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Projektarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Arbeitsrecht, Note: 1,2, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart, früher: Berufsakademie Stuttgart, Sprache: Deutsch, Abstract: In den letzten Jahren ist in der Öffentlichkeit eine Debatte über fristlose Kündigungen bei Bagatelldelikten entbrannt. In den Medien häufen sich die Fälle, in denen Arbeitnehmer wegen des Diebstahls geringwertiger Güter entlassen werden. Diese und ähnliche Entscheidungen widersprechen dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger. Schwere sozialrechtlichen Folgen stehen dem geringen finanziellen Schaden gegenüber. Obwohl die Öffentlichkeit mit Unverständnis reagiert , führt das BAG eine strenge Linie, wenn es um Vermögensdelikte zu Lasten des Arbeitgebers geht. Es hat den Eindruck, dass zwei Welten, „die juristische Fachwelt“ und die Welt „der empörten Laien“, aufeinanderprallen. Während den Juristen der Vorwurf gemacht wird, es fehle ihnen an menschlicher Urteilskraft, wird den „Laien“ vorgeworfen, sie sollen die Urteilsgründe genauer lesen. Es stellt sich daher die Frage, welche Urteilsgründe die arbeitsgerichtliche „Höchststrafe“ rechtfertigen und seit wann diese Prinzipien angewendet werden. Außerdem ist zu erläutern, welche außerordentlichen Kündigungsgründe darüber hinaus im Arbeitsrecht gelten und ab wann ein Arbeitgeber auf eine Abmahnung verzichten kann. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Diebstahl von Gütern unter 50 Euro im Strafrecht meist ohne Konsequenzen bleibt, während die gleiche Tat einem Arbeitnehmer seine existenzielle Grundlage entzieht, stellt sich folgende Frage: Sollen Vermögensdelikte bis zu einem bestimmten Wert zu keiner Kündigung führen? Diese und weitere Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden. Die Aufzählung außerordentlicher Kündigungsgründe erfolgt auf Grund des begrenzten Umfangs der Arbeit nicht abschließend. Es soll lediglich ein Überblick über außerordentliche Kündigungsgründe gegeben werden, um die Tendenz und Grundsätze der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung herauszuarbeiten. Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungspraktiken zu Bagatellkündigungen sollen vor allem kritisch betrachtet werden, sodass Widersprüche in der Rechtsprechung aufgedeckt werden. Der öffentliche Aufschrei ist ein Warnzeichen, dass es momentan an der Akzeptanz der Arbeitsgerichtsbarkeit in der Gesellschaft fehlt . Es besteht daher das Bedürfnis die Frage zu klären, ob der rechtssuchenden Öffentlichkeit nur die Grundsätze der Arbeitsgerichtsbarkeit besser vermittelt werden müssen oder ob ein konkreter Änderungsbedarf besteht.
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Studienbereich: Wirtschaft
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Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz AE Arbeitsrechtliche Entscheidungen (Zeitschrift) AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
AiB Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Anm. Anmerkung AP Arbeitsrechtliche Praxis (Zeitschrift) ArbG Arbeitsgericht ArbR Arbeitsrecht (Zeitschrift) Art. Artikel AuA Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) AuR Arbeit und Recht (Zeitschrift) BAG Bundesarbeitsgericht BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) BDG Bundesdisziplinargesetz
BeckRs Beck-Rechtsprechung (Zeitschrift) BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts DB Der Betrieb (Zeitschrift) dbr Der Betriebsrat (Zeitschrift) DM Deutsche Mark DÖV Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) EUR Euro EzA-SD Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht. Schnelldienst FA Fachanwalt Arbeitsrecht (Zeitschrift) g Gramm
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gem. gemäß GG Grundgesetz
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung HGB Handelsgesetzbuch
JR Juristische Rundschau (Zeitschrift) jurisPR juris Praxis Report k.A. keine Angabe KSchG Kündigungsschutzgesetz
