Die Seelen der Toten - Ian Rankin - E-Book

Die Seelen der Toten E-Book

Ian Rankin

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Beschreibung

Die Seelen der Toten lassen Detective Inspector John Rebus keine Ruhe: In seinen nächtlichen Träumen sucht ihn sein kürzlich verstorbener Freund heim, und tagsüber plagt ihn sein schlechtes Gewissen. Denn er trägt die Hauptschuld daran, dass in einem Fall von Kindsmissbrauch der Täter bereits vor dem Prozess von Presse und Öffentlichkeit verurteilt wurde – eine heikle Situation für die Edinburgher Polizei. Zudem soll er den soeben aus dem Gefängnis entlassenen Serienmörder Cary Oakes überwachen. Doch Oakes setzt alles daran, sich Rebus zu entziehen, und beginnt ein makaberes Versteckspiel mit ihm ...

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Buch

Immer wieder plagen Detective Inspector John Rebus die Geister der Vergangenheit. Des Nachts sucht ihn sein kürzlich verstorbener Freund Jack Morton heim, tagsüber leidet Rebus unter seiner Hilflosigkeit angesichts seiner Tochter, die, durch einen Autounfall gelähmt, nun versucht, wieder in ihr altes Leben zurückzufinden. Doch auch die Probleme der Gegenwart lassen Rebus nicht zur Ruhe kommen. Im Edinburgher Zoo vergiftet ein Unbekannter die wehrlosen Tiere, und die Polizei setzt alles daran, diesen Verrückten auf frischer Tat zu ertappen. Doch statt den Täter mit dem angeblichen Hass auf Tiere zu stellen, überrascht Rebus einen Mann mit einer offensichtlichen Vorliebe für kleine Kinder. Als Rebus in dem anschließenden Prozess als Zeuge aussagt, verrät er der Presse vorab den Wohnsitz des überführten Mannes. In dem stadtbekannten sozialen Brennpunkt kommt es daraufhin zu wütenden Protesten, und die angeheizte Atmosphäre droht, in Gewalt umzuschlagen. Währenddessen taucht ein weiterer Verurteilter in Edinburgh auf: der Serienkiller Cary Oakes, der soeben aus einem U.S.-Gefängnis entlassen worden ist. Als sich die Presse auf den Fall Oakes stürzt, erhält Rebus den Auftrag, den Mann zu überwachen. Die Polizei kann es sich nicht leisten, dass noch ein Mensch Opfer der Öffentlichkeit wird, auch wenn es sich um einen verurteilten Mörder handelt. Oakes erkennt hingegen sofort seine Chance, mit Rebus ein gefährliches Versteckspiel zu beginnen  – zu seinem eigenen sadistischen Vergnügen …

Autor

Ian Rankin, 1960 im schottischen Fife geboren, gilt als der »führende Krimiautor Großbritanniens« (Times Literary Supplement). Der internationale Durchbruch gelang Ian Rankin mit seinem melancholischen Serienhelden John Rebus, der aus den britischen Bestsellerlisten nicht mehr wegzudenken ist. Rankin wurde bereits mit vielen renommierten Literaturpreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Deutschen Krimipreis 2004 für »Die Kinder des Todes«. Der Autor lebt mit seiner Familie in Edinburgh.

Inhaltsverzeichnis

Über den AutorWidmungPrologErster Teil - VERSCHOLLEN
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Zweiter Teil - GEFUNDEN
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EpilogCopyright

Für meine leidgeprüfte Lektorin Caroline Oakley

Die Welt ist voll von Vermissten, und ihre Zahl nimmt stetig zu. Der Raum, den sie einnehmen, bewegt sich irgendwo zwischen dem, was wir übers Am-Leben-Sein wissen, und dem, was wir über das Totsein gehört haben. Dort schweifen sie umher, unbegleitet und unfassbar, wie Schatten von Menschen.

Andrew O’Hagan, The Missing

Einmal stieg ich versehentlich in einen Zug nach Cardenden … Als wir Cardenden erreichten, stiegen wir aus und warteten auf den nächsten Zug zurück nach Edinburgh. Ich war sehr müde, und ich glaube, wenn Cardenden auch nur eine Spur einladender ausgesehen hätte, wäre ich einfach dageblieben. Und wer jemals in Cardenden gewesen ist, wird wissen, wie schlimm es um mich gestanden haben muss.

Kate Atkinson, Behind the Scenes at the Museum

Prolog

Aus dieser Höhe wirkt die schlafende Stadt wie die Bauklötzchenkonstruktion eines Kindes, ein Modell, das sich geweigert hat, in den engen Grenzen der Vorstellungskraft zu bleiben. Der vulkanische Kegelstumpf könnte aus schwarzem Knetgummi bestehen, die fest darauf thronende Burg eine Nachbildung aus Legosteinen sein. Die orangefarbenen Straßenlaternen sind zusammengeknüllte Stanniolpapierchen, die man an Lollistöckchen festgeklebt hat.

Draußen auf dem Forth beleuchten schwache Taschenlampenglühbirnchen Spielzeugboote, die auf schwarzem Krepppapier liegen. In diesem Universum wären die zackigen Turmhauben der Altstadt schräg aneinander gelegte Streichhölzer. Princes Street Gardens eine Bahn Kletttuch mit darauf haftenden Filzknubbeln. Schuhkartons für die mehrstöckigen Mietshäuser, Türen und Fenster sorgfältig mit Farbstiften aufgemalt. Trinkhalme gäben Regenrinnen und Fallrohre ab, und mit einer scharfen Klinge – vielleicht einem Skalpell – ließen sich diese Türen auch öffnen. Aber hineinspähen … hineinzuspähen würde den ganzen Effekt zerstören.

Hineinzuspähen würde alles ändern.

Er steckt die Hände in die Taschen. Der Wind reibt seine Ohren blank. Er kann sich einreden, das sei der Atem eines Kindes, aber die Wirklichkeit widerspricht ihm.

Ich bin der letzte kalte Wind, den du je spüren wirst.

Er macht einen Schritt nach vorn, späht über die Kante und hinab ins Dunkel. Arthur’s Seat kauert hinter ihm, geduckt und stumm, wie beleidigt durch seine Anwesenheit, zum Sprung bereit. Bloß Pappmaché, sagt er sich. Er glättet Streifen von eingeweichtem Zeitungspapier, ohne die Meldungen und Schlagzeilen zu lesen, bis ihm bewusst wird, dass er nichts als Luft streichelt, und er mit einem verschämten Lachen die Hände zurückzieht. Er hört eine Stimme irgendwo hinter sich.

Früher war er bei Tageslicht hier hinaufgestiegen. Vor Jahren wäre er vielleicht in Begleitung einer Freundin gewesen, Hand in Hand den Berg hinan, unter sich die Stadt, wie eine Verheißung ausgebreitet. Später dann mit Frau und Kind: auf dem Gipfel halten, um Fotos zu machen, darauf achten, dass niemand zu nah an den Abgrund kam. Vater und Ehemann, steckte er dann das Kinn in den Kragen und sah Edinburgh in lauter Grautönen, aber in der richtigen Perspektive, da er es jetzt gemeinsam mit seiner Familie unter sich gelassen hatte. Während er die ganze Stadt mit einem langsamen Schwenk des Kopfes in sich aufnahm, hatte er das Gefühl, dass er alle Probleme in den Griff bekommen konnte.

