Die Taten Friedrichs - Otto von Freising - E-Book

Die Taten Friedrichs E-Book

Otto von Freising

4,9

Beschreibung

Otto von Freising verfasste nach 1157/8 die 'Gesta Friderici', ein zeitgeschichtliches Werk, welches nach seinem Tod von seinem Schüler Rahewin fortgeführt worden ist.

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Impressum Veröffentlicht im heptagon Verlag Berlin 2011 www.heptagon.de ISBN: 978-3-934616-46-2

Dem Text Ottos liegt folgende in Fraktur gesetzte deutsche Übersetzung zu Grunde: »Taten Friedrichs von Bischof Otto von Freising. Übersetzt von Horst Kohl. 2. unveränderte Auflage, in: GdV. Zweite Gesamtausgabe. Band 59. Leipzig 1939.« Dem Text Rahewins liegt folgende in Fraktur gesetzte deutsche Übersetzung zu Grunde: »Rahewins Fortsetzung der Thaten Friedrichs von Bischof Otto von Freising. Übersetzt von Horst Kohl. GdV. Zweite Gesamtausgabe. Band 60. Leipzig 1886.

Die Taten Friedrichs

Einleitung.

1Als Bischof Otto von Freising im Jahre 11572 seinem kaiserlichen Neffen Friedrich I. sein Buch von den zwei Staaten oder über den Wandel der Dinge durch seinen Notar Ragewin und den Abt Rapoto von Weihenstephan überreichen ließ, erklärte er sich in dem Begleitschreiben an den Kaiser bereit, die herrlichen Thaten desselben zum Gedächtniß der Späterlebenden aufzuzeichnen, wenn er ihn durch Überweisung des nöthigen Urkundenmaterials aus der kaiserlichen Kanzlei bei diesem Unternehmen unterstützen wolle.3 Friedrich I. erfüllte nicht nur diesen Wunsch seines Oheims bereitwillig, wie aus den zahlreichen, an passender Stelle in den Text der historischen Erzählung eingeschalteten Briefen und Urkunden hervorgeht, sondern schrieb für ihn auch mit eigener Hand einen kurzen Abriß seiner Thaten – oder des »Schattens von Thaten«, wie er bescheiden seine Leistungen im Vergleich mit denen seiner Vorgänger auf dem kaiserlichen Throne nennt – von seiner Thronbesteigung an bis zum September 1156 nieder. So ausgerüstet machte sich Otto an die Arbeit, und das Resultat derselben liegt in dem nachfolgend übersetzten Werke, den »Thaten Friedrichs«, vor unsern Augen. Das erste Buch kann als Einleitung des ganzen Werkes angesehen werden. In demselben bietet uns Otto im wesentlichen eine Vorgeschichte des staufischen Hauses. Er berichtet von dem Ahnherrndesselben, Friedrich von Büren, der auf dem Staufen die Stammburg des Geschlechtes erbaute und um seiner bewährten Treue willen von König Heinrich IV. nicht nur mit seiner Tochter Agnes vermählt, sondern auch 1079 mit dem Herzogthum in Schwaben belehnt wurde, nachdem Rudolf von Rheinfelden, des Königs Schwager, wegen seines Verraths und Treubruchs desselben ledig gesprochen worden war. Er erzählt dann weiter von des ersten Staufers trefflichen Söhnen, die in rühmlichen Thaten Zeugniß von ihrer Ritterschaft ablegten und beim Aussterben des den Staufern so nahe verwandten salisch-fränkischen Hauses (1125) sich mit der Hoffnung schmeicheln durften, die deutsche Königskrone und damit die Anwartschaft auf das Kaiserthum an ihr Geschlecht zu bringen. Die Wahl Lothars von Supplinburg wurde von den