Die Eroberung des Normannen - Lisa McAbbey - E-Book
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Die Eroberung des Normannen E-Book

Lisa McAbbey

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Beschreibung

Im Jahr 1092 erobert der normannische König William Rufus das unter schottischer Herrschaft stehende Cumbria. Er vertreibt den einheimischen Fürsten und setzt seinen getreuen Gefolgsmann Tancreid de Grande-Île, einen harten und vom Schicksal gezeichneten Mann, als Sheriff ein. Sein Auftrag ist es, Cumbria als Bollwerk gegen Schottland zu befestigen und die barbarischen Einwohner zu folgsamen Untertanen zu machen. Doch es gibt Widerstand: Eine Gruppe Rebellen hat sich geschworen, die verhassten Normannen aus dem Land zu vertreiben. Cwenburh mac Dolfinn, die jüngste Tochter des vertriebenen Fürsten, schließt sich den Rebellen an und verdingt sich als Schreiberin des neuen Sheriffs, um auf diese Weise an vertrauliche Informationen zu gelangen. Obwohl sich Tancreid und Cwenburh als Feinde gegenüberstehen, besteht zwischen ihnen eine große Anziehungskraft, die sie bald nicht mehr leugnen können. Doch keiner ist bereit, seine Ideale zu opfern und jeder kämpft für seine Seite ...

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Seitenzahl: 578

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Inhalt

CoverÜber das BuchÜber die AutorinTitelImpressumMottoMittsommermonat, Mitte JuniFesttag Saint Vandregisil de Fontenelle, Mitte JuliZwei Wochen nach Lughnasadh, Mitte AugustFesttag Saint Omer, Anfang SeptemberFesttag Saint Ninian, Mitte SeptemberFesttag Saint Firmin d’Amiens, Ende SeptemberFesttag Saint Cyprien d’Antioche, Ende SeptemberFesttag Saint Leodegar, Anfang OktoberFesttag Saint Colman mac Cathbaid, Mitte OktoberFesttag Saint Hilda of Streaneshalch, Mitte NovemberFesttag Saint Deiniol the Younger, Ende NovemberFesttag Saint Remigius de Rouen, Mitte JanuarFesttag Saint Marnoc of Annandale, Anfang MärzFesttag L’Annonciation à la Vierge Marie, Ende MärzFesttag des Einsiedlers Saint Cynwl of Wales, Vorabend von Beltane, Ende AprilFesttag Saint Bréanainn of Clonfert, Mitte MaiMitte bis Ende JuniFesttag Saint Wandrille de Fontenelle, Ende JuliFesttag Saint Taurin d’Évreux, Mitte AugustFesttag Saint Aichard de Jumièges, Mitte SeptemberFesttag Saint Justus of Beauvais, Mitte OktoberFesttag Saint Mellon de Rouen, Ende OktoberFesttag Saint Brice de Tours, Mitte NovemberFesttag Sankt Nikolaus von Myra, 6. DezemberFesttag Saint Buithe of Monasterboice, 7. DezemberWintersonnenwende, 21. DezemberFesttag Saint Hunger, Ende DezemberFesttag Saint Aelfheah of Canterbury, Ende DezemberNachwort

Über das Buch

Im Jahr 1092 erobert der normannische König William Rufus das unter schottischer Herrschaft stehende Cumbria. Er vertreibt den einheimischen Fürsten und setzt seinen getreuen Gefolgsmann Tancreid de Grande-Île, einen harten und vom Schicksal gezeichneten Mann, als Sheriff ein. Sein Auftrag ist es, Cumbria als Bollwerk gegen Schottland zu befestigen und die barbarischen Einwohner zu folgsamen Untertanen zu machen.

