Die neuen Mächte – New Power - Jeremy Heimans - E-Book

Die neuen Mächte – New Power E-Book

Jeremy Heimans

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Beschreibung

New Power vs. Old Power – wer setzt sich durch?

In Wirtschaft und Politik findet vor unseren Augen eine dramatische Umwälzung statt, deren konkrete Folgen wir jeden Tag spüren: Es etablieren sich zunehmend Machtstrukturen, die nicht mehr auf Autorität, Zentralisierung und exklusivem Zugang zu Ressourcen basieren (OLD POWER), sondern auf Community, Crowd-Funding und Dezentralisierung (NEW POWER). Jeremy Heimans und Henry Timms zeigen an vielen Beispielen, von AirBnB bis Uber, von der Trump-Kampagne bis zum IS, was genau diese Machtverschiebung bedeutet – und welche Ideen, Bewegungen und Unternehmen die vernetzte Welt dominieren werden.

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Über das Buch

New Power vs. Old Power – wer setzt sich durch?

In Wirtschaft und Politik findet vor unseren Augen eine dramatische Umwälzung statt, deren konkrete Folgen wir jeden Tag spüren: Es etablieren sich zunehmend Machtstrukturen, die nicht mehr auf Autorität, Zentralisierung und exklusivem Zugang zu Ressourcen basieren (OLD POWER), sondern auf Community, Crowdfunding und Dezentralisierung (NEW POWER). Jeremy Heimans und Henry Timms zeigen an vielen Beispielen, von Airbnb bis Uber, von der Trump-Kampagne bis zum IS, was genau diese Machtverschiebung bedeutet – und welche Ideen, Bewegungen und Unternehmen die vernetzte Welt dominieren werden.

Über die Autoren

Jeremy Heimans ist Mitbegründer und CEO von Purpose, einer gemeinnützigen Organisation, die sich auf den Aufbau und die Unterstützung sozialer Bewegungen weltweit spezialisiert hat. Jeremy hat sich schon immer engagiert, 2005 war er Mitgründer von GetUp, einer politischen Organisation in Australien mit mehr Mitgliedern als alle politischen Parteien Australiens zusammen. Außerdem ist er Mitgründer von Avaaz, einer globalen Abstimmungs- und Beteiligungsplattform zur Organisation politischer Kampagnen, und der Plattform All Out, die sich für die Rechte der LGBTQ einsetzt. Als Pionier von Bewegungen wurde er mit dem Visionärspreis anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Ford Foundation ausgezeichnet. Vom Magazin Fast Company wurde er in die Liste der kreativsten Personen der Branche aufgenommen.

Henry Timms ist Präsident und CEO von 92nd Street Y, einem Kultur- und Stadtteilzentrum, das Programme zur Bildung der Bürger und zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements entwickelt. Unter seiner Leitung wurde die 144 Jahre alte Einrichtung in die Liste der »innovativsten Unternehmen« des Magazins Fast Company aufgenommen. Henry ist Mitgründer von #GivingTuesday, einer globalen Wohltätigkeitsbewegung, die Menschen in fast 100 Ländern zusammenbringt und Millionen Dollar an Spenden gesammelt hat. Er ist Gastdozent am Stanford PACS Center on Philanthropy and Civil Society.

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JEREMY HEIMANS

HENRY TIMMS

DIE

NEUEN

MÄCHTE

NEW

POWER

Warum vernetzte Ideen und Bewegungen die alten Machtstrukturen verändern – und wie wir dies für uns nutzen können

Aus dem Englischen von

Heike Schlatterer und Sigrid Schmid

Die Originalausgabe erschien 2018

unter dem Titel New Power: How Power Works in Our Hyperconnected World – and How to Make It Work for You bei Doubleday,

Penguin Random House LLC, New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © der Originalausgabe 2018 Jeremy Heimans und Henry Timms

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2018

Siedler Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Fabian Bergmann

Grafik: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Covergestaltung: Favoritbuero, Münchennach einem Entwurf von Pete Garceau

Covermotiv: shutterstock/RFV

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-19789-6 V002

www.siedler-verlag.de

Für Brock

Für Colleen, Callie und Josiah

1

Willkommen in der Welt der neuen Machtverhältnisse

Macht ist, wie es der Philosoph Bertrand Russell formuliert, »die Fähigkeit, beabsichtigte Ziele zu erreichen«.1

Diese Fähigkeit besitzen wir heute. Wir haben die Möglichkeit, Filme zu drehen, Freunde zu finden oder Geld zu verdienen; Hoffnung oder Ideen zu verbreiten; eine Gemeinschaft aufzubauen oder gleich eine ganze Bewegung; Desinformationen zu verbreiten oder Gewalt zu propagieren – und das alles in einem viel größeren Ausmaß und mit einer potenziell höheren Wirkung als noch vor wenigen Jahren.