staufischen Brüdern als eine schwere Demüthigung empfunden, und wenn sich auch Friedrich, der schon der Krone sicher zu sein geglaubt hatte, bald nach der Wahl seinem Nebenbuhler unterwarf, so wurde dadurch doch nur um kurze Zeit der Ausbruch des Bürgerkrieges hinausgeschoben. Von den Anhängern der Staufer als Gegenkönig aufgestellt, konnte es Konrad weder in Italien noch in Deutschland zu rechten Erfolgen bringen; das Glück der Waffen entschied schließlich für Lothar, und den Staufern blieb nichts anderes übrig, als die Gnade des Siegers zu suchen. Lothars Tod (4. Dez. 1137) machte endlich dem staufischen Hause die Bahn zum Königsthrone frei. Am 7. März 1138 wurde zu Koblenz Konrad gewählt, aber ein glückliches Loos war ihm damit nicht gefallen. Nichts wollte ihm gelingen. Der heftigen Fehden, die das Reich in allen seinen Theilen auf's tiefste erschütterten, konnte er nicht Meister werden; das Römische Reich deutscher Nation büßte unter ihm wieder ein, was es unter Lothar an Ansehen bei den auswärtigen Nationen gewonnen hatte; der zweite mit überschwänglichen Hoffnungen begonnene Kreuzzug endete mit einer furchtbaren Niederlage und hatte nur eine heftige Verbitterung zwischen Frankreich und Deutschland zur Folge; der so oft geplante Zug nach Italien zur Gewinnungder Kaiserkrone und zum Schutze des arg von Feinden bedrängten Papstthums konnte nicht angetreten werden, weil immer von Neuem die Hydra der Zwietracht in Deutschland ihr Haupt erhob, und als schließlich alle Hindernisse beseitigt schienen, alle Vorbereitungen für die Romfahrt getroffen waren, da setzte der Tod allen Wünschen und Hoffnungen des unglücklichen Königs ein Ziel (15. Febr. 1152). Wie tief die ernsteren Gemüther von der Trübsal der Zeit ergriffen wurden, lehrt das Beispiel Ottos von Freising. Der edle Bischof glaubte – und mit ihm mögen Unzählige in dem gleichen Wahn befangen gewesen sein – daß die große Katastrophe des Weltunterganges nicht mehr fern sein könne. Noch niemals schien die Welt seit ihrem Bestehen von so viel Unruhe und Jammer heimgesucht worden zu sein – der letzte Akt der furchtbaren Schicksalstragödie der Menschheit war angebrochen. In der Bitterkeit seines Herzens, wie er selbst gesteht, hatte Otto in dieser Zeit des Jammers zum Griffel seine Zuflucht genommen; das Elend des Menschengeschlechtes zu schildern, das war die Aufgabe, die er sich gestellt hatte; für die mannigfachen Lichtseiten hatte sein vom Pessimismus getrübtes Auge keinen Blick. So war sein Buch von den zwei Staaten entstanden, ein vielgelesenes und vielbewundertes Geschichtsbuch, das durch seinen Stil wie durch die originale Auffassung und kritische Beleuchtung der erzählten Ereignisse alle Erzeugnisse der mittelalterlichen Historik früherer oder späterer Zeit mehr oder weniger weit hinter sich läßt. Und wie konnte es anders sein bei einem Manne, der wie Otto von Freising im Besitz der besten Bildung seiner Zeit sich befand, der bei den Alten selbst in die Schule gegangen war und durch ausdauernden Fleiß sich gründliche historische und theologisch-philosophische Kenntnisse erworben hatte.

