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Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung E-Book

Lux, Joseph August

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The Project Gutenberg EBook of Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung, by Joseph August LuxThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Die moderne Wohnung und ihre AusstattungAuthor: Joseph August LuxRelease Date: October 15, 2015 [EBook #50221]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE MODERNE WOHNUNG ***Produced by The Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net (This file was produced from imagesgenerously made available by The Internet Archive)

JOSEPH AUG. LUX

DIE MODERNE WOHNUNG UND IHRE AUSSTATTUNG

MIT 173 BILDERN UND 8 FARBIGEN TAFELN NACH WERKEN UND ENTWÜRFEN VON MODERNEN ARCHITEKTEN UND IHREN SCHULEN

1905WIENER VERLAGWIEN UND LEIPZIG

DRUCK VON W. SCHLENKER, WIEN, IX., WÄHRINGERSTRASSE 26.

MEINER FRAU.

INHALT.

SeiteTradition und Moderne1„Schmücke Dein Heim“17Die Ästhetik der Miethswohnung25Wände und Decke, Vorhänge und Teppiche31Lichtkörper und Heizkörper39Vorzimmer und Dienerzimmer44Die Küche50Ästhetik des Eßtisches55Das Speisezimmer64Der Salon69Wie man Bilder hängt77Das Porträt im Wohnraum84Plastik im Zimmer94Junggesellenheim und Herrenzimmer100Das Musikzimmer112Schlafzimmer und Bad121Das Kinderzimmer136Das Spielzeug144Das Mädchenzimmer151Blumen am Fenster158Blumenkörbe163Die Offizierswohnung165Die Arbeiterwohnung169

Tradition und Moderne.

Ein verblühtes Lächeln von Liebenswürdigkeit und lebensfrohem Behagen ist an den Dingen der Biedermeierzeit abzulesen. Zu den hellgelben Kirschholzmöbeln, oder nachgedunkelten Mahagonimöbeln, zu der unerdenklichen Fülle von Formen, Schränken und Tischen aller Art, Damenschreibtischen und Nähtischen, stummen Aufwärtern und Kommoden, zu den großblumigen Möbelbezügen und den hellen Gardinen, den Blumen am Fenster und den gestickten Glockenzügen, zu all der gefühlsseligen Geburtstagslyrik, welche den Proben des häuslichen Kunstfleißes von den Schlummerkissen bis zu des Hausvaters Samtkäppchen oder Samtpantoffeln, eingewebt war, gehören die Locken an der Schläfe, unter den bebänderten Florentinerhüten hervorquellend, die weißen duftigen Tüllkleider oder schwere Seide in abgetönten sentimentalen Farben, heliotrop, dunkellila, altrosa und schwarz. Schwind’s Frauengestalten mag man sich dabei gerne vorstellen. Der spätgeborene Enkel blickt mit einer gewissen affektierten, halb spöttischen, halb gönnerhaften Überlegenheit, hinter der sich nur allzuoft eine unbefriedigte Sehnsucht verbirgt, auf jene großelterlichen Tage zurück, in denen sich das Bürgertum auf seine Art auslebte, und zu jener Einheit der Lebensäußerungen gelangte, welche die Bezeichnung Stil verdient. Eine spätere Zeit hat diesen Stil »Biedermeier« getauft. In diesem Worte verdichtet sich für uns die Vorstellung einer vollkommen durchgebildeten bodenständigen Kultur, die in ungebrochener Linie von den gewöhnlichen Tageserscheinungen bis zu den Gipfelpunkten, welche die Namen Grillparzer, Schubert, Schwind bezeichnen, emporsteigt. Und ein sonnenhaftes Lächeln umspielt heute alle Lippen, welche dieses Wort nennen. Man war nicht immer so freundlich gesinnt. Die jüngst verwichene Zeit, welche dem Kultus der historischen Stile frönte, hat in das Wort Biedermeier jenes Maß von unsäglicher Verachtung hineingelegt, welche der Kosmopolit, auch der vermeintliche, für das Spießbürgertum immer bereit hat. Das Wort war eigentlich nur gemünzt als Bettelpfennig für alles Lächerliche, Gezierte, Hausbackene, Philisterhafte, das man, wenn man durchaus will, der Schmachtlockenzeit anmerken konnte. Aber die Zeiten haben sich gründlich geändert und der Kosmopolitismus, der in allen Stilepochen lebte und einen wahren Unrat von Geschmacklosigkeit und Widersinnigkeit aufhäufte, hat einen gräßlichen Katzenjammer hinterlassen. Wir suchen heute alle volkstümlichen Kunstlelemente auf, die wurzelhaft sind, sofern sie nicht in den letzten fünfzig Jahren mit Stumpf und Stil ausgerottet wurden. Wir knüpfen dort wieder an, um uns durch ihr Vorbild zu stärken, damit auch wir zu Formen gelangen, in denen unser Volk und unsere Zeit lebt und die vom gewöhnlichsten Alltag bis zu den ergreifendsten Äußerungen festlicher Weihe nur eine ungebrochene Linie aufweist.

