Die 13. Schuld - James Patterson - E-Book

Die 13. Schuld E-Book

James Patterson

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Beschreibung

Eine psychopathische Mörderin ist auf freiem Fuß – und sie hat noch eine Rechnung mit dir offen …

Detective Lindsay Boxer liebt ihr Leben als frischgebackene Mutter – bis eine Nachricht eintrifft, die ihre glückliche Welt zum Einstürzen bringt: Vom FBI wird Lindsay das Foto einer attraktiven Frau, deren Wagen an einem Stoppschild hält, zugeschickt. Das schöne Äußere kann Lindsay nicht täuschen: Ohne Zweifel handelt es sich um Mackie Morales, die größte Psychopathin, der der Women’s Murder Club je begegnet ist und die zuletzt entkommen konnte. Während Journalistin Cindy ihre Chance auf die Erfolgsstory ihres Lebens wittert und Mackies Spur quer durchs Land verfolgt, ahnt niemand, dass die Killerin einen finsteren Racheplan schmiedet …

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Buch

Detective Lindsay Boxer liebt ihr Leben als frischgebackene Mutter – bis eine Nachricht eintrifft, die ihre glückliche Welt zum Einstürzen bringt: Vom FBI wird Lindsay das Foto einer attraktiven Frau, die gerade ein Postamt verlässt, zugeschickt. Das schöne Äußere kann Lindsay nicht täuschen: Ohne Zweifel handelt es sich um Mackie Morales, die größte Psychopathin, der der Women’s Murder Club je begegnet ist und die zuletzt entkommen konnte. Während Journalistin Cindy ihre Chance auf die Erfolgsstory ihres Lebens wittert und Mackies Spur quer durchs Land verfolgt, ahnt niemand, dass die Killerin einen finsteren Racheplan schmiedet …

Autor

James Patterson, geboren 1947, war Kreativdirektor bei einer großen amerikanischen Werbeagentur. Seine Thriller um den Kriminalpsychologen Alex Cross machten ihn zu einem der erfolgreichsten Bestsellerautoren der Welt. Auch die Romane seiner packenden Thrillerserie um Detective Lindsay Boxer und den »Women’s Murder Club« erreichen regelmäßig die Spitzenplätze der internationalen Bestsellerlisten. James Patterson lebt mit seiner Familie in Palm Beach und Westchester, N.Y.

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James Patterson

mit Maxine Paetro

Die 13. Schuld

Thriller

Deutsch von Leo Strohm

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel Unlucky 13 bei Little, Brown and Company, New York.

Copyright der Originalausgabe © 2014 by James Patterson

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2017 by Limes in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Gerhard Seidl, text in form

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de

Unschlagmotiv: Gettyimages/Steve Proehl

AF · Herstellung: sto

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-19047-7V002

www.limes-verlag.de

Für Suzie und John, Brendan, Alex und Jack

Prolog

Ka-Buuum

1 Es war ein scheußlicher Montagmittag, kurz nach zwölf. Bis jetzt hatte die Sonne sich noch nicht blicken lassen. Dichter Nebel brachte den Verkehr rund um das Golden Gate zum Erliegen. Ich saß am Steuer unseres Streifenwagens, neben mir Rich Conklin, mein langjähriger Partner. Da rief Claire mich auf dem Handy an.

Claire Washburn ist meine beste Freundin und darüber hinaus Leiterin des Gerichtsmedizinischen Instituts von San Francisco. Ihr Anruf war rein dienstlich.

»Lindsay«, brüllte Claire ins Telefon, um das Hupkonzert im Hintergrund zu übertönen. »Ich habe hier zwei Tote in einem schwer demolierten Fahrzeug und verdammt noch mal keine Ahnung, was da passiert sein könnte. Seid ihr vielleicht zufällig in der Nähe? Ich wüsste gern, was ihr davon haltet.«

Sie gab mir den Standort durch, und ich versprach, dass wir, so schnell es das Wetter und der Verkehr zuließen, zu ihr kommen würden. Ich teilte Rich mit, was ich gerade gehört hatte, und wendete.

Mein Partner ist ein kluger und ziemlich ausgeglichener Mensch. Sein Glas ist eigentlich immer halb voll, und auch heute war er alles in allem sehr zufrieden mit sich und der Welt.

Er fragte: »Wir sollen uns einen Verkehrsunfall anschauen?«

»Claire glaubt nicht, dass es ein Unfall war.«

Wir durchquerten Presidio auf dem Lincoln Boulevard, kamen an dem Aussichtspunkt beim Crissy Field vorbei und steuerten die Golden Gate Bridge an. Conklin telefonierte mit Brady und teilte ihm mit, dass wir von Claire um Unterstützung gebeten worden waren. Anschließend informierte er Claire, dass wir in acht Minuten vor Ort seien. Dann machte er nahtlos dort weiter, wo wir unterbrochen worden waren. Der Mann brauchte Rat in einer kniffligen Beziehungsangelegenheit.

»Tina hat Geburtstag. Wir sind jetzt seit zwei Monaten zusammen«, sagte er. »Mit welchem Geschenk kann ich so was sagen wie: ›Bis jetzt mag ich dich sehr‹?«

Wir bewegten uns auf vermintem Terrain. Rich ist für mich fast so was wie ein kleiner Bruder. Wir stehen uns sehr nahe. Wir können über alles sprechen. Aber seine Ex, Cindy, ist eine meiner Busenfreundinnen. Und Cindy litt immer noch unter der Trennung, die jetzt sechs Monate zurücklag. Sie hegte nach wie vor die leise Hoffnung, dass sie und Rich vielleicht wieder zusammenkommen könnten.

Und um ehrlich zu sein, ich hoffte das auch.

Also hielt ich den Blick stur geradeaus auf die beiden Fahrspuren des Lincoln Boulevard gerichtet. Zur Linken reihten sich historische Gebäude aneinander, zur Rechten befand sich ein großer Parkplatz für die Besucher der Brücke. Langsam glitten wir an den hübschen Häusern der Pilot’s Row vorbei, bis wir schließlich im Stau stecken blieben.

»Sieht so aus, als müssten wir zu Fuß gehen«, sagte ich.

Ich stellte den Streifenwagen auf dem Seitenstreifen ab, schaltete die Warnblinkanlage ein, schnappte mir meine Windjacke und schloss ab. Dann gingen wir gemeinsam den Hang hinauf. Richie war sofort wieder beim Thema.

»Ich habe an ein Paar Ohrringe gedacht. Oder ist das übertrieben? Klingt Ohrring vielleicht zu sehr nach Ring?«

»Nur wenn es Diamanten sind«, erwiderte ich.

»Ha«, meinte Conklin.

Ich fuhr fort: »Rich, meiner bescheidenen Meinung nach seid ihr immer noch in der Blumenstrauß-und-Abendessen-Phase. Das ist romantisch, risikolos, und ihre Mutter wird in absehbarer Zeit nicht auf die Idee kommen, irgendwelche Einladungen zu verschicken.«

»Okay. Und wie unterschreibe ich die Karte. Mit In Liebe oder eher nicht?«

Ich verdrehte die Augen und seufzte. »Richie, liebst du sie? Oder liebst du sie nicht? Das musst du schon selber wissen.«

Er lachte.

