Die Monaco AG - Thomas Veszelits - E-Book

Die Monaco AG E-Book

Thomas Veszelits

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Beschreibung

Casino, Formel 1 und teure Yachten: So kennt man Monaco aus den Boulevardblättern. Doch was steckt wirklich hinter dem wirtschaftlichen Erfolg des kleinen Fürstentums? Thomas Veszelits nimmt das Unternehmen Monaco unter die Lupe.

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Die Monaco AG
Wie sich die Grimaldis ihr Fürstentum vergolden
Veszelits, Thomas
Campus Verlag
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
9783593402178
Copyright © 2006. Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main
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|5|Für Liane und Dieter

|9|1. Auf den Spuren von Monacos Erfolgsgeheimnis

»Wer sich Sorgen macht, dass die Welt durch Überbevölkerung verarmt, der soll nur nach Monaco blicken. Hier leben die reichsten Menschen an dem am dichtesten besiedelten Ort des Globus. Die Zukunft gehört den kleinen Staaten.« Mit diesen Worten warb der Patriarch Rainier III. für seine kuriose Minimonarchie. Rund 32 000 Einwohner drängen sich auf ganzen zwei Quadratkilometern Landesfläche. Es ist kaum zu glauben, dass Monaco zweimal in Münchens Englischen Garten oder dreimal in den Wiener Prater passen würde. Nirgendwo auf der Welt ist die Konzentration an Banken, Millionären, Gourmettempeln, Juwelieren, Luxusautos und Jachten höher als hier.

So viel Reichtum zieht. Anfang 2006 besuchte der chinesische Außenminister Li Zhaoxing mit einer zwölfköpfigen Delegation das Fürstentum, um vor Ort eine Botschaft zu eröffnen. Ein wichtiger Schritt in Monacos Zukunft: China strebt den wirtschaftlichen, kulturellen und touristischen Austausch an. Auch Fürst Albert II., der das Fürstentum seit 2005 regiert, darf einen Konsul nach Peking entsenden. Es ist der erste monegassische Diplomat in der Geschichte des Reichs der Mitte und ein verheißungsvoller Beginn für Alberts Regentschaft.

Die Kraft des Geistes

Der florentinische Staatsphilosoph Machiavelli schrieb dereinst, »das kleinste Glied Europas muss das stärkste sein.« Soweit ist Monaco |10|bei aller Banken- und Jachtendichte zwar noch nicht, doch es geht unaufhaltsam aufwärts mit dem kleinen Fürstentum. Um das Erfolgsgeheimnis zu lüften, hilft ein Blick in die Geschichte. Hier offenbart sich, welche Strategien der Zwergstaat schon seit 700 Jahren verfolgt. Das folgende, fast 150 Jahre alte Beispiel lässt erahnen, wie das monegassische Geschäftsmodell funktioniert.

Der erste Schritt in Richtung Wirtschaftsmacht beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem Betrug. Zwar wirft das Casino im sechsten Jahr nach seiner Gründung 1866 bereits drei Millionen Franc Gewinn ab, aber sprichwörtlich kommt der Appetit mit dem Essen. Der monegassische Fürst Charles III., von dem Anfangserfolg berauscht, will nun international die Werbetrommel für den Felsenstaat rühren, um noch mehr Besucher in sein Spielcasino zu locken und auch Investoren für den Ausbau zu ködern. Was liegt da näher als ein eigener Stand auf einer Weltausstellung, die sich mit dem aufkommenden Industriezeitalter als wichtiges Forum zur Präsentation des nationalen Fortschritts etabliert? Bei der ersten Weltausstellung, die 1851 in London stattfindet, könnte Monaco noch nicht mal in seinen kühnsten Träumen an einen eigenen Pavillon denken. Etwas Parfüm, Olivenöl, eine bescheidene Ernte von Zitrusfrüchten, einige Holzarbeiten der Fischer, das ist schon alles, was die winzige Mittelmeermonarchie produziert. Dennoch kommt man in Monaco nicht von der Idee los, sich auf dem regelmäßig stattfindenden »Jahrmarkt der Nationen« zu präsentieren.

Die Besucherzahlen der Expo sind für damalige Verhältnisse gigantisch: Sechs Millionen Menschen strömen 1862 zur zweiten Weltausstellung, die wieder in London stattfindet. Zur Expo 1867 nach Paris reisen nahezu alle Fürsten Europas an. »Diese Chance darf man nicht verpassen«, wettert Charles III. Da kommt ein Vorschlag von Marie Blanc, der Frau seines Casinodirektors, wie gerufen. Bei der bevorstehenden Weltausstellung in Wien 1873 will sie niedlichen keramischen Nippes ausstellen, wie er angeblich typisch für Monaco sein soll. Charles gefällt der Vorschlag. Leider hat Monaco weder Tonmanufakturen noch nennenswertes Kunsthandwerk. Eine Glashütte aus der Zeit des Sonnenkönigs ist in Ermangelung an Rohstoffen längst eingegangen. Woher also die Keramik nehmen?

|11|Doch Madame Blanc beweist Einfaltsreichtum und Organisationstalent. Nach ihren Entwürfen lässt sie Keramiken in einer Manufaktur in den spanischen Pyrenäen herstellen. Die neckischen Figürchen von flötenden Schäfern und winkenden Blumenmädchen werden stolz in Monacos Pavillon auf dem Wiener Weltausstellungsgelände präsentiert. Sie finden Gefallen und werden in riesigen Mengen bestellt. Frau Blanc erschrickt, denn der spanische Hersteller ist für einen Großauftrag zu klein. Dann werden die Erzeugnisse obendrein noch vom Ausstellungskomitee mit einem Preis geehrt, und um das Maß voll zu machen, meldet sich die Jury zur Besichtigung der Keramikfabrik und zur Preisübergabe in Monaco an. Im Fürstentum befürchtet man schon, jetzt als Betrüger ertappt zu werden, der sich mit fremden Federn schmückt.

Das Schicksal hilft aus der Bredouille. Nach der Weltausstellung kommt es zum Wiener Börsenkrach und einer Choleraepidemie. Wegen der kritischen Lage streicht die Weltausstellungsgesellschaft sämtliche Dienstreisen. Die Jury kommt nicht, und Monaco gewinnt Zeit. Marie Blanc gelingt es, den spanischen Keramikfabrikanten zum Umzug zu bewegen und lockt mit Steuerfreiheit. Die Keramikmanufaktur siedelt sich ganz in der Nähe des Hafens La Condamine an und bleibt bis 1924 erhalten.

Die Teilnahme an der Weltausstellung, die 7,3 Millionen Besucher zählt, lohnt sich. Monaco hat sich international vorgestellt und Neugier geweckt. Zu den reichen Franzosen gesellt sich fortan die internationale Prominenz und wirkt auf das »Fußvolk« wie ein Magnet. Schon in der Wintersaison 1873/74 reist die hohe Aristokratie aller Länder zu einem Wettbewerb im Taubenschießen nach Monaco an. Die Kurlisten des Jahres sind bis heute erhalten: Der Prince of Wales steht neben Namen wie Chimay, der belgischen Bier- und Käsedynastie, den Bierbaronen von Fürstenberg, den Post- und Forstmagnaten Thurn & Taxis, Europas größtem Waldbesitzer Schwarzberg, dem altbyzantinischen Diplomatenadel Ypsilanti, und der Herzogen-Sippe von Urach-Württemberg.