Doch jetzt, in der Dunkelheit, sieht er klarer.

Er weiß, dass das Leben eine Falle ist, dass seine stählernen Kiefer früher oder später um jeden zuschnappen, der sich einbildet, er könnte sich zum Sieg mogeln. Ein Polizeiauto heult in der Ferne, aber es meint nicht ihn. Eine schwarze Kutsche wartet auf ihn am Fuß der Salisbury Crags. Der kopflose Kutscher wird allmählich ungeduldig. Die Pferde beben und wiehern. Während der Heimfahrt werden ihre Flanken schweißnass sein.

»Salisbury Crag« hat sich in der Stadt als rhyming-slang-Ausdruck etabliert. Es bedeutet skag, Heroin. »Morningside Speed« wiederum ist Kokain. Eine Nase Koks würde ihm momentan richtig gut tun, aber genug wäre sie nicht. Ganz Arthur’s Seat könnte aus dem Zeug bestehen: Wie die Sache liegt, würde es rein gar nichts ändern.

Im Dunkel hinter ihm ist eine Gestalt, die näher kommt. Er dreht sich halb um, um ihr die Stirn zu bieten, sieht dann rasch weg, hat plötzlich Angst, dem Gesicht ins Gesicht zu sehen. Er fängt an zu sprechen.

»Ich weiß, es wird dir unglaublich erscheinen, aber ich habe…«

Der Satz bleibt unvollendet. Denn jetzt segelt er über die Stadt hinaus, das Jackett über den Kopf gebläht, ein Segel, unter dem ein letzter, aus tiefster Seele kommender Schrei erstickt. Während sein Magen sich umdreht und entleert, fragt er sich, ob wirklich ein Kutscher auf ihn wartet.

Und spürt, wie sein Herz aufplatzt in der Gewissheit, dass er seine Tochter nie wieder sehen wird, weder in dieser noch in einer anderen Welt.

Erster Teil

VERSCHOLLEN

Auf Schritt und Tritt tun wir ohne die geringste böse Absicht auf vielfältigste Weise Unrecht. In jedem Augenblick sind wir Ursache von jemandes Unglück …

1

John Rebus tat gerade so, als betrachtete er die Erdmännchen, als er den Mann sah und wusste, dass es nicht der richtige war.

Seit fast einer Stunde versuchte Rebus, durch angestrengtes Blinzeln einen Kater zu verscheuchen, was so ziemlich der größte Kraftakt war, zu dem er sich momentan aufraffen konnte. Er hatte sich auf Bänke gesetzt und an Wände gelehnt und sich immer wieder die Stirn abgewischt, obwohl Edinburghs Vorfrühling ein sehr naher Verwandter des Mittwinters war. Sein Hemd klebte ihm feucht am Rücken und spannte jedes Mal unangenehm, wenn er aufstand. Das Wasserschwein hatte ihn fast mitleidig angesehen, und im lang bewimperten Auge des geduckten weißen Nashorns, das so regungslos dastand, dass es in einer Einkaufspassage nicht weiter aufgefallen wäre, aber dennoch in seiner Isoliertheit eine gewisse Würde ausstrahlte, schien etwas wie Wiedererkennen und Mitgefühl aufgeblitzt zu sein.

Rebus fühlte sich isoliert und in etwa so würdevoll wie ein Schimpanse. Er hatte seit Jahren nicht mehr den Zoo besucht; er meinte, das letzte Mal sei gewesen, als er mit seiner Tochter hergekommen war, um ihr Palango, den Gorilla, zu zeigen. Sammy war so klein gewesen, dass er sie auf den Schultern getragen und dabei ihr Gewicht kaum gespürt hatte.

Heute trug er lediglich ein verstecktes Funkgerät und ein Paar Handschellen bei sich. Er fragte sich, wie sehr er wohl auffallen mochte dadurch, dass er sich die ganze Zeit in einem so kleinen Bereich aufhielt und die Attraktionen weiter den Hang hinauf und hinunter mied und immer wieder mal zum Kiosk ging, um sich eine Dose Irn-Bru zu besorgen. Die Pinguinparade war gekommen und gegangen, ohne dass er sich von der Stelle gerührt hätte. Seltsamerweise mussten die Zoobesucher erst sensationslüstern weiterziehen, ehe das erste Erdmännchen erschien, sich auf die Hinterbeine stellte und sich mit schlankem schwankendem Rumpf sichernd umsah. Inzwischen waren zwei weitere aus ihrem Bau aufgetaucht und zogen, die Nasen am Boden, ihre Kreise. Dem schweigsamen Mann, der auf der niedrigen Umfassungsmauer ihres Geheges saß, schenkten sie nur wenig Beachtung; zogen in Abständen an ihm vorbei, während sie immer wieder dieselbe Ellipse von harter, festgestampfter Erde erkundeten, und machten lediglich dann einen Satz zurück, wenn er sich mit dem Taschentuch über das Gesicht wischte. Er spürte, wie das Gift in seinen Adern brodelte: nicht der Alkohol, sondern ein frühmorgendlicher doppelter Espresso aus einem der umfunktionierten Polizeikioske in der Nähe der Meadows. Er war auf dem Weg zur Wache gewesen, wo ihn die Mitteilung erwartete, dass heute Tierparkstreife auf dem Dienstplan stand. Der Spiegel auf der Toilette hatte nicht das geringste Taktgefühl bewiesen.

Greenslade: »Sunkissed You’re Not.« Überleitung zu Jefferson Airplane: »If You Feel Like China Breaking«.

Aber es hätte schlimmer kommen können, hatte sich Rebus gesagt und stattdessen seine Gedanken auf die zentrale Frage des Tages gerichtet: Wer vergiftete die Tiere des Edinburgher Zoos? Tatsache war, dass irgendjemand es tat. Irgendein grausamer und berechnender Mensch, der bis dato der Aufmerksamkeit der Überwachungskameras wie der Wärter entgangen war. Die Polizei hatte eine ungefähre Personenbeschreibung, und Trage- und Manteltaschen der Besucher wurden stichprobenartig durchsucht. Aber was sich jeder – vielleicht mit Ausnahme der Medien  – wirklich wünschte, war eine Festnahme, vorzugsweise bei gleichzeitiger Sicherstellung toxischen Beweismaterials.

Vorerst hatte man, wie die Tierparkleitung erklärte, die paradoxe Situation, dass der Giftmörder sich positiv auf die Besucherzahlen auswirkte. Bislang waren keine Trittbrettfahrer zu verzeichnen gewesen, aber Rebus fragte sich, wie lange die noch auf sich warten ließen …

Als Nächstes wurde die Fütterung der Seelöwen angekündigt. Rebus, der einige Zeit vorher an ihrem Becken vorbeigeschlendert war, fand es für eine dreiköpfige Familie nicht gerade groß. Das Erdmännchengehege war mittlerweile von Kindern umringt, während die Erdmännchen selbst wieder verschwunden waren, was bei Rebus eine seltsame Befriedigung darüber hinterließ, ihrer Gesellschaft für würdig befunden worden zu sein.