»Könntest du vielleicht dieses alberne Kichern bleiben lassen?«, bat ich ihn.

Er salutierte und erwiderte: »Jawohl, Madam, Sergeant Boxer, zu Befehl. Und könntest du dir vielleicht eine Prise Humor zulegen?«

»Du hast es doch nicht anders gewollt.«

Ich gab ihm einen leichten Schubs, und er lachte noch ein bisschen mehr, während wir den Abhang hinaufgingen, vorbei an Autos, die im Schneckentempo vorwärtskrochen, und ausgestiegenen Beifahrern, die ihre Flüche in den Nebel brüllten.

Mein Handy klingelte erneut.

Claire sagte: »Beeilt euch. Ich kann die Typen von der Bridge Authority nicht mehr lange hinhalten. Der Abschleppwagen ist schon vor Ort.«

2 Es war ein wahrhaft surrealer Anblick, und ich nehme dieses Wort bestimmt nicht leichtfertig in den Mund.

Soweit ich erkennen konnte, war ein roter Jeep neueren Baujahrs auf der äußersten rechten Fahrbahn Richtung Norden außer Kontrolle geraten, quer über fünf Spuren geschossen, hatte die Absperrung zum Fußweg durchbrochen und war gegen das Geländer geprallt, das jetzt dort, wo die Schnauze des Jeeps stecken geblieben war, eine große Beule aufwies.

Alle Fahrspuren bis auf eine waren gesperrt, sodass der Nord-Süd-Verkehr nur abwechselnd an dem Unfallwagen vorbeikonnte, der bis zu den Heckleuchten vom dichten Nebel verschluckt wurde.

Überall standen Fahrzeuge der Strafverfolgungsbehörden herum: SUVs der Bridge Authority, die Feuerwehr sowie Streifenwagen der California Highway Patrol und des San Francisco Police Department. Die dazugehörigen Besatzungen drängten sich um den Jeep. Ein paar Mitarbeiter der Gerichtsmedizin fotografierten. Ein Verkehrspolizist hing über dem Geländer und übergab sich.

Zugleich schob sich ein Abschleppwagen in Position, um den Jeep wegzuschaffen, damit die einzige Verbindung zwischen San Francisco und Sausalito wieder freigegeben werden konnte.

Ein Vertreter der Bridge Authority warf einen prüfenden Blick auf unsere Dienstmarken und rief: »Frau Dr. Washburn, Besuch für Sie.«

Claire kam kopfschüttelnd hinter ihrem Kleinbus hervor und sagte: »Hallo, ihr beiden. Wollt ihr mal was ziemlich Verrücktes sehen? Ich zeig es euch.«

Sie wirkte unübersehbar beunruhigt, und als wir uns dem Jeep näherten, war mir auch klar, warum. Die Windschutzscheibe war nach außen geborsten, die Schnauze wie eine Ziehharmonika zusammengequetscht, und als ich einen Blick in den Innenraum warf, fing mir die Kopfhaut buchstäblich zu kribbeln an.

Im Lauf meiner vierzehn Jahre bei der Mordkommission habe ich schon viele grauenhafte Dinge zu sehen bekommen, aber das hier bekam sofort einen Spitzenplatz. Ganz oben, auf Position eins.

Es handelte sich um zwei junge Erwachsene, höchstens Anfang zwanzig, beide weiß. Der Mann saß auf dem Fahrersitz, die Frau daneben. Sie hatten die Arme in die Hüften gestemmt und den Kopf in den Nacken gelegt. Die Münder waren wie zu einem stummen Schrei weit aufgerissen.

Aber meine unmittelbare Aufmerksamkeit galt dem Bauchbereich der Todesopfer, der bei beiden nicht mehr war als ein klaffendes, blutiges Loch. Und ich konnte deutlich sehen, wo all das Blut und die Eingeweide gelandet waren.

Der Fahrersitz war übersät mit Stückchen menschlichen Fleischs, dazu Stofffetzen und andere Fragmente, die ich zunächst nicht identifizieren konnte. Ein Airbag hing schlaff über dem Lenkrad. Der zweite lag auf den Beinen der Beifahrerin.

Claire sagte: »Wir haben überall Blut und menschliches Gewebe gefunden. Die Sicherheitsgurte, das Armaturenbrett und die Instrumentenkonsole sind mehr oder weniger stark beschädigt, und seht ihr das, was da in der Sonnenblende steckt? Da hat sich ein Knopf richtig tief reingebohrt. Und auf allem liegt eine dünne Schicht Puder aus den Airbags.

Diese Bereiche hier …«, sie deutete auf die aufgeplatzten Bauchräume der beiden Toten, »… würde ich als Ausgangspunkte einer Explosion bezeichnen.«

»Großer Gott«, sagte Rich. »Die hatten Bomben auf dem Schoß liegen? Wie verzweifelt muss man sein, um sich so umzubringen?«

»Auf die Art und Weise des Todes möchte ich mich im Moment noch nicht festlegen, aber was die Frage der Todesursache angeht … hier, seht euch das an.« Claire streckte den Arm aus und kippte den Körper der Beifahrerin ein wenig nach vorn. An der Sitzlehne klebten Rückenmarksgewebe, Knochenstückchen und Blut.

Mein Frühstückskaffee war kurz davor, den Rückweg durch die Speiseröhre anzutreten, und die Luft ringsherum begann zu flimmern. Ich wandte mich ab, atmete mehrfach tief ein und aus, und als ich mich wieder umdrehte, besaß ich immerhin so viel Geistesgegenwart, um zu sagen: »Dann hat diese Bombe, oder, besser gesagt, dann haben diese Bomben also die Körper komplett auseinandergerissen?«

Claire erwiderte: »Ganz genau, Lindsay. Darum lautet meine vorläufige, aber nichtsdestotrotz fundierte Meinung, dass wir es hier mit zwei Bomben zu tun haben, die im Inneren des Unterleibs, beziehungsweise der Unterleiber, explodiert sind. – Ich glaube, dass das Körperbomben waren.«

3 Die Stimmung unter den Autofahrern war mittlerweile nicht mehr nur angespannt, sondern hatte sich in Entrüstung und Wut verwandelt. Verkehrspolizisten mussten sich erregte Beschimpfungen anhören, und über unseren Köpfen kreisten mehrere Kamerahubschrauber wie Stubenfliegen um einen warmen Apfelkuchen.

Der Fahrer des Abschleppwagens rief mir zu: »He! Kann vielleicht mal jemand die Leichen da rausholen? Wir müssen die Brücke wieder freimachen.«

Es gab nur eine Sache, die ich ganz sicher wusste, und zwar folgende: Ich war die ranghöchste Kriminalbeamtin vor Ort, daher lag die Leitung der Ermittlungen in meinen Händen, und zwar so lange, bis die Angelegenheit endgültig mir oder einem meiner Kollegen übertragen wurde. Im Augenblick hatte ich die Aufgabe, den Schauplatz des Verbrechens vor Manipulationen aller Art zu schützen. Und dieser Schauplatz war nun mal eine sechsspurige Hauptverkehrsstraße.