Der Regierungsantritt und die glücklichen Anfänge Friedrichs I. brachten in Otto eine völlige Wandelung hervor. Kraftvoll ergriff des Bischofs Neffe, dem Konrad mit Übergehung des eigenen noch unmündigen Sohnes sterbend das Reich hinterlassen hatte, die Zügel der Regierung. Nicht lange währte es, so war die Ruhe innerhalbund außerhalb der Reichsgrenzen wieder hergestellt, Friedrich im Verlaufe von wenig Monaten das gelungen, was Konrad Zeit seines Lebens erfolglos zu erreichen gestrebt hatte. Schon im Herbst 1154 konnte Friedrich über die Alpen ziehen, um den Trotz der lombardischen Städte zu brechen, die seit den Tagen Heinrichs IV., nicht ohne Unterstützung bei der Kurie zu finden, mit steigendem Erfolge daran arbeiteten, sich den Verbindlichkeiten zu entziehen, die ihnen aus der Zugehörigkeit zum Reichsverbande erwuchsen. Mit wuchtigen Schlägen traf Friedrichs Zorn die Rebellen: Chieri, Asti und Tortona sanken in Asche; doch Mailand anzugreifen, fühlte er sich zu schwach. Er eilte, die Kaiserkrone zu empfangen, am 18. Juni 1155 setzte ihm Hadrian IV. in der Peterskirche zu Rom das Diadem auf's Haupt. Noch ehe der Sommer zur Rüste gegangen, war Friedrich schon wieder diesseits der Alpen, um seines Amtes in Deutschland zu warten, dessen Frieden einige Fürsten während der Abwesenheit des kaiserlichen Herrn gestört hatten. Sein bloßes Kommen genügte, die unruhigen Geister in ihre Schranken zu bannen, demüthig gehorchten sie dem Friedensgebot des Kaisers. Im September 1156 gelang Friedrichs Politik der größte Erfolg, wie er selbst meinte: auf dem Reichstag zu Regensburg leistete Heinrich (Jasomirgott), Ottos von Freising Bruder, Verzicht auf Baiern, das er einst von Konrad zum Nachtheil Heinrichs des Löwen, des stolzen Sohnes Heinrichs X. von Baiern, erhalten hatte. Während Heinrich der Löwe zu Sachsen noch Baiern bekam, behielt Heinrich (Jasomirgott) Österreich, doch nicht als Markgrafschaft, sondern als Herzogthum mit ausgedehnten Vorrechten und um ein Stück des baierischen Herzogthums vergrößert. Nun war endlich die Quelle beständiger Zwietracht im Reiche verstopft, Heinrich der Löwe, bisher immer einer der Führer der Fürstenopposition, ein getreuer Verbündeter des Kaisers geworden. Wer mochte nach der Versöhnung der beiden mächtigsten Familien im Reiche noch daran zweifeln, daß endlich der langersehnte Friede den deutschen Landen erblühen werde, unter dessen Schutze Künste und Wissenschaften, Handel und Gewerbefröhlich gedeihen konnten. Von solchen Hoffnungen geschwellt, ging Otto an's Werk, und wer möchte ihm daraus einen Vorwurf machen, daß er den, der das unmöglich Scheinende vollbracht hatte, als friedebringenden Imperator und Vater des Vaterlandes preist? Die düstere Schwermuth der früheren Jahre ist von ihm gewichen, und gegenüber den großen Erfolgen Friedrichs I. erschien ihm auch das Trübe, was die Zeit mit sich brachte, wenig beachtenswerth. Deshalb hält er sich im ersten Buche, in dem er neben der Geschichte des staufischen Hauses auch einen Überblick über die Reichsgeschichte seit Heinrichs IV. Konflikt mit dem apostolischen Stuhle giebt, nur wenig bei der Erzählung der unerquicklichen Kämpfe in Kirche und Reich und zwischen den beiden obersten Gewalten der Welt auf; selbst vom zweiten Kreuzzug, bei dem er eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hatte, berichtet er so gut wie nichts. Der Grund ist leicht ersichtlich; für seinen Zweck genügte es, den Zustand des Reiches vor der Thronbesteigung Friedrichs zu skizziren; warum sollte er sich und den Lesern durch eine eingehende Schilderung der an Jammer überreichen Vergangenheit das Herz schwer machen? Erst im zweiten Buche beginnt mit der Wahl und Krönung seines Helden die ausführliche geschichtliche Darstellung. Daß dieselbe im gewissen Sinne panegyrisch ist, muß zugegeben werden; aber Otto bleibt doch trotz des Lobes, mit dem er den Kaiser bedenkt, immer der Wahrheit getreu in dem, was er berichtet. Daß er Manches verschweigt, was dem staufischen Hause nicht gerade zur Ehre gereichte – wie Konrads Gegenkönigthum – tiefgehende prinzipielle Fragen – wie den Streit zwischen dem Kaiserthum und dem Papstthum – mit großer Reserve behandelt, findet seine Erklärung in seiner Stellung zum staufischen Hause und seiner hohen Würde als Kirchen- und Reichsfürst. Kein eigennütziger Wunsch hat ihn bewogen, die Thaten Friedrichs aufzuzeichnen, einzig die ehrliche Begeisterung für den Helden, der eine neue und bessere Zeit heraufgeführt, hat ihm den Griffel in die Hand gedrückt: er fühlte, wie es scheint, in sich das Bedürfniß, vor aller Welt von seiner veränderten Auffassungder Dinge Zeugniß abzulegen und bei den Mitlebenden das Verständniß für die Segnungen der staufischen Regierung zu wecken. Wenn Otto im Begleitschreiben zum Buch von den zwei Staaten als einzigen Lohn seiner Mühe die Huld des Kaisers für die Freisinger Kirche in Zeiten der Noth sich erbittet,4 so kann dem edlen Bischofe daraus unmöglich ein Vorwurf gemacht werden. Übrigens hat er, als er an die Arbeit selbst ging, auch den Schein des Eigennutzes vermieden; in der Vorrede zu den Thaten Friedrichs hat kein Wunsch des Verfassers in Betreff seiner Person oder Kirche Raum gefunden, alle Wünsche gelten dem Kaiser. –