Er entfernte sich, aber nicht allzu weit, und ging in die Hocke, um sich einen Schnürsenkel aufzuziehen und wieder zuzubinden – eine Prozedur, mit der er die Viertelstunden zelebrierte. Zoos und dergleichen hatten nie auch nur den geringsten Reiz auf ihn ausgeübt. Als Kind hatte er überdurchschnittlich viele Tiere verschlissen: Seine Schildkröte war trotz des auf dem Panzer aufgemalten Namens ihres Eigentümers auf Nimmerwiedersehen verschwunden; mehreren Wellensittichen war es nicht vergönnt gewesen, dem juvenilen Stadium zu entwachsen; und sein einziger Goldfisch (er hatte ihn auf dem Jahrmarkt in Kirkcaldy gewonnen) hatte zeit seines Lebens gekränkelt. Da er in einer Etagenwohnung lebte, war er als Erwachsener nie in die Versuchung geraten, sich eine Katze oder einen Hund zuzulegen. Zu reiten hatte er exakt einmal versucht, worauf er mit Rücksicht auf seine wund gescheuerten Schenkel gelobt hatte, mit diesem edlen Sport und der dazugehörigen Tierart künftig höchstens auf dem Weg eines Wettscheins Umgang zu pflegen.

Die Erdmännchen waren ihm aber aus einer Reihe von Gründen sympathisch gewesen: wegen ihres menschlich klingenden Namens; der Komik ihrer Rituale; ihres Selbsterhaltungstriebs. Jetzt hingen irgendwelche Kids bäuchlings über die Mauer und strampelten mit den Beinen in der Luft. Rebus stellte sich eine Umkehrung der Rollen vor: Gehege voller Kinder, die von vorüberschlendernden Tieren beäugt wurden und dabei herumtollten und kreischten und die ihnen zuteil werdende Aufmerksamkeit genossen. Nur dass den Tieren jede menschliche Neugier fehlen würde. Sie würden sich von keiner Zurschaustellung von Behändigkeit oder Zärtlichkeit rühren lassen, nicht begreifen, dass da ein Spiel stattfand oder dass jemand sich ein Knie aufgeschürft hatte. Tiere würden keine Zoos bauen, würden kein Bedürfnis danach verspüren. Rebus fragte sich, warum Menschen das taten.

Mit einem Mal erschien ihm die ganze Anlage absurd: ein Stück Land in bester Wohnlage, ausschließlich für die Vorführung des Ungewohnten bestimmt… Und dann sah er die Kamera.

Sah sie, weil sie sich an der Stelle des Gesichts befand, das hätte da sein sollen. Der Mann stand auf einem grasigen Hang, vielleicht zwanzig Meter von ihm entfernt, und drehte am Einstellungsring eines ziemlich langen Teleobjektivs. Der Mund unter dem Fotoapparat war ein schmaler konzentrierter Strich, der sich leicht kräuselte, während Daumen und Zeigefinger die Tiefenschärfe regulierten. Der Mann trug eine schwarze Jeansjacke, eine zerknitterte Baumwollhose und Laufschuhe. Eine verblichene blaue Baseballkappe saß ihm nicht auf dem Kopf, sondern hing, während er fotografierte, an einem freien Finger. Er hatte schütteres braunes Haar und eine runzlige Stirn. Das Ahaerlebnis kam, sobald er die Kamera senkte. Rebus drehte sich sofort weg und sah auf das Motiv des Fotografen: Kinder. Kinder, die sich in das Erdmännchengehege reckten. Von denen man lediglich Schuhsohlen und Beine sah, Röcke und von hochgerutschten T-Shirts und Pullovern halb entblößte Rückenpartien.

Rebus kannte den Mann. Der Kontext erleichterte das Wiedererkennen. Er hatte ihn wahrscheinlich seit vier Jahren nicht mehr gesehen, aber solche Augen konnte man nicht vergessen, und diesen Hunger, der die Wangen rötete und dabei alte Aknenarben deutlicher hervortreten ließ. Vor vier Jahren waren die Haare länger gewesen, hatten sich über missgestalteten Ohren gekräuselt. Rebus suchte nach einem Namen, während er in seine Tasche nach dem Funkgerät griff. Der Fotograf nahm die Bewegung wahr, seine Augen begegneten Rebus’ Blick, der sich schon abwandte. Das Wiedererkennen war beidseitig. Das Objektiv wurde abgeschraubt und in eine Umhängetasche gesteckt. Ein Objektivdeckel rastete in der Gehäuseöffnung ein. Und dann setzte sich der Mann in Bewegung, ging flotten Schritts hangabwärts. Rebus riss das Funkgerät heraus.

»Er geht von mir aus talwärts, Westseite des Klubhauses. Schwarze Jeansjacke, helle Hose …« Rebus beschrieb ihn weiter, während er ihm folgte. Der Fotograf drehte sich um, sah ihn und trabte los, durch die schwere Fototasche behindert.

Das Funkgerät erwachte zum Leben, Beamte machten sich auf den Weg zum angegebenen Bereich. Vorbei an einem Restaurant und einer Cafeteria, vorbei an Händchen haltenden Paaren und Eiscreme vertilgenden Kindern. An Pekaris, Ottern, Pelikanen vorbei. Es ging dauernd bergab, wofür Rebus dankbar war, und der ungewöhnliche Gang des Mannes – ein Bein war etwas kürzer als das andere  – erleichterte es ihm, den Abstand zu verringern. Der Weg verengte sich genau an der Stelle, an der der Menschenstrom dichter wurde. Rebus konnte nicht genau erkennen, was den Stau verursachte, dann hörte er ein Aufplantschen, gefolgt von Beifallsrufen und Applaus.

»Seelöwenbecken!«, schrie er ins Funkgerät.

Der Mann drehte sich halb um, sah das Funkgerät an Rebus’ Mund, wandte sich wieder nach vorn und sah Köpfe und Körper, hinter denen sich jede Menge weitere Beamte verbergen konnten. Anstelle der bisherigen berechnenden Ruhe lag jetzt Angst in seinen Augen. Er hatte die Situation nicht mehr unter Kontrolle. Rebus war schon fast bei ihm, als der Mann zwei Zuschauer beiseite stieß und über die niedrige Steinmauer kletterte. Auf der anderen Seite des Beckens erhob sich eine Felsnase, auf deren Gipfel, über zwei schwarze Plastikeimer gebeugt, die Tierpflegerin stand. Rebus sah, dass sich hinter der Pflegerin kaum Zuschauer befanden, da der Felsen den Blick auf die Seelöwen versperrte. Indem er so das Gedränge umging, konnte der Mann über die jenseitige Mauer steigen und wäre dann praktisch schon am Ausgang gewesen. Rebus stieß einen leisen Fluch aus, setzte einen Fuß auf die Mauer und schwang sich hinüber.