Ich ging also zu dem Fahrer des Abschleppwagens und sagte: »Danke für den Hinweis, aber der Unfallwagen bleibt hier. Und Sie sehen bitte zu, dass Sie mitsamt Ihrem Abschleppwagen den Tatort verlassen.«

Während er sich daranmachte, meiner Aufforderung Folge zu leisten, sagte ich zu meinen Kollegen: »Was immer das hier sein mag, ein gewöhnlicher Unfall ist es nicht. Deshalb lasse ich die Brücke sperren.«

»Bravo«, erwiderte Claire. »Wir sind deiner Meinung.«

Ich schickte alle überflüssigen Personen weg und rief Charlie Clapper an, den Leiter der Kriminaltechnik. Er sollte alles stehen und liegen lassen und sich unverzüglich auf den Weg hierher machen.

»Mit Vollgas und Tatütata«, sagte ich.

Dann erstattete ich Brady einen vollständigen Bericht. Er meinte, dass er mit dem Polizeichef und dem Bürgermeister Rücksprache nehmen und sich dann so schnell wie möglich auf den Weg hierher machen wollte.

Gelbes Absperrband kam zum Einsatz, um die Stelle mit dem verunglückten Jeep in einem großen Radius abzuschirmen. An beiden Enden der Brücke wurden Straßensperren errichtet. Conklin und ich dokumentierten alles mit unseren Smartphone-Kameras und Notizblöcken und brüteten dabei schon die eine oder andere Theorie aus.

Ich war wahnsinnig erleichtert, als Clappers Transporter sich auf die Brücke schob, dicht gefolgt von einem Tieflader. Beide Fahrzeuge blieben vor der Absperrung stehen, und dann stiegen der unerschütterliche Charlie Clapper und ein halbes Dutzend Kriminaltechniker aus.

Clapper ist Ende vierzig und immer ausgesprochen schick gekleidet. Er war früher Detective bei der Mordkommission und ist heute ein hervorragender Kriminaltechniker. Ich trat zu ihm und sagte: »Ich glaube, so was wie das hier hast du auch noch nie gesehen.«

Als Nächstes gab ich ihnen ein paar Stichworte mit und erklärte, warum ich das Ganze für mehr als einen gewöhnlichen Unfall hielt, bevor wir gemeinsam zu dem Autowrack gingen.

Clapper steckte den Kopf in den Innenraum. Er sah sich um, kam wieder heraus und sagte: »Okay, da ist etwas explodiert, keine Frage. Aber meines Wissens handelt es sich bei Körperbomben um mechanische Vorrichtungen, die einem Menschen eingepflanzt werden. Sprengstoff. Zündkapsel. Zünder. Aber ich sehe keinen einzigen Draht. Ich rieche keinen Sprengstoff. Und noch etwas finde ich sehr eigenartig.« Er hielt kurz inne. »Die Explosion war auf den vorderen Bereich der Fahrgastzelle beschränkt. Aber mit solchen Bomben soll ja normalerweise nicht nur das Fahrzeug, sondern auch alles andere in der näheren Umgebung in die Luft gejagt werden. Aber du hast recht. So was habe ich wirklich noch nie gesehen.«

Ich sagte: »Die Suche nach dem Fahrzeughalter läuft, aber ich würde die beiden Toten gerne identifizieren, bevor die Angehörigen aus dem Fernsehen davon erfahren müssen.«

Ich deutete auf einen roten Nylon-Rucksack im Fußraum vor der Rückbank. Nachdem ein Techniker den Rucksack und die weitgehend unbeschädigte Rückbank fotografiert hatte, streifte ich mir Latexhandschuhe über und machte den Rucksack auf. Darin lagen ein Stoffhund, ein paar CDs, ein Handy-Ladegerät und ein blau gesprenkeltes Portemonnaie.

Im Portemonnaie fand ich einen Führerschein.

»Das weibliche Opfer hieß Lara Trimble, einundzwanzig, aus Oakland«, sagte ich.

Im hinteren Fußraum lag außerdem noch ein großer Haufen zusammengeknüllter Papierverpackungen, und dann fiel mein Blick auf etwas, was womöglich wichtig war.

»Könnt ihr das mal fotografieren?«, bat ich die Kriminaltechniker.

Sobald das erledigt war, holte ich eine Hamburger-Tüte heraus, welche die Explosion unversehrt überstanden hatte.

»Hallo«, sagte ich laut. »Könnte es sein, dass das da ihre letzte Mahlzeit war?«

Clapper sagte: »Vielen Dank«, nahm mir die Tüte mit entschlossenem Griff aus der Hand und verstaute sie in einem durchsichtigen Plastikbeutel. »Wir Fachleute nennen so was Indizien.«

Claire kam zu uns herüber. »Na, Charles, was hältst du davon?«

»Ich glaube, dass wir die ersten Bilder bald landesweit in den Nachrichten sehen werden. In einer halben Stunde trampeln uns hier das FBI, der Heimatschutz, die Behörde für Alkohol, Tabak und Feuerwaffen und dazu jede Menge Bundespolizisten auf den Füßen herum. Die Brücke bleibt garantiert bis Weihnachten gesperrt. Oder zumindest die nächsten vierundzwanzig Stunden.«

Die Golden Gate Bridge war ein hochsensibles Anschlagsziel, ein uramerikanisches Symbol. Eine Bombe auf der Brücke, das würde jeden Bewohner San Franciscos in Angst und Schrecken versetzen. Und auch mir jagte diese Vorstellung eine Heidenangst ein.

Ich rief Brady an und sagte ihm, dass wir einen terroristischen Hintergrund nicht ausschließen konnten.

Er erwiderte: »Scheiße. Natürlich nicht.«

Dann standen wir inmitten der Nebelschwaden herum und warteten auf das FBI.

Erster Teil

Der letzte Tanz gehört mir

1 Seit der Explosion zweier Körperbomben im Magen zweier junger Menschen in einem roten Jeep war eine Woche vergangen. Da nichtmetallische Bomben den Bundesbehörden erhebliches Kopfzerbrechen bereiteten, konzentrierte das FBI sich vor allem auf den terroristischen Ansatz und hatte uns den Fall praktisch aus der Hand genommen.

Während also die Bundespolizei sich in der örtlichen FBI-Niederlassung verschanzte und ihrer Arbeit nachging, legten sich die Wellen wieder, die der mysteriöse Autounfall mit anschließender Sperrung der Golden Gate Bridge für einen Nachmittag in der ganzen Welt geschlagen hatte. Stattdessen las und hörte man von der Scheidung eines Filmstars, von politischen Skandalen und einer Massenkarambolage im Süden von Los Angeles.

Das San Francisco Police Department behandelte den Körperbomben-Fall als ungelöstes Kapitalverbrechen, höchstwahrscheinlich ein Doppelmord, wobei mit dem »San Francisco Police Department« Claire, Clapper, Conklin und ich gemeint sind.