Die prachtvollen Feste, die in den folgenden Monaten in dieser Palmenoase veranstaltet werden, um Monaco als Vergnügungsbastion für die Reichen und Mächtigen zu etablieren, verschlingen |12|Unsummen. Aber sie machen sich dreifach bezahlt, wie der damalige Casinochef François Blanc in den Bilanzen zeigt. Der Bruttoumsatz des Jahres 1874 beträgt acht Millionen Franc, die Ausgaben verschlingen dagegen nur rund drei Millionen. Das ist eine Gewinnsteigerung um fünf Millionen Franc gegenüber dem Vorjahr. Und das alles dank der kleinen Keramiken, die nicht einmal aus Monaco stammten.

Die Lektion ist klar: Wofür die anderen Kraft aufwenden müssen, das schafft Monaco mit Raffinesse. Um geniale Einfälle ist man nie verlegen, auch wenn es sich oft an der Grenze zum Betrug und zum Illusionismus bewegt. In Monaco selbst gelten solche Manöver als kluge Schachzüge. Je höher der Gewinn, umso größer der Ruhm. Der Gewinner zeigt sich für sein Glück erkenntlich, indem er milde Gaben spendet. Auch dieses Modell ist über hundert Jahre alt und hat bis heute Bestand. Doch heute ist aus dem einstigen Operettenstaat längst ein »Manhattan am Mittelmeer« und ein Global Player geworden. Unter dem neuen Fürsten Albert II. geht es erneut um einen Politikwechsel, die Weichen sollen unter Bewahrung der Tradition neu gestellt werden.

Nordpol, Putin und Hedge-Fonds

Ein wichtiges Datum im Zuge der Erneuerung ist der 18. April 2006. Vladimir Putin empfängt den neuen monegassischen Herrscher im Moskauer Kreml und gratuliert: »Sie sind der erste Staatschef der Welt, der den Nordpol erreicht hat.« Anlass ist eine Polarexpedition, die Albert II. mit russischer Unterstützung durchführte. Im Andenken an seinen Urgroßvater Albert I., einen glorreichen Ozeanologen, der vor hundert Jahren mit seinem Forschungsschiff »Hirondelle II.« Spitzbergen ansteuerte, fliegt sein Urenkel Albert II. samt Team mit einem russischen Transportflugzeug ins ewige Eis.

Damit lebt ein Stück alter monegassisch-russischer Tradition auf: Standen vor hundert Jahren das Petersburger Ballett, die Opernstars und die verschwenderischen  russischen Fürsten im Casino von Monte |13|Carlo für die erfolgreiche Beziehung, so geht es heute um moderne Schlagworte wie Private Equity und Venture-Capital.

Eine Nachricht aus dem Weltfinanzzentrum London sorgt gerade für einigen Wirbel: Alfa-Group plant eine Niederlassung in Monaco. Es handelt sich um eine der größten und einflussreichsten russischen Finanzgruppen, deren Kopf, Michail Fridman, mit einem Privatvermögen von 8,1 Milliarden US-Dollar der drittreichste russische Oligarch ist. In den Alfa-Topf fließen auch die Milliarden von Roman Abramovich, Öl-Multi und Besitzer des Fußballclubs Chelsea mit ein. Nach Auskunft der Moskauer Tageszeitung Prawda ist auch British Petroleum an diesem Kapitalkonglomerat beteiligt. So begrüßt Kremlchef Putin beim Treffen mit Albert II. das Engagement russischer Unternehmen in Monaco mit Vorbehalt. »Wir hoffen, dass unsere Geschäftsleute die Möglichkeit, die ihnen Ihr Land bietet, wahrnehmen und dabei die russischen Gesetze befolgen werden.«

Putin ist ein guter Geschichtskenner. Er weiß, welche Folgen die hemmungslose Spielsucht des russischen Adels hatte. Das Zarenreich wurde buchstäblich im Casino von Monte Carlo verspielt. Jetzt stehen wieder Rolls-Royce und Porsches mit Moskauer Kennzeichen vor der legendären Edelherberge Hôtel de Paris in Monaco. Als »smarte und gefährliche Typen« bezeichnet auch das Manager Magazin in seiner Titelgeschichte »Monaco macht mobil« vom Juni 2006 die Hedge-Fonds-Manager, die neuerdings in Richtung Fürstentum pilgern. Die problemlose Gründung von anonymen Offshore-Gesellschaften erleichtert jedenfalls so manches undurchsichtige Geschäftsmodell. Wird Monaco zum neuen Mekka der Hedge-Fonds-Manager? Der Roulettetisch ist jedenfalls nicht weit.

Doch Monacos neuer Regent spricht die Sprache der Marktregulierer. Neue Gesetze sollen Monaco ab 2007 in einen sauberen und hochattraktiven globalen Finanzstandort verwandeln. Fürst Albert II. macht fleißig Hausaufgaben. Die wichtigste Lektion ist erledigt: Sein Steuerparadies hat sich internationalen Kontrollorganen unterworfen. Ein Kehraus für Schattenwirtschaft, Schwarzgeld und Steuerflucht soll eine Mustermonarchie schaffen. Albert hofft auch auf Selbstreinigung: Wo plötzlich zuviel Licht hineindringt, gedeihen |14|die Schattengewächse nicht mehr. Der entstandene Umsatzverlust soll durch saubere Geschäfte ausgeglichen werden.

Mit Fürst Albert II. bricht in Monaco ein neues Zeitalter an: Umgab sich sein Vater mit Stars aus Hollywood und ohrfeigte er bei seinen berühmt-berüchtigten Temperamentausbrüchen schon mal seine Minister, so verkehrt sein Sohn Albert elegant und wortgewandt mit den Staatschefs der Welt und schätzt seinen Mitarbeiterstab als Berater. Während sein Vater behäbig vom Palast auf dem Felsen regierte, reist Albert nach London, um sich von den besten Wirtschaftsanwälten beraten zu lassen.

Sein oberstes Gebot ist: Das Fürstentum darf sich keinen Skandal leisten. Die Zeiten, als Rainier III. mit dem umtriebigen Tankerkönig Onassis kungelte, sind Geschichte. Dem letzten Waffenhändler, der auf Monaco residierte, Margaret Thatchers Sohn Mark, hat Fürst Albert II. persönlich die Aufenthaltsgenehmigung entzogen. Was allerdings die Autoren des Manager Magazins beunruhigt, sind die Aktivitäten von Finanzjongleuren wie dem Wiener Christian Baha, der vor einigen Jahren sein Quartier in Monaco bezog. Dieser ehemalige Streifenpolizist verspricht als Chef der Investmentgruppe Quadriga besonders hohe Gewinne. Die Finanzaufsicht BaFin hat sein Produkt »Superfonds« in Deutschland verboten. Dass Baha nun »gern rumerzählt, mit Fürst Albert schon Tennis gespielt zu haben«, schreiben die Autoren des Manager Magazins in ihrer Schlussfolgerung, »ist dem Ruf Monacos nicht gerade zuträglich«.