Die Zuschauer pfiffen, johlten zum Teil sogar Beifall, und Videokameras wurden in Anschlag gebracht, um die Faxen der zwei Männer aufs Magnetband zu bannen, die sich vorsichtig die steil abfallende Beckenwand entlangtasteten. Rebus sah aus dem Augenwinkel eine pfeilschnelle Bewegung im Wasser und hörte die Warnschreie der Tierpflegerin, als ein Seelöwe auf die Felsen zu ihren Füßen hinaufglitt. Das glatte schwarze Tier blieb nur lang genug da, um einen Fisch aufzufangen, der ihm genau ins Maul fallen gelassen wurde, dann wandte es sich um und rutschte wieder ins Becken. Es sah weder allzu groß noch allzu gefährlich aus, aber sein Auftauchen hatte Rebus’ Jagdwild verschreckt. Der Mann drehte sich für einen Moment um, und die Kamera rutschte ihm den Arm hinunter. Er streifte sich den Tragriemen über den Kopf. Er schien den Rückzug antreten zu wollen, aber als er seinen Verfolger sah, änderte er erneut seine Pläne. Die Tierpflegerin hatte mittlerweile selbst ein Funkgerät gezückt und alarmierte den Sicherheitsdienst. Das Wasser neben Rebus schien zu wabern und zu wallen. Eine Welle schäumte ihm ins Gesicht, und etwas Riesiges und Tintenschwarzes schoss wie eine Sonnenfinsternis aus der Tiefe empor und klatschte auf dem Felsen auf. Unter dem Geschrei der Menge richtete sich der Seelöwenbulle, der gut und gern vier- bis fünfmal so groß wie sein Sprössling war, auf und sah sich, lautstark durch die Nase schnaubend, nach Futter um. Als das Tier das Maul aufriss und ein beängstigendes Heulen ausstieß, japste der Fotograf, verlor das Gleichgewicht und plumpste mitsamt seiner Ausrüstung ins Becken.

Zwei Körper – Mutter und Junges – schwammen unter Wasser auf ihn zu. Die Tierpflegerin blies wie verrückt in ihre Trillerpfeife, das Ebenbild eines Schiedsrichters bei einem Sonntagsspiel, der sich plötzlich mit einer Massenkeilerei konfrontiert sieht. Der Seelöwenbulle schaute Rebus ein letztes Mal an und sprang dann wieder in das Becken, um seiner Lebensgefährtin beizustehen, die gerade den Neuankömmling mit der Nase anstupste.

»Herrgott«, schrie Rebus, »schmeißen Sie ein paar Fische rein!«

Die Tierpflegerin verstand die Botschaft und kickte einen Futtereimer ins Becken, worauf alle drei Seelöwen schnurstracks darauf zu schwammen. Rebus ergriff die Gelegenheit beim Schopf und watete ins Wasser, kniff die Augen zu und tauchte unter, packte den Mann und schleppte ihn zurück zu den Felsen. Ein paar Zuschauer eilten zu Hilfe, gefolgt von zwei Zivilbeamten. Rebus brannten die Augen. Die Luft war geschwängert vom Geruch nach rohem Fisch.

»Kommen Sie da raus«, sagte jemand und streckte ihm die Hand entgegen. Rebus ließ sich an Land ziehen. Er riss dem durchweichten Mann die Kamera vom Hals.

»Erwischt«, sagte er. Dann kniete er sich auf die Felsen, fing an zu zittern und übergab sich in das Becken.

2

Am nächsten Morgen war Rebus umgeben von Erinnerungen.

Nicht seinen eigenen, sondern von denen seines Chief Super: gerahmten Fotos, die das enge Büro voll müllten. Rebus kam sich fast wie in einem Museum vor. Kinder, jede Menge Kinder. Die Kids des Chief Super, mit zunehmend älteren Gesichtern, und dann seine Enkel. Rebus vermutete, dass sein Chef die Bilder nicht selbst geschossen, sondern geschenkt bekommen und sich verpflichtet gefühlt hatte, sie hier aufzustellen.

Ihre Positionierung verriet alles: Die Fotos auf dem Schreibtisch waren nach vorn gewandt, so dass jeder im Büro sie sehen konnte, nur nicht der Mann, der tagein, tagaus an dem Schreibtisch saß. Andere standen auf dem Fenstersims hinter dem Schreibtisch – gleiches Resultat –, und wieder andere auf einem Aktenschrank in der Ecke. Rebus setzte sich in Chief Superintendent Watsons Schreibtischsessel, um seine Theorie zu verifizieren. Die Schnappschüsse standen nicht für Watson da, sie waren für seine Besucher bestimmt. Und seinen Besuchern gaben sie kund und zu wissen, dass Watson ein Familienmensch war, ein rechtschaffener Mann, ein Mann, der es im Leben zu etwas gebracht hatte. Anstatt dem Büro eine menschliche Note zu verleihen, wirkten sie wie Exponate.

Der Kollektion war kürzlich ein neues Foto hinzugefügt worden: ein altes, leicht unscharf, wie durch ein minimales Zucken der Kamera verwischt. Ausgezackte Kanten, weißer Rand und in einer Ecke die unleserliche Unterschrift des Fotografen. Ein Familienbild: Vater stehend, eine besitzergreifende Hand auf der Schulter seiner Gattin, die ihrerseits ein Kleinkind auf dem Schoß hielt. Die andere Hand des Vaters umklammerte die blazerbekleidete Schulter eines kleinen Jungen mit kurz geschorenem Haar und stechenden Augen. Deutlich zu erkennen war das Nachwirken gewisser vorausgegangener Spannungen: Der Junge versuchte sichtlich, seine Schulter vom väterlichen Griff zu befreien. Rebus ging mit dem Foto ans Fenster, bestaunte die steife Feierlichkeit der Szene. Er fühlte sich selbst wie steif gestärkt in seinem dunklen Wollanzug, weißen Hemd und schwarzen Schlips. Dazu schwarze Socken und Schuhe, Letztere noch an dem Morgen ordentlich blank geputzt. Draußen verhieß ein bedeckter Himmel Regen. Prima Wetter für ein Begräbnis.

Chief Superintendent Watson trat mit einer Gemächlichkeit ins Zimmer, die sein Temperament verriet. Hinter seinem Rücken nannten sie ihn »den Farmer«, weil er aus dem Norden kam und etwas von einem Angusrind an sich hatte. Er trug seine beste Uniform, in einer Hand die Mütze, in der anderen einen weißen DIN-A4-Umschlag. Er legte beides auf den Schreibtisch, während Rebus das Foto wieder an seinen Platz stellte und es so ausrichtete, dass es zum Sessel des Farmers sah.

»Sind Sie das, Sir?«, fragte er und tippte auf das mürrisch dreinschauende Kind.

»Das bin ich.«

»Mutig von Ihnen, sich uns in Shorts zu präsentieren.«

Aber der Farmer ließ sich nicht ablenken. Rebus konnte sich drei mögliche Erklärungen für die roten Äderchen denken, die sich über Watsons Wangen schlängelten: körperliche Anstrengung, Alkohol oder Wut. Keinerlei Anzeichen von Kurzatmigkeit, also schied Ersteres aus. Und wenn der Farmer Whisky trank, spiegelte sich das nicht lediglich auf seinen Wangen wider: Sein ganzes Gesicht nahm dann einen rosigen Glanz an und schien sich zusammenzuziehen, bis es koboldhafte Züge annahm.

Womit Wut übrig blieb.

»Kommen wir zur Sache«, sagte Watson mit einem Blick auf seine Uhr. Sie hatten beide nicht viel Zeit. Der Farmer öffnete den Umschlag und schüttelte ein Päckchen mit Fotos auf seinen Schreibtisch, öffnete dann das Päckchen und schob die Aufnahmen Rebus zu.

»Sehen Sie selbst.«

Rebus sah. Das waren Abzüge des Films aus Darren Roughs Fotoapparat. Der Farmer zog seine Schublade auf und holte eine Akte hervor. Rebus sah sich die Bilder an. Zootiere, in Käfigen und hinter Mauern. Und auf einigen Aufnahmen – nicht allen, aber einem ansehnlichen Teil davon – Kinder. Das Objektiv hatte eindeutig diese Kinder anvisiert, wie sie miteinander redeten oder Süßigkeiten kauten oder vor den Tieren Grimassen zogen. Rebus atmete auf und blickte den Farmer an in Erwartung einer Bestätigung, die allerdings ausblieb.

