothesen:

       Value-Hypothese und

       Growth-Hypothese.

Value-Hypothesen betreffen Annahmen über das Angebot für den Kunden. Die zentrale Frage hierbei ist, ob das Produkt oder die Dienstleistung wirklichen Nutzen oder Unterhaltung stiftet bzw. ob es ein echtes Problem löst. Ein Problem ist ein Problem, sofern der Kunde es auch als solches wahrnimmt. Nicht selten treten Angebote in den Markt, die unter Umständen ihrer Zeit voraus sind, weil Kunden (noch) nicht bereit für dessen Nutzung sind. Häufig unterscheiden sich neue Produkte auch nur geringfügig von bestehenden Angeboten, und für den Kunden sind es eher Nice-to-have- statt Must-have-Angebote. Um tatsächliche Wahrnehmungseffekte zu erzielen und aus einer Vielzahl von Alternativen herauszustechen, die heute für Kunden bestehen, bedarf es einer Unterscheidungskraft, die sich um ein Vielfaches von bestehenden Angeboten unterscheidet.

Wenn im Silicon Valley Ideen für Innovationen gesucht werden, dann werden Ideen und Ansätze am Fließband generiert, überarbeitet, verworfen, überdacht. Erst wenn eine Idee den Anspruch erfüllt, mindestens zehnmal besser zu sein als bisherige Lösungen, wird sie weiterverfolgt.

Osterwalder et al. haben Eigenschaften für erfolgreiche Value Propositions wie in Bild 2.3 dargestellt zusammengefasst.

Bild 2.3Zehn Eigenschaften erfolgreicher und einzigartiger Kundenversprechen (Osterwalder et al. 2014)

Growth-Hypothesen betreffen Annahmen über die Zugangswege zu den Kunden, über die sie ein neues Angebot entdecken, sowie über Vertriebs- und Marketingkonzepte, die Kunden zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Impuls bedienen, damit die Wachstumsmaschine des Unternehmens in Gang gesetzt wird. Häufig beschäftigen sich Start-ups mehr mit dem Produkt und seinen Funktionalitäten als mit dessen Vertrieb. Genauso wichtig wie die kundennahe Produktentwicklung ist es, den Weg zu identifizieren, auf welchem Kunden das Angebot entdecken. Häufig fällt in diesem Zusammenhang auch der Begriff Customer Journey.

Am ursprünglichen Lean-Startup-Ansatz wird zuweilen die Kritik geübt, dass er seinen Schwerpunkt mit den Entwicklungsphasen Problem-Solution-Fit und Product-Market-Fit sowie dem Konstrukt MVP (Minimum Viable Product) zu sehr auf die Produktebene legt und die Frage nach der Verbreitung von Angeboten etwas zu kurz kommt. Heute wird das Lean-Startup-Mindset um diesen Aspekt gleichberechtigt ergänzt, da man erkannt hat, dass Start-ups zwar innovative Produkte entwickeln können, jedoch am Vertriebsansatz scheitern.

Der Vertriebsansatz ist genauso intensiv und systematisch zu validieren wie die Produktentwicklung, bis der Wachstumsmotor verlässlich in Gang gesetzt werden konnte. Sean Ellis hat hierfür den Begriff des Growth Hacking geprägt.

„A startup is a company designed to grow fast.“

Paul Graham, Co-Founder Y Combinator

Da Start-ups und Corporate Entrepreneurs nicht unendlich viele Mittel und Zeit zur Verfügung stehen, um jede Annahme zunächst in aller Gründlichkeit zu überprüfen, hat sich ein Vorgehen durchgesetzt, dass immer zuerst die risikoreichsten Annahmen (Riskiest Assumptions) validiert. Sollte sich eine risikoreiche Annahme als nicht haltbar herausstellen, kann eine Idee oder die Entwicklung eines Vorhabens früh gestoppt bzw. angepasst werden. Hierzu passt der bereits zitierte Ausspruch „Fail fast“. Ein Start-up fokussiert sich also immer auf die Überprüfung der risikoreichsten Hypothesen und stellt die Priorisierung seiner Aufgaben darauf ein.

Risikoreiche Annahmen sind

       Hypothesen, über welche man am wenigsten Kenntnis und Erfahrung hat,

       drei universale risikoreiche Annahmen zu Kundenproblem, Erlösmodell und Vertriebskanälen und

       Hypothesen, an denen das individuelle Geschäftsmodell grundsätzlich scheitern kann.