In die Geschichtserzählung hat Otto Exkurse theologischen und und philosophischen Inhalts eingestreut. Er selbst fühlt die Nothwendigkeit, in der Vorrede sich deshalb zu entschuldigen. Die Absicht, die ihn dabei leitete, war nach seinen eigenen Worten, sein Werk auch denen werth zu machen, die in einem Geschichtsbuche mehr als eine Erzählung des Geschehenen in chronologischer Ordnung suchen und ihren Scharfsinn gern an philosophischen Problemen erproben. Solche Exkurse finden sich nur im ersten Buche und zwar in ziemlicher Ausdehnung: offenbar war Otto der Stoff, den er im ersten Buche zu behandeln hatte, selbst nicht fesselnd genug, und sein eigener Geist fand an theologisch-philosophischen Spekulationen mehr Erquickung, als an der Erzählung der unerfreulichen Geschehnisse im Reiche. Im zweiten Buche, in dem er nur Dinge berichtete, an denen Herz und Gemüth eines Jeden sich erheben konnten, bot sich ihm an keiner Stelle Raum zu philosophischer Abschweifung.

Hohen Werth verleiht Ottos Gesten die durchaus urkundliche Darstellung der Geschichte. An den geeigneten Stellen hat Otto die aus der kaiserlichen Kanzlei ihm gelieferten oder sonstwie zur Verfügung stehenden Urkunden als historisches Beweismaterial aufgenommen. Häufig berichtet er als Augenzeuge des Erzählten; als vornehmer Reichsfürst und naher Anverwandter des Kaisers stand er bei Hofe in hohem Ansehn, und seine nicht gewöhnliche geistigeBildung ließ ihn oft genug geeignet erscheinen, bei diplomatischen Missionen Verwendung zu finden. Wo er nicht aus eigener Anschauung berichten konnte, da hat er sich bemüht, die Wahrheit zu erforschen. Nach Art der Alten, die auch ihm die Lehrmeister gewesen waren, hat Otto das Einerlei der Geschichtserzählung des zweiten Buches durch Reden der handelnd eingeführten Personen unterbrochen, sie entsprechen in mancher Hinsicht den geschichtsphilosophischen Reflexionen in den historischen Werken der neueren Zeit, haben also nicht den Werth authentischer Äußerungen.