»Nach Aussage Mr. Roughs«, erklärte der Farmer, den Blick auf ein Blatt der Akte gerichtet, »sind die Fotos Teil einer Kollektion.«

»Das kann ich mir denken.«

»Zum Thema ›Ein Tag im Leben des Edinburgher Tierparks‹.«

»Sicher doch.«

Der Farmer räusperte sich. »Er nimmt an einem Abendkurs in Fotografie teil. Ich habe es überprüft, und es stimmt. Es stimmt ebenfalls, dass das Thema seines Projekts der Zoo ist.«

»Und auf fast jedem Bild sind Kinder zu sehen.«

»Genau genommen auf weniger als der Hälfte.«

Rebus warf die Fotos auf den Schreibtisch. »Nun kommen Sie schon, Sir.«

»John, Darren Rough ist seit fast einem Jahr aus der Haft entlassen und hat bis dato keinerlei Anzeichen von Rückfälligkeit an den Tag gelegt.«

»Ich habe gehört, er wäre nach Süden gezogen.«

»Und ist wieder zurück.«

»Sobald er mich gesehen hat, ist er losgerannt.«

Der Farmer hatte für die Bemerkung lediglich einen strengen Blick übrig. »Da ist nichts, John«, sagte er.

»Ein Typ wie Rough geht nicht wegen der Bienchen und der Blumen in den Zoo, glauben Sie mir.«

»Er hatte sich das Projekt nicht einmal selbst ausgesucht. Das hat ihm der Kursleiter zugeteilt.«

»Klar. Rough wäre ein Kinderspielplatz viel lieber gewesen.« Rebus seufzte. »Was sagt sein Anwalt? Rough war von jeher ein Meister darin, Anwälte ins Spiel zu bringen.«

»Mr. Rough möchte lediglich in Ruhe gelassen werden.«

»So, wie er damals die Kinder in Ruhe gelassen hat?«

Der Farmer lehnte sich zurück. »Schon mal das Wort ›Sühne‹ gehört, John?«

Rebus schüttelte den Kopf. »Hier nicht anwendbar.«

»Woher wollen Sie das wissen?«

»Schon mal eine Katze gesehen, die das Mausen gelassen hätte?«

Der Farmer sah auf seine Uhr. »Ich weiß, dass Sie beide schon mal miteinander Probleme hatten.«

»Ich war nicht derjenige, gegen den er Beschwerde eingelegt hat.«

»Nein«, sagte der Farmer, »das war Jim Margolies.«

Sie ließen das einen Augenblick lang im Raum stehen, während jeder seinen eigenen Gedanken nachhing.

»Wir unternehmen also nichts?«, fragte Rebus schließlich. Das Wort »Sühne« schwirrte ihm im Kopf herum. Der katholische Priester, mit dem er befreundet war, hatte es immer wieder gern benutzt: die Aussöhnung Gottes mit dem Menschen durch Christi Leben und Tod. Traf nicht ganz auf Darren Rough zu. Rebus fragte sich, wofür Jim Margolies hatte sühnen wollen, als er von den Salisbury Crags gesprungen war.

»Es liegt nichts gegen ihn vor.« Der Farmer griff in die unterste Schublade seines Schreibtischs und holte eine Flasche und zwei Gläser hervor. Malt-Whisky. »Ich weiß nicht, wie es mit Ihnen steht«, sagte er, »aber ich brauche vor Beerdigungen immer einen davon.«

Rebus nickte und sah zu, wie der Farmer einschenkte. Das silbrige Gemurmel von Bergbächen. Auf Gälisch usquebaugh. Uisge: Wasser; beatha: Leben. Wasser des Lebens. Wobei beatha wie birth klang, »Geburt«. Jedes Glas bedeutete für Rebus eine Geburt. Aber wie sein Arzt ihm ständig erklärte, war gleichzeitig jeder Tropfen ein kleiner Tod. Er führte das Glas an die Nase, nickte anerkennend.

»Wieder ein guter Mann weniger«, sagte der Farmer.

Und mit einem Mal wirbelten, am äußersten Rand von Rebus’ Gesichtsfeld, Gespenster im Raum umher, am deutlichsten unter ihnen Jack Morton: Jack, sein alter Kollege, seit nunmehr drei Monaten tot. The Byrds: »He Was a Friend of Mine«. Ein Freund, der sich weigerte, unter der Erde zu bleiben. Der Farmer folgte Rebus’ Blick, sah aber nichts, leerte sein Glas und packte die Flasche wieder weg.

»Mäßig, aber regelmäßig«, sagte er. Und dann, als ob der Whisky eine Verhandlungsbasis zwischen ihnen hergestellt hätte: »Es gibt Mittel und Wege, John.«

»Wozu, Sir?« Jack war in den Fensterscheiben zerflossen.

»Zurechtzukommen.« Schon zeitigte der Whisky seine Wirkung im Gesicht des Farmers, machte es zunehmend dreieckiger. »Seitdem, was mit Jim Margolies passiert ist… na ja, da mussten einige von uns verstärkt über die Belastungen nachdenken, die die Arbeit mit sich bringt.« Er schwieg kurz. »Zu viele Schnitzer, John.«

»Ich hab gerade eine schlechte Phase, das ist alles.«

»Eine schlechte Phase hat ihre Gründe.«

»Als da wären?«

Der Farmer ließ die Frage unbeantwortet, vielleicht weil er wusste, dass Rebus sie sich gerade selbst beantwortete: Jack Mortons Tod; Sammy im Rollstuhl.

Und Whisky als ein Therapeut, den er sich leisten konnte – zumindest in finanzieller Hinsicht.

»Ich komm schon klar«, sagte er und schaffte es nicht einmal, sich das selbst einzureden.

»Ganz allein?«

»So gehört sich’s doch, oder?«

Der Farmer zuckte die Achseln. »Und bis es so weit ist, müssen wir alle mit Ihren Schnitzern leben?«

Schnitzer: wie zum Beispiel Beamte auf Darren Rough zu hetzen, der gar nicht der Mann war, hinter dem sie eigentlich her waren. Und dadurch dem Giftmörder freien Zugang zu den Erdmännchen zu ermöglichen – und ihm zu gestatten, einen Apfel in ihr Gehege zu werfen. Zum Glück war gerade in dem Moment ein Tierwärter vorbeigekommen und hatte ihn aufgehoben, bevor die Tiere die Gelegenheit dazu hatten. Er hatte von der Sache gewusst und den Apfel zur Untersuchung weitergegeben.

Rattengift.

Rebus’ Schuld.

»Kommen Sie«, sagte der Farmer nach einem letzten Blick auf seine Uhr, »wir müssen.«

So dass Rebus’ Rede wieder einmal unausgesprochen geblieben war: seine Erklärung, dass er jegliches Gefühl von Berufung verloren hatte, jeglichen Optimismus bezüglich seiner Rolle – ja seiner Identität – als Polizist. Das Bekenntnis, dass diese Gedanken ihn ängstigten, ihm entweder den Schlaf raubten oder ihn mit Albträumen quälten. Dass ihn Gespenster neuerdings sogar tagsüber heimsuchten.

Dass er kein Bulle mehr sein wollte.