Ob Monaco seine Umbruchphase heil und ohne neue Skandale übersteht, ist so spannend wie der Lauf der Roulettekugel. Für Trendscouts gilt das alte Fürstentum als der neue Geheimtipp. Das Casino der neuen Finanzmöglichkeiten ist eröffnet. Wieder fordert der Croupier die Spieler zum Einsatz auf: »Faites votre jeu«. Der moderne Croupier ist der Fonds-Manager, die Spieler sind die Investoren. Wird es Fürst Albert II. gelingen, als Chef der Spielbank Monaco die Zocker und Trickbetrüger draußen zu halten und Monaco einen Spitzenplatz in der modernen Finanzwelt zu sichern? Nicht nur die internationale Finanzszene setzt wieder auf Monaco, sondern auch Firmengründer, die nach einer Offshore-Basis suchen: »Machen Sie Ihre Einsätze!«

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|15|2. Das Erbe der Condottieri

Der Teufel war los. Zwei Wochen lang brannten im Herbst 2005 in Frankreichs Ghettos die Autos. An die 30 000 ausgebrannte Wracks blieben zurück. In der Banlieue von Paris und den Vorstädten in Südfrankreich, der Normandie und im Burgund tobten die Straßenschlachten. In dieser explosiven Situation sagte ein aufgebrachter Jugendlicher im französischen Fernsehen: »Warum wundern Sie sich über die Gewalt? Wir sind doch hier nicht in Monaco!«

Nein, so etwas passiert in Monaco nicht. Es ist ein auserwählter Ort der Götter. Klimatisch von einem südalpinen Bergmassiv abgeschirmt, liegt ein natürlicher Hafen in Hufeisenform unter einem Felsausläufer. Schon in prähistorischer Zeit lebten hier Menschen in Höhlen. Daran erinnert heute der Name der serpentinenartigen Avenue des Spélugues, vom lateinischen Wort spelunca für Höhle. In der Antike gehen als Erste die Phönizier an diesem Küstenabschnitt der Côte d’Azur an Land. Sie errichten auf dem Bergkamm einen Säulentempel für ihren nationalen Sonnengott Melkart. Auf dem einstigen Tempelhügel blüht heute der tropische Jardin Exotique.

Die Griechen, die den Phöniziern folgen, weihen das steinerne Heiligtum ihrem Halbgott Herkules. Der trägt den Beinamen »Monoikos«, der Einsame, und nach ihm benennen die Römer den Hafenort später Portus Herculis Monoeci. Nach der antiken Sage vollbringt Herkules hier die elfte seiner berühmten zwölf Wundertaten und pflückt die goldenen Äpfel der Hesperiden, die von einem hundertköpfigen Drachen bewacht werden. Nach seinem Tod schenken ihm die Götter die Unsterblichkeit, und Herkules darf Hebe heiraten, eine Tochter des Zeus und Göttin der ewigen Jugend. Die goldenen Äpfel deuten die traditionsbewussten Monegassen heute als die Orangen, |16|die auf den Hängen über Monaco gedeihen. Hebe gilt als das Sinnbild des ewigen Frühlings, der alljährlich schon im Januar den kurzen und milden Winter ablöst. So wird es zumindest auf den Fresken der fürstlichen Galerie d’Hercule dargestellt.

In Gottes Auftrag und deutschem Namen

Ghibellinen gegen Guelfen, Kaiser gegen Papst – dieser Konflikt bestimmt die Europapolitik des hohen Mittelalters. Einer der Urheber dieses Streits ist der rotbärtige Chef des Herrscherhauses der Staufer, Friedrich I. Barbarossa. Im Jahr 1155 lässt sich der Schwabe durch Papst Hadrian VI. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches krönen und zieht mit dem Segen der Kirche gegen die Muslime. Doch er betrachtet sich nicht als ein Vasall des Vatikans und widersetzt sich den Versuchen der Kurie, die kaiserliche Macht zu untergraben. Sein Gegenspieler ist Heinrich der Löwe, der ebenfalls aus Schwaben stammende Herzog von Sachsen und Bayern aus dem Hause der Welfen. Mit ihrem Konflikt beginnt ein Bruch, der ganz Mitteleuropa erfasst und durch alle Schichten geht.

Die Kaisertreuen alias Ghibellinen (benannt nach dem Familiensitz der Staufer in Waiblingen) unterstützen die Herrschaftsansprüche der Kaiser, während die Guelfen (benannt nach den Welfen) die Parteigänger des Papstes sind. Allerdings hat dieser Konflikt schon bald mehr mit den Rangeleien verfeindeter Patrizierfamilien in den norditalienischen Handelsstädten zu tun als mit der ideologischen Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst.

Die Grimaldis, ein aufstrebender Ritter-Clan aus Norditalien, unterstützen den Welfen Heinrich VI. bei der Eroberung von Genua und etablieren sich damit selbst in dieser Hafenstadt. Dafür werden sie fürstlich belohnt und bekommen das Küstengebiet westlich von Genua als Lehen. Der Vertrag ist an eine Bedingung geknüpft: Auf dem Felsen über dem Portus Herculis Monoeci, von dem einst Julius Caesar mit einer Kriegsflotte aufbrach, um seinen Rivalen Pompeius zu vernichten, müssen sie eine starke Festung bauen. Als Condottieri |17|(zu Deutsch »Heerführer«) verfügen die Grimaldis auch über das Know-how für den Bau von uneinnehmbaren Zitadellen mit der modernsten Verteidigungstechnik der Zeit. So beginnt der Aufstieg der Grimaldis unter dem Mantel der Teutonenmacht Heinrichs. Aus dieser deutschen Vergangenheit stammt im Übrigen auch ihr Name: Der soll ursprünglich vom altgermanischen Begriff »Grimwaldo« stammen, was so viel heißt wie »mit Grimm walten«.

Am 10. Juni 1215 legen die Grimaldis den Grundstein für eine Festung, genau an der gleichen Stelle, an der sich heute der fürstliche Palast befindet. Der steil ins Meer hineinragende, dreihundert Meter lange und sechzig Meter hohe Felsen wird fortan zum Zankapfel im hin und her wogenden Machtkampf zwischen Guelfen, Ghibellinen und verfeindeten Familienmitgliedern.

Die Gründung der Steueroase

Die Festung über dem Herkuleshafen in Monaco ragt 1252 schon mit neun Meter hohen Mauern um einen mächtigen, runden Wehrturm auf dem Felsvorsprung empor. Oben weht die weiß-rote Kreuzfahne des Heiligen Georg, die auch das Wappen von Genua ist. Um sich hier fester einzunisten, locken die Grimaldis neue Siedler mit einem verführerischen Angebot: Sie bieten Land und Steuerfreiheit. Mit derartigen Geschenken Unternehmer ins Land zu locken, ist in Monaco eines der ältesten Rezepte für den wirtschaftlichen Aufschwung.

Im weitverzweigten Geflecht der Grimaldi-Familie, die sich als Konsule einen Stand in Genuas Politik und Verwaltung eroberten, tut sich ein Mann hervor, der heute als Gründer der Dynastie genannt wird: Oberto. Der ist auch im Wachsfigurenkabinett des Palastmuseums zu bewundern. Seine Herrschaft endet jedoch, bevor sie beginnt: Der Urvater der Grimaldi-Dynastie stirbt 1252 beim Richtfest seiner mächtigen Trutzburg. Nach seinem Tod teilen sich seine Söhne Lanfranco und Antonio die Macht. Als Verbündete stehen ihnen die Fieschis in Genua bei, ein Geschlecht, das sich mit ähnlichen Mitteln die Macht in der ligurischen Hafenstadt sichert wie die Medici in |18|Florenz – mit List und Tücke, Dolch und Gift. Die Grimaldis lernen bei den Meistern.