Das liegt gewiss auch an der Technologie, die sich verändert hat. Doch die tiefere Wahrheit lautet, dass wir uns verändern. Unser Verhalten und unsere Erwartungen sind dabei, sich zu verändern. Und diejenigen, die erkannt haben, wie man all diese Energien und Bedürfnisse kanalisiert, erreichen Russells »beabsichtigte Ziele« auf neue und außergewöhnlich einflussreiche Weise.

Man muss nur an die neuen digitalen Fürsten in ihren Hoodies denken, die über Online-Plattformen mit einer Milliarde Nutzer gebieten und tagtäglich unsere Gewohnheiten, Gefühle und Meinungen beeinflussen. An die Politneulinge, die eine leidenschaftliche Anhängerschaft mobilisiert und verblüffende Wahlsiege errungen haben. An die ganz normalen Menschen und Organisationen, die in dieser chaotischen, hypervernetzten Welt einen großen Sprung nach vorne machen – während andere auf der Strecke bleiben.

In diesem Buch geht es um die Frage, wie man sich in einer Welt zurechtfindet und Erfolg hat, die von der Auseinandersetzung und der Ausbalancierung zweier starker Kräfte definiert wird. Wir nennen diese Kräfte Old Power, alte Macht, und New Power, neue Macht.

Old Power funktioniert wie eine Währung. Nur wenige verfügen darüber. Wenn man sie erst einmal errungen hat, hütet man sie eifersüchtig. Die Mächtigen verfügen über eine beträchtliche Menge, die sie einsetzen können. Die alte Macht ist abgeschottet, unzugänglich und von oben gesteuert. Sie erlaubt nur Konsum und ist vereinnahmend.

New Power funktioniert anders, wie die Strömung eines Flusses oder elektrischer Strom. Sie wird von vielen geschaffen. Sie ist offen, bietet Möglichkeiten der Beteiligung und wird von Gleichrangigen gesteuert. Sie lebt von den Beiträgen vieler und verteilt sich. Wie Wasser oder Strom ist sie am stärksten, wenn sie anschwillt. Das Ziel bei der neuen Macht besteht nicht darin, sie zu horten, sondern sie zu kanalisieren.

Drei ganz unterschiedliche Beispiele sollen nun die Funktionsweise der alten und der neuen Macht beleuchten.

#MeToo gegen Harvey Weinstein

Jahr für Jahr herrschte Filmproduzent Harvey Weinstein wie ein Gott über die Preisverleihungen in Hollywood.

Tatsächlich lag er von 1966 bis 2016 sogar gleichauf mit Gott; zumindest wurde sein Name in den Dankesreden bei den Oscar-Verleihungen genauso oft genannt – insgesamt 34 Mal.2 Seine Filme erhielten über 300 Oscar-Nominierungen.3 Die Queen verlieh ihm einen Orden und ernannte ihn ehrenhalber zum Commander of the British Empire.4

Weinstein hortete seine Macht und nutzte sie wie eine Währung, um seine angesehene Position zu wahren: Er konnte jemanden zum Star machen oder ruinieren, er hatte enormen persönlichen Einfluss, um einem Projekt grünes Licht zu geben oder es zu blockieren. Er war Herr über das Wohl und Wehe einer ganzen Branche – und im Austausch dafür schützte ihn diese Branche jahrzehntelang, selbst als Gerüchte und Andeutungen über sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen aufkamen. Er kontrollierte die Medien mittels einer für beide Seiten profitablen Beziehung, die auf den Gefälligkeiten und dem Zugang basierte, die er gewährte.5 Für eine Fernsehdokumentation über einen zu Unrecht inhaftierten Teenager erhielt er 2017 sogar den »Truthteller«-Preis des Los Angeles Press Club, mit dem er für seinen Beitrag zu »öffentlichem Diskurs und kultureller Aufklärung« als »Verkünder der Wahrheit« gewürdigt wurde.

Weinstein umgab sich mit einem Heer von Anwälten, die stets bereit waren, Verschwiegenheitserklärungen von seinen Mitarbeitern einzufordern und Kläger, wenn nötig, mit Geld zum Schweigen zu bringen.6 Er heuerte private Sicherheitsdienste an, bei denen ehemalige Spione beschäftigt waren, um Frauen und Journalisten zu bespitzeln, die Anschuldigungen gegen ihn erhoben. Die Frauen, denen er nachstellte, hielten aus begründeter Angst um ihre Karriere meist ohnehin den Mund, während die Männer, die aktiv hätten werden können, nichts unternahmen, weil sie nicht bereit waren, ihre eigene Macht für eine Auseinandersetzung aufs Spiel zu setzen.

Wenn Harvey Weinstein und das abgeschottete, hierarchische System, das ihn stützte, ein bekanntes Beispiel für Old Power darstellen, dann sind sein Sturz und vor allem die anschließenden Ereignisse ein Beispiel dafür, wie New Power funktioniert und welche Bedeutung sie hat.