2.1.4.2Minimum Viable Product (MVP): möglichst schnell ein Ergebnis liefern

Das wichtigste Ziel von Lean Startups ist es, möglichst schnell zu einem minimal funktionsfähigen Produkt (Minimum Viable Product) zu gelangen.

Das MVP ist eine erste Produktversion, die es erlaubt, mit minimalem Aufwand und in kürzester Zeit die größtmögliche Anzahl an validierten Erkenntnissen über Kundenerwartungen und -verhalten zu gewinnen.

Zwar fehlen dem MVP noch einige Eigenschaften und Funktionen eines ausgereiften Angebots, jedoch ist das minimal funktionsfähige Produkt nicht zu verwechseln mit einer halb fertigen Lösung, die unweigerlich zu Enttäuschung führen muss. Es handelt sich vielmehr um die Entwicklung des Kernnutzens, d. h. der Kernfunktionalität für den Kunden. Backend-Prozesse werden häufig zunächst noch händisch ausgeführt und erweiterte Funktionalitäten noch nicht berücksichtigt. Ziel ist es, über die Kundenfeedbackschleife und geeignete Feedbackmechanismen so viel wie möglich über die Nutzungsgewohnheiten oder Zahlungsbereitschaften der Kunden zu erfahren und die Schleife immer und immer wieder zu durchlaufen, bis das Optimum erreicht wurde. Bei jedem Durchlauf der Schleife wird immer nur eine Funktionalität bzw. eine Hypothese zur Zeit verprobt.

Dave McClure hat die Aussage geprägt „Every week kill a feature“, was beschreiben soll, dass nicht ein Mehr an Funktionalität Kundenbedürfnisse befriedigt, sondern eher die Simplifizierung von Kernnutzenaspekten Kunden dazu bewegt, ein Angebot zu nutzen und gegebenenfalls von einer alternativen Lösung zu diesem Angebot zu wechseln.

Das MVP ist ein zentrales Konstrukt des Lean-Startup-Ansatzes. Insbesondere große Unternehmen tun sich jedoch häufig sehr schwer, mit derartigen Lösungen in den Markt zu gehen. Haben sie jedoch einmal verinnerlicht, wie wohlwollend frühe Kunden auf Neuheiten auch in diesem frühen Stadium reagieren und sich bei der Integration in Produktentwicklungsprozesse wertgeschätzt fühlen, erkennen sie die Vorteile dieser Vorgehensweise.

2.1.4.3Experimente durchführen

Ein Lean Startup durchläuft folgende drei Phasen in seinem Entwicklungsprozess:

1.     Problem-Solution-Fit,

2.     Product-Market-Fit,

3.     Scale.

Zunächst validiert es in der Problem-Solution-Fit-Phase (risikoreiche) Annahmen über das Kundenproblem und testet erste Lösungsideen. Ziel dieser Phase ist es, eine (kleine) homogene Kundengruppe zu finden, die ein und dasselbe Kundenproblem wahrnimmt und von einem bestimmten Lösungsansatz überzeugt bzw. beinahe euphorisiert ist, d. h. emotional darauf reagiert. Diese Gruppe – man nennt sie auch Earlyvangelists – ist bereit, auch im persönlichen Kontakt ausführliches Feedback zu geben.

In den meisten Fällen wird dieser Phase viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die meisten Teams haben bereits eine Lösung in ihren Köpfen und setzen voraus, dass Kunden sie nachfragen werden. Aus diesem traditionellen Verhaltungsmuster auszubrechen fällt vielen Entrepreneuren sehr schwer. Dabei handelt es sich um eine hoch kritische Phase. Gibt es keine oder nur wenige Kunden, die das erdachte Angebot nachfragen, scheitert das gesamte Vorhaben.

Oft sind die Kundenbedarfe in einer Welt mit unendlich vielen Angeboten anders gelagert, als gemeinhin die erste Annahme vermuten lässt. Corporate Entrepreneurs ereilt zudem häufig eine gewisse Betriebsblindheit mit gefestigten Denkstrukturen aus der Organisation oder die Annahme, dass sie die Kunden sehr gut kennen würden, was sie als Erklärung nutzen, um die erste Phase zur Überprüfung der Problem-Kunden-Hypothese überspringen zu können. In dieser Phase generiert ein Team häufig harte Wahrheiten, die jedoch zwingend notwendig sind, um das richtige Angebot zu finden und zu entwickeln. Dies ist eine kritische Phase, in der viele Gründer, insbesondere Corporate Entrepreneurs oft die Leidenschaft und Motivation verlässt, die jedoch auf dem Weg zum Erfolg dringend notwendig sind.