LAG Landesarbeitsgericht LAGE Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nr. Nummer NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Zeitschrift) NZA-RR Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) öAT Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht (Zeitschrift) OLG Oberlandesgericht RdA Recht der Arbeit (Zeitschrift) RGBl. Reichsgesetzblatt Rn Randnummer RzK Rechtsprechung zum Kündigungsrecht (Zeitschrift) S. Seite/n sog. sogenannte StGB Strafgesetzbuch
VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift)
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Einleitung
In den letzten Jahren ist in der Öffentlichkeit eine Debatte über fristlose Kündigungen bei Bagatelldelikten entbrannt. In den Medien häufen sich die Fälle, in denen Arbeitnehmer wegen des Diebstahls geringwertiger Güter entlassen werden.1Besonders der Fall der Kassiererin Barbara E. („Fall Emmely“) sorgte für Unruhe und Empörung in der Öffentlichkeit, als der Verdacht der Unterschlagung zweier Pfandbons, im Wert von 1,30 Euro, zu einer fristlosen Kündigung führte. Diese und ähnliche Entscheidungen widersprechen dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger. Arbeitnehmer werden wegen scheinbar unbedeutenden Anlässen, wie der Mitnahme von sechs Maultaschen oder dem Aufladen eines Handy-Akkus trotz langjähriger Betriebszugehörigkeit entlassen. Schwere sozialrechtlichen Folgen stehen dem geringen finanziellen Schaden gegenüber. Häufig wird in diesen Entlassungen ein Vorwand des Arbeitgebers gesehen, um unliebsame Mitarbeiter loszuwerden. Es wird kritisiert, dass soziale Verantwortung und Menschlichkeit unberücksichtigt bleiben.2Die Entscheidung zum „Fall Emmely“ bezeichnete der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sogar als „ein barbarisches Urteil von asozialer Qualität.“3
Obwohl die Öffentlichkeit mit Unverständnis reagiert4, führt das BAG eine strenge Linie, wenn es um Vermögensdelikte zu Lasten des Arbeitgebers geht. Es hat den Eindruck, dass zwei Welten, „die juristische Fachwelt“ und die Welt „der empörten Laien“, aufein-anderprallen. Während den Juristen der Vorwurf gemacht wird, es fehle ihnen an menschlicher Urteilskraft, wird den „Laien“ vorgeworfen, sie sollen die Urteilsgründe genauer lesen.5Es stellt sich daher die Frage, welche Urteilsgründe die arbeitsgerichtliche „Höchststrafe“ rechtfertigen und seit wann diese Prinzipien angewendet werden. Außerdem ist zu erläutern, welche außerordentlichen Kündigungsgründe darüber hinaus im Arbeitsrecht gelten und ab wann ein Arbeitgeber auf eine Abmahnung verzichten kann. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Diebstahl von Gütern unter 50 Euro im Strafrecht meist ohne Konsequenzen bleibt, während die gleiche Tat einem Arbeitnehmer seine existenzielle Grundlage entzieht, stellt sich folgende Frage: Sollen Vermögensdelikte bis zu einem bestimmten Wert zu keiner Kündigung führen? Diese und weitere Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden. Die Aufzählung außerordentlicher Kündigungsgründe erfolgt auf Grund des begrenzten Umfangs der
1Vgl. Langen, M. (2010), S. 20.
2Vgl. Schrep, B. (2009), S. 46.
3Langen, M. (2010), S. 20.
4Vgl. Schlachter, M. (2005), S. 433.
5Vgl. Hüpers, B. (2010), S. 52.
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Arbeit nicht abschließend. Es soll lediglich ein Überblick über außerordentliche Kündigungsgründe gegeben werden, um die Tendenz und Grundsätze der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung herauszuarbeiten. Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungspraktiken zu Bagatellkündigungen sollen vor allem kritisch betrachtet werden, sodass Widersprüche in der Rechtsprechung aufgedeckt werden. Der öffentliche Aufschrei ist ein Warnzeichen, dass es momentan an der Akzeptanz der Arbeitsgerichtsbarkeit in der Gesellschaft fehlt6. Es besteht daher das Bedürfnis die Frage zu klären, ob der rechtssuchenden Öffentlichkeit nur die Grundsätze der Arbeitsgerichtsbarkeit besser vermittelt werden müssen oder ob ein konkreter Änderungsbedarf besteht.
6Vgl. Fischer, U. (2009), Anm. 1.