Otto von Freising ist es leider nicht beschieden gewesen, einen größeren Abschnitt der Regierung Friedrichs in seinem Werke zur Darstellung zu bringen. Ein vorzeitiger Tod raffte ihn noch im besten Mannesalter nach längerem Siechthum am 22. September 1158 dahin. Die Weiterführung seiner Arbeit übernahm nach seinem und des Kaisers Wunsche der Notar Rachwin (Ragewinus), der nach seinem Diktate, wie die Chronik, so auch die beiden ersten Bücher der Gesta aufgezeichnet hatte. Viel Kummer blieb dem Bischof durch seinen frühen Tod erspart. Schon zeigten sich die Vorboten eines furchtbaren Sturmes, der Jahrzehnte lang die Welt erschüttern und an den Grundfesten des Reiches rütteln sollte. Wir wissen, wie tief Otto der Ausbruch des kirchlich politischen Kampfes betrübte und können ihn darum nur glücklich preisen, daß er durch seinen frühen Tod vor dem herben Schmerze bewahrt worden ist, seinen hochsinnigen Neffen mit dem Bannfluch belastet und Deutschland von dem unsäglichen Elend des kirchlichen Schismas heimgesucht zu sehen. – Die beiden letzten Bücher der Gesta Friderici haben, wie erwähnt, Rachwin zum Verfasser; daß Otto von Freising durch Sammlung von urkundlichem Material ihm schon vorgearbeitet hatte, ist möglich; daß er auch handschriftliche Notizen hinterlassen, die Rachwin verwerthet habe, ist zwar von mehreren Seiten behauptet, doch noch nicht schlagend erwiesen worden.5 Otto hat mit demzweiten Buche sein Werk nicht abschließen wollen; das geht deutlich genug aus den Schlußworten des letzten Kapitels hervor, doch scheinen dieselben Worte auch anzudeuten, daß er nur noch ein drittes Buch zu schreiben gedachte.6 Die letzten Ereignisse, von denen Otto berichtet, sind die Beilegung des Baierischen Handels und die Entscheidung im Kölner Wahlstreit auf dem Reichstag zu Regensburg (Sept. 1156); auch der Kaiser gedenkt dieser beiden Erfolge seiner Politik in seinem, dem Werke vorausgeschickten Briefe an letzter Stelle. Man hat nun bisher angenommen, daß Friedrich bald nach dem Regensburger Tage jenen Brief geschrieben und Otto sich unverweilt nach Empfang desselben an die Lösung der selbstgewählten Aufgabe gemacht habe. Doch ist von Jungfer7 der Beweis erbracht worden, daß Otto frühestens im Mai 1157 mit der Abfassung der Gesta begonnen haben kann. Jungfer geht von dem Gesta II, 30 mitgetheilten Briefe Friedrichs an Otto aus, der nach Wilmans und Anderer Meinung im Juli 1156 geschrieben wurde. Durch Vergleichung eines Briefes Friedrichs an Wibald von Stablo über die gleiche Angelegenheit8 ergiebt sich aber, daß Friedrichs Brief an Otto erst Anfang April 1157 geschrieben sein kann. Denn wenn auch Friedrichs Brief an Wibald ein Datum seiner Abfassung nicht trägt, so enthält er doch in sich selbst so bestimmte Angaben, daß über die Zeit seiner Entstehung kein Zweifel sein kann. Er muß zwischen dem 24. und 31. März 1157 geschrieben sein; denn am 24. März 1157 wurde der Beschluß eines Zuges nach Italien zur Demüthigung Mailands, der Pfingsten 1158 angetreten werden sollte, gefaßt am 31. März wurde auf einem Reichstage zu Worms die Betheiligung an demselben von den Fürsten beschworen. Der Brief Friedrichs an Otto von Freising, der von dem Kriegsbeschluß gegen Mailand handelt, kann mithin erst nach dem Wormser Tage geschrieben sein. Da nun Otto in dem Briefe, den er bei derÜberreichung seines Buches von den zwei Staaten an seinen Neffen als Begleitschreiben mitsandte, über den Entschluß des Kaisers, den Übermuth der Mailänder zu bestrafen, seine Freude ausspricht, so muß die Abfassung auch dieses Briefes, sowie die Überreichung des genannten Buches frühestens in den April 1157 fallen. Daraus folgt weiter, daß der den Gesten vorausgeschickte Brief des Kaisers an Otto, welcher der Darstellung des zweiten Buches oft wörtlich zu Grunde gelegt ist, gleichfalls frühestens im April 1157 geschrieben sein kann. Nach Empfang desselben hat Otto seine Arbeit begonnen und bis zu Pfingsten 1158 die beiden ersten Bücher vollendet.9 Um diese Zeit oder wenig später mag ihn die Krankheit befallen haben, die seine an sich geringe Körperkraft erschöpfte und seinem Leben und Wirken ein frühes Ziel setzte.