Kurz nachdem die Vorwürfe gegen Weinstein bekannt geworden waren, verwendete die Schauspielerin Alyssa Milano den Hashtag #MeToo, um Frauen zu ermutigen, ihre eigenen Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen auf Twitter zu teilen. Auf die Aktion wurde auch Terri Conn aufmerksam. Als aufstrebende junge Schauspielerin, die in einer Seifenoper mitwirkte, war Conn vom Regisseur James Toback aufgefordert worden, sich mit ihm im Central Park zu treffen, weil er angeblich mit ihr über eine Rolle sprechen wollte. Dort, so berichtete sie CNN, sei er sexuell übergriffig geworden.7

Jahrelang sprach sie mit niemandem darüber. Doch mit dem Weinstein-Skandal in den Medien und der entstehenden #MeToo-Bewegung kam die alte Geschichte wieder in ihr hoch. Endlich erzählte sie ihrem Mann davon und wurde aktiv. Sie begann, auf Twitter nach Frauen zu suchen, die sowohl den Hashtag #MeToo als auch #JamesToback verwendet hatten. So fand sie andere Frauen, deren Erlebnisse ihrer eigenen Erfahrung erschreckend glichen. Gemeinsam gründeten sie eine private Twitter-Gruppe, um sich gegenseitig zu unterstützen und weitere Frauen ausfindig zu machen, die Ähnliches durchgestanden hatten.8 Die Mitglieder der Gruppe wandten sich dann mit ihren Geschichten an einen Journalisten der Los Angeles Times. Wenige Tage nach dem Erscheinen des Artikels meldeten sich über 300 Frauen, die im Zusammenhang mit Toback ganz ähnliche Erfahrungen gemacht hatten.9

Conns Kampagne war eine von vielen. Binnen 48 Stunden wurde der Hashtag #MeToo in fast einer Million Tweets verwendet. Innerhalb eines Tages gab es dazu zwölf Millionen Kommentare, Posts und Reaktionen auf Facebook.10

Die #MeToo-Bewegung rauschte wie ein reißender Fluss um die Welt, wobei verschiedene Gruppen sie anpassten und für ihre eigenen Ziele nutzten. In Frankreich wurde daraus #BalanceTonPorc (Verpfeif dein Schwein), eine Kampagne, um die Täter beim Namen zu nennen und öffentlich anzuprangern.11 In Italien erzählten Frauen ihre Geschichte unter dem Stichwort #QuellaVoltaChe (Damals als). Kein Bereich blieb ausgespart. Weibliche US-Kongressabgeordnete berichteten, dass sie von ihren männlichen Kollegen belästigt worden waren. Der britische Verteidigungsminister musste zurücktreten.12 Auch das EU-Parlament hatte seinen #MeToo-Moment.13 Wirtschaftsbosse wurden bloßgestellt und zu Fall gebracht. Weltweit kam es in den Städten, von Paris bis Vancouver, zu Kundgebungen. In Indien debattierte man darüber, wie man das übergriffige Verhalten bekannter Professoren offenlegen könne.14 In China musste ein Artikel in der englischsprachigen Tageszeitung China Daily nach einer Welle des Protestes im Internet zurückgezogen werden, weil darin angedeutet worden war, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und sexuelle Übergriffe ein rein westliches Problem seien.15

Niemand führte diese Bewegung an, und niemand wusste, wie sie sich entwickeln würde. #MeToo war ein Jahrzehnt zuvor aus der Arbeit der Sozialaktivistin Tarana Burke entstanden, die Opfer sexuellen Missbrauchs, vor allem andere afroamerikanische Frauen, ermutigt hatte, ihre Erfahrungen mit anderen Betroffenen zu teilen.16 Doch nun wirkte die Bewegung herrenlos – was gleichzeitig ihre große Stärke war. Von geschäftstüchtigen Designern, die »MeToo«-Schmuck kreierten,17 bis zu aufstrebenden Politikern, die sich der #MeToo-Bewegung anschlossen, versuchte jeder, diese Energie zu nutzen.

Das Erstaunliche an #MeToo war jedoch das Gefühl der Macht, das die Beteiligten empfanden: Viele, die gedacht hatten, sie seien hilflos und könnten dem langjährigen Treiben der Täter nichts entgegensetzen, oder die Angst vor Vergeltung gehabt hatten, fanden plötzlich den Mut, sich zu wehren. Jede einzelne Geschichte wurde durch das Anschwellen des viel größeren Stroms gestärkt. Jede einzelne mutige Tat wurde im Grunde von vielen ausgeführt.

Patient(en) gegen Arzt

Verblüfft blickte der Arzt von seinem Computerbildschirm auf: »Wo haben Sie denn den Begriff her? Das ist meine Terminologie. Haben Sie Medizin studiert? Ich kann Sie nicht mehr als Patientin betrachten, wenn Sie weiter im Internet herumsuchen und Dinge erfahren, die Sie nicht wissen sollten.«

Und damit setzte der Arzt seine Patientin vor die Tür.