Jim Margolies hatte alles gehabt.

Zehn Jahre jünger als Rebus, war er für eine vorzeitige Beförderung vorgemerkt worden. Man hatte nur noch darauf gewartet, dass er die letzten paar Bewährungsproben bestand, woraufhin er den Rang eines Detective Inspector wie eine letzte Haut abgestreift hätte. Intelligent, sympathisch, ein umsichtiger Stratege, der auch die Innenpolitik nie aus dem Auge verlor. Dazu noch gut aussehend und durchtrainiert; hatte Rugby für seine alte Schule, Boroughmuir, gespielt. Er stammte aus einer guten Familie und hatte Beziehungen zur Edinburgher Gesellschaft; seine Frau bezaubernd und elegant, seine kleine Tochter eine wahre Schönheit. Bei den Kollegen beliebt und mit einem beneidenswerten Prozentsatz von Verurteilungen. Die Familie führte ein ruhiges Leben im Grange, besuchte eine der örtlichen Kirchen, wirkte in jeglicher Hinsicht wie eine vollkommene kleine Gemeinschaft.

Der Farmer setzte seinen Kommentar mit kaum hörbarer Stimme fort. Er hatte auf der Auffahrt zur Kirche angefangen, während des Gottesdienstes weitergeredet und schloss jetzt mit einer Zusammenfassung am Grab.

»Er hatte alles, John. Und dann geht er los und macht so was. Was bringt einen Mann dazu… Ich meine, was geht in seinem Kopf vor? Das war jemand, zu dem sogar ältere Beamte aufblickten – ich meine die zynischen alten Arschlöcher, die zwei Schritte vor der Pensionierung stehen. Sie haben schon alles im Leben gesehen, aber jemanden wie Jim Margolies hatten sie noch nie erlebt.«

Rebus und der Farmer – die Repräsentanten ihres Reviers  – standen ziemlich am äußeren Rand der Trauergemeinde. Und es war eine ansehnliche Menge. Haufenweise hohe Tiere neben Rugbyspielern, einfachen Gemeindemitgliedern und Nachbarn. Dazu Angehörige und Verwandte. Und am offenen Grab die schwarz gekleidete Witwe, die es trotz allem fertig brachte, gefasst zu wirken. Sie hatte ihre Tochter auf den Arm genommen. Die Tochter in einem weißen Spitzenkleid, das Haar dicht und lang und blondlockig, das Gesicht leuchtend, als sie dem Holzsarg zum Abschied winkte. Mit den blonden Haaren und dem weißen Kleid sah sie wie ein Engel aus. Was vielleicht beabsichtigt gewesen war. Auf jeden Fall stach sie aus der Menge hervor.

Margolies’ Eltern waren ebenfalls da. Der Vater sah aus wie ein Offizier a. D., stocksteif wie eine Standuhr, umklammerte aber mit zitternden Händen den Silberknauf eines Spazierstocks. Die Mutter mit tränennassen Augen, zerbrechlich, mit einem Schleier bis zum Mund. Sie hatte ihre beiden Kinder verloren. Nach Aussage des Farmers hatte sich Jims Schwester ebenfalls, schon vor Jahren, das Leben genommen. Von jeher psychisch labil, hatte sie sich irgendwann die Pulsadern aufgeschnitten. Rebus schaute wieder die Eltern an. Er musste an seine eigene Tochter denken, fragte sich, wie viele Wunden sie davongetragen haben mochte – an Stellen, die man nicht sah.

Weitere Familienmitglieder drängten sich um die Eltern  – ob Trost suchend oder Trost spendend, konnte Rebus nicht erkennen.

»Schöne Familie«, flüsterte der Farmer. Rebus witterte fast einen Anflug von Neid. »Hannah hat bei mehreren Wettbewerben gewonnen.«

Hannah, die Tochter, war acht, wie Rebus erfuhr. Sie besaß die blauen Augen ihres Vaters und eine makellose Haut. Die Witwe hieß Katherine.

»Lieber Gott, diese Vergeudung.«

Rebus dachte an die Fotografien des Farmers, daran, wie Individuen sich begegneten und miteinander Verbindungen eingingen, ein Muster bildeten, das nach und nach andere mit einbezog, wobei Farben ineinander flossen oder sich scharf voneinander abhoben. Man freundete sich an, heiratete in eine neue Familie ein, bekam Kinder, die dann mit den Kindern anderer Eltern spielten. Man ging arbeiten, lernte Kollegen kennen, die mit der Zeit zu Freunden wurden. Stück für Stück wurde die eigene Identität aufgehoben, bis man kein Individuum mehr war – und dennoch gerade dadurch irgendwie stärker wurde.

Bloß, dass es nicht immer so lief. Es konnten Konflikte entstehen; vielleicht durch die Arbeit oder die allmähliche Erkenntnis, dass man irgendwann in der Vergangenheit eine falsche Wahl getroffen hatte. Rebus hatte das selbst erlebt, hatte sich zugunsten des Berufs gegen die Ehe entschieden und seine Frau weggeekelt. Sie hatte ihre gemeinsame Tochter mitgenommen. Jetzt hatte er das Gefühl, dass er aus den falschen Gründen die richtige Entscheidung getroffen hatte, dass er von Anfang an zu seinen Fehlern hätte stehen sollen. Seine Arbeit hatte ihm lediglich eine brauchbare Ausflucht geliefert.

Er dachte an Jim Margolies, der sich im Dunkeln in den Tod gestürzt hatte. Er fragte sich, was ihn zu dieser letzten, unwiderruflichen Entscheidung getrieben haben mochte. Niemand schien die leiseste Ahnung zu haben. Rebus hatte im Lauf der Jahre mit einer ganzen Menge Selbstmorden zu tun gehabt: von missglückten bis hin zu ärztlich oder sonstwie unterstützten Suiziden – und sämtlichen Abstufungen dazwischen. Aber immer hatte es irgendeine Erklärung gegeben, einen entscheidenden Punkt, ein tief sitzendes Gefühl von Scheitern oder Verhängnis. Leaf Hound: »Drowned My Life in Fear«.

Aber im Fall von Jim Margolies passte nichts zusammen. Es ergab keinen Sinn. Seine Witwe, seine Eltern, seine Arbeitskollegen, keiner war imstande gewesen, auch nur die Spur einer Erklärung zu liefern. Er war kerngesund gewesen. In der Arbeit wie zu Hause alles in bester Ordnung. Er liebte seine Frau, seine Tochter. Geldprobleme gab es keine.

Aber irgendein Problem hatte er gehabt.

Lieber Gott, diese Vergeudung.

Und die Grausamkeit des Ganzen: sie alle nicht nur zur Trauer zu verurteilen, sondern auch dazu, im Dunkeln zu tappen, zu rätseln, sich zu fragen, ob irgendjemand Schuld daran hatte.

Sein Leben auszulöschen, wenn doch das Leben so kostbar war …

Als er auf die Bäume starrte, sah Rebus Jack Morton da stehen, so jung, wie er bei ihrer ersten Begegnung gewesen war.

Erdschollen wurden auf den Deckel des Sargs geworfen  – ein letzter, vergeblicher Weckruf. Der Farmer wandte sich ab, entfernte sich langsam, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.

»So lang ich lebe«, sagte er, »werde ich es nicht begreifen.«

»Seien Sie froh«, sagte Rebus.