Doch es gibt Widerstand: Eine Gruppe Rebellen hat sich geschworen, die verhassten Normannen aus dem Land zu vertreiben. Cwenburh inghean Dolfinn, die jüngste Tochter des vertriebenen Fürsten, schließt sich den Rebellen an und verdingt sich als Schreiberin des neuen Sheriffs, um auf diese Weise an vertrauliche Informationen zu gelangen. Obwohl sich Tancreid und Cwenburh als Feinde gegenüberstehen, besteht zwischen ihnen eine große Anziehungskraft, die sie bald nicht mehr leugnen können. Doch keiner ist bereit, seine Ideale zu opfern und jeder kämpft für seine Seite …

Über die Autorin

Lisa McAbbey, geboren 1970 in Wien, hat Rechtswissenschaften studiert und – vor ihrem Sprung ins Berufsleben – einen sechsmonatigen Aufenthalt in London eingeschoben, um ihre Sehnsucht nach der »Insel« ausgiebig zu stillen. Seitdem ist sie zu einem eingeschworenen Großbritannien-Fan geworden. Sie ist für einen internationalen Konzern tätig, ihre Freizeit verbringt sie mit Schreiben und dem Versuch, ihrem Labradormischling Manieren beizubringen.

LISA MCABBEY

Historischer Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Digitale Originalausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Beke Ritgen, Bonn

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Kirstin OsenauUnter Verwendung von Motiven von© istockphoto/Ivan Bliznetsov und © shutterstock:Petrov Stanislav|Nezabudkina|Dave Head|Yulia_Bogomolova

Datenkonvertierung E-Book:

hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-1702-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

A.D. 1092

In this year the king William with a large army went north to Carlisle, and restored the town, and reared the castle, and drove out Dolphin that before governed the land, and set his own men in the castle, and then returned hither southward. And a vast number of rustic people with wives and with cattle he sent thither, to dwell there in order to till the land.

The Anglo-Saxon Chronicle

[In diesem Jahr zog König William mit einer großen Armee nordwärts nach Carlisle, eroberte die Stadt, errichtete eine Burg, vertrieb Dolphin, der bisher das Land regiert hatte, und stationierte seine eigenen Männer in der Burg. Dann kehrte er in den Süden zurück und schickte Bauernvolk mit ihren Frauen und ihrem Vieh, damit sie fortan dort lebten und das Land bestellten.

Angelsächsische Chroniken im Jahre des Herrn 1092]

Inglewood Forest, Cumbria

Anno Domini 1092 Mittsommermonat, Mitte Juni

Cwen ließ sich rücklings auf dem Wasser treiben; ihr Blick folgte den bauschigen, weißen Wolken, die auf dem leuchtend blauen Himmel gemächlich dahinsegelten. Bunt schillernde Libellen schwirrten über dem stillen Waldsee, und hoch oben zog ein Raubvogel seine Kreise. Cwen schloss die Augen und genoss die wärmenden Strahlen der Sonne auf ihrem Gesicht. Sie liebte es, gleichsam federleicht vom Wasser getragen zu werden, geborgen im Schoß von Mutter Natur, die sie sanft auf den Wellen wiegte. Sie streckte die Arme weit von sich und wackelte zufrieden mit den Zehen. Was für ein herrlicher Sommertag!

Als der Wind das leise Schnauben ihrer Schimmelstute vom Ufer herübertrug, seufzte sie. Aber Epona hatte recht, sie zu ermahnen – die alte Ymma wartete sicherlich schon auf sie.

Am frühen Morgen bereits war Cwen aufgebrochen, um im Wald Kräuter zu sammeln. Zwei prall gefüllte Säcke, die links und rechts an Eponas Sattel baumelten, zeugten von ihrem Fleiß. Cwen hatte den ganzen Morgen und den halben Nachmittag damit verbracht, verschiedenste Heilpflanzen zu ernten. Es war wichtig, dass man sie zum richtigen Zeitpunkt schnitt. Als sie dann am Ufer des versteckten Waldsees mehrere Büschel Sumpfklee entdeckt hatte, hatte sie der Verlockung des kühlen Nass nicht widerstehen können. Es war der erste heiße Tag dieses Sommers. Cwen hatte ihren grob gewebten Kittel abgestreift und war – nur mit ihrem langen Leinenhemd bekleidet – ins Wasser gewatet, um ein paar Runden zu schwimmen und sich dann auf dem Rücken gemütlich dahintreiben zu lassen.