Der Stein des Anstoßes war der Begriff »tonisch-klonisch«. Seine Patientin hatte ihm gesagt, sie vermute, dass sie einen sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfall gehabt habe. (Zuvor hatten sie und ihr Arzt von »Ausfällen« gesprochen, regelmäßig auftretenden Anfällen, die sie sehr beunruhigt hatten.)

Von ihrer Krankheit hatte die Patientin durch PatientsLikeMe erfahren, eine Online-Plattform, bei der sich über 500 000 Personen mit über 2700 Erkrankungen austauschten und ihre persönlichen medizinischen Daten und Erfahrungen teilten, wodurch Millionen Datenpunkte entstanden.18 Man kann sich die Plattform als riesige Selbsthilfegruppe vorstellen, als lernende Gemeinschaft und Datensatz in einem. Patienten der Plattform haben sich sogar schon zusammengetan, um eigene Arzneimitteltests per Crowdsourcing zu organisieren, indem etwa eine Gruppe ALS-Patienten Lithium als Medikament in einem Bruchteil der Zeit testete, die die Gesundheitsbehörden benötigt hätten.

Letitia Browne-James, die ebenfalls Mitglied der Plattform ist, landete »aus Verzweiflung« bei PatientsLikeMe.19 Sie litt schon ihr ganzes Leben lang unter Epilepsie und hatte wiederkehrende schwere Anfälle, die immer schlimmer wurden und sie sehr belasteten. In jungen Jahren fürchtete sie, in der Schule oder Kirche einen Anfall zu bekommen, beim Theaterspielen oder Tanzen, oder später dann bei einer Verabredung.

Nachdem sie ihren zukünftigen Ehemann kennengelernt hatte, machte sie sich Sorgen wegen ihrer Hochzeit. »Ich betete und betete und bat Gott, mir zu helfen, dass ich den Tag ohne einen Anfall überstehen würde«, erzählte sie.

Da ihr Neurologe ihr immer wieder die gleichen altbekannten Medikamente verschrieb, beriet sie sich mit anderen Mitgliedern der Plattform und erfuhr, warum bestimmte Medikamente nicht wirkten. Sie erkundigte sich nach anderen möglichen Therapien und hörte von einem chirurgischen Eingriff am Gehirn, dem sich Epileptiker unterzogen. 83 Prozent ihrer Mitpatienten auf der Plattform berichteten positiv über die Operation, ihr Arzt hingegen hatte diese Möglichkeit ihr gegenüber noch nicht einmal angesprochen.

Also setzte diese Patientin ihren Arzt vor die Tür. Doch zuvor fragte sie ihn noch nach dem Namen eines Epileptologen – eines Facharztes für ihre Erkrankung, von dessen Existenz sie durch andere Patienten auf der Plattform erfahren hatte. Ihr Arzt blätterte die Unterlagen auf seinem Schreibtisch durch und nannte ihr einen Namen. Sie war entsetzt. »Er hatte die Information die ganze Zeit vor sich liegen«, sagte sie.

Letitia ließ sich operieren. Seit fünf Jahren hatte sie mittlerweile keinen Anfall mehr. Und sie hat viele andere Epileptiker auf PatientsLikeMe betreut und ihnen geholfen, die Kontrolle über ihre Behandlung in die eigene Hand zu nehmen.

Die Ärzte in diesen beiden Beispielen leben in einer Welt, die sich auf die alte Macht stützt. Sie haben eine harte Ausbildung hinter sich, um sich ihr Fachwissen anzueignen. Und das aus gutem Grund: Bei ihrer Arbeit geht es oft um Leben und Tod. Doch dabei haben sie sich daran gewöhnt, die Hüter des medizinischen Wissens zu sein und sich von ihren Patienten durch einen mit Bindestrichen gespickten Fachwortschatz und unergründliche Verschreibungen abzuheben. Aber die Patienten haben die neue Macht entdeckt. Sie werden aktiv, arbeiten an der Verbesserung ihrer Situation, umgeben – und unterstützt – von einer Gruppe Gleichgesinnter. Sie probieren Therapien aus, schicken sich Zeitschriftenartikel zu und verfolgen die Fortschritte der anderen. Sie tauschen ihre Daten und Ideen aus und bezeugen einander ihr Mitgefühl. Ihr Horizont hat sich deutlich erweitert – und kein Arzt kann diesen Geist wieder zurück in die Flasche bekommen.

Schülerin gegen Außenministerium

Aqsa Mahmood wuchs in einer gemäßigten muslimischen Familie in Schottland auf. Sie ging auf gute private Schulen und war ein begeisterter Fan von Harry Potter. Sie wurde als Mädchen beschrieben, das nicht einmal wusste, wie man mit dem Bus ins Stadtzentrum von Glasgow kommt.20

Und doch wurde sie zur »Kinderzimmer-Radikalen« und geriet in ein dunkles Online-System voller zugkräftiger Inhalte und verführerischer Rekrutierer. Und eines Tages im November verschwand die 19-Jährige einfach. Ihre Eltern hörten erst wieder vier Tage später von ihr, als sie von der syrischen Grenze aus anrief.

Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Aqsa wurde nicht nur vom IS angeworben, sondern rekrutierte ihrerseits mithilfe von Online-Tools andere Mädchen, damit diese ihrem Beispiel folgten. Sie baute ein engmaschiges Netzwerk auf, in dem sie Mädchen und Frauen, die als Dschihadistinnen kämpfen wollten, ermutigte und mit praktischen Ratschlägen versah, wenn sie sich auf ihre Reise nach Syrien vorbereiteten: »Wenn ich mich auf einen wichtigen Tipp beschränken müsste, dann wäre es Bio-Kokosöl (vielleicht bringt ihr mir auch gleich noch eine Flasche mit lol). Das ist unglaublich nützlich und vielseitig einsetzbar – als Körpercreme/Haaröl etc.«21 Als drei ganz normale und beliebte Mädchen aus dem Londoner Stadtteil Bethnal Green ihren eigenen Aufbruch nach Syrien planten, wandten sie sich über Twitter an Aqsa Mahmood.22

Während Aqsa intime Peer-to-Peer-Methoden anwandte, um Rekrutinnen anzuwerben, nutzten US-Behörden einen ganz anderen Ansatz beim Versuch, sie wieder davon abzubringen. Sie ließen Tausende Karikaturen drucken, auf denen IS-Rekruten in einen Fleischwolf geschoben wurden, und diese dann von F-16-Kampfjets über IS-Stellungen in Syrien abwerfen (ein Ansatz, der zum ersten Mal vor über 100 Jahren im Ersten Weltkrieg verwendet wurde).23 Die US-Behörden versuchten es auch digital, um mit der Internetgewandtheit des Islamischen Staates mitzuhalten, und richteten einen ziemlich herrischen Twitter-Account ein – selbst das unheilschwangere Emblem des US-Außenministeriums fehlte nicht. Darin wurden potenzielle Dschihad-Kämpfer aufgefordert: »Denk noch mal nach, wende dich ab!«24 Das klingt nicht sonderlich überzeugend, um radikalisierte junge Menschen vor dem letzten entscheidenden Schritt zu bewahren.

Hier sehen wir wieder, wie Old und New Power aufeinandertreffen. Die US-Regierung vertraute auf die bewährten Spielregeln der alten Macht und nutzte ihre überlegene Position, um im wahrsten Sinne des Wortes von oben herab Argumente vorzubringen. Selbst bei der Nutzung Sozialer Medien folgt sie dem bisherigen Standard und erteilt lieber Befehle, anstatt die Menschen an sich zu binden. Aqsa macht das ganz anders. Ihr improvisiertes, Metastasen bildendes Netzwerk ist auf Beteiligung und Gleichrangigkeit ausgerichtet. Es gibt keine Hierarchie von oben nach unten, der Austausch findet unter Gleichgestellten statt, von einem Mädchen zum anderen. Das ist die neue Macht in ihrer effektivsten und erschreckendsten Variante.

Die Elemente von New Power

Die #MeToo-Bewegung, die mündigen Patienten und die schottische Schülerin haben eins gemeinsam: Sie erkannten, wie man die heute zur Verfügung stehenden Instrumente nutzt, um einen wachsenden Wunsch nach Beteiligung zu kanalisieren.

Der Mensch wollte schon immer an der Welt teilhaben. In der gesamten Menschheitsgeschichte entstanden immer wieder Bewegungen, organisierten sich Menschen und bauten gemeinschaftliche Strukturen für Kultur und Handel auf. Es gab immer eine Dialektik zwischen dem »von unten nach oben« und dem »von oben nach unten«, zwischen Hierarchien und Netzwerken.

Doch bis vor Kurzem waren unsere Möglichkeiten der Beteiligung und des Engagements beschränkt. Erst mit der heute allgegenwärtigen Vernetzung können wir uns versammeln und organisieren, unabhängig von geografischen Grenzen, völlig dezentral und mit noch nie da gewesener Geschwindigkeit und Reichweite. Diese Hypervernetzung hat neue Modelle und Denkweisen hervorgebracht, die unsere Zeit prägen, wie wir auf den kommenden Seiten sehen werden. Das ist das »Neue« an der neuen Macht.