Ein Edelmann als Schurke

Doch kaum ist die Festung fertig, müssen die Grimaldis sie auch schon wieder räumen. In den steilen Straßen von Genua entfesselt sich 1269 ein gnadenloser Bürgerkrieg zwischen Ghibellinen und Guelfen. Nach vierzig blutigen Tagen hissen die Kaisertreuen ihre Fahne über dem Hafen, vertreiben die verhassten Päpstlichen aus ihren Palästen und beschlagnahmen deren Besitz. Die Grimaldis müssen aus Genua fliehen und werden auch aus ihrer Festung in Monaco verjagt. Die Grimaldi-Sippe wird versprengt, was erklärt, warum es bis heute zahlreiche Namensvettern in Marseille, Toulon oder Avignon gibt. Doch ein harter Kern hält unverdrossen zusammen und schmiedet einen Plan für die Rückeroberung des Felsens.

Vollstrecker dieser Mission wird Francesco, der 1275 als Sohn des vertriebenen Konsuls Antonio Grimaldi zur Welt kommt. Schon in seiner Jugend fällt er durch seine Schlitzohrigkeit auf, weshalb er den Spitznamen »Malizia«, Tücke, erhält. Diese Eigenschaft befähigt ihn offenbar bestens für die Rachetat.

In der Nacht zum 8. Januar 1297 legen in der Dunkelheit am Felsen unterhalb der Festung von Monaco zwei kleine Ruderboote an. Ein Mann in einer Mönchskutte steigt aus. Seine Komplizen warten.

Es regnet heftig. Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze schleicht der Mönch den Felshang hinauf. Völlig durchnässt klopft er an die Pforte. Barmherzig gewährt man ihm Einlass. Im Innenhof der Burg zieht er unter dem Schutz der Finsternis plötzlich einen Degen unter seinem Mantel hervor und ersticht hinterrücks die Wachposten. Danach öffnet Malizia – denn es ist kein anderer als er – das Tor und lässt seine kleine Truppe in die Festung hinein. Die Besatzung wird im Schlaf niedergemetzelt. Die Eroberung lässt sich nicht lange halten, schon 1301 werden die Grimaldis wieder vertrieben. Doch sie geben nicht auf und kehren nach weiteren dreißig Jahren wieder zurück.

|19|Der listige »Mönch« Malizia gerät nicht in Vergessenheit. In Bronze gegossen, steht er vor dem Tor zur Rampe Major, genau an der Stelle, an der er einst den Hang hinaufgeklettert war. Im Jahr 1999 schenkten die Monegassen ihrem Fürst Rainier III. diese Statue zum 50. Thronjubiläum. Der grimmige Kapuzenahne wird in Monaco fast wie ein Heiliger verehrt. Er ziert nicht nur Postkarten, Briefmarken und Poster, sondern auch das Wappen mit der Inschrift »Deo Juvante« – »Mit Gottes Hilfe«, dem Wahlspruch der Grimaldis.

Die Legende der Seeräuber

Bis heute hält sich die Legende, die Grimaldis seien Piraten gewesen. Wo sie auftauchen, auf Empfängen, Festen oder Partys, kommt die Rede oft auf die Seeräuber – hinter vorgehaltener Hand versteht sich. Doch was ist wirklich dran an dieser Geschichte?

Über die Gründe, warum sich die Grimaldis auf die Seite der Guelfen schlagen, gibt es im maritimen Archiv von Genua einige aufschlussreiche Hinweise. Der Glaube spielt natürlich eine wichtige Rolle: Überzeugte Christen zu sein, für den Papst zu kämpfen und dafür mit dem Paradies belohnt zu werden, ist allemal Grund genug. Aber daneben gibt es auch noch handfeste, materielle Vorteile gleich hier auf Erden. Einer davon ist das sogenannte Strandrecht, das von der Kirche verfügt wurde.

Danach dürfen Küstenbewohner und ihre Territorialherren gestrandetes Gut behalten und Schiffbrüchige versklaven oder sogar töten. Während im antiken Rom solche Praktiken als Diebstahl und Mord galten und streng verfolgt wurden, sieht man im frühen Mittelalter im Schicksal der Seefahrer einen Fingerzeig Gottes. Die göttliche Gewalt fügt es, dass ein Schiff in Not gerät und den Küstenbewohnern angespült wird. Nebenbei benötigt die Kurie für ihre Kreuzzüge immer mehr Schiffe samt Mannschaft. Wer dem Papst seine Flotte zur Verfügung stellt, dem winkt als Gegenleistung Steuerbefreiung und eben jenes Strandrecht – letztlich eine mit päpstlichem Siegel legalisierte Piraterie.

|20|Der Streit um dieses Privileg ist vorprogrammiert. Während der Kaiser das Strandrecht bekämpft, verteidigen die Anhänger des Papstes dieses dubiose Gesetz, weil sie davon profitieren. Die Auseinandersetzung beschäftigt sogar das vierte Laterankonzil, das im Jahr 1215 in Rom beginnt und geschlagene 17 Jahre lang bis zur Einigung dauert.. Danach werden die Besatzungen nicht mehr versklavt, der Bergungslohn für die Strandherren beträgt nur noch ein Drittel der geretteten Ladung. Ein weiteres Drittel fällt dem Landesherren zu. Ein Drittel darf die verunglückte Schiffsbesatzung bei freiem Geleit behalten. Diese Regelung gilt nicht nur für die Meeresküsten, sondern auch für die Flussufer.

Was bleibt, ist ein zweifelhafter Ruf, der allen anhaftet, die einst dieses Strandrecht ausübten. Und dies wiegt besonders in den hohen Adelskreisen schwer. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden die Grimaldis trotz ihres immensen Erfolgs und Reichtums noch heute vom französischen Hochadel geschnitten. Die Bunte-Kolumnistin Marie Waldburg, selbst blaublütiger Herkunft, bestätigt in einem Artikel vom Mai 2005: »Gegen diese Familie gibt es einige Vorurteile.« Daran sind nicht nur Scheidungen, bürgerliche Ehen und das wilde Leben einiger Familienmitglieder schuld. An den Händen der Grimaldi-Urahnen, so hört man, klebe »unehrenhaftes Blut«, das sie als Strandherren vergossen.

Das Strandrecht sorgt auch aus anderen Gründen für Ärger. Es erlaubt es den Strandherren nämlich auch, von den in Küstengewässern vorübersegelnden Schiffen Maut zu verlangen. Den Grimaldis reicht dieses Recht allerdings nicht immer. So mancher Fürst jagt die Schiffe bis nach Sardinien. Hat der Kapitän nicht genügend Geld an Bord, wird sein Schiff an die Kette gelegt oder die Fracht beschlagnahmt: Getreide, Baumwolle, Leinen, Gewürze, Olivenöl und Wein sowie Luxusgüter wie Glas, Tafelsilber, Seife und Seide. Diese Art der Piraterie sorgt natürlich im benachbarten Genua für böses Blut. Die erzürnten Dogen drohen mit einer Strafexpedition. Da stirbt Charles überraschend unter nie ganz geklärten Umständen 1589. Es kommen Gerüchte in Umlauf, man hätte bei seinem plötzlichen Abgang nachgeholfen. Da Charles II. als Junggeselle keinen Erben hinterlässt, kommt sein Bruder Hercule I. (1562–1604) ans Ruder.

|21|Unter französischer Fahne

Wer auf einem kleinen Felsen sitzt, kann keine große Politik machen. Deshalb verbünden sich die Grimaldis mit den Großmächten und verdingen sich als deren Söldner. Sie unterhalten eine eigene Flotte und verkaufen ihre Dienste mal an den Papst, mal an die Franzosen, mal an die Spanier, je nachdem, wer die bessere Beute verspricht.