Mit den Techniken des Design Thinkings und Value Proposition Designs stehen zwei nunmehr vielfach erprobte Methoden zur Verfügung, um diese Phase zu meistern. In einem solchen methodischen Raster lässt sich eine Reihe von Experimenten mit zumeist qualitativen Ergebnissen durchführen, um Kundenfeedback einzuholen.

Startpunkt der Problem-Solution-Fit-Phase ist es, Kundeneinblicke zu gewinnen. Qualitative Tests ersetzen hierbei traditionelle Marktstudien, die wenig Aufschluss über emotional gelagerte Bedürfnislagen geben und wenig Aussagekraft über Nutzungskontexte und Problemsituationen bei Kunden geben.

Osterwalder et al. schlagen sechs Techniken vor, um Kundeneinblicke zu generieren (Bild 2.4). Ziel ist es, anschließend mit möglichst geringem zeitlichem, finanziellem und materiellem Aufwand die Geschäftsidee zu validieren. Möchte man beispielsweise einer Zielgruppe ein noch nie da gewesenes Fitnesserlebnis verschaffen und hat sich dafür eine App als Lösungsangebot überlegt, wäre es verfrüht, mit der Entwicklung der App zu beginnen. Stattdessen kann ein 100-Euro-Experiment sein, eine Werbeanzeige etwa bei Facebook in einem ausgewählten Zielgruppensegment zu schalten. Auf diese Weise kann man leicht herausfinden, ob der adressierte Kundenkreis mit einem Klick überhaupt auf das Wertversprechen in dieser Anzeige reagiert. Man hat die Möglichkeit, sowohl das Wertversprechen mit den limitierten Zeichen einer Werbeanzeige zu verproben als auch die Zielgruppe zu variieren. Nach einem Klick wird der interessierte Nutzer auf eine mit einem kostenlosen Tool erstellten Landingpage geleitet, die das Angebot näher erläutert. Gegebenenfalls befindet sich hier auch ein einfaches Video, das den Lösungsansatz der App und die Verwendungssituation visualisiert und veranschaulicht. Die Zielgruppe wird zum Interagieren motiviert, um ihr Interesse zu bekunden. Ist das Versprechen überzeugend, klickt der User möglicherweise auf den Download-Knopf, hinter dem sich nicht etwa die App befindet, sondern lediglich die Möglichkeit zu einer Voranmeldung. Hinterlässt der Nutzer hier seine E-Mail-Adresse, hat man womöglich einen Earlyvangelist gefunden, den man für die Weiterentwicklung des Angebots gewinnen sollte.

Dieses kleine Szenario zeigt, wie einfach und preiswert derartige Experimente sein können, um mit wenig Aufwand von „wir glauben“ zu „wir wissen“ zu gelangen.

Bild 2.4Sechs Techniken um Kundeneinblicke zu gewinnen (Osterwalder et al. 2014) – Teil 1

Bild 2.4Sechs Techniken um Kundeneinblicke zu gewinnen (Osterwalder et al. 2014) – Teil 2

Als Dropbox in seinen Anfängen versuchte, für die Entwicklung seines Cloud-Dateiverwaltungstools Venture Capital einzusammeln, hatte das Silicon-Valley-Unternehmen es sehr schwer. Die Investoren verstanden das Tool nicht, sie sahen keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Lösungen. Das Team konnte jedoch nicht mit der Entwicklung der komplizierten Technologie beginnen, die eine Synchronisierung mit verschiedensten Endgeräten und Betriebssystemen realisierte. Der Gründer Drew Housten entschied sich deshalb dafür, ein banales Video zu drehen (www.youtube.com/watch?v=7QmCUDHpNzE), das dem Nutzer sehr authentisch demonstrierte, wie einfach die Verwendung des Dienstes über eine multiple Gerätelandschaft funktioniert. Dropbox registrierte über Nacht 75.000 neue Besucher auf der Webseite.