3

Er stand auf den Salisbury Crags. Es wehte ein tückischer Wind, und er schlug den Mantelkragen hoch. Er war nach Haus gefahren, um seine Begräbniskleidung auszuziehen, und hätte jetzt eigentlich wieder auf die Wache gemusst – er konnte St. Leonard’s von da oben aus sehen –, aber irgendetwas hatte ihn zu diesem Abstecher veranlasst.

Hinter und über ihm hatten ein paar Unerschrockene den Gipfel von Arthur’s Peak erklommen. Ihr Lohn: eine herrliche Aussicht, dazu Ohren, die ihnen noch stundenlang schmerzen würden. Bei seiner Höhenangst hütete sich Rebus davor, zu nah an den Abgrund zu treten. Die Landschaft war unglaublich. Es sah so aus, als habe Gott mit der flachen Hand auf Holyrood Park geschlagen und einen Teil davon platt gemacht, dabei aber diese nackte Felswand stehen lassen, als Erinnerung an den Ursprung der Stadt.

Hier war Jim Margolies gesprungen. Oder von einer plötzlichen Bö erfasst worden: Das war die weniger plausible, aber leichter zu ertragende Alternative. Seine Witwe war überzeugt gewesen, er sei »spazieren gegangen, bloß spazieren gegangen«, und habe im Dunkeln einen Fehltritt gemacht. Aber das warf mehrere nicht zu beantwortende Fragen auf. Was hätte ihn dazu veranlasst, mitten in der Nacht aufzustehen? Wenn er Sorgen gehabt hatte, warum hatte er unbedingt auf den Salisbury Crags darüber nachgrübeln müssen – mehrere Kilometer von zu Hause entfernt? Er wohnte im Grange, im ehemaligen Haus seiner Schwiegereltern. Es hatte in dieser Nacht geregnet, trotzdem ließ er das Auto stehen. Würde ein Verzweifelter nicht merken, dass er bis auf die Haut durchnässt wurde?

Als er den Blick nach unten richtete, sah Rebus das Gelände der alten Brauerei, auf dem das neue schottische Parlament entstehen sollte. Das erste seit dreihundert Jahren, und direkt neben einem Themenpark … Nicht weit davon entfernt erhob sich die Greenfield-Siedlung, ein kompaktes Labyrinth aus Hochhäusern und Wohnanlagen für Behinderte und Senioren. Er fragte sich, warum die Crags wohl um so viel beeindruckender wirkten als von Menschen geschaffene Hochhäuser, dann zog er ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Tasche. Er überprüfte eine Adresse, sah dann wieder hinunter nach Greenfield und wusste, dass er noch einen weiteren Umweg machen musste.

Die Wohntürme von Greenfield waren Mitte der Sechziger gebaut worden und konnten ihr Alter nicht verleugnen. Auf dem verfärbten Rauputz breiteten sich dunkle Flecken aus. Aus Überlaufrohren tropfte Wasser auf gesprungenes Pflaster. Von den modrigen Fensterrahmen rieselte Holzmehl herab. An der Außenwand einer Erdgeschosswohnung, deren Fenster mit Brettern vernagelt waren, informierte ein aufgemalter Schriftzug den Passanten, die einstigen Bewohner seien »Dreckiger Abschaum« gewesen.

Kein Baudezernent hatte hier jemals gewohnt. Kein Stadtplaner oder städtischer Architekt. Die Stadtverwaltung hatte sich damit begnügt, Problemmieter hier einzuquartieren und jedem zu erklären, die Zentralheizung würde bald nachkommen. Die Wohnsiedlung war auf dem ebenen Grund eines Talkessels errichtet worden, so dass die Salisbury Crags das Ganze schreckenerregend überragten. Rebus überprüfte ein weiteres Mal die Adresse auf dem Zettel. Er hatte schon früher in Greenfield zu tun gehabt. Die Siedlung gehörte keineswegs zu den schlimmsten in der Stadt, aber sie hatte durchaus ihre Schwierigkeiten. Jetzt, am frühen Nachmittag, waren die Straßen menschenleer. Jemand hatte ein Fahrrad, dem das Vorderrad fehlte, mitten auf der Fahrbahn liegen lassen. Ein Stück weiter standen zwei Einkaufswagen Nase an Nase, als tauschten sie die neusten Klatschgeschichten aus. Mitten zwischen den sechs elfstöckigen Wohnblocks standen vier adrette Zeilen von Reihenhäuschen, komplett mit taschentuchgroßem Vorgärtchen und niedrigem Holzzaun. An den meisten Fenstern hingen Tüllgardinen, und über jeder Tür war die Warnleuchte einer Alarmanlage montiert.

Ein Teil der Asphaltfläche zwischen den Hochhäusern war als Spielplatz abgetrennt. Ein Junge zog einen zweiten auf einem Rodelschlitten hinter sich her und stellte sich vor, es sei Schnee, was da unter den Kufen knirschte. Rebus rief die Worte »Cragside Court«, und der Junge auf dem Schlitten deutete auf eines der Hochhäuser. Als Rebus näher kam, sah er, dass ein Schild an der Wand des Gebäudes teilweise übermalt worden war, so dass der Name statt »Cragside« jetzt Crap-site, »Kackstätte«, lautete. Im zweiten Stock flog ein Fenster auf.

»Sparen Sie sich die Mühe«, dröhnte eine Frauenstimme. »Er ist nicht da.«

Rebus trat einen Schritt zurück und sah nach oben.

»Wen suche ich denn Ihrer Meinung nach?«

»Soll das’n Witz sein?«

»Nein, ich wusste bloß nicht, dass hier eine Hellseherin wohnt. Ist es Ihr Mann oder Ihr Freund, hinter dem ich her bin?«

Die Frau starrte zu ihm hinunter und gelangte zu dem Schluss, dass sie sich verplappert hatte. »Schon gut«, sagte sie und schloss das Fenster.

Es gab eine Gegensprechanlage, aber ohne Namen, lediglich mit den Nummern der Wohnungen. Er zog an der Tür; sie war ohnehin nicht abgeschlossen. Er wartete ein paar Minuten auf den Fahrstuhl, der ihn dann, langsam und rumpelnd, in den fünften Stock hinaufbeförderte. Ein nach außen hin offener Gang führte ihn an den Türen eines halben Dutzends Wohnungen vorbei, bis er vor Cragside Court 5/14 stand. Es gab ein Fenster, aber es war verhängt  – so weit erkennbar, mit einem verwaschenen blauen Bettlaken. Die Tür zeigte Spuren von Misshandlung: vielleicht fehlgeschlagene Einbruchsversuche, vielleicht hatten aber auch nur Leute dagegen getreten, weil es weder eine Klingel noch einen Türklopfer gab. Auch kein Namensschild, aber das war egal. Rebus wusste, wer da wohnte.

Darren Rough.