Panneau von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.
Möbel um 1820. Schloß Wetzdorf.
Interieur um 1800. Schloß Wetzdorf.
Schreibzimmer der Gräfin Molly Zichy-Ferraris Wien 1830 nach einem Gemälde von Albert Schindler.
Empfangszimmer in einem Wiener Bürgerhause um 1840.
Interieur um 1810 aus Schloß Wetzdorf.

Und wie es oft erging, was anfänglich Schimpfwort war, ward späterhin Ehrentitel. Biedermeiers Ehrenrettung kann nicht schlagender dokumentiert werden, als durch den liebevollen Eifer, der das alte Gerümpel vom Speicher, wohin es jahrzehntelang verbannt war, wieder herunterholt und in den schönsten Zimmern aufstellt. Das ist gewiß ein rührender, herzerfreuender Vorgang, wenn sie wirklich alter Familienbesitz, wenn sie also echt sind. Zwar werden solche Zimmer, die vollständig mit altem Hausrat angefüllt sind, den Eindruck eines Museums machen, aber ein solches Familienmuseum, mit dem sich viele freundliche Erinnerungen verknüpfen, wird immer ein besonderer Schatz sein. Weit über den persönlichen Wert hinaus, besitzen sie die Kraft eines lehrreichen Beispiels, welches für den Ausbau unserer häuslichen Kultur in großem Sinne vorbildlich ist. Sie sind die Vorläufer des modernen Möbels. Mit ihrer bezwingenden Einfachheit und Anspruchslosigkeit waren die Räume geeignet, die Geberden und Bewegungen jener gemüt- und geistvollen Menschen maßvoll aufzunehmen, die Stimme des Geistes und Herzens austönen zu lassen, ohne sie durch den Unrat der Geschmacklosigkeit, durch die Wirrnis von Schnörkel und Stilbrocken, in denen babylonisch die Sprachen aller Völker und Zeiten ertönen, zu beschämen und lächerlich zu machen. Aus allen Winkeln jener Interieurs, zwischen dem ernsten, einfachen Hausrat, hinter den weißen Gardinen und zwischen den Blumen am Fenster winkt der genius loci freundlich hervor, und es ist kein Stuhl und kein Schrank, kein Gegenstand des Gebrauches, der nicht den Geist der Vorfahren trüge, ihre Taten, ihre Ideale, das Wesen ihrer Persönlichkeit und ihr Gedächtnis überlieferte. So erscheint uns Späteren das großväterische, anspruchslose Biedermeierzimmer als das traute Heim von Menschen, denen die Heimat nicht nur ein Wort oder Begriff war, sondern der gesetzmäßige künstlerische Ausdruck der Persönlichkeit in den Gegenständen der Häuslichkeit. Die Interieurs früherer Epochen, die der Biedermeierzeit vorausgehen, besitzen keine solche Vorbildlichkeit. Auch nicht das Empire Möbel, in dem die große Historie des barocken Zeitalters ausklingt. Denn die Voraussetzungen, die jene historischen Formen geschaffen haben, sind von den heutigen grundverschieden. Hof und Kirche herrschten auch in Kunst und Kunstgewerbe. Aber es ist für die Einheit jener Kultur bezeichnend, daß die überladenen Formen, in welchen das Machtbewußtsein der weltlichen und geistlichen Herrschaft adäquaten Ausdruck fand, in einem Grade volkstümlich wurden, daß sie schließlich bis in den einfachsten Haushalt eindrangen, als Abglanz absolutistischer und sacerdotaler Herrlichkeit. Die Armut der barocken Originalschöpfungen, die nicht über die Repräsentationsräume hinausgingen und das persönliche oder private Leben in einem Zustand der grenzenlosen Verlassenheit beließen, ist noch wenig beachtet. Dem Parvenu am Ende des Jahrhunderts erging es wie den Kindern mit dem Märchenkönig: »Wie wohnten doch die Könige schön!« ruft er in den Prunksälen eines alten Barockschlosses aus, »so möchte ich es auch haben!« Und alsbald hat er eine stilgerechte Einrichtung, alles in billigster, banalster Nachahmung. Das Um und Auf der barocken Interieurs bestand aus Stühlen und Tischen, aus dem Paradebett und dem Sofa. Im Übrigen wohnten auch die Fürsten in einem denkbar schlechten Zustand und entbehrten alle Bequemlichkeit, die heutzutage jedem gewöhnlichen Sterblichen eine selbstverständliche und unentbehrliche Sache ist. Wer die prunkenden Barockpaläste durchwandert, die von den alten Adelsgeschlechtern noch bewohnt werden, findet am Ende der überladenen Prunksäle, gewöhnlich im Obergeschoß, einige einfache, mit bürgerlicher Behaglichkeit, meistens im Empire- oder Biedermeierstil eingerichtete Gemächer. Das ist die eigentliche Wohnung des Fürsten. Es liegt eine feine Ironie in dieser Erscheinung, daß der Fürst, um der niederdrückenden Wucht seiner Repräsentationspflichten zu entgehen, seine Zuflucht zur bürgerlichen Schlichtheit und Bequemlichkeit nimmt, während der Parvenu des 19. Jahrhunderts all sein Behagen hingibt für das bischen Talmiglanz einer »stilgerechten« Wohnung. In der Tat mußte der ganze Reigen historischer Stile in atemloser Hetze wiederkehren, ehe man wieder zu dem vernünftigen Standpunkte zurückfand, auf dem bereits unsere Großeltern standen. Die ganze Barocke hat nicht eine Form übriggelassen, die für die heutige Kultur brauchbar wäre. Sie bedeutet einen Abschluß. Die Revolution hat sie samt dem ganzen absolutistischen Königtum hinweggefegt. Ein strammer militärischer Zug geht durch die nächsten Jahrzehnte. Der kaiserliche Stil trägt den Bedürfnissen der Zeit Rechnung, aber Empire ist noch sehr aristokratisch. Mit dem Glanz der Napoleonzeit verschwand auch der Empire-Stil; aus dem Kosmopolitismus und seinem politischen Katzenjammer flüchtete man ins alte romantische Land, Uhland, Eichendorff, Schubert weckten die schwärmerische Liebe zur Natur, und ein Einschlag des ländlichen Elements, wohl auch schon damals der Einfluß Englands in Modedingen, führte zu den biederben, quadratischen und zylindrischen Formen des Biedermeier-Möbels, an dem Reminiszenzen aus dem Barock- und Empire-Stil als dekorative Details hängen blieben. Das Bürgertum schafft die Formen, die es braucht. Es will nicht glänzen, nicht präsentieren, sondern bequem und behaglich leben. Es erfüllt seine Forderungen mit strenger Sachlichkeit und zugleich mit einem Erfindungsreichtum, der erstaunlich ist. Unsere Möbeltypen wurden damals geschaffen. Und es bewahrt meistens eine Feinsinnigkeit, von der wir uns nicht immer einen richtigen Begriff gebildet haben. Es ist die Zeit Adalbert Stifters. Er ist der vollgiltige Repräsentant seiner Zeit. Biedermeier im besten Sinne. Er erschließt uns die Interieurs seiner Zeit, und die Interieurs seiner Traumwelt, und läßt uns alles miterleben, was wir beim Betreten eines Altwiener Raumes heute noch nachzuempfinden vermögen. Alle Räume dieser Art sind schwer zugänglicher Privatbesitz, nur mehr spärlich in Vollständigkeit erhalten, meistens als Trödelgut verschleudert, da und dort ein Stück. Die Museen die im Banne der Kunstgeschichte stehen, hielten sich zu vornehm, diese Dinge zu sammeln, und auch die Lebensart unserer Großeltern zu zeigen.

Glasfenster von Prof. Kolo Moser.
Fenster von Arch. Georg Winkler.
Tür mit Portière von Architekt Max Benirschke, Düsseldorf.

Nun wird die Frage laut, was wir mit diesen verjährten Dingen, die so freundlich zu uns sprechen, anfangen sollen. Sie nachahmen? Das hieße ein altes Laster, das wir beim Haupttor hinaustreiben, durch ein Hinterpförtchen wieder hineinlassen und den Zirkel der Stilhetze mit diesem letzten Glied schließen. Wie von allem Vergangenen, trennt uns auch vom Biedermeier eine tiefe Kluft. Dennoch sind diese Dinge wertvoll durch das Beispiel, das sie lehren. Sie lehren, wie die Menschen von damals sichs bequem und gemütlich nach ihrer Art einrichteten, und solcherart zu Ausdrucksformen gelangten, die organisch aus dem Leben und seinen Forderungen hervorgegangen waren, vielleicht hie und da ein bischen unbeholfen und schwerfällig, im ganzen aber unbekümmert, treuherzig und bieder. Sie lehren, daß wir es auch so machen müssen. Der Lebende behält Recht. Viele Dinge sind konstruktiv so vollkommen, daß man sie fast unverändert aufnehmen könnte, wenn nicht unsere Zeit doch wieder ihre eigene Art hätte, sich auszuprägen. Was uns von Biedermeier trennt, sechzig, achtzig Jahre einer technischen, sozialen, wirtschaftlichen, künstlerischen Entwicklung müssen durchgreifende Veränderung des Lebensbildes herbeiführen. Schämen wir uns der Gegenwart nicht. Während vor dem Hause das Automobil, das Fahrrad, die elektrischen Bahnen vorbeirasen, können wir im Innern des Hauses, wo wir alle technischen Vorteile auszunützen suchen, vom Telephon bis zu den elektrischen Glühkörpern, nicht den historischen Biedermeier spielen. Das hieße, da wir uns eben altdeutsch gefühlt haben, eine Rolle mit der anderen vertauschen. Wohl aber können wir Biedermeier im modernsten Sinne sein, indem wir uns treu zu dem bekennen, was unserer Zeit gemäß ist, so wie es unsere Großväter für ihre Zeit getan haben. Dann wird sich von selbst ein gewisser verwandtschaftlicher Zug mit den vergangenen Dingen der Heimat herausstellen, wie denn überhaupt alles Echte, aus wirklichem Bedürfnis Herausgeborene, trotz großer zeitlicher Trennung verwandter ist, als man denkt. Denn immer ist der Mensch das Maß der Dinge. Auch die Motive aus alter Kultur wecken in unserem modernen Gefühl ein Echo.

Pfeiler von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.
Pfeiler v. Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.

Nicht von oben her wird heute der Stil diktiert, sondern von unten her. Die heutigen Produktions-Verhältnisse, die Entwicklung der Technik, der Industrie haben die neuen sozialen Grundlagen geschaffen, aus denen die moderne Formensprache hervorgegangen ist. Welche Umwälzung hat z. B. das neue Beleuchtungswesen auf dem Gebiete der Metallindustrie hervorgerufen! Die Erfindung der Elektrizität allein hat zu Beleuchtungskörpern geführt, deren Formen aus keiner Tradition geholt werden konnten. So geht es auch mit den anderen Gebrauchsdingen. Das Auswachsen der Städte zu Weltstädten hat zu neuen, bis dahin nie gekannten Lebensformen geführt. Durch das Zusammendrängen so vieler Menschen an einem Ort und den dadurch bedingten raschen Austausch und Verbrauch der Güter, hat das Leben eine außerordentliche künstliche Steigerung erfahren und den Typus des Stadtmenschen verschärft. Aus diesen Verhältnissen ist eine spezifisch moderne Aufgabe erstanden, nämlich die: inmitten des rasselnden Getriebes der Fabriken, des Straßen- und Geschäftsverkehres den Zustand der Wohnlichkeit herzustellen, Räume zu schaffen, welche die Urbanität der Sitten und Lebensgewohnheiten verkörpern, und als friedliche Inseln inmitten des hastigen Welttreibens das Gefühl der Heimat wachhalten. In der Tat, die moderne Stadtwohnung ist unser jüngstes Problem. Früher kannte man es nicht. Denn wie wir oben gesehen haben, waren die Wohnungen der Bürger zuerst von den Ausstrahlungen des Hofes und des kirchlichen Hochgefühls bestimmt und später von den wechselnden allgemeinen Zeitideen des Kosmopolitismus, der Romantik und noch vor einem Jahrzehnt von der Renaissance-Illusion, vom Kultus der historischen Stile. Weltstädte im gegenwärtigen Sinne sind ein sehr junges Erzeugnis. Sie haben die Wohnungsfrage neu geschaffen. Der Kern dieser Frage ist Benützbarkeit, Zweckmäßigkeit, Bequemlichkeit. Dazu ist die Ausnützung aller modernen Hilfsmittel, aller technischen Errungenschaften Bedingung, die zu neuen Lösungen führt. Gerade die praktischen Forderungen des Lebens geben fruchtbare Anregungen zu neuen Schönheitsmöglichkeiten, die im Wesen der Dinge liegen. Auf diesem Wege gelangen wir zu dem lange gesuchten volkstümlichen Stil, welcher der Ausdruck unserer heutigen allgemeinen Lebensformen ist.

Portière von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.
Schablone für Wandmalerei von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.

Die Forderungen, welche die heutige Zeit an die Zweckkunst stellt, sind in allen Kulturländern dieselben. Aus den Übereinstimmungen ergibt sich der Zeitstil, dessen wesentliche Merkmale heute sind: Zurückgehen auf die konstruktiven Elemente, in denen das eherne Gesetz der Zweckmäßigkeit wirksam ist, sinnfällige Ausnützung der Materialwerte, welche hier die zusammenfassende Kraft des Eisens, dort die Weichheit der Fichte, die zähe Wucht der Eiche etc. sichtbar macht und aus ihren natürlichen Eigenschaften neue dekorative Werte zieht. Die unmittelbare Anknüpfung an die Natur, an die funktionellen Bedürfnisse und Gewohnheiten des Menschen schließt grundsätzlich die Wiederholung gebrauchter historischer Formen aus und eröffnet ungeahnte Gestaltungsmöglichkeiten, die eine lebendige organische Beziehung zu unserem Wesen unterhalten. In diesem engen Anschluß an die natürlichen Forderungen liegt also das Gemeinsame der heutigen angewandten Kunst, aber zugleich auch das Differenzierende. Die Lebenserfordernisse, soweit sie in den Gebrauchsdingen des Alltags, in den Gegenständen der Häuslichkeit zum Ausdruck kommen, sind allgemeiner Natur, wenngleich sie überall eine andere Sprache sprechen, einen anderen Dialekt. So spüren wir bald in der allgemeinen Kultur die persönliche, in den typischen Formen die Individualität, im Zeitstil den Geist der Heimat, den genius loci. In England, in Deutschland und bei uns wird nach den allgemeinen Grundsätzen gearbeitet, allerdings überall mit anderen Ergebnissen. Daran ist die Ortstümlichkeit schuld, die Heimatkultur, die als Obertöne im modernen Schaffen leise mitschwingen und die lokale Färbung erzeugen. Das wird schließlich niemand leugnen: wir alle haben von England gelernt. Das hatte England dem Kontinent voraus, es besaß von altersher eine ununterbrochene bürgerliche Tradition und die großen Neuerer in Kunst und Kunstgewerbe fanden von vorneherein einen Boden vor, auf dem ein gut Gedeihen war. Denn die altenglische Sitte, daß jeder Bürger sein Haus allein bewohnt, kommt den Absichten der modernen Kunst hilfreich entgegen. Das ererbte Gut volkstümlicher Sitten und Anschauungen einerseits, die immense Vorarbeit einzelner leuchtender Geister, vor allem Dante Rosetti, John Ruskin und William Morris, sind die Grundlagen der Künstler, die wir heute am Werke sehen.

Teppich von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.
Läufer von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.

Immer mehr richten sich die Blicke auf Wien. Dort ist ein neues Künstlergeschlecht, das zum größtenteil aus der Wagnerschule hervorgegangen ist, aufgestanden und hat mit selten gesehener Eintracht und Geschlossenheit die moderne Raumkunst geschaffen. Künstlerisch und wahlverwandtschaftlich steht es der Gruppe Mackintosh am nächsten. Es hat den Vorzug der größten Frische und Natürlichkeit. Bei aller strengen künstlerischen Konsequenz geht ein liebenswürdiger Wienerzug durch das ganze Schaffen dieser Künstler, die zur Sezession gehören oder sich zu ihren Anschauungen bekennen. Sie haben sich bereits das Ausland erobert. Heute verlangt man schon den »Wiener Stil«. Josef Olbrich hat ihm eine Insel im Ausland geschaffen. Prof. Josef Hoffmann ist sicherlich die stärkste und konsequenteste Kraft unter den Neuen. Prof. Kolo Moser schafft Werke von fast femininer Grazie. Vornehm und zweckvoll sind Leopold Bauers Schöpfungen. Was die Schulen von Prof. Hoffmann, K. Moser, A. Roller, Baron Mirbach, A. Böhm auf allen Gebieten des Kunstgewerbes und der häuslichen Kunst leisten, wird bahnbrechend wirken. Zahlreiche Schüler sind erfolgreich im Auslande tätig. Unter diesen verdient Max Benirschke in Düsseldorf besondere Erwähnung. Die Architekten und Kleinkunst gehen hier Hand in Hand und erreichen solcherart die bewundernswerte Einheit eines Stils, der unmittelbar aus dem Leben quillt und für das Leben schafft. Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung wird solcherart, ob sie nun einfachen oder leichten Verhältnissen entspricht, den Stempel einer vornehmen Kultur tragen, die Wesenszüge einer geschmackvollen, gebildeten, modernen Persönlichkeit.

Diverse Läufer aus Bast von Architekt Hans Vollmer, ausgef. Prag-Rudniker Korbwarenfabrikation.
Läufer aus Bast. Prag-Rudniker Korbwarenfabrikation.

Schmücke dein Heim!

Wohnräume spiegeln immer den Geist ihrer Bewohner. Gleichviel, ob sie mit reichen oder geringen Mitteln ausgestattet sind. So werden sie zu Verrätern, und der überflüssige Aufwand, der sogenannte Luxus, der vielfach für Geschmack genommen wird, offenbart nur zu oft, was er eben zu verhüllen strebt: die Geschmacklosigkeit. Das ist eine kapriziöse Geschichte: Geschmack ist nicht immer für Geld zu haben. Auch nicht für viel Geld. Die ärmste Hütte kann reicher sein als der prunkende Palast. Denn Seelenadel kann auch unter dem fadenscheinigen Kleid und unter dem rauhen Bauernkittel wohnen. Sicherlich wird er auf die Umgebung ausstrahlen, auf die nächste häusliche Umgebung, und dort im Stillen wirken. Ganz unauffällig, groben Sinnen nicht wahrnehmbar. Das »Seelische« ist es, was an den Wohnräumen interessiert, das, was menschlich an ihnen ist. Nicht wie sie eingerichtet, ob kostbar, ob ärmlich. Wenn ich in einem weissgetünchten Bauernhaus sorglich gepflegte Blumen am Fenster sehe, möchte ich am liebsten verweilen. Wie man bei lieben, guten Menschen verweilt. Die kahlste Stube, darin Reinlichkeit herrscht und ein paar Topfgewächse stehen oder ein Blütenzweig im Glas, birgt einen Strahl von Schönheit wie heimliches Licht.

Möbelstoffe von Backhausen & Söhne, Wien, nach Entwürfen von Arch. Fr. Dietl und Max Benirschke.
Möbelstoffe von Backhausen & Söhne, Wien, nach Entwürfen von Prof. Joseph Hoffmann, Max Benirschke und Leopold Bauer.
Möbelstoff von Prof. Joseph Hoffmann, ausgeführt von Backhausen & Söhne, Wien.
Bordüre von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.
Flächenmuster von Architekt Max Benirschke, Düsseldorf.