Drew Housten fasst seine Erfahrung wie folgt zusammen (https://www.youtube.com/watch?v=y9hg-mUx8sE):

„What we learned:

       Biggest risk: making something no one wants

       Not launching → painful, but not learning → fatal

       Put something in users hands (doesn’t have to be code) and get real feedback ASAP

       Know where your target audience hangs out and speak to them in an authentic way.“

Dieser Phase stehen weitere Techniken für die Durchführung von Experimenten zur Verfügung. Die Auswahl von Experimenten ist stark abhängig von Branche und Produktbereich. Es besteht ein großer Unterschied, ob es sich um ein physisches oder immaterielles Angebot handelt, wofür jeweils ein verschiedenartiges Set von Experimenten gewählt werden muss.

Auszugsweise sind in Tabelle 2.1 einige Experimenttypen überblicksartig aufgeführt. Eine tiefere Auseinandersetzung bedarf einer ausführlicheren Betrachtung.

Tabelle 2.1 Beispiele für mögliche Experimente zur Überprüfung von Hypothesen (in Anlehnung an Cooper 2014, Teten 2015)

Technik

Beschreibung

Schwierigkeitsgrad

Persönliches Feedback

Persönliche Gespräche, Austausch in Communitys und Blogs mit der Zielgruppe

Einfach

Sketches und Moodboards

Papierzeichnungen und Visualisierungen, die eine erste Tuchfühlung mit einer Idee ermöglichen

Einfach

Video-Trailer

Demovideo, das die Nutzungssituation und mögliche Funktionalitäten demonstriert

Mittel

Boomerang

Feedback wird anhand eines alternativen Angebots eingeholt

Mittel

Dry Wallet

Das Angebot ist ohne dessen Existenz kaufbar, um die Nachfrage zu überprüfen („out of stock“)

Mittel

Tell others

Loyalitätstest mit Weiterempfehlungsoption (mit und ohne Anreize)

Mittel

Mock-ups

Prototyp mit ersten Interaktionen

Mittel

Mechanical Turk

Hintergrundtätigkeiten werden händisch, aber unsichtbar gelöst

Hoch

Infiltrator

Prototyp wird im Kontext von echten Produkten präsentiert

Hoch

Split-Run-Tests

Nutzungs- und Verwendungstest mit Varianten

Hoch

Ist die Produktidee entsprechend den Kundenbedürfnissen hinreichend validiert, beschäftigt sich das Start-up damit, den sogenannten Product-Market-Fit herzustellen. Im Zentrum dieser Phase steht mithilfe des minimal funktionsfähigen Produkts (MVP) den Kundentrichter (Bild 2.6) von oben nach unten vollständig zu durchlaufen und immer mehr Kunden einer homogenen Zielgruppe zu gewinnen und das Produkt zu einem reifen Angebot weiterzuentwickeln. Das Lean Startup fokussiert hier in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander in vielen Iterationen der Kundenfeedbackschleife sowohl die Entwicklung des Produkts als auch die Entwicklung des Wachstumsmotors.

In der frühen Phase von Airbnb, dem größten Zimmervermittler der Welt, testete das Silicon-Valley-Unternehmen seinen Service in New York. Mit mehreren Millionen Dollar Finanzierung im Rücken, erzielte das Start-up erste veritable Erfolge, der große Durchbruch blieb jedoch aus. Nach mehreren hartnäckigen Iterationen und auf der Suche nach dem Schlüssel zum Erfolg erkannte das Team, woran es lag. Die Menschen, die ihre Appartements und Zimmer zur Vermietung anboten, die sogenannten Hosts, fotografierten ihre Wohnungen mehr recht als schlecht. Unaufgeräumte Zimmer, schlechte Lichtverhältnisse und ungünstige Bildausschnitte überzeugten die potenziellen Kunden nicht. Airbnb hat in der Folge seinen Onboarding-Prozess verändert. Das Start-up engagierte fortan ein Netzwerk von Fotografen und ein Callcenter, das direkt nach Anmeldung eines Hosts einen Fotografen vermittelte, der das Zimmerangebot professionell ablichtete. Von diesem Zeitpunkt an skalierte das Unternehmen.

Läuft der Wachstumsmotor verlässlich, und regelmäßige Umsätze bzw. Kunden können auf eine gesteuerte Art und Weise generiert werden, gelangt das Start-up in die letzte Phase: die Skalierungsphase. In dieser Phase verlässt die Organisation den Status eines Start-ups. Zunehmend bekannte betriebswirtschaftliche Wachstumsmechanismen lösen den eher suchgesteuerten Ablauf des Lean-Startup-Ansatzes ab. Nichtsdestotrotz wird bei jeder Weiterentwicklung des Produkts ein Lean-Startup-Team aktiv, um Funktionalitäten zu testen und Feedback zu generieren.