Einer der Helden der Familienchronik, Rainier I. (1267–1314), ist ein furchtloser Haudegen, der zwischen Sizilien und der Bretagne kämpft. Seine strategischen Fähigkeiten beeindrucken einen seiner neuen Auftraggeber, den französischen König Philipp den Schönen derart, dass er den Grimaldi vom Schiffskommandanten in den Rang eines Admirals erhebt und mit einem Schloss in Villeneuve de Veuve in der Provence sowie weiteren Ländereien beschenkt.

Ein weiterer gefeierter Vorfahr ist Charles I., der ab 1331 auf dem monegassischen Thron sitzt. In den Fußstapfen Rainiers mehrt er den Ruhm Monacos mit Feuer und Schwert. Er baut Hafen und Kriegsflotte aus und operiert mit seinen wendigen Galeeren bis in den Atlantik, wo er den Nachschub der Engländer im Krieg gegen Frankreich stört.

Die missgünstigen Genueser können dem Aufstieg Monacos unter der Fahne der verfeindeten Franzosen natürlich nicht tatenlos zusehen. Im Jahr 1357 überfallen sie mit zehnfacher Übermacht den Herkules-Hafen. Charles I. muss sich nach einem zweistündigen Gefecht mit einem kleinen Trupp übrig gebliebener Soldaten in die Berge hinter La Turbie zurückziehen. Zu einem Gegenangriff kommt es nicht mehr: Charles stirbt plötzlich unter rätselhaften Umständen, vermutlich nach bewährtem Medici-Rezept von einem Familienangehörigen meuchlings ermordet. Mit solchen Geschichten kann die Grimaldi-Saga reichlich dienen.

In der Familienchronik wird Charles I. »Karl der Große« genannt. Doch sein Sohn, Kronprinz Rainier II., hat die Folgen der Niederlage seines Vaters zu tragen. Er muss jährlich 20 000 Florinen an Genua abführen und darf Monaco nicht mehr betreten. Also tut er, was die Grimaldis am besten können: Er verdingt sich als Söldner.

Der französische König Charles V. nimmt seine Dienste gerne an, |22|denn Frankreich befindet sich mitten im Hundertjährigen Krieg mit England. In Anerkennung seiner Dienste wird Feldherr Rainier II. von seinem König zum Chambellan befördert. Als Kammerherr hat er die Oberaufsicht über alle Räume der königlichen Residenz, er hat ungehinderten Zutritt zum König und Einblick in die Staatsgeschäfte – Vorteile, die ein Grimaldi immer geschickt zu nutzen versteht.

Die Verdienste der Ahnen um Monacos Stabilität

Die Kontinuität, auf die sich die monegassische Monarchie heute gerne beruft, gründet auf einem Mosaik von weitsichtigen Entscheidungen der Vorfahren. Nach dem Tod Rainiers II. erhält 1407 dessen ältester Sohn Jean I. (1382–1454) Monaco erneut als Lehen. Damals befindet sich der Felsen im Besitz der Herzöge von Savoyen. Jean, der rund 40 Jahre lang als Admiral der Franzosen im Mittelmeer umhersegelt, sichert der Familie den Besitz des Hafens durch eine geschickte Regelung des Erbrechts, das bis heute in mehr oder minder unveränderter Form Gültigkeit hat.

Seither gilt: Gibt es keinen direkten männlichen Nachkommen, kann die älteste Tochter Alleinerbin der Lehensverträge (später des Fürstentums) und damit Regentin von Monaco werden – vorausgesetzt, sie findet einen adeligen Mann, der bereit ist, Namen und Wappen der Grimaldis anzunehmen.

Schon in der nächsten Generation erfährt diese Regelung ihre Anwendung und rettet den Grimaldis die Herrschaft über den »Felsen«. Jeans Sohn Catalano stirbt nach kurzer Herrschaft ohne männlichen Erben, doch er verheiratet seine Tochter Claudine mit dem entfernten Cousin Lambert Grimaldi (1420–1494). Dieser schließt einen weiteren wichtigen Vertrag, ein Schutzbündnis mit dem jungen französischen König Charles VIII., in dem besiegelt wird, dass jeder Angriff gegen Monaco einer Kriegserklärung gegen Frankreich gleichkommt. Damit sichert sich Lambert den mächtigen Schutz des |23|französischen Königreiches. An dieser Garantie rüttelt künftig nicht einmal Napoleon, der sonst alles im Staate Frankreich umkrempelt.

Der »Lambert-Vertrag« wird über die nächsten Jahrhunderte ergänzt und erweitert. Die Grundzüge bleiben aber stets die gleichen: Monaco und Frankreich halten zusammen, Italien hat das Nachsehen. Mussolini wird einmal versuchen, das Fürstentum in alter genuesischer Manier wieder an sich zu reißen, jedoch ohne Erfolg.

Vendetta im Hause Grimaldi

Das Blut spritzt an die Wände. Spektakuläre Morde in höchsten Kreisen und Totschlag auf der Straße gehören im 16. Jahrhundert in Italien und Frankreich zum Alltag, sie gelten als probates Mittel der Politik und der Regelung von Familienangelegenheiten.

Bei den Grimaldis kommt ein ehrgeiziger Herrscher ans Ruder: Jean II. (1468–1505), der älteste Sohn Lamberts, folgt dem französischen König Charles VIII. bei seiner Eroberung des Herzogtums Mailand und kommt mit üppiger Kriegsbeute nach Hause. Mit dem neuen Reichtum wird Monacos karge Burg großzügig zum Palast umgebaut. Die Decken werden mit vergoldeten Kassetten dekoriert und die Treppen mit Marmor ausgelegt. Mit italienischen Künstlern nimmt die Pracht florentinische Dimensionen an.

Doch mit seinem willkürlichen und unberechenbaren Herrschaftsstil macht sich Jean II. immer mehr Feinde. Einem ersten Attentatversuch, einer Dolchattacke in der italienischen Festungsstadt Ventimiglia, entgeht er noch mit Glück ohne eine Schramme. Beim zweiten Mal steht ihm sein eigener Bruder Lucien (1481–1523), der drittälteste Sohn Lamberts, gegenüber. In dieser Nacht zwischen dem 10. und 11. Oktober 1505 knistert das Feuer im Kamin des prunkvollen Arbeitszimmers, als die beiden Brüder in einen heftigen Streit geraten. Angeblich will Jean Monaco an Venedig verkaufen.

Es kommt zu Handgreiflichkeiten und Jean wird von Lucien erstochen – aus Notwehr, wie es später heißt. Zeugen gibt es keine. Im nachfolgenden Prozess stellt sich der gesamte Clan hinter Lucien. Die |24|Mutter Claudine genauso wie ein weiterer, jüngerer Bruder namens Augustin, Bischof von Grasse. Dank dieses honorigen Zeugen spricht der Lehnsherr Herzog von Savoyen Lucien frei.

Die Verträge von Vater Lambert sind schon bald Gold wert. Im Jahr 1507 überfällt Genua erneut Monaco. Lucien wehrt sich tapfer. Mit etwa 600 Verteidigern harrt er hundert Tage lang gegen eine Belagerungsmacht von 12 000 genuesischen Söldnern aus. Zwanzig schwere Schiffskanonen beschießen die Festung. In dieser scheinbar hoffnungslosen Lage trifft die Verstärkung des französischen Königs ein und wendet die Schlacht zu Gunsten der Grimaldis. Doch Genua gibt sich noch nicht geschlagen. Genuas neuer starker Mann, der Condottiere Andrea Doria (1466–1560) erkennt Luciens finanzielle Nöte nach den vielen Kriegen an Frankreichs Seite. Eine günstige Gelegenheit, um erneut zu versuchen, den Grimaldis Monaco zu entreißen. Doch diesmal nicht mit Waffen, sondern mit Geld. 20 000 Golddukaten bietet Doria für das kleine Reich. Doch Lucien Grimaldi lehnt stolz ab. »Lieber würde ich den Felsen versenken als ihn jemals einem Genuesen zu überlassen«, teilt er bei den Verhandlungen in Ventimiglia dem verdutzten Admiral Doria mit. Die Rache für diese Beleidigung folgt auf dem Fuße.