Ein beliebter Thread bei Reddit, einer Internetplattform, auf der man Links und Inhalte teilen kann, sind Erinnerungen an die Kindheit und Jugend in den Neunzigerjahren, als sich das Leben noch ganz anders anfühlte. Wer dabei war, kann dank der Posts in Nostalgie schwelgen.25 Wer damals noch nicht geboren war, erfährt Geschichten aus einer fremdartigen Welt: Die Anspannung und Vorfreude, mit der man das eigene Foto fürs Jahrbuch der Highschool erwartete, weil es »das einzige Mal war, dass man ein Foto von sich und seinen Freunden in der Schule sah«. Man hatte nur einen Versuch und wusste nicht, ob das Bild etwas geworden war. Die Nervosität, wenn man beim lokalen Radiosender anrief, sich sein Lieblingslied wünschte und dann mit dem Finger auf der Aufnahmetaste des Kassettenrekorders darauf wartete, dass es gespielt wurde. Die Aufregung, wenn man auf dem Heimweg einen Zwischenstopp in der Videothek einlegte und sich einen Blockbuster-Film auslieh. Die Frustration, wenn man in der Bibliothek feststellte, dass das Buch, das man unbedingt brauchte, bereits entliehen war oder »sich im Regal befinden sollte, aber nicht auffindbar ist«. Der Verdruss bei den Matheaufgaben, wenn man keinen Taschenrechner benutzen durfte und die unerschütterliche Begründung zu hören bekam: »Später wirst du auch nicht immer einen Taschenrechner zur Hand haben, wenn du ihn brauchst.«

Natürlich haben wir heute viel mehr als einen Taschenrechner zur Hand. In der Welt von heute haben wir (wortwörtlich) etwas in der Hand, was man als neues Instrument der Partizipation betrachten kann. Und dieses Instrument verändert nicht nur, was wir tun können, sondern auch unsere Vorstellung davon, wie wir uns beteiligen und engagieren.

Diese neuen Instrumente der Partizipation – und das damit verbundene verstärkte Gefühl der Handlungsfähigkeit – sind ein wichtiger Bestandteil einiger der einflussreichsten Modelle unserer Zeit: von großen Unternehmen wie Airbnb und Uber, WeChat in China oder Facebook, Protestbewegungen wie Black Lives Matter, Open-Source-Software-Systemen wie GitHub und Terroristennetzwerken wie IS. Sie alle kanalisieren die neue Macht.

Stellen Sie sich diese als New-Power-Modelle vor. Die Modelle der neuen Macht werden durch die Aktivitäten vieler ermöglicht – ohne sie wären diese Modelle nur leere Hüllen. Die Old-Power-Modelle hingegen werden durch das ermöglicht, was Personen oder Organisationen besitzen, wissen oder kontrollieren und was niemand anderes hat – wenn sie das verlieren, büßen sie auch ihren Vorteil ein. Old-Power-Modelle verlangen von uns nur, dass wir uns fügen (unsere Steuern zahlen, die Hausaufgaben machen) und konsumieren. New-Power-Modelle verlangen und erlauben mehr: dass wir unsere Ideen teilen, neue Inhalte kreieren (etwa auf YouTube), Vermögenswerte schaffen (wie auf Etsy) oder eine Gemeinschaft aufbauen (wie zum Beispiel die wachsenden digitalen Bewegungen, die sich gegen die Präsidentschaft Trumps wehren).

Um den grundlegenden Unterschied zwischen den Old-Power- und den New-Power-Modellen zu begreifen, muss man nur an den Unterschied zwischen den zwei größten Computerspielen aller Zeiten denken, zwischen Tetris und Minecraft.

Wahrscheinlich erinnern Sie sich noch an das auf blockförmigen Spielsteinen basierende Tetris, das mit dem Gameboy-Boom in den Neunzigern enorme Erfolge feierte. Der Spielverlauf ist einfach. Vom oberen Bildschirmrand fallen Blöcke herunter, die der Spieler durch Drehen und Verschieben möglichst lückenlos in horizontale Reihen am unteren Rand einfügen muss. Die Blöcke fallen immer schneller, bis der Spieler nicht mehr mithalten kann. Wie beim Old-Power-Modell kommt dem Spieler nur eine begrenzte Rolle zu, außerdem siegt am Ende immer das System.

Die New-Power-Modelle funktionieren wie Minecraft, das heute das zweitgrößte Spiel aller Zeiten ist. Wie Tetris basiert es auf klobigen Blöcken. Doch der Spielverlauf ist ganz anders. Er beruht nicht auf einem Konzept von oben nach unten und der Einhaltung bestimmter Regeln, sondern ist von unten nach oben aufgebaut. Spieler auf der ganzen Welt kreieren gemeinsam eigene Welten, Block für Block. Das Spiel stützt sich komplett auf partizipatorische Energie. In der Welt von Minecraft findet man Häuser, Tempel und Supermärkte; Drachen, Höhlen, Boote, Bauernhöfe und Achterbahnen; funktionierende, von Ingenieuren konstruierte Computer; Waldbrände, Kerker, Kinos, Hühner und Stadien. Die Spieler legen die Regeln fest und schaffen ihre eigenen Aufgaben. Es gibt keine »Spielanleitung«; die Spieler lernen vom Beispiel der anderen – und oft auch anhand selbst gedrehter Videos. Einige Spieler (sogenannte »Modder«) haben sogar die Möglichkeit, das Spiel an sich zu verändern. Ohne die Aktionen der Spieler ist Minecraft öde. Ein wichtiger Teil der Dynamik unserer heutigen Welt basiert auf dem gegenseitigen Unverständnis zwischen denen, die in der Tetris-Tradition aufwuchsen, und jenen, die mit Minecraft groß wurden.