1

Einen kurzen Abriß über das Leben und die schriftstellerische Thätigkeit Ottos von Freising s. in Geschichtschr. der deutschen Vorzeit, XII. Jahrh., Bd. VIII, Theil 1 (Lief. 60).

2

Das Jahr 1156 kann nach den Untersuchungen Jungfers (s.u. S. XII) nicht mehr aufrecht erhalten werden.

3

Begleitbrief zur Chronik a.a.O. S. VIII ff.

4

Geschichtschr. L. 60. S. XI.

5

Vgl. G. Jordan, Ragewins

Gesta Friderici imperatoris

. Eine quellenkritische Untersuchung. Straßburg (K. Trübner) 1881. S. 26.

6

II, 32:

ut ad ea quae dicenda restant tertio locus servetur volumini.

7

Jungfer, Untersuchung der Nachrichten über Friedrichs I. griechische und normannische Politik bis zum Wormser Reichstage (31. März 1157. Berlin, 1874.

8

Jaffé,

Bibl. rer. Germ. I

, 588 f. Nr. 456.

9

Vergl. außer Wilmans Vorrede zu der Ausgabe der

Gesta Friderici

auch H. Grotefend, der Werth der

G. Fr. imp.

des Bischofs Otto von Freising für die Geschichte des Reichs unter Friedrich I. (Hannover 1870) S. 17 f.

Brief Kaiser Friderichs.

Hier beginnt der Brief des erhabenen Kaisers Friderich an Otto, Bischof von Freising.

Friderich, von Gottes Gnaden Kaiser der Römer und alle Zeit Mehrer des Reichs, entbietet seinem geliebten Oheim Otto, dem Bischof von Freising, seine Gnade und alles Gute.

Die von deiner Liebe uns übersandte Chronik, welche deine Weisheit zusammengestellt oder vielmehr aus dem Dunkel der Vergessenheit zu lichtvoller Harmonie gebracht hat, haben wir mit außerordentlicher Freude entgegengenommen, und wir wünschen nach den Mühen des Krieges bisweilen an ihr uns zu freuen und durch die erhabenen Thaten der Kaiser zu den Tugenden uns unterweisen zu lassen. Was aber seit Antritt der Regierung von uns vollführt worden ist, das würden wir gern auf deine Bitte in gedrängter Zusammenstellung deiner Kenntniß übermitteln, wenn es nicht im Vergleich mit den Thaten früherer Zeiten, welche von den vortrefflichsten Männern verrichtet worden sind, mehr »Schatten«, denn »Thaten« genannt werden könnte. Weil jedoch dein vortrefflicher Geist Niedriges zu erheben und über einen geringfügigen Stoff viel zu schreiben versteht, so lassen wir es uns angelegen sein, mehr im Vertrauen auf deine Lobsprüche als auf unsere Verdienste, das Unbedeutende, was wir im römischen Reiche während eines Zeitraums von fünf Jahren gethan haben, in wenigen Worten zu erzählen.

Nach der ersten Salbung zu Aachen und dem Empfang der Krone des deutschen Reiches1 haben wir einen allgemeinen Reichstag in Merseburg zu Pfingsten2 abgehalten. Dort kam der König der Dänen Petrus3 auf unser Geheiß an unsern Hof und empfing, nachdem er uns Mannschaft und Treue geschworen, die Krone des Reiches aus unserer Hand. Darauf haben wir den Zeitzer Bischof Wichmann4 zum Magdeburger Erzbisthum versetzt. Und obwohl vielerlei Streit und Zwistigkeiten zwischen uns und der römischen Kirche daraus entstanden, hat schließlich doch die päpstliche Autorität bestätigt, was von uns in löblicher Absicht geschehen war