2.1.5Innovation bilanzieren

Zu Beginn ist ein Start-up ein Unternehmen auf dem Blatt Papier, zumeist mit einem Businessplan, der die Idealvorstellungen der Unternehmensentwicklung in Form von Kundenzahlen, Umsatzerwartungen und Gewinnen ausdrückt. In der Fünfjahresperspektive zeichnet sich in der Visualisierung meist ein exponentielles Wachstum in Form eines sogenannten Hockey Stick ab. Dieser entpuppt sich jedoch schnell als Kaffeesatzleserei, wenn man nicht den Fortschritt auf dem Weg misst, den man eingeschlagen hat, um die Geschäftszahlen zu erreichen. Ein Geschäftsplan ist demnach nicht das geeignete Steuerungs- und Planungsinstrument, um auf einer grünen Wiese, auf der sich ein Start-up nach dem hier zugrunde liegenden Verständnis befindet, die richtigen Schlüsse für die Entwicklung zu ziehen und zu bewerten, ob die aktuellen Aussichten erfolgs versprechend sind.

Lean Startups erstellen sogenannte Wachstumsmodelle (Growth Engines) und analysieren dann, wo sie gerade stehen. Sie messen die Resultate ihrer Experimente, um herauszufinden, wie die realen Ergebnisse näher an die im Geschäftsplan erfassten herangebracht werden können. Sie erstellen eine fortwährend mit den Aktivitäten abzugleichende Innovationsbilanz. Dabei werden zumeist auch schwierige Fakten ermittelt, die es zu verarbeiten gilt. Wird im Rahmen eines Experiments beispielsweise das Ergebnis „null“ festgestellt, z. B. „null“ Nutzer haben sich für ein bestimmtes Angebot interessiert, niemand nutzt es, dann ist dies eine harte, dafür aber sehr klare Wahrheit, die positiv verarbeitet werden kann. Geringe Nutzungsraten hingegen bedürfen einer differenzierteren kognitiven Leistung, um die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen und gegebenenfalls durch Iterationen verschiedene Varianten zu testen.

Da Zeit und Ressourcen oft knapp sind, muss der Fortschritt fortlaufend überprüft werden. Permanent müssen Entscheidungen getroffen werden, was zuerst getan werden soll. Vor diesem Hintergrund messen Lean Startups ihren Fortschritt anhand ausgewählter Metriken und einer Handvoll Key Performance Indicators (KPIs). Diese Kennzahlen entsprechen ihrer Growth Engine und können von Phase zu Phase variieren oder an Bedeutung gewinnen bzw. verlieren.

2.1.5.1Metriken und Key Performance Indicators

Metriken sind quantifizierbare Maßzahlen, die Aufschluss über den Erfolg oder Misserfolg von Geschäftsprozessen und die Umsetzung von Geschäftsstrategien geben.

Key Performance Indicators sind Metriken, die einen für das jeweilige Geschäft wesentlichen Wertbeitrag mit einem bestimmten strategischen Ziel in einem festgelegten Zeitraum anzeigen. Sie geben Auskunft über die Performance des Unternehmens, den Grad der Zielerreichung und den Status des strategischen Fortschritts.

Ein Start-up hat idealerweise fünf bis maximal zehn KPIs, die es verfolgt, überwacht und bewertet. Diese können je nach unternehmerischer Phase variieren. Beispiele für KPIs sind Kundenwert (Customer Lifetime Value, CLTV), Wachstumsraten, wiederkehrende Einnahmen (Recurring Revenue), Gewinn, Abwanderungsrate (Churn Rate) oder Kundenakquisitionskosten (Customer Acquisition Costs, CAC).

In der Abgrenzung zu KPIs messen Metriken das Ergebnis bestimmter Geschäftsprozesse im täglichen Agieren. Sie werden für die Optimierung einzelner Aktivitäten im Rahmen von Experimenten herangezogen. Beispiele für Metriken eines Internet-Start-ups sind etwa Anmeldungen, Klicks, Downloads, Cost per Order (CPO) oder Verweildauer.