Das Ziel des Buches

Die Zukunft wird vom Kampf um Mobilisierung geprägt sein. Erfolg werden die Menschen, Führungskräfte und Organisationen haben, die die partizipatorische Energie in ihrem Umfeld am besten kanalisieren können – zum Guten, zum Schlechten und zum Banalen.

Die Bedeutung für uns und unseren Alltag

Seit wir zum ersten Mal in der Harvard Business Review über diese Ideen schrieben, haben Menschen in ganz unterschiedlichen Bereichen sie dazu genutzt, sich ihre eigene Welt neu zu denken – von Bibliothekaren über Diplomaten bis zu Beschäftigten im Gesundheitswesen –, was für uns sehr inspirierend war. In den kommenden Kapiteln werden wir Geschichten über Organisationen und Personen erzählen, die diese neue Dynamik verstanden haben. Wir werden zeigen, wie das Unternehmen Lego die Marke rettete, indem es sich an die Kunden wandte. Wir untersuchen, wie sich TED von einer exklusiven Konferenz zu einer der größten Ideengemeinschaften der Welt entwickelte. Und wir sehen uns an, wie Papst Franziskus versucht, den Charakter seiner Kirche zu verändern, indem er seinen Schäfchen mehr Macht gibt.

Wir werden auch einige weniger bekannte Beispiele vorstellen: Krankenschwestern, die sich zusammentun, um die Bürokratie zu verringern und das Leben der Patienten zu verbessern (und die dadurch mehr Befriedigung aus ihrer Arbeit ziehen); eine Autofirma, die sich beim Fahrzeugdesign an ihre Kunden wendet; ein erfolgreiches Medienunternehmen, das von seinen eigenen Lesern aufgebaut, finanziert und gestaltet wird.

Ob man nun ein Historiker ist, der in einer postfaktischen Welt andere an seinem Wissen teilhaben lassen will, eine engagierte Mutter, die sich für den örtlichen Schulausschuss bewirbt, oder ein Entwickler, der sein neues Produkt an den Start bringen will, es gibt eine Vielzahl neuer Fähigkeiten, die Personen und Unternehmen für sich entdecken müssen.

Die fraglichen Fertigkeiten werden oft falsch verstanden, als Fähigkeit, sich selbst bei Facebook in Szene zu setzen oder als Snapchat für Dummies. Doch bei der neuen Macht geht es um viel mehr als neue Instrumente und Technologien. Wie das Beispiel des amerikanischen Außenministeriums im erfolglosen Ringen mit dem IS im Internet zeigt, nutzen viele die neuen Mittel der Beteiligung auf die gleiche Art wie die Instrumente der alten Macht. In unserem Buch geht es um einen anderen Ansatz der Machtausübung und ein anderes Denken, die immer eingesetzt werden können, auch wenn bestimmte Instrumente und Plattformen kommen und gehen. Wie schafft man Ideen, die von der Menge übernommen, von ihr stärker gemacht und weiterverbreitet werden? Wie arbeitet man effektiv in einer Organisation, in der die (möglicherweise jüngeren) Kollegen bereits New-Power-Werte wie radikale Transparenz oder konstantes Feedback verinnerlicht haben? Wie inspiriert und begeistert man immer wieder eine anhaltend große, treue Anhängerschaft in einer Zeit, in der Bindungen deutlich lockerer und unbeständiger sind? Wie wechselt man zwischen alter und neuer Macht hin und her? Warum sollte man die alte und die neue Macht überhaupt verbinden? Und wann wird die alte Macht wirklich bessere Ergebnisse zeigen? Diese – und weitere – Fragen werden wir beantworten und uns dabei auf inspirierende Erfolgsgeschichten der neuen Macht (und auch auf einige abschreckende Beispiele) stützen.