Eponas unruhiges Wiehern aber riss Cwen nun aus ihren Gedanken und ließ sie aufsehen. Die Stute fraß nicht mehr wie eben noch von den saftigen Gräsern am Weiherrand. Etwas am gegenüberliegenden Ufer hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Cwen wandte ihren Kopf dorthin – und erstarrte vor Schreck.

Über ihr, hoch oben auf den Felsen, die den See an dieser Stelle begrenzten, war ein Reiter aufgetaucht, ein Hüne von einem Mann. Sein Pferd war nicht weniger gewaltig, mit mächtigem Körper und langen, kräftigen Beinen. Das schwarze Fell glänzte schweißnass in der Sonne. Still und reglos standen Reiter und Ross, und Cwen hätte sie für eine Statue aus Stein halten können, hätte nicht die laue Sommerbrise mit Mähne und Schweif des Rappen gespielt.

Der Mann trug ein eisernes Kettenhemd, das weit über seine Knie reichte, darunter waren lederne Gamaschen an Armen und Beinen sichtbar. Er war bis an die Zähne bewaffnet: Auf seinen Rücken war ein langes Schwert geschnallt, am Sattel waren zudem Keulen, eine Streitaxt sowie ein Speer befestigt. Seine linke Seite wurde beinahe vollständig von einem großen, nach unten spitz zulaufenden Schild bedeckt, auf dem ein Furcht einflößender, schwarzer Wolf mit weit aufgerissenem Maul und langen, spitzen Fängen abgebildet war. Den Kopf des Reiters schützte ein konischer Eisenhelm mit breitem Nasenstück, und die untere Gesichtshälfte war von einem Lederschutz bedeckt, sodass nur die Augen sichtbar waren.

Dunkle, unheilvolle Augen, deren lodernder Blick, wie Cwen schien, starr auf sie gerichtet war, auf ihre Gestalt, die sich ihm – nur in das nasse Leinenhemd gehüllt – so gut wie nackt darbot. Es war, als könnte sie die ruchlosen Gedanken hinter diesen seelenlosen Raubtieraugen erahnen.

Voller Entsetzen beobachtete sie, wie der Hüne den Entschluss fasste, seine schändliche Absicht in die Tat umzusetzen. Seine Schenkel pressten in die Seiten des riesigen Hengstes, der sich auf seinen Hinterbeinen zu einer gewaltigen Höhe aufrichtete. Dabei wich der Blick des eisernen Kriegers niemals von ihr, als wolle er seiner Beute bekunden, dass es kein Entkommen gebe. Er riss das Ross herum und trieb es auf dem schmalen Pfad, der oben entlang der Felsen verlief, in Richtung des Uferabschnitts, wo sich Epona befand. Die Stute war Cwens einzige Chance zu entkommen.

Befreit vom Bann dieser unheimlichen Augen konnte Cwen endlich die Angststarre abschütteln, die sich wie eine eiserne Klammer um sie gelegt hatte. Mit einer raschen Bewegung rollte sie sich auf den Bauch und schwamm mit kräftigen Zügen, so schnell sie konnte.

Obwohl der Waldsee an dieser Stelle schmal war, war sie sicher, dass sie es schaffen könnte. Der Hüne musste beinahe das gesamte Gewässer entlangreiten, um zu jenem ebenen, grasbewachsenen Flecken zu gelangen, an dem sie Rast gemacht hatte. Ein schnelles Pferd – und die langen Beine des Rappen verhießen Schnelligkeit – würde die Distanz dennoch binnen kurzer Zeit zurückgelegt haben. Sie musste sich beeilen!

Cwen schwamm, bis das Wasser zu flach dafür wurde, und stürmte dann keuchend hinaus ans Ufer. Sie verfluchte das lange Leinenhemd, das sich um ihre Beine schlang und ihre Flucht behinderte, und raffte es hoch bis über die Knie. Sie wagte nicht, sich umzudrehen und den Fortschritt des Reiters entlang des Uferwegs zu verfolgen, denn dadurch verlöre sie kostbare Zeit. Das klirrende Geräusch der beschlagenen Hufe war bereits verstummt, der Mann hatte also schon das obere Ende des Sees erreicht, wo der felsige Steig in den weichen Waldboden überging. Er würde jeden Moment auf die Lichtung preschen.