Eine Metrik kann zu einem Key Performance Indicator werden. In einer frühen Phase eines Start-ups können KPIs auch so etwas wie Shares, Weiterempfehlungen (Referrals) oder wiederholte Nutzung (Retention/Active Users) sein, die wichtigen Aufschluss über den Fortschritt des Start-ups geben, etwa wenn noch kein Umsatz generiert wird.

2.1.5.2Einsatz von Metriken

Bei der Auswahl und dem Einsatz von Metriken ist zu beherzigen, dass diese in ihrem Verwendungskontext bestimmte Eigenschaften aufweisen. Nicht selten feiern Start-ups oder Unternehmen ihren Erfolg, wenn sie z. B. das Wachstum von Downloadzahlen einer App angeben. Die reine Betrachtung der Anzahl von Downloads gibt jedoch noch keinen Aufschluss über den Erfolg der App. Es ist nicht bekannt, wie hoch die Nutzungsrate ist oder wie hoch die Kundenakquisitionskosten waren. Vielleicht wurden die Downloads teuer erkauft und die erste Nutzung führte zur direkten Löschung der App. Erst in einem bestimmten Kontext gibt eine Metrik Auskunft über die Performance des Start-ups oder einer bestimmten Aktivität wie eine Vertriebsmaßnahme. Metriken, die lediglich einen isolierten Status anzeigen, nennt man auch Vanity Metric oder Fassadenmetrik. Hiermit belügt sich das Team selbst und verpasst bzw. ignoriert wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung.

Neben der Kundenzentrierung und dem validierten Lernen ist dem Lean-Startup-Ansatz eine weitere Eigenschaft sehr eigen, nämlich eine sehr starke Umsetzungsorientierung, d. h., Dinge getan zu bekommen (get things done). Bereits in der frühen Phase geht es um eine Vergegenständlichung von Ideen in Form von Demos und Prototypen, um qualifizierteres Feedback von Kunden zu erhalten.

Da sich ein Start-up aufgrund begrenzter Ressourcen und einem gewissen Zeitdruck nicht um alles zugleich kümmern kann, sind eine starke Fokussierung und eine gemeinsame Zielrichtung notwendig, die von allen Teammitgliedern jederzeit verstanden werden. Deshalb sind die Auswahl von Metriken und ihre Erfassung und Darstellung in Berichten oder Dashboards von wichtiger Bedeutung, sodass jeder Einzelne überprüfen und bewerten kann, ob er mit seinen Aktivitäten einen Wertbeitrag leistet oder nicht.

Die Transparenz von Daten und der richtige Einsatz von Metriken schützen vor subjektiven Schuldzuweisungen und erhöhen die Lerngeschwindigkeit der gesamten Organisation.

Eric Ries hat drei Merkmale definiert, die eine Metrik in ihrem Verwendungskontext und somit in einem Bericht oder Dashboard ausmachen sollten (Ries 2011; Bild 2.5). Er nennt sie die drei A:

       Aktionsorientiert (Actionable): Eine Metrik ist aktionsorientiert, wenn sie den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung aufzeigt (am besten in Echtzeit).

       Allgemein zugänglich (Accessible): Berichte sollen so einfach wie möglich sein und die darin enthaltenden Metriken als Entscheidungshilfe auch für Mitarbeiter dienen („Metrics are people first“).

       Allgemein nachprüfbar (Auditable): Daten sollten für Mitarbeiter nachvollziehbar, glaubhaft und nachprüfbar sein.

Bild 2.5Metriken und ihre Merkmale (in Anlehnung an Ries 2011)

2.1.5.3Pirate Metrics und die Überwachung des Kundenlebenszyklus

Da das Vorgehen in einem Lean Startup konsequent kundenorientiert ist, hat sich ein Modell durchgesetzt, aus dem sich die Key Performance Indicators eines jungen Unternehmens ableiten und verschiedenen Stufen des Entwicklungsprozesses zuordnen lassen: Pirate Metrics von Dave McClure (Bild 2.6).

Bild 2.6Kundentrichter für die Steuerung des Kundenlebenszyklus nach dem AARRR-Framework (McClure 2012)

Das Pirate-Metrics-Modell zeigt einen sogenannten Customer Funnel (Kundentrichter) und die Stufen eines Kundenlebenszyklus an. Jeder Kunde durchläuft diesen Trichter, alle Aktivitäten des Start-ups lassen sich den einzelnen Stufen zuordnen. Zwischen jeder Stufe misst ein Unternehmen die sogenannte Conversionrate