Es war Montagabend kurz nach 18.00 Uhr. Conklin und ich arbeiteten an unseren Schreibtischen in der Hall of Justice, wo der Strafgerichtshof, die Bezirksstaatsanwaltschaft sowie die zentrale Dienststelle für den südlichen Bezirk des San Francisco Police Department untergebracht sind. Die Büros der Mordkommission liegen in der dritten Etage.

Mein Partner und ich saßen uns an zwei Schreibtischen im Bereitschaftsraum gegenüber, einem fensterlosen, sieben mal sieben Meter großen Raum mit grauem Linoleumfußboden und schmuddeligen Wänden in undefinierbarem Farbton. An der Decke hingen Leuchtstofflampen. Insgesamt zwölf Schreibtische stehen in diesem Raum. Im Augenblick war außer uns niemand da, und wir beschäftigten uns mit den wenigen sicheren Fakten unseres Körperbomben-Falls.

Im Lauf der vergangenen Tage hatten wir die Angehörigen der Opfer befragt. Lara Trimbles zutiefst erschütterte Eltern schworen Stein und Bein, dass Lara keine Feinde gehabt hatte. Sie hatte Musik studiert und sich nicht politisch betätigt.

David Katz, der junge Mann am Steuer des Jeeps, war Psychologiestudent gewesen. Auch seine Eltern waren vollkommen erschüttert und konnten sich den tragischen Tod ihres Sohnes nicht erklären. Niemand hatte auch nur den Hauch einer Idee, warum David und Lara ermordet worden waren.

Nachdem wir eine Woche lang das Leben und den Bekanntenkreis der beiden Opfer gründlich durchforstet hatten, waren wir zu derselben Meinung gelangt wie ihre Angehörigen. Die beiden waren in keinerlei Hinsicht radikal gewesen. Sie waren nichts als Opfer.

Claire und Clapper tappten bei der Frage, welcher Sprengstoff verwendet worden und wie er in den Körper der Opfer gelangt war, immer noch im Dunkeln. Bis jetzt hatten wir nur eine umfassende Dokumentation der Schäden an dem demolierten Fahrzeug sowie eine Schachtel voller Indizienmaterial, die uns das FBI überlassen hatte, in der Hand.

Aber im Grunde genommen war nichts dabei, was wir nicht schon vor einer Woche auf der Brücke gewusst hatten. Null, niente, nada.

Ich betrachtete zum hundertsten Mal die Fotos vom Tatort, suchte nach einem Hinweis, nach irgendeiner Kleinigkeit, die ich womöglich übersehen hatte. Doch als die Nachtschicht langsam in unseren bescheidenen Bereitschaftsraum tröpfelte, war ich reif für den Feierabend.

Ich sammelte meine Sachen ein, begrüßte ein paar Kollegen und winkte Richie, der am Telefon hing und mit Tina turtelte, zum Abschied zu. Auf dem Parkplatz in der Harriet Street wartete mein sieben Jahre alter Explorer auf mich. Ich steckte den Zündschlüssel ins Schloss, drehte, und er sprang sofort an.

Zwanzig Minuten später trat ich durch die Tür des geräumigen Apartments, das ich zusammen mit meinem Ehemann Joe, unserer sechs Monate alten Tochter Julie und Martha, meiner Border-Collie-Gefährtin und gleichzeitig Julies bester Hundefreundin, bewohne.

Ich rief: »Sergeant Mommy ist da!«, bekam aber weder klackernde Hundekrallen noch ein »Hallo, Süße« zur Antwort.

Es war viel zu still. Wo steckten sie denn?

Die Hand am Kolben meiner Dienstpistole ging ich von Zimmer zu Zimmer, bis ich wieder im Eingangsflur stand. Mit gesträubten Nackenhärchen sah ich mich um und ging verschiedene Anhaltspunkte durch: kein Hausschlüssel auf der Kommode, das Fläschchen im Spülbecken, Joes Hausschuhe neben dem Sessel, leeres Kinderbettchen … da schwang die Wohnungstür auf.

Martha kam hereingefegt und sprang mich an. Mein hinreißender und wunderbarer Mann folgte ihr auf dem Fuß und schob den Kinderwagen in den Flur.

»Hey, Julie«, sagte Joe. »Sieh mal, wer da ist.«

Ich schlang ihm die Arme um den Hals, gab ihm einen Kuss, nahm mein kleines Mädchen in die Arme und tanzte mit ihr im Kreis. Ich muss gestehen, dass Julie das mit Abstand schönste Baby auf diesem Planeten ist, und das keineswegs nur, weil sie unser Baby ist. Sie hat die dunklen Haare ihres Vaters und unsere blauen Augen geerbt, und, ganz ehrlich: Jedes Mal, wenn ich sie aus dem Wagen nehme, strömen die Leute in Scharen zusammen und sagen: »Ooch, bist du süß. Kann ich dich nicht mit nach Hause nehmen?«

Und dann lacht Julie immer und streckt ihnen die Arme entgegen! Es ist zum Totlachen – und macht mir gleichzeitig eine Heidenangst.

»Wir waren im Park und haben ein bisschen Softball gespielt«, sagte Joe.

»Ach so. Gute Idee.«

»Sie hat gesagt, dass sie heute Nacht durchschläft.«

»Haha. Das will ich schriftlich.«

»Wie wär’s, wenn du die Knarre und die Schuhe wegpackst und für eine Weile zu Hause bleibst?«, sagte mein Ehemann und schaltete die Nachrichten ein. »Die Suppe ist in zehn Minuten fertig.«

Nach Hause zu kommen ist so schön. So wahnsinnig schön.

2 Den halben Abend lang erzählte ich Joe von den Körperbomben. Und das war mehr als Bettgeflüster. Joe Molinari ist ehemaliger FBI-Agent und war eine Zeit lang stellvertretender Direktor der Heimatschutz-Behörde. Jetzt arbeitet er als gefragter freiberuflicher Sicherheitsberater und geht in seiner Rolle als Hausmann auf, während ich meine Berufung in der Mordkommission auslebe.

Joe und ich hatten den Fall schon etliche Dutzend Male durchgesprochen, aber als wir dann im Dunkeln unter der Decke lagen, sagte er: »Früher oder später wird der Attentäter sich Anerkennung für seine Tat verschaffen wollen.«

»Hmm«, erwiderte ich und durchforstete mein Gehirn. Auf manche Bombenattentäter traf das sicherlich zu. Aber nicht auf alle.

Ich weiß noch, dass Joe in der Nacht zweimal aufstand, um nach Julie zu sehen. Ich stand dreimal auf, und plötzlich war es acht, und ich war zu spät dran.

Gegen neun stellte ich den Wagen auf meinem Lieblingsparkplatz im Schatten der Überführung ab und ging direkt in die Gerichtsmedizin. Im Empfangsbereich drängten sich Uniformierte und Zivilbeamte, sehnten sich nach einer Zigarette und hofften auf einen Obduktionsbericht.

Am Tresen saß eine Neue und stellte sich als Tasha vor. Ich sagte ihr, dass Claire mich bereits erwartete. Das war zwar gelogen, aber Claire machte das Spiel jedes Mal mit.