Sie ließ ihren Kittel und ihre Stiefel unbeachtet liegen, und auch die Tasche mit den zuletzt geschnittenen Sumpfkleebüscheln, und hastete barfuß auf Epona zu, riss die Zügel von dem Haselnussstrauch, an dem sie sie festgebunden hatte, und schwang sich in den Sattel. »Los, Mädchen, spute Dich! Dort hinein! Schnell, schnell!«

Damit trieb sie die Stute in das Dickicht des Waldes, in den höchst willkommenen Schutz aus Bäumen und Unterholz, auf versteckte Pfade, die nur wenige kannten. Sie betete zur Göttin des Waldes, ihr geneigt zu sein und sie mit ihrem dichten Blättermantel vor den erbarmungslosen Augen ihres Häschers zu verbergen.

Keinen Moment zu früh! Denn schon vernahm sie das Donnern der Hufe, hörte den Rappen auf der Lichtung zum Stehen kommen und dann undeutliche Flüche in einer fremden Sprache. Sie beugte sich über Eponas Hals und wisperte der Stute ins Ohr: »Leise nun, Mädchen! Weiter, weiter!« Sie neigte den Kopf zur Seite und lauschte, aber es waren keine Geräusche zu hören, die auf eine Verfolgung schließen ließen. Kein Knacken brechender Äste, kein Rascheln von Laub an zurückschnellenden Zweigen. Sie atmete erleichtert auf; ihr rasender Herzschlag beruhigte sich ein wenig.

Cwen folgte dem verborgenen Pfad, der sich tiefer und tiefer in den Wald hinein wand – fort von ihrem eigentlichen Ziel, Ymmas Hütte. Doch Cwen wollte kein Risiko eingehen. Sie würde eine Zeit lang bei der alten Bärenhöhle warten und dann bei Einbruch der Dunkelheit vorsichtig den Heimweg antreten. Nur nicht Gefahr laufen, dem gepanzerten Krieger nochmals zu begegnen! Ein eisiger Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie war einem furchtbaren Schicksal um Haaresbreite entronnen. Leise murmelnd richtete sie ein kurzes Dankgebet an die Jungfrau Maria und trieb Epona weiter voran.

Der Mond war bereits aufgegangen, als Cwen müde und erschöpft an Ymmas Hütte klopfte. Die alte Frau hatte sich wohl noch nicht schlafen gelegt, denn die verwitterte Türe wurde sogleich aufgerissen. Lichtblaue Augen, die Cwen stets von unendlicher Tiefe erschienen, musterten sie erleichtert.

»Da bist du ja endlich, Cwen! Bei den Göttern, wo hast du so lange gesteckt, Mädchen? Ich habe mir schon schreckliche Sorgen gemacht!«

Cwen zuckte mit den Schultern und brachte ein schiefes Lächeln zustande. Sie bemerkte, wie Ymmas Blick über ihr inzwischen zerrissenes Leinenhemd streifte, ihre bloßen, schlammverschmierten Füße, die unzähligen wilden Haarsträhnen, die sich aus ihrem geflochtenen Zopf gelöst hatten.

»Ach, meine Kleine, was hast du wieder angestellt?« Sie zog Cwen an sich und umarmte sie, genauso wie eine liebevolle Mutter ihr verloren geglaubtes Kind. Und Cwen spürte, wie die Anspannung, die sich ihrer seit dem unheilvollen Erlebnis am Waldsee bemächtigt hatte, endgültig von ihr abfiel. Tränen, die sie nicht mehr zurückhalten konnte, schossen ihr in die Augen.

»Schon gut, mein Mädchen!«, murmelte die weise Frau und tätschelte Cwens Rücken. »Schon gut! Du bist nun in Sicherheit.«

Cwen nickte und klammerte sich an den knochigen, mageren Körper der Alten in dem verzweifelten Versuch, Halt und Geborgenheit zu finden.

»Sch, sch, sch! Was immer es war, es ist vorüber«, tröstete die Alte.

Ein heftiger Schauder schüttelte Cwens schmale Gestalt und ließ sie aufschluchzen. Sie wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort über ihre zittrigen Lippen.

»Sch, nicht sprechen. Jetzt komm erst einmal herein und beruhige dich. Und danach dann kannst du mir alles erzählen. Schön der Reihe nach.«

Nachdem Cwen ihre Stute Epona in den Verschlag gebracht und versorgt hatte, kehrte sie in die kleine, behagliche Hütte zurück, wo Ymma bereits einen Becher mit dampfendem Kräutersud für sie bereithielt, den sie dankbar entgegennahm.

»Ein stärkender Trunk aus Melisse, Herzgespann und Honig wird dir jetzt guttun, Cwen. Er vertreibt die Ängste, die in den dunklen Ecken lauern. Setz dich, und dann rede dir deinen Kummer von der Seele. Ich bin ganz Ohr.«

In der Mitte der Kate prasselte ein heimeliges Feuer, und gelbe Funken stoben durch den Rauchabzug hinaus in die schwarze Nacht. Cwen kuschelte sich auf einer niedrigen Holzbank in ein paar Schaffelle, sog den süßlichen Duft des Kräutertrunks ein und begann mit leiser Stimme zu schildern, was am Waldsee vorgefallen war.

Die weise Frau hatte es sich auf einem dreibeinigen Hocker bequem gemacht und lauschte stirnrunzelnd und ohne Cwen ein einziges Mal zu unterbrechen. Die Erinnerung an den ausgestandenen Schrecken ließ Cwen neuerlich schaudern, und die Alte erhob sich schwerfällig, um ihrem Schützling noch etwas von dem Melissentrank nachzuschenken.

»Er war solch ein gewaltiger Hüne, Ymma«, wisperte sie beklommen, »geradezu unmenschlich. Auf seinem Schild prangte ein schwarzer Wolf, bereit, über mich herzufallen. Die Waffen des Kriegers hätten ausgereicht, fünf Männer auszustatten, und er trug ein langes, eisernes Gewand. Solch eine fürchterliche Bestie habe ich niemals zuvor gesehen!«

Bei Cwens Worten erstarrte die weise Frau. »Ein eiserner Krieger, sagst du?« Ihre hellsichtigen Augen waren auf die Flammen des Feuers gerichtet, und es schien plötzlich, als würde sie in eine andere, weit entfernte Welt blicken. Ymmas Stimme verkam zu einem kaum hörbaren Flüstern, als sie erschrocken murmelte: »Bei den Göttern, die Normannen sind gekommen, um sich Cumbria zu nehmen!«

Cwen stieß entsetzt den Atem aus. »Was meinst du damit? Hast du einen Traum gehabt?«

Die weise Frau grunzte und ließ sich dann ächzend wieder auf dem Hocker nieder, nachdem sie Cwens Becher nachgefüllt hatte. »Für diese Erkenntnis mussten mir die Götter keine Träume schicken, Mädchen! Es war bloß eine Frage der Zeit, bis die Normannen hier am Solway Firth auftauchen würden, um Cumbria für sich zu beanspruchen. Ihr König ist ein Spross dessen, den sie den Eroberer nennen. Das Blut des Vaters fließt wild und ungestüm in seinen Adern.«

Ein unheilvoller Schauer lief über Cwens Rücken. Natürlich kannte sie die Geschichte des Eroberers, jedes Kind kannte sie. Es war an einem Herbsttag des Jahres 1066 gewesen, mehrere Jahre vor ihrer Geburt, als William, der Herzog der Normandie, mit einer großen Armee über das Meer übergesetzt war und in der Schlacht am Senlac Hill die Engländer besiegt hatte. Am Weihnachtstag desselben Jahres hatte er sich zum König krönen lassen – und trotz unzähliger Aufstände und Widerstandsversuche seiner neuen Untertanen hatte er sich auf dem englischen Thron behauptet. So fest saß er darauf, dass er das Königreich bei seinem Tod an seinen Sohn gleichen Namens hatte übergeben können; das war vor beinahe fünf Jahren gewesen. Seither hatte es weitere Unruhen und Umsturzversuche gegeben, aber der Sohn war offensichtlich aus demselben Holz geschnitzt wie der Vater, denn aus allen Auseinandersetzungen mit seinen Widersachern war er immer als Sieger hervorgegangen.

Seit der Schlacht am Senlac Hill hatte sich das Herrschaftsgebiet der Normannen stetig ausgedehnt: anfänglich bis nach York, später hinauf zu dem weiter nördlich gelegenen Fluss Tyne und schließlich über das gesamte Northumbria und weite Teile von Wales. Doch die schottische Grenze war immer unangetastet geblieben – und unbeansprucht. Und somit auch Cumbria.

Dolfinn mac Cospatrick, der Herrscher dieses Fürstentums und Cwens Vater, hatte Máel Coluim mac Donnchada Treue und Gefolgschaft geschworen. Durch die Heirat seiner Schwester, Cwens Tante, mit dessen Sohn Donnchad war er nicht nur mit dem schottischen König verschwägert, sondern hatte in diesem einen starken Beschützer und mächtigen Oberherrn. Und die Normannen würden es doch gewiss nicht wagen, diesen großen Herrscher herauszufordern?

»Du musst dich irren, Ymma. Vielleicht befinden sich ein paar Normannen auf dem Weg zu Máel Coluim, um mit ihm weitere Verhandlungen zu führen. Hieß es nicht, dass sich die beiden Könige bei ihrem Treffen im letzten Herbst über etliche ihrer Streitpunkte geeinigt hätten?«

»Hm, vielleicht hast du recht, Mädchen. Aber würde jemand, der in friedlicher Absicht unterwegs ist, tatsächlich mehr Waffen als für einen Mann nötig mit sich herumtragen?«

Die weise Frau gesellte sich zu Cwen und streichelte behutsam deren Kopf. »Sei es, wie es sei – wir werden die Entscheidungen der Mächtigen nicht beeinflussen können. Du hast heute jedenfalls unsagbares Glück gehabt, meine Kleine! Cerridwen hat dir ihren Schutz zuteil werden lassen.«

Cwen nickte und konnte ein weiteres Schluchzen nicht unterdrücken. Sie wusste, sie war einem schrecklichen Schicksal nur mit knapper Not entgangen: Misshandlung, Vergewaltigung, wahrscheinlich Tod. Sie schüttelte den Kopf, verärgert über sich selbst. »Ich war nicht vorsichtig genug. Mit meinen siebzehn Sommern sollte man meinen, ich wäre alt genug, solche Gefahren zu meiden!«

Ymma brummte. »Hmpf, von dem Waldsee weiß kaum eine Menschenseele. Es war schon eine unheilvolle Fügung, dass sich der eiserne Krieger dorthin verirrt hat. Zu genau demselben Zeitpunkt wie du.«

Mit kreisenden Bewegungen strich sie Cwen über den Rücken, und die lehnte sich genussvoll in die sanfte, wohltuende Berührung. Cwen zog die Knie an und legte den Kopf darauf. Gedankenverloren verfolgte sie den Tanz der rötlich-gelben Flammen in der Herdstelle. Der Kräutertrunk, das prasselnde Feuer und Ymmas Fürsorge wärmten ihre müden Glieder und halfen, ihr verängstigtes Herz zu beruhigen. Wie sehr wünschte sie sich Sicherheit und Geborgenheit für sich selbst, ihre Familie, ihre Freunde, ihr gesamtes Volk. Doch Ymmas Mahnung, es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Normannen auch ihre Heimat überfielen, hatten über der Zukunft düstere Wolken der Furcht aufziehen lassen.

Carlisle, Cumbria

Anno Domini 1092 Festtag Saint Vandregisil de Fontenelle, Mitte Juli

Ein verdammtes Morastloch am verfluchten Ende der Welt war das hier, sonst nichts! Die verängstigten Bewohner dieses gottvergessenen Fleckens kauerten in den Eingängen ihrer windschiefen Hütten und verfolgten die Bewegungen seines Trupps mit misstrauischen und verschlagenen Blicken. Sie warteten wohl auf eine günstige Gelegenheit, sich mit ihren Sicheln und Harken auf ihn und seine Männer zu stürzen.

Und wie er diesen ständigen Regen verabscheute! Es schüttete nun schon unablässig seit mehreren Tagen, dabei sollte dies doch die wärmste Zeit des Jahres sein. Gewiss musste doch auch in dieser unwirtlichen Gegend so etwas wie Sommer einkehren!

Tancreid presste die Lippen zusammen und gab seinem schwarzen Streitross die Sporen. Das Wasser tropfte von seiner Helmkante, er spürte, wie es allmählich die dicke, gesteppte Ledertunika unter seinem Kettenhemd durchdrang. Seine Gedanken schweiften zu den sanften, grünen Hügeln seiner Heimat Calvados, zu den fruchtbaren Feldern, auf denen sich zu dieser Zeit die goldenen Ähren im Wind wiegten, zu den saftigen Wiesen, auf denen junge Fohlen ausgelassen herumtollten.

Und hier? Nichts als undurchdringliche Wälder und karge Berge, und dahinter die raue Irische See. Nichts als kalte Winde, grauer Nebel und endlos Regen. Es schien, als ob sich selbst die Sonnenstrahlen nicht in diesen trostlosen Landstrich wagten. Verdammt!

Sein letzter Fluch musste wohl von vernehmlicher Lautstärke gewesen sein, denn Urse, der neben ihm ritt, zog fragend die Augenbrauen hoch.

»Welche Laus ist Euch denn über die Leber gelaufen? Ihr schaut ja finsterer als ein Pfaffe, dem man seinen Freitagskarpfen verwehrt.«

Tancreid gab einen undefinierbaren Laut von sich. »Nichts, was die Familie Grande-Île nicht verdient hätte.« Bei der Erwähnung dieses Namens verzog er das Gesicht. »Wir dürfen wohl nichts Besseres erwarten als solch ein Schlammloch am Ende der Welt. Ich bin mir sicher, die Anzahl der Anwärter auf dieses funkelnde Juwel war überschaubar!«

Urse schnaufte entrüstet. »Jetzt seid Ihr aber undankbar! Der König belohnt Eure jahrelangen Verdienste, und Ihr schmollt wie ein Gör, das seinen Willen nicht bekommt. Ich habe Euch nicht ein Dutzend Jahre als Euer Waffenmeister überallhin begleitet, um mir nun dieses Weibergejammer anzuhören. Kommt, lasst uns zur Fürstenhalle reiten, Willelme erwartet Euch. Und danach besorgen wir uns ein paar feiste Huren, um ordentlich zu feiern!«

Tancreid warf seinem treuen Weggefährten einen vernichtenden Blick zu, der wohl einen sanftmütigeren Mann in Angst und Schrecken versetzt hätte. Dem alten Recken entlockte er damit aber nur ein Grinsen, welches die Zahnlücke entblößte, die er einem einige Jahre zurückliegenden Raufhandel mit einem volltrunkenen Schwertschmied zu verdanken hatte.

»Verdammt, Urse, jeden anderen Kerl würde ich für solche Worte an seinen Gedärmen aufhängen. Schätze dich glücklich, dass ich meinem Vater mein Ehrenwort gegeben habe, auf dein Wohlergehen zu achten und Dir kein Leid geschehen zu lassen.«

»Pah«, lachte Urse meckernd, »meiner Erinnerung nach war das genau umgekehrt! Ganz abgesehen davon, dass ich Euch an Alter wie an Weisheit weit voraus bin. Aber kommt, sputen wir uns. Dieser verfluchte Regen weicht mir ja schon die Zehennägel auf!«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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