Am 22. August 1523 wird Lucien unerwartet Besuch in seinem Palast gemeldet. Ohne Argwohn gewährt er dem Gast Einlass. Es ist Berthélémy Doria de Dolceacqua, der Sohn von Luciens Schwester Françoise. Er bittet Lucien um ein Empfehlungsschreiben für den französischen König, um als Offizier in dessen Dienste treten zu können. Onkel Lucien lässt sich nicht zweimal bitten, doch während er zur Feder greift, wird er von seinem hinterhältigen Neffen mit mehr als 40 Messerstichen dahingemeuchelt. Die Wachen, durch den Lärm alarmiert, finden die Leiche ihres Herren in einer Blutlache. Berthélémy flieht mit seinen Komplizen auf das Schiff von Admiral Doria, der draußen auf dem offenen Meer wartet. Der hat eigentlich vor, die Festung zu stürmen, doch als er die alarmierten Wachen auf den Zinnen sieht, entscheidet er sich anders und segelt unverrichteter Dinge davon.

Die Vendetta geht weiter. Berthélémy Doria, der Mörder Luciens, wird in einer Schlucht mit zerschmettertem Schädel aufgefunden. Nach |25|Luciens Ermordung übernimmt Bruder Augustin (1492–1532) die Amtsgeschäfte von Monaco, doch auch er stirbt 1532 unter ungeklärten Umständen, vermutlich von den Häschern Andrea Dorias ermordet.

Boom und Bust auf Monaco

Auf den Tod Augustin Grimaldis folgt eine der friedlicheren Epochen. Unter Honoré I. (1522–1581) wird der zerstörte Hafen wieder aufgebaut und die Flotte aufgerüstet. Die Kriege an der Seite der Franzosen verschlingen Unsummen, trotzdem lässt Honoré renommierte Baumeister aus Italien kommen, um es dem Erzrivalen Genua zu zeigen. Die zerstörte Burg wird nach dem Vorbild eines florentinischen Palazzo der Medici, Ricci oder Strozzi wieder aufgebaut. Die luftigen Arkaden mit üppigem Mosaikdekor und die Marmorbalustraden, die heutige Besucher beim Betreten des Innenhofes bewundern, stammen aus dieser Zeit.

Doch schon bald platzt die Blase des Wohlstandes auf Pump. Honorés Sohn Charles II. (1555–1589), ein besonders eifriger Nutzer des Strandrechts, überwirft sich mit sämtlichen Nachbarn, sogar mit dem Lehnsherrn Savoyen und der Schutzmacht Frankreich. Auch er wird vermutlich ermordet und hinterlässt seinem Bruder Hercule I. (1562–1604) nichts als leere Kassen. Die Soldaten verlassen die Garnison, weil der Sold ausbleibt. In Monaco bricht die Hungersnot aus. Zum Glück findet sich 1595 eine Lösung, die noch weitreichende Folgen für Monaco haben wird.

Wie so oft bei angeschlagenen Familienunternehmen kommt die Hilfe von außen. Die Prinzessin Maria Landi de Valdetare ist bereit, den verarmten Grimaldi zu heiraten. Sie gilt als vorzügliche Partie: Mütterlicherseits mit dem König von Portugal und dadurch mit dem spanischen Königshaus Aragon verwandt, bringt sie eine kleine Mitgift nach Monaco, mit der sich die größten Löcher im Staatssäckel stopfen lassen. Es heißt, die Ehe sei glücklich gewesen, doch sie dauert nicht allzu lang: Die Geburt des dritten Kindes überlebt Maria Landi nicht.

|26|Hercule findet ein unrühmliches Ende. Der Edelmann verfällt aus Trauer über den Tod seiner Frau zahlreichen flüchtigen Liebschaften, bei denen er sich nicht allzu wählerisch gibt. Er vergnügt sich mit den Frauen von Untertanen und Rivalen und zieht sich den Zorn so manches gehörnten Ehemannes zu. Einer rächt sich brutal. Als sich der Fürst am 21. November 1604 im Morgengrauen aus dem Haus eines Notars davonschleicht, wird er von hinten erdolcht. Seinen Leichnam findet man im dreckigen Wasser des Hafenbeckens schwimmen.

Monaco wird Fürstentum

Trotz des frühen Todes von Maria Landi haben die Grimaldis dieser Verbindung ihr Fürstentum zu verdanken. Marias Bruder Frederico Landi Prinz de Valdetare wird zum Vormund von Honoré II. (1597– 1662), der zum Zeitpunkt des Mordes an seinem Vater erst sieben Jahre als ist. Prinz Valdetare ist ein erfahrener Diplomat aus Mailand. Nachdem ganz Oberitalien seit 1535 zum spanischen Machtbereich gehört, setzt er auf ein Bündnis mit Spanien. So wird Monaco 1605 zum spanischen Protektorat. Für den Grimaldi-Erben arrangiert Prinz Valdetare ein Ehebündnis mit der angesehenen Mailänder Adelsfamilie Trivulzio. Durch diese Verbindung klettern die Grimaldis auf der Adelsleiter um einige Sprossen nach oben: Fortan steht ihnen der Fürstentitel zu. Sie brauchen nur noch die Bestätigung des Königs. Der spanische Hof benötigt für diesen Vorgang geschlagene 17 Jahre. Vielleicht handelt es sich auch nur um eine Hinhaltetaktik, um die Grimaldis gefügig zu machen. Im Jahr 1633 ist endlich das Dekret mit dem königlichen Siegel abgestempelt. Monaco darf sich nun offiziell Fürstentum nennen. So verdanken die heutigen Nachfahren ihren Stand ironischerweise Madrid und nicht Paris, obwohl das Bündnis nur 36 Jahre hält.

Die Allianz mit den Trivulzios bringt auch eine lukrative Verbindung zu den lombardischen Banken ein. Die nehmen Monacos Finanzen in die Hand. Die norditalienischen Bankiers bestimmen seit dem 13. Jahrhundert das Finanzwesen mit ihren bahnbrechenden |27|Erfindungen. Schon damals führten sie den bargeldlosen Zahlungsverkehr mit Schecks ein und entwickelten Modalitäten im Geldverkehr, die man heute noch unter dem italienischen Namen kennt: Giro, Diskont, Lombardkredit, Lombardsatz. Mit Unterstützung durch die lombardischen Finanzmanager bringt Monaco eigene Münzen in Umlauf. Auf den monegassischen Silberlingen ist nicht mehr das Haupt des französischen Königs eingeprägt, sondern der Fürstenkopf, umrahmt von der Inschrift: »Honora II. D:G:Pri: Monoeci« – »Honoré II. von Gottes Gnaden Fürst von Monaco«. Auf der anderen Seite steht das persönliche Credo Honorés II.: »In senectute virescit« – »im Alter steckt die Kraft«. Die neuen Münzen sind der erste Schritt in Richtung des eigenständigen Finanzstandortes Monaco.