Ich fand sie im Obduktionssaal, wo sie sich gerade die Handschuhe abstreifte. Ihr Assistent rollte einen Leichnam nach draußen Richtung Kühlfächer.

Sie sagte: »Einfach toll. Ich brauche bloß an dich zu denken, und schon tauchst du auf.«

»Hast du was für mich?«, wollte ich wissen.

»Ja. Wenn ich nicht mit beiden Händen in einem Klumpen Eingeweide gesteckt hätte, hätte ich dir eine SMS geschickt.«

Claire zog den Kittel aus, hängte ihn an einen Haken und nahm die Schutzkappe ab. Ich folgte ihr in ihr Büro und konnte es kaum erwarten. Was würde sie mir sagen?

Sie setzte sich an den Schreibtisch, rollte den Stuhl zurecht und sagte: »Clapper hat mir etwas weitergeleitet, was er vom FBI erfahren hat. Die Zusammensetzung der Körperbomben.«

»Heiliger Strohsack. Schieß los.«

»In aller Kürze. Sie haben im Mageninhalt, der im ganzen Jeep verteilt war, Spuren einer Magnesiumverbindung gefunden. Die Opfer müssen die Substanz eingenommen haben. Kannst du mir folgen?«

»Absolut. Noch ein Schritt näher und ich sitze dir auf dem Schoß.«

»Bleib, wo du bist. Auf meinem Schoß ist kein Platz.«

»Okay.«

»Also, diese Magnesiumverbindung reagiert mit Magensäure.«

Ich blinzelte ein paar Mal und sagte dann: »Soll das heißen, dass diese jungen Leute etwas gegessen haben, und dann, kaum war es in ihrem Magen … ka-buuum?«

»Ganz genau«, sagte Claire.

Solange keine neuen oder anderen Indizien vorlagen, die unsere Theorie infrage stellten, würde ich den Körperbomben-Fall als Doppelmord behandeln.

3 Ich war immer noch mit der Frage der essbaren Bomben beschäftigt, als Claires Telefon klingelte. Sofort war sie in ein langatmiges Gespräch mit einem Rechtsanwalt verwickelt, der sie als Gutachterin zu einem Fall hinzuziehen wollte.

Während ich also darauf wartete, dass sie fertig wurde, betrachtete ich das Bild auf ihrem Schreibtisch, das den Club der Ermittlerinnen zeigte, wie wir uns scherzhaft nennen. Er besteht aus vier Mitgliedern, nämlich Claire, Cindy, Yuki und mir.

Claire war die vollbusige Afroamerikanerin in der Mitte, ein Fels in der Brandung, dreifache Mutter und seit einem Dutzend Jahren meine beste Freundin. Ihr Herz war so groß, dass ich dort jederzeit hätte einziehen und einen Hausstand gründen können.

Rechts von ihr, das war Cindy, eine niedlich wirkende, aber unglaublich zähe, unnachgiebige Journalistin. Sie arbeitet beim San Francisco Chronicle als Polizeireporterin und hat mir bei ihrer immerwährenden Suche nach einer exklusiven Geschichte schon mehr als einmal geholfen, einen Straftäter dingfest zu machen. Cindy und ich streiten uns immer wieder. Ziemlich oft sogar. Sie gibt erst nach, wenn sie wirklich alles Menschenmögliche versucht hat. Und das eine oder andere Unmögliche auch. Aber wir sind einander sehr vertraut, und ich mag sie schrecklich gerne.

Links von Claire, das war Yuki Castellano, die ihre Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei aufgegeben hatte, um fortan im Dienst der Staatsanwaltschaft böse Buben – und Mädchen – hinter Gitter zu bringen. Sie ist wunderschön, kaum größer als ein Vogel und kann reden wie ein Maschinengewehr. Dazu ist sie hochintelligent und gibt niemals auf, obwohl sie schon die eine oder andere herbe Niederlage hat einstecken müssen.

Und dann war da noch die großgewachsene Blonde am Rand, die mit den zerknitterten Klamotten und dem verdrießlichen Gesichtsausdruck. Das war ich. Pfff. Keine Ahnung, was mich gerade beschäftigt hat, als das Foto gemacht wurde. Na ja, wenn ich raten soll, dann war mir wahrscheinlich unser neuer Lieutenant, Jackson Brady, auf die Zehen getreten.

In der Realität drückte Claire gerade auf die Taste ihrer Sprechanlage und brüllte in den Hörer: »Richten Sie Inspector Orson aus, dass er sich schleunigst abregen soll. Ich bin in zehn Minuten da. Hey, sagen Sie ihm, er soll Kaffee besorgen. Ich nehme meinen mit viel Zucker.«

Claire knallte das Telefon auf die Gabel und sagte: »Kein Friede den Ermatteten.«

»Ich glaube, du wolltest sagen: ›Keine Ruhe den Gottlosen‹.«

»Das auch.«

Ihr Telefon klingelte erneut.

»Geh nicht ran, okay?«, sagte ich. »Diese Sache mit der essbaren Bombe? Was hältst du davon?«

»Tja«, erwiderte Claire, machte eine Wasserflasche auf und trank einen großen Schluck. »Wenn du mich schon fragst, ich glaube, diese Körperbomben waren persönliche Attacken, vergleichbar einem Messerstich.«

»Wie meinst du das?«

»Wir haben es hier mit einer sehr unauffälligen Mikrobombe zu tun. Und der Schaden war jeweils auf eine einzige Person begrenzt.«

»Dann hat irgendjemand die beiden also bewusst ins Visier genommen?«

»Nicht unbedingt. Könnte auch Zufall gewesen sein. Kannst du dich noch an diesen Psychopathen erinnern, der Paracetamol-Kapseln mit Blausäure versetzt hat?«

»Diese Bomben waren also eine Art Botschaft?«

»Genau so sehe ich das auch«, meinte Claire. »Jetzt haben wir uns ein Fleißkärtchen verdient.«

4 Claires Sekretärin Tasha streckte den Kopf zur Tür herein und sorgte für einen abrupten Themenwechsel.

»Yuki Castellano auf Leitung fünf. Sie will mit Ihnen beiden reden. Sie hat wortwörtlich gesagt: ›Wenn Sie mich nicht sofort durchstellen, dann wird es Ihnen noch leidtun, dass Sie heute zur Arbeit gekommen sind.‹ Das war doch ein Scherz, Dr. Washburn, oder?«

»Hat sie dabei gelacht?«, wollte Claire wissen.

»Ja, schon. Total süß.«

Yuki war in unserem Kreis eigentlich für die schlechten Nachrichten zuständig, aber in letzter Zeit war sie sehr oft sehr gut gelaunt. Sie hatte ein paar Prozesse gewonnen, und mit ihrem gut gebauten Herzallerliebsten lief es auch nicht schlecht.

Tasha warf mir einen schnellen Blick zu. »Frau Doktor, Ihre Freundinnen trampeln ständig über mich drüber.«

»Nur damit Sie lernen, sich zu wehren. Danke, Tasha.« Dann drückte sie auf eine Taste, und aus dem Lautsprecher ertönte Yukis Stimme.