Die Bedeutung für die Gesellschaft an sich

Die neue Macht wird Bestand haben und in vielen Bereichen weiter an Bedeutung gewinnen. In den richtigen Händen kann sie Wunder wirken: Medikamententests auf Grundlage von Crowdsourcing; schnell wachsende Bewegungen im Namen der Liebe und Empathie. Doch wenn sie in die falschen Hände gerät, kann sie enormen Schaden anrichten, wie das Beispiel IS oder die wachsende Zahl der Anhänger der die Überlegenheit und Vorherrschaft der Weißen propagierenden White-Supremacy-Bewegung in den USA zeigen. Die Instrumente, die uns näher zusammenbringen, können uns auch auseinandertreiben. Die Gründer und Betreiber großer Plattformen, die nach dem New-Power-Prinzip funktionieren, bilden unsere neuen Eliten. Die Anführer verwenden oft die Sprache der Crowd – »Sharing«, »open«, »vernetzt« –, doch ihr Handeln erzählt eine andere Geschichte. Denken wir beispielsweise an Facebook, die New-Power-Plattform, die die meisten von uns am besten kennen. Trotz all der Likes und Smileys, die wir mithilfe der (wie Facebook das nennt) »Macht zu teilen« schaffen, bekommen die zwei Milliarden Nutzer nichts von dem enormen wirtschaftlichen Wert ab, den die Plattform erzeugt. Sie haben auch kein Mitspracherecht, wie die Plattform verwaltet wird, und erhalten keinen Einblick in die Funktionsweise des Algorithmus, der nachweislich unsere Stimmung, unsere Selbstachtung und sogar Wahlen beeinflusst. Das Internet hat sich weit entfernt von dem organischen Paradies, das sich die frühen Internetpioniere einst vorstellten und in dem sich jeder frei entfalten konnte. Heute hat man den Eindruck, dass wir in einer Welt der Beteiligungs-Farmen leben, in der wenige große Plattformen Milliarden Menschen mit ihren täglichen Aktivitäten wie auf einer eingezäunten Weide zusammengeführt haben und die Informationen für ihren eigenen Gewinn abernten.

Auch für die Demokratie steht viel auf dem Spiel. Viele hofften, dass es genügen werde, wenn die Wogen in den Sozialen Medien hochschlügen, um Diktatoren zu stürzen. Doch tatsächlich ist in vielen Teilen der Welt eine neue Form des »starken Mannes« im Kommen, der sich genau die Werkzeuge zunutze macht, von denen viele dachten, sie könnten nur einer Demokratisierung Vorschub leisten. Donald Trump zum Beispiel. Er wurde zum Anführer eines riesigen, dezentralen Heeres in den Sozialen Medien, das auf seine Stichworte reagierte – und ihn umgekehrt mit neuen Narrativen und Angriffstaktiken versorgte. Eine sehr symbiotische Beziehung. Er leitete die Tweets seiner extremsten Unterstützer weiter.26 Er bot an, die Anwaltskosten für Anhänger zu übernehmen, die Protestierende bei seinen Wahlkampfveranstaltungen verprügelten.27 Er verlangte von seinen Anhängern erst gar nicht, dass sie sich mit seinem Programm auseinandersetzten, stattdessen band er sie dadurch eng an sich, dass er ihnen die Macht gab, für seine Werte aktiv zu werden. Stellen Sie sich ihn als »starken Mann« einer Plattform vor, der die New-Power-Techniken meistert, um autoritäre Ziele zu erreichen.

In den kommenden Kapiteln werden wir die Dynamik erklären, die Beteiligungs-Farmen und die »starken Männer« einer Plattform ermöglicht. Wir werden aber auch Beispiele für Gegenmittel nennen: die neuen Modelle, die Macht wirklich verlagern und sie an mehr Menschen verteilen, auch an die, die bisher am wenigsten Macht hatten. Wir werden Pionieren begegnen, die Möglichkeiten aufzeigen, wie man die Demokratie neu erfindet, anstatt sie zu untergraben, die neue Wege finden, um Bürger zu verändern und aus feindseligen Außenseitern Teilhaber und wertvolle Mitwirkende an der Arbeit der Regierung zu machen. Wir werden auch traditionelle Einrichtungen in wichtigen Bereichen der Gesellschaft betrachten, die gerade die schwierige Wende von der alten zur neuen Macht vollziehen. Wir hoffen, dass unser Buch diejenigen, die für eine offenere, demokratischere und pluralistischere Welt kämpfen, mit den Werkzeugen ausstattet, die sie benötigen.

Das Buch gründet auf unseren eigenen Erfahrungen bei der Erstellung von New-Power-Modellen und dem Versuch, Menschen stärker zu beteiligen. Henry startete unter #GivingTuesday einen Aktionstag, der durch das Internet zur Bewegung wurde und Hunderte Millionen Dollar für Wohltätigkeitsorganisationen weltweit sammelte.28 Jeremy rief bereits mit Mitte zwanzig in seiner Heimat Australien eine technologiegestützte politische Bewegung ins Leben, die zur größten des Landes wurde, und hat seitdem mit seiner Organisation Purpose in New York viele weitere Bewegungen auf den Weg gebracht.29 Wir kennen das Potenzial und die Fallstricke der neuen Macht aus erster Hand und wollen nun andere an unseren Erfahrungen teilhaben lassen. Gemeinsam und bei der Arbeit mit Unternehmen, Organisationen und Kommunen sind wir der Frage nachgegangen, was sich derzeit verändert, warum das so ist und was wir alle tun können.