Die Adresse war ihm neu. Als Rebus vier Jahre zuvor an den Ermittlungen gegen Rough mitgearbeitet hatte, hatte der in einer Wohnung auf der Buccleuch Street gewohnt. Jetzt befand er sich wieder in Edinburgh, und Rebus brannte darauf, ihm zu zeigen, wie willkommen er war. Außerdem wollte er Darren Rough ein paar Fragen stellen, Fragen über Jim Margolies …

Das einzige Problem war, dass niemand da zu sein schien. Er klopfte halbherzig je einmal an Tür und Fenster. Als keine Reaktion erfolgte, bückte er sich, um durch den Briefschlitz zu spähen, musste aber feststellen, dass er von innen verschlossen worden war. Entweder wollte Rough nicht, dass jemand bei ihm hineinsah, oder er hatte zu viele unerwünschte Sendungen erhalten. Rebus richtete sich wieder auf, drehte sich um und stützte sich mit den Armen auf das Geländer. Ihm wurde bewusst, dass er genau auf den Kinderspielplatz hinuntersah. Kinder: Eine Siedlung wie Greenfield musste von Kindern nur so wimmeln. Er drehte sich wieder um und musterte Roughs Behausung. Keinerlei Graffiti auf Tür oder Wand, nichts, was den Mieter als »perverse Sau« identifiziert hätte. Unten hatte der Rodelschlitten eine Kurve zu schnell genommen und den Fahrgast abgeworfen. Unter Rebus öffnete sich geräuschvoll ein Fenster.

»Ich hab dich gesehen, Billy Horman! Das hast du mit Absicht gemacht!« Die Frau von vorhin; ihre Worte an den Jungen gerichtet, der den Schlitten gezogen hatte.

»Hab ich nich!«, schrie er zurück.

»Kacke, und ob du’s hast! Ich schlag dich tot!« Dann, in einem ganz anderen Ton: »Alles in Ordnung, Jamie? Ich hatte dir doch gesagt, du solltest nicht mit diesem kleinen Mistkerl spielen. Jetzt komm rein!«

Der lädierte Junge wischte sich die Nase mit dem Handrücken  – die trotzigste Reaktion, die er sich offenbar herauszunehmen wagte –, ging dann auf das Hochhaus zu und schaute noch einmal zurück zu seinem Freund. Ihre Blicke begegneten sich nur ein, zwei Sekunden lang, aber das genügte, um die Gewissheit zum Ausdruck zu bringen, dass sie weiterhin Freunde waren, dass die Welt der Erwachsenen dieses Band niemals zerreißen konnte.

Rebus sah dem Schlittenzieher, Billy Horman, nach, wie er davonschlurfte, und stieg dann drei Stockwerke hinunter. Die Wohnung der Frau war leicht zu finden. Er hörte ihr Gezeter schon aus dreißig Metern Entfernung und fragte sich, ob sie zu den »Problemmietern« gehörte; gelangte zu dem Schluss, dass nur wenige sich getraut haben dürften, sich offen über sie zu beschweren …

Die Tür war stabil, offenbar vor nicht langer Zeit dunkelblau gestrichen worden, und hatte einen Spion. Am Fenster Tüllgardinen. Sie zuckten, als die Frau nachsah, wer ihr Besucher war. Als sie die Tür öffnete, flitzte ihr Sohn wieder hinaus und die Galerie entlang.

»Ich lauf nur grad zum Laden, Mama!«

»Kommst du wohl wieder her!«

Aber er tat so, als habe er sie nicht gehört, und verschwand hinter der nächsten Ecke.

»Gott, gib mir die Kraft, ihm den Hals umzudrehen«, sagte sie.

»Sie haben ihn offensichtlich von Herzen lieb.«

Sie starrte ihn feindselig an. »Haben wir was zu bereden?«

»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet: Ehemann oder Freund?«

Sie verschränkte die Arme. »Ältester Sohn, wenn Sie’s unbedingt wissen müssen.«

»Und Sie dachten, ich wäre seinetwegen hier?«

»Sie sind doch von der Polente, oder?« Als er nichts erwiderte, schnaubte sie.

»Sollte ich ihn also kennen?«

»Calumn Brady«, sagte sie.

»Sie sind Cals Mum?« Rebus nickte langsam. Er hatte von Cal Brady schon gehört: ein Gauner, wie er im Buche stand. Cals Mutter war ihm ebenfalls ein Begriff.

Sie war um die einssiebzig groß, Lammfellpantoffeln mitgerechnet. Kräftig gebaut, mit dicken Armen und Handgelenken und einem Gesicht, das schon vor langer Zeit zu dem Schluss gelangt war, dass Make-up auch nichts mehr nützen würde. Ihr dichtes platinblondes, am Ansatz braunes Haar war in der Mitte gescheitelt. Sie trug den obligatorischen satinglänzenden Jogginganzug, blau mit einem Silberstreifen an Ärmeln und Hosenbeinen.

»Sie sind also nicht wegen Cal hier?«, fragte sie.

Rebus schüttelte den Kopf. »Es sei denn, Sie meinen, er hätte was angestellt.«

»Also, was wollen Sie dann?«

»Haben Sie je was mit einem Ihrer Nachbarn zu tun gehabt, einem jüngeren Typen namens Darren Rough?«

»Welche Wohnung?« Rebus gab keine Antwort. »Hier ist ein ständiges Kommen und Gehen. Das Sozialamt steckt die hier immer für ein paar Wochen rein. Weiß der Geier, was aus denen dann wird, sie verschwinden einfach oder werden woanders hingeschafft.« Sie schniefte. »Wie sieht der aus?«

»Schon gut«, sagte Rebus. Jamie war wieder unten auf dem Spielplatz; von seinem Freund weit und breit nichts zu sehen. Er rannte im Kreis, zog dabei den Schlitten hinter sich her. Rebus hatte plötzlich den Eindruck, dass er den ganzen Tag so hätte rennen können.

»Hat Jamie heute keine Schule?«, fragte er, sich wieder der Frau zuwendend.

»Geht Sie’n Scheißdreck an«, erwiderte Mrs. Brady und knallte ihm die Tür vor der Nase zu.

4

Wieder auf der St.-Leonard’s-Wache. Rebus rief auf dem Computer Calumn Brady ab. Mit siebzehn hatte Cal bereits ein eindrucksvolles Vorstrafenregister: tätliche Angriffe, Ladendiebstähle, Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses. Vorerst keine Anzeichen dafür, dass Jamie in seine Fußstapfen zu treten gedachte, aber die Mutter, Vanessa Brady, bekannt als »Van«, war schon mehrfach auffällig geworden. Auseinandersetzungen mit Nachbarn waren in Prügeleien ausgeartet, und einmal hatte sie Cal mit einem falschen Alibi aus einer Anklage wegen Körperverletzung herauszuhelfen versucht. Von einem Ehemann war nirgendwo die Rede. »We Are Family« vor sich hinpfeifend ging Rebus zum diensthabenden Sergeant und fragte ihn, ob er wüsste, wer der für Greenfield zuständige Streifenbeamte sei.

»Tom Jackson«, antwortete der Sergeant. »Und ich weiß auch, wo er ist, weil ich ihn erst vor zwei Minuten gesehen habe.«

Tom Jackson war auf dem Parkplatz hinter der Wache und rauchte gerade eine Zigarette zu Ende. Rebus stellte sich dazu, steckte sich selbst eine an und hielt Jackson das Päckchen hin. Der schüttelte den Kopf.

»Muss mich auf die Socken machen, Sir«, sagte er.

Jackson war ein Mittvierziger mit breiter Brust, silbergrauem Haar und dazu passendem Schnurrbart. Er hatte dunkle Augen, so dass er immer skeptisch aussah. Er empfand das als einen echten Vorteil, da er nur zu schweigen brauchte, und schon verrieten ihm Verdächtige mehr, als sie eigentlich wollten, bloß damit er aufhörte, so zu gucken.

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