Sie zwitscherte: »Hab ich’s doch gewusst, dass ihr beiden zusammensteckt. Sprüche klopfen, Donuts essen, Kaffee trinken, das süße Leben in vollen Zügen genießen.«

»Bist du womöglich high, Süße?«, erkundigte sich Claire.

»Aber so was von! Die Liebe weckt die alberne Seite in mir.«

»Hast du auch was auf Lager, was wir noch nicht wissen?«, sagte ich.

»Also gut, wie wär’s damit? Brady und ich wollen heiraten.«

Yuki stieß einen ihrer charakteristischen Glockenspiel-Kicherlaute aus. In der nun folgenden Stille starrten Claire und ich einander über den Schreibtisch hinweg an und versuchten zu begreifen, was Yuki gerade gesagt hatte.

Claire erholte sich als Erste wieder.

»Habe ich dich richtig verstanden, Yuki?«, fragte sie. »Du willst uns nicht auf den Arm nehmen oder irgend so was?«

»Weißt du, wo ich gerade bin? In einem Geschäft für Hochzeitsmode.«

Ich hatte mich gerade erst daran gewöhnt, dass Yuki mit meinem Chef zusammen war … und jetzt wollte sie ihn heiraten? Diese Beziehung hatte unserem Dienstverhältnis die eine oder andere Schwierigkeit beschert, aber das war jetzt egal. Yuki wollte heiraten!

»Oh Gott!«, sagte ich. »Hast du damit gerechnet? Oder hat er dich damit überrumpelt? Das hat ja glatt das Zeug, zur besten Nachricht des Jahres gewählt zu werden.«

»Ü-ber-rumpelt!«, quiekte sie. »Seine Scheidung ist endlich durch. Er telefoniert also mit seinem Rechtsanwalt, legt auf, dreht sich zu mir um – wir liegen gerade im Bett – und sagt: ›Jetzt kann uns nichts mehr hindern.‹«

Yuki gönnte uns noch eine Lachsalve, Marke Überglücklich, holte einmal tief Luft und zwitscherte: »Am Samstag sagen wir: ›Ja, ich will.‹«

»Samstag?«, erwiderte ich. »Welchen Samstag? Diesen Samstag?«

»Ja. Also, hört zu. Ich habe eine großartige Hochzeitsplanerin engagiert. Ihr habt nichts weiter zu tun, als die Kleider anzuziehen und dabei zu sein. Einzelheiten folgen in Kürze.«

»Wir sollen Brautjungfernkleider tragen?« Ich war vollkommen entsetzt.

»Natürlich. In Pink. Schulterfrei. Bauschige Röcke.«

Tja, Cindy und Claire würden in Pink gut aussehen, das war klar. Ich dagegen wie ein halb garer Schinken.

»Keine Sorge, Linds«, fuhr Yuki fort. »Du kannst es auch nach der Hochzeit noch tragen. Ist ein hübsches kleines Cocktailkleid.«

»Genau das hab ich mir schon immer gewünscht: ein schulterfreies, pinkfarbenes Cocktailkleid«, sagte ich und lachte, um mir das tödliche Entsetzen nicht anmerken zu lassen. »Kann ich vielleicht noch eine Tiara bekommen?«

Yuki kicherte. »Das mit den Kleidern war ein Witz. Ich will gar keine Brautjungfern haben. Überhaupt keinen Aufwand. Ein Richter. Ein Eheversprechen. Danach essen und tanzen. Wie hört sich das an?«

»Ausgezeichnet«, sagte Claire. »Wir schmeißen dir eine Verlobungsparty. Für vier. Heute Abend.«

Kaum hatten wir uns von Yuki verabschiedet, verließ ich Claires Büro und lief durch den Verbindungsgang zur Hintertür der Hall of Justice mit ihrer gigantisch hohen Decke und den granatapfelroten Marmorwänden. Ich nahm die Treppe bis in den dritten Stock, durchquerte den Empfangsbereich und betrat durch die kleine Schwingtür den Bereitschaftsraum.

Dort begrüßte ich Brenda, unsere Sekretärin, und schlängelte mich zwischen den Schreibtischen hindurch zu Bradys neun Quadratmeter großem Glaskasten am hinteren Ende.

Er sah genauso aus wie immer – Brustmuskulatur und Bizeps stellten die Elastizität seines Hemds auf eine schwere Belastungsprobe, die weißblonden Haare waren zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden, und er hatte sich über seinen Computer gebeugt.

Seit Brady meinen Job als Chef der Mordkommission übernommen hatte, war es zwischen uns immer wieder zu Reibungsverlusten gekommen. Zunächst hatte mich sein unpersönlicher Führungsstil gestört. Aber in letzter Zeit, auch wenn ich es nur ungern zugeben mag, bin ich fast zum Fan geworden. Er ist unvoreingenommen. Er ist entscheidungsfreudig. Und er hat sich schon mehrfach als hervorragender Polizist erwiesen.

Ich klopfte bei ihm an die Glastür.

»Komm rein, Boxer«, sagte er.

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Nach vier Schritten stand ich an seinem Schreibtisch. Dann packte ich ihn an den Schultern und gab ihm einen Kuss.

»Gratulation, Chef.«

Der Ausdruck auf seinem Gesicht war absolut unbezahlbar.

»Danke.«

Auf dem Weg zurück zu meinem Schreibtisch und zu Conklin grinste ich über beide Backen. Mein Partner hob den Blick: »Ich hab genau gesehen, wie du den Chef abgeknutscht hast.«

»Er und Yuki wollen heiraten. Kein Witz. Und wir haben eine heiße Spur. Also nichts wie an die Arbeit.«

5 Ich ließ mich auf den Schreibtischstuhl plumpsen und sagte zu meinem Partner: »Der Sprengstoff in den Körperbomben ist eine Magnesiumverbindung, und die Opfer haben das Zeug zu sich genommen.«

»Sie haben es gegessen? Und dann ist es explodiert? Ausgeschlossen!«

»Ich zitiere lediglich Claire, und die hat es direkt aus dem FBI-Labor. Dort haben sie im Mageninhalt Spuren der Verbindung entdeckt. Anscheinend hat die Magensäure die Explosion ausgelöst.«

»Verdammt.« Conklin ließ sich schwer gegen die Stuhllehne sinken. »Haben sie vielleicht auch eine Theorie, wer das Zeug ins Essen getan haben könnte?«

»Noch nicht. Wenn du also eine Idee hast, raus damit.«

Ich holte mir noch einmal die Bilder vom Unfallort auf den Monitor und richtete das Augenmerk dieses Mal vor allem auf die Hamburger-Verpackung und das Wachspapier, die wir in dem Müll vor der Rückbank entdeckt hatten. Der Hamburger war von Chuck’s Prime gewesen, einer Fast-Food-Kette, die für ihre Burger mit dem Fleisch frei grasender, US-amerikanischer Rinder bekannt war.

Ich drehte den Bildschirm so, dass Conklin das Foto auch sehen konnte, und sagte: »Siehst du? Ich glaube, Trimble und Katz haben sich ein paar Chuckburger gegönnt und sind kurz danach in die Luft geflogen.«

Conklin meinte: »Ich kenne einen Chuck’s in Hayes Valley, ungefähr fünfzehn Minuten südlich der Brücke.«

Wir besorgten uns einen Streifenwagen, und Conklin setzte sich ans Steuer. Ich hörte mit halbem Ohr dem Funkverkehr zu, als Conklin sagte: »Bloß damit du Bescheid weißt, Linds, aber ich gehe zweimal pro Woche zu Chuck’s. Vielleicht sogar noch öfter.«

»Ich habe auch schon den einen oder anderen Chuck’s Bacon Burger verdrückt, und ich muss zugeben, die waren ausgesprochen lecker.«

»Ja, genau«, erwiderte Conklin. »Vielleicht ist es an der Zeit, mal wieder was anderes auszuprobieren.«

Zwanzig Minuten später parkten wir an der Ecke Hayes Street/Octavia Street neben einem kleinen Park namens Patricia’s Green direkt im Zentrum von Hayes Valley mit seinen zahlreichen trendigen Geschäften, Boutiquen, Restaurants und Cafés.

In der Mitte des Häuserblocks befand sich ein großer Parkplatz, und gleich daneben lag, wie eine sonnenbeschienene Trattoria am Strand, das Chuck’s.

Die Tische im Freien wurden von großen Schirmen beschattet. Im Inneren zog sich ein mächtiger Tresen an zwei Wänden entlang. Quadratische Holztische standen fein säuberlich in Reih und Glied. So früh am Vormittag hatten nur wenige Menschen Lust auf einen Burger, aber die Servicekräfte bereiteten sich schon auf den bevorstehenden Ansturm zur Mittagszeit vor. Chic sahen sie aus, in ihren aquamarinblauen Cowboyhemden mit Perlmuttknöpfen sowie den eng anliegenden weißen Jeans.

Ich zeigte der jungen Frau an der Kasse meine Dienstmarke und bat sie, mich beim Geschäftsführer anzumelden. Sie funkte Mr. Kent Sacco an, und dreißig Sekunden später kam ein pummeliger Mann Anfang dreißig aus einem Büro im hinteren Teil des Gebäudes. Er begrüßte uns mit einem schweißnassen Handschlag und einer Visitenkarte.

Wir setzten uns an einen Tisch beim Fenster, und ich eröffnete Mr. Sacco, dass die Opfer des Unfalls auf der Brücke von vergangener Woche ihre letzte Mahlzeit wahrscheinlich bei Chuck’s eingenommen hatten.

»Wir müssen uns die Bänder aus Ihren Überwachungskameras ansehen«, sagte ich.

»Natürlich. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

»Wir hätten gern eine Liste mit Namen und Anschrift sämtlicher Beschäftigter.«

Sacco nahm uns mit nach hinten in sein Büro und druckte uns eine Personalliste sowie Kopien der Ausweispapiere aus. Dann ließ er uns für einen Augenblick allein und holte die DVDs mit den Aufnahmen aus insgesamt vier Kameras, zwei im Inneren und zwei außerhalb des Restaurants.

Auf dem Weg nach draußen erstand Conklin ein paar Burger mit Beilagen. Im Interesse einer umfassenden Aufklärung machte ich ihm nach unserer Rückkehr ins Büro ein Angebot: Ich würde ihm einen Burger abnehmen. Ich hatte zwar wahnsinnigen Hunger, aber trotzdem unterzog ich das Fleisch zunächst einer sorgfältigen Prüfung. Dann klappte ich das Brötchen wieder zu und aß alles auf. Es schmeckte köstlich.

Anschließend nahmen Conklin und ich uns die Videoaufnahmen vor. Wir zuckten zusammen, als wir die grobkörnigen Bilder sahen, auf denen David Katz und Lara Trimble sich Hamburger, Limonade und Pommes frites zum Mitnehmen bestellten. Ein junges Cowgirl nahm die Bestellung entgegen, kassierte und reichte ihnen im Gegenzug eine volle Tüte. Die zukünftigen Bombenopfer nahmen die Tüte in Empfang und verließen Arm in Arm das Restaurant.

Wir sahen uns die Aufnahmen immer wieder an, vorwärts und rückwärts, vergrößert, in Zeitlupe, nahmen jeden einzelnen Bildausschnitt genauestens unter die Lupe.

Bis auf die junge Frau hinter dem Tresen hatte niemand mit den beiden gesprochen, und es gab nicht die leiseste Andeutung einer Auseinandersetzung.

Ich rief Clapper an und sagte ihm, was wir bis jetzt hatten. Er bat mich, ihm die Personalliste mit den Kontaktdaten zu schicken, und sagte, er wolle seinen Kontaktmann beim FBI informieren.

»Die werden das Chuck’s auseinandernehmen«, sagte er.

6 Der Tag ging langsam zu Ende. Wir waren bei den Körperbomben keinen Schritt weitergekommen, und ich hatte Hunger. Gerade als ich in meine Jacke schlüpfen wollte, tauchte Brady vor uns auf.

»Ich habe einen Anruf vom FBI bekommen«, sagte er.

»Was Neues über die Körperbomben?«, wollte ich wissen.

»Seht euch einfach die E-Mail an, die ich euch geschickt habe.«

Conklin und ich taten wie geheißen und bekamen die grobkörnige Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Frau zu sehen, die irgendwo auf einer Dorfstraße aus einem Postamt kam. Sie kam mir irgendwie bekannt vor, ich wusste nur nicht genau, woher. Conklin hingegen schien zur Salzsäule erstarrt zu sein. Er wirkte vollkommen erschüttert.

Brady sagte: »Das ist unsere alte Freundin Mackie Morales, irgendwo in einem verschnarchten Städtchen in Wisconsin.«

Jetzt erkannte ich sie auch. Sie hatte sich die langen Locken abgeschnitten, die ihre natürliche Schönheit immer besonders gut zur Geltung gebracht hatten. Jetzt trug sie sehr kurze Haare und dazu eine Leinenjacke, die ihr bis weit über die Hüften reichte. Mackie war schlank und ziemlich knochig. Mit der entsprechenden Kleidung konnte sie daher problemlos als Mann durchgehen.

Die Erkenntnis rief mir etliche Bilder und eiskalte Erinnerungen ins Bewusstsein. Sie drehten sich um Randy Fish, einen grausamen Serienkiller, der mich zur Zielscheibe seiner Besessenheit auserkoren hatte. Eigentlich hätte er jetzt gerade in der Todeszelle schmoren müssen, aber stattdessen saß er seine achtmal lebenslänglich in einer besonders knusprigen Ecke der Hölle ab.

Und diese Frau, Mackenzie alias Mackie Morales, war Fishs Herzblatt gewesen. Sie war Mitte zwanzig und hatte den Sommer über bei uns in der Mordkommission ein Praktikum absolviert, im Zusammenhang mit ihrer angeblichen Doktorarbeit in Psychologie. Dabei hatte sie sich einen Weg in Conklins Herz gebahnt und die Informationen, die sie im Lauf des Praktikums gesammelt hatte, genutzt, um mehrere Morde zu begehen.

Sie hatte vorgehabt, uns auf eine falsche Fährte zu locken, bei ihrem Geliebten Eindruck zu schinden und ihn zu befreien.

Doch ihr Plan war nach hinten losgegangen.

Eigentlich hätte auch sie jetzt in der Todeszelle schmoren müssen, aber sie war aus dem Krankenhaus entwischt und seither spurlos verschwunden – bis jetzt.

Ich sah Conklin an, der das Foto von Morales regungslos anstarrte. Ich wusste, dass er sich immer noch schämte, weil diese kriminelle Irre ihn übertölpelt hatte. Aber mich hatte sie ja genauso übertölpelt.

Ich musste an die drei Monate denken, die Morales hier mitgearbeitet hatte – eine geschickte und nur schwer fassbare Mörderin, die sich sehr überzeugend als unsere fröhliche Sommer-Bürokraft präsentiert hatte. Niemand von uns war sicher, solange Morales frei herumlief.

»Ist sie in Gewahrsam?«, wandte Conklin sich an Brady.

»Ich fürchte, nein. Die Aufnahme stammt aus einer Überwachungskamera gegenüber dem Postamt in Two Rivers, Wisconsin. Das ist eine halbe Stunde von Cleveland entfernt. Ein Kunde des Postamts hat Morales auf dem Fahndungsplakat erkannt, aber danach hat es trotzdem noch etliche Tage gedauert, bis das Video schließlich beim FBI gelandet ist. – Mittlerweile kann sie überall sein«, meinte Brady. »Also haltet die Augen offen. Und viel Spaß heute Abend, Boxer. Gebt gut auf meine Süße acht.«

7 Claire hatte Yukis Verlobungsparty in Windeseile organisiert. Die Gästeliste war zu einhundert Prozent weiblich. Anstatt uns in Susie’s Café, unserer Stammkneipe, zu treffen, gingen wir ins Rickhouse, ein Bar-Restaurant im Bankenviertel mit exquisiten Cocktails sowie einer ausgesprochen gemütlichen Atmosphäre, die der Backsteinarchitektur und den Bourbon-Fassdauben an den Wänden zu verdanken war.

Ich war zu spät dran, aber mit ein klein wenig Unterstützung durch den Oberkellner entdeckte ich Claire, Yuki und Cindy auf der Galerie über der Bar.

Yuki war in Bürokleidung erschienen und sah fantastisch aus: ein Klassiker von I. Magnin aus den Sechzigerjahren, schwarzes Seidenchiffon mit Strassbesatz, und dazu die offenen silbernen Pumps, für die sie sonst nie die passende Gelegenheit hatte.

Außerdem prangte am Ringfinger ihrer linken Hand der Diamantring ihrer Mutter, ein vierkarätiger Solitär, groß wie eine Silberzwiebel. Das Ding brachte unseren kleinen Tisch beinahe von alleine zum Leuchten.

Claire stand auf, sodass ich neben Yuki schlüpfen konnte, und sagte: »Wir trinken gerade was, das heißt ›Corpse Reviver Number Five‹. Ich finde, das sollten wir zu unserem Standard-Drink machen.«

»Was ist denn da drin, wenn ich fragen darf?«

Cindy meinte: »Genau das Gegenteil von Balsamierflüssigkeit«, und hob ihr Glas, um mir den sonnig wirkenden Inhalt zu zeigen. Cindy ist genauso blond wie ich, aber im Gegensatz zu mir hat sie Korkenzieherlocken und niedliche, leicht vorstehende Schneidezähne. Und Kleidergröße sechsunddreißig.

»Die Hauptzutat ist Tequila«, fuhr Cindy fort. »Wir rechnen jeden Moment damit, dass Yuki umkippt. Brady wartet bloß auf unseren Anruf, damit er sie abholen kann.«

Yuki grinste. »Vielen Dank für euer Vertrauen.«

»Gern geschehen«, erwiderten wir anderen einstimmig. Es war kein Geheimnis, dass Yuki nur wenig vertragen konnte und eine Schwäche für Margaritas hatte, und dieser Totenauferwecker war geschmacklich nicht weit von ihrem Lieblingscocktail entfernt.

Ich bestellte mir das Gleiche wie die anderen, und als mein Drink serviert wurde, prosteten wir der zukünftigen Braut der Reihe nach zu. Wir hatten ihr im Lauf der Jahre wegen ihres chaotischen Beziehungslebens oft genug ins Gewissen geredet. Einer ihrer Ehemaligen hatte sogar versucht, sie umzubringen.

»Auf Yuki, und danke, dass die Zeit der hoffnungslosen Versager endlich vorbei ist.«

»Darauf trinke ich«, sagte sie.

»Auf dich und Brady«, sagte Cindy. »Das perfekte Paar.«

»Darauf trinke ich auch«, erwiderte Yuki bereits ein wenig schleppend. Dann schlürfte sie das Glas bis auf den letzten Rest leer.

Claire sagte: »Also Schätzchen, auf den besten Sex, die besten Freundinnen und das beste Leben hier auf Erden.«

»Hört, hört«, sagte ich.

Wir stießen mit unseren nach Zitrone und Ananas schmeckenden Tequila-Cocktails an. Yuki stellte ihr leeres Glas auf den Tisch und senkte den Kopf. Ich sah, wie sich auf ihren Wimpern ein paar Tränen sammelten, und legte ihr den Arm um die Schulter.

»Na, na, nicht weinen. Was ist denn los, um alles in der Welt?«

»Das sind Glückstränen«, erwiderte sie. »Weil ich euch drei so schrecklich lieb habe. Und weil ich meine verrückte Mom vermisse.«

»Es hätte sie so glücklich gemacht«, sagte Claire. »Dass du diesen starken, tapferen blonden Mann heiratest.«

Yuki lächelte, legte den Kopf schief und sagte mit der Stimme ihrer Mutter: »Yuki-eh, sei gut Frau. Koche, was er mage. Sage imma ja. Sitze gerade.«

Wir lachten aus voller Kehle. Dann stellte ich Yuki ungefähr hundert Fragen, die sie ohne das geringste Zögern beantwortete – wie sie sich die Hochzeit und die Flitterwochen vorstellte und dass Brady zu ihr ziehen würde, in die ehemalige Wohnung ihrer Mutter, und zwar, sobald sie von der Kreuzfahrt zurück seien.

Claire bestellte die Rechnung, und Cindy beugte sich zu mir. »Ich glaub, ich kann nich’ mehr fahr’n.«

»Dann übernehme ich das«, erwiderte ich.

Sobald Cindy sich auf dem Beifahrersitz angeschnallt hatte, ließ ich die Fenster herunter und gab meinem treuen Explorer die Sporen. Während der Fahrt erzählte ich ihr von den Körperbomben – inoffiziell. Und als ich damit fertig war, berichtete ich ihr, dass Mackie Morales in Wisconsin aufgetaucht war.

Cindy seufzte. »War ja klar, dass das irgendwann passieren würde. Aber ich habe trotzdem gedacht, dass sie vielleicht über die Grenze gegangen ist, damit das FBI sie aus dem Blick verliert.«

Ich wusste, dass Cindy an Mackie und Richie dachte.