Mit Richelieu zurück nach Frankreich

Kaum haben sich die Grimaldis von den Spaniern zu Fürsten krönen lassen, wenden sie sich schon wieder den Franzosen zu. Bei einem Fest macht man die spanischen Soldaten der Garnison betrunken, setzt sie auf ein Schiff und lässt es aufs Meer hinaustreiben. In ganz Norditalien ist der Stern der Spanier im Sinken begriffen, und die Monegassen wenden sich in guter Familientradition den neuen Siegern zu.

Natürlich lassen sich die Grimaldis den neuerlichen Frontenwechsel gut bezahlen. Im »Dekret von Péronne« aus dem Jahr 1641 lassen sie sich von den Franzosen ihren neuen Status bestätigen. Frankreich sichert zu, sich nicht in die Angelegenheiten Monacos einzumischen und seine Souveränität gegen fremde Angreifer zu schützen. Die Grimaldis werden dem höchsten französischen Adel gleichgestellt. Nur den Kommandanten der Garnison auf Monaco wollen die Franzosen benennen – auch das eine Tradition, die bis heute Bestand hat.

Hinter diesem Vertrag steckt der spitzbärtige Kardinal Richelieu, der Berater Ludwigs XIII. Die listige Eminenz, ein asketischer Reformer mit eiserner Hand, braucht dringend einen neuen Adel, |28|um die Interessen des absolut herrschenden Königs gegenüber der alteingesessenen Aristokratie durchzusetzen. Bessere Helfer als die Aufsteiger aus Monaco hätte Richelieu für seine Ziele in Südfrankreich kaum finden können: Die einstigen Guelfen gelten noch immer als erzkatholisch und unbeirrbar papsttreu. In Monacos Garnison ziehen die Musketiere des Kardinals ein, eine Elitetruppe, die ihren Eid auf Gott und den Papst leistet. Ihre dreieckigen Hüte sind mit weißen Federn geschmückt, auf dem Rücken ihrer schwarzen, kurzen Mäntel tragen sie das weiße Kreuz des Kardinals.

Die prunkvolle Herrschaft der Sonnenfürsten

Unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638–1715) brechen auch für die Grimaldis goldene Zeiten an. Frankreichs Kolonialreich wächst von Afrika bis nach Amerika. Die Sümpfe von Louisiana, die nach Ludwig XIV. benannt sind, werden in Baumwollplantagen verwandelt, die Inseln der Karibik für Zuckerrohrfelder gerodet. Ungeahnte Reichtümer fließen in die Schatzkammern der französischen Krone. Es beginnt die Herrschaft der Etikette. Saint-Simon, der Chronist des täglichen Lebens am Bourbonenhof, schwärmt vom herzhaften Appetit des Sonnenkönigs, der die Speisen mit großem Zeremoniell auftragen lässt und die Gäste nach sorgfältig ausgetüftelter Tischordnung platziert.

Die Grimaldis, welche Ehre, dürfen in der königlichen Gesellschaft im Louvre, in Versailles und Fontainebleau mittafeln, während der Dreißigjährige Krieg (1618–48) Europa beutelt und danach noch weitere Jahrzehnte Hunger und Pest grassieren. Der Kronprinz wird am königlichen Hof von Paris erzogen, sein Taufpate ist der Sonnenkönig selbst. Der junge monegassische Sonnenfürst Louis I. (1642–1701) würde das Bündnis gern mit einer Einheirat in die französische Königsfamilie bekräftigen. In Ermangelung einer Prinzessin heiratet er eine Dame, die dem König zumindest sehr nahe steht: Marie-Catherine Charlotte de Gramont (1639–1678), die Tochter des hochdekorierten Generals Graf von Guiche du Cyrano d’Edmond.

|29|Die Erkenntnis, dass es bei den Grimaldis nichts gibt, was es nicht schon gab, lässt sich an der schillernden Charlotte schön belegen. Die Comtess steht dem König so nahe, dass gemunkelt wird, sie sei seine Mätresse. Ihre Amouren inspirieren Alexandre Dumas später zu seinem Zeitungsroman Catharina Charlotte von Gramont: Erinnerungen einer Hofdame. Viele Passagen stammen aus Briefen von Lieselotte von der Pfalz, bei der Charlotte Hofdame war. Dumas spart keine Pikanterie aus. Charlottes Liebhaberreihe führt über Herzöge, Generäle, Diplomaten und Marquise. Unter anderem beschreibt er ein Gesellschaftsspiel, mit dem man sich gern beim Souper belustigt: »Die Gäste sehen sich sehr erstaunlichen Tafelbräuchen gegenüber. Bei jedem Gang legen Herren und Damen je ein Kleidungsstück ab. Wer zugleich beim letzten Stück angelangt, verschwindet gemeinsam ...«

In Monaco macht sich die Lebedame sofort an den Umbau des Palastes. Nach dem Vorbild von Versailles lässt sie ihre Gemächer im Südflügel zu den »Grand Appartements« ausbauen, die heute bei der Palastbesichtigung am meisten bestaunt werden. Weißer Marmor aus Carrara schmückt die Treppenaufgänge, goldene Deckenkassetten prangen in den Salons, wertvolle Gobelins hängen an den Wänden. In Sachen Prunk und Luxus wetteifert Monaco mit dem Pariser Hof. Ihren Pflichten für den Erhalt der Dynastie kommt Charlotte rasch nach: Im Jahr 1661, ein Jahr nach der Hochzeit bringt sie einen männlichen Erben zur Welt, Kronprinz Antoine I. Doch vier Jahre und drei Kinder später hält es die lebenslustige Charlotte nicht mehr in der Provinz, sie kehrt nach Paris zurück. Den Grund enthüllt anderthalb Jahrhunderte später Alexandre Dumas. Er findet verstaubte Briefe der Monaco-Prinzessin, die übersprudeln vor zärtlichen Worte und erotischen Geständnissen. Doch die heißen Zeilen sind nicht etwa an einen Mann gerichtet: Die Anbetung gilt Henriette Anne Stuart von England, der Herzogin von Orléans. Diese ist mit dem Bruder des Königs verheiratet, der es wiederum vorzieht, sich mit den jungen Gardeoffizieren zu vergnügen.

Charlottes wildes Leben ist 1678 im Alter von knapp 40 Jahren zu Ende, sie stirbt in Paris an einer Lungenentzündung. Der verwitwete Louis I. wird von Ludwig XIV. für seine Verdienste als General |30|belohnt und zum französischen Botschafter im Vatikan ernannt. Triumphal wie ein Römischer Kaiser tritt er 1689 dieses Amt an. Rund 100 sechsspännige Karossen mit vergoldeten Dachzierleisten rattern durch die Ewige Stadt. An den Achsenköpfen und Rädern glänzen rote Rubine, das versteinerte Blut der Erde. Als der monegassische Sonnenfürst Louis 1701 im Alter von 59 Jahren in Rom an einem Schlaganfall stirbt, sind Monacos Kassen leer.

Der letzte Grimaldi

Der neue Fürst Antoine I. (1661–1731) ist in Paris und Versailles aufgewachsen und verkörpert ganz den typischen französischen Höfling. Wie sein Vater ist er Offizier in der französischen Armee, nimmt an großen Schlachten teil und wird für seine Verdienste hoch dekoriert. Zur Belohnung sucht ihm Ludwig XIV. die passende Braut aus: Prinzessin Marie von Lothringen, eine Schwägerin des Königs. Damit haben die Grimaldis die bis dahin höchste Stufe auf der Adelsleiter erklommen.

Als Antoine 1701 im Alter von 41 Jahren den Thron besteigt, interessiert er sich kaum für seinen Staat, sondern widmet sich mit Leib und Seele der Kunst. Der beachtliche Cembalovirtuose, Flötenspieler und Dirigent renoviert seinen Palast aufwändig im neuen Rokoko-Stil und lädt die feine Pariser Gesellschaft zu Hausmusikabenden ein. Dort spielt das erste weibliche Quintett Frankreichs auf, bestehend aus Antoines fünf Töchtern.

Das ist auch genau das Problem: Nach fünf Mädchen ist es plötzlich mit dem Kindersegen vorbei. Der männliche Erbe bleibt aus. Die leidgeplagte Mutter muss also nach einer anderen Lösung suchen. Gemäß der testamentarischen Regelung findet sie einen adeligen Bräutigam, der bereit ist, nach der Hochzeit seinen Namen abzulegen und als Fürst von Monaco seiner Frau als Regentin beizustehen. Die Summe, die Graf Jacques Françoise Léonor de Goyon von Thorigny, Sire de Matignon, für diese Gefälligkeit verlangt, ist hoch: Sie beläuft sich auf rund 200 000 Goldmünzen. Wenn die |31|Grimaldis ihre Dynastie erhalten wollen, bleibt ihnen keine andere Wahl, als zu zahlen.

Im Jahre 1731 segnet der kunstbegeisterte Fürst Antoine im Alter von 70 Jahren das Zeitliche. Mit ihm stirbt mangels eines männlichen Erben die Grimaldi-Linie aus. Zwar hatte der Fürst einen unehelichen Sohn mit einer Schauspielerin gezeugt, doch der kommt als Thronfolger nicht in Frage. Das weckt gewisse Erinnerungen an den heutigen Monarchen, den ewigen Junggesellen Albert II.

Ritter Carlo – ein bürgerlicher Adoptivgrimaldi

Antoines illegitimer Nachwuchs, nach ihm Antoine Carlo getauft, wird von der Familie mehr oder minder adoptiert und erhält den Titel »Cavalier du Monaco«. Ihm ist es zu verdanken, dass Monaco trotz der fortgesetzten Ausschweifung nicht bankrott geht. Als eine Art Schatzmeister kümmert er sich um den Handel, während das Fürstenpaar sorglos in Saus und Braus lebt. Er lässt an den karstigen Hängen Monacos Blumen, Oliven und Zitrusfrüchte anpflanzen. Aus China führt er Seidenraupen ein, um den kostbaren Rohstoff in Monaco selbst zu gewinnen. Ein aufwändiges Unterfangen verknüpft mit einer langwierigen Expedition ins Ursprungsland dieses Stoffes. Denn die Seidenraupen in Frankreich sind von Züchtern als kostbares Gut geschützt, wie später in Brasilien der Samen der Kautschukbäume, Naturrohstoff für Gummi. Dem Seidenraupenräubern droht, falls sie erwischt werden, die Verbannung auf die Teufelsinsel. So musste Ritter Carlo auch den genauen Nachweis erbringen, woher seine gewebespinnenden Tiere herstammen.

Nachdem die schöne Regentin Hippolyte schon im Jahr 1733 von einer Pockenepedemie dahingerafft wird, ist er es, der die Vormundschaft des erst dreizehnjährigen Thronfolgers Honoré III. (1720–1795) übernimmt. Standesgemäß schickt er ihn nach Paris an den Hof Ludwigs XV. und sorgt dafür, dass seine Schatulle gut gefüllt bleibt. Auch wenn Honoré III. nur noch dem Namen nach |32|zur Grimaldi-Sippe gehört, schlägt er in alter Familientradition eine militärische Laufbahn ein. Nach dem Vorbild seines Königs führt er ein ausschweifendes Leben. Ein Jahrzehnt lang hat er ein Verhältnis zu einer älteren italienischen Adeligen namens Marquise de Brignole. Als diese sich nicht von ihrem reichen Ehemann, einem Senator der Stadt Genua trennt, heiratet er kurzerhand deren Tochter, um seinen Thronfolger zu zeugen. Die Schwiegermutter lebt natürlich unter einem Dach mit der jungen Familie.

Das vorläufige Ende des Fürstentums

Den Grimaldis geht es nicht anders als ihren Herren, den Bourbonen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sind die Kassen endgültig leer, doch die Kunstsammlung erreicht mit geschätzten 1 300 Gemälden, darunter zahllosen Raffaels, Michelangelos, Tizians, Rubens und van Dycks königliche Ausmaße. Die Schatzkammer der Grimaldis gehört zu den am besten gefüllten in ganz Frankreich, ihr Palast zu den prunkvollsten. Doch der schwache und kränkliche Monarch Honoré IV. lebt nur noch in Paris und weiß gar nicht, wie es um sein schönes Reich am Mittelmeer bestellt ist.

Die Französische Revolution setzt dem dekadenten Treiben vorerst ein Ende. Auch im Fürstentum formiert sich ein revolutionärer Bürgerrat, der mit den hier stationierten französischen Garnisonssoldaten den Anschluss an Frankreich und die Enteignung aller fürstlichen Besitztümer fordert. Die Konsequenzen sind drastisch: Die Galerie wird geplündert, versteigert und in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Die Jakobiner streichen den Grimaldis sämtliche Adelstitel und 1793 verschwindet sogar der Name Monaco von der Landkarte. Der Ort heißt fortan nur noch schlicht Port Hercule.

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|33|3. Die Glücksritter

Der Wind pfeift durch alle Ritzen. Nichts von dem, was man um das Jahr 1800 in Monacos Palast vorfindet, zeugt von der früheren Pracht. Die Fenster sind kaputt und mit Brettern vernagelt, in den Rahmen fehlen die Türen. Die Soldaten der französischen Revolution haben das kunstvoll geschnitzte Holz verfeuert. Die venezianischen Fresken sind vom Wassereinbruch verwaschen und vom Ruß geschwärzt. Die kostbaren Möbel sind verschwunden. Die Sammlung der Kunstwerke wurde gestohlen oder zu lächerlichen Schleuderpreisen verscherbelt. In den Ecken der geplünderten Räumen häuft sich der Kot. Zum Glück wurde kein Feuer gelegt, wie in anderen französischen Schlössern. Fürst Honoré IV. und seine Familie, nunmehr schlichte Bürger, wohnen längst nicht mehr hier, sondern in Paris, wo sie in der heutigen Avenue de Malakoff noch ein Haus besitzen. Dort können die Grimaldis, die jetzt bürgerlich Monaco heißen, einige Zimmer vermieten. Dadurch geht es ihnen doch etwas besser als Abertausenden von Aristokraten, die buchstäblich auf den Bettelstab gekommen sind.

Solche Leute, die in den Wirren der Revolution alles verloren haben, schart Napoleon Bonaparte 1804 um sich, als er den Kaiserthron besteigt. Einer der Günstlinge der ersten Stunden ist Joseph Monaco, dessen österreichische Frau Françoise-Thérese auf der Guillotine enthauptet wurde. Er kehrt aus dem englischen Exil zurück und tritt ins kaiserliche Regiment ein. Nach zehnjährigem Dienst und Beförderung in die Leibgarde des Kaisers zeigt sich Napoleon erkenntlich: Die Grimaldis erhalten ihre Adelstitel und ihr Fürstentum zurück. Außenminister Talleyrand, einst Napoleons außenpolitisch wichtigstes Kabinettsmitglied, der sich auch in die Nachfolgeregierung |34|herüberretten konnte, stellt am 30. Mai 1814 in Paris einen neuen Staatsvertrag aus. Port Hercule heißt jetzt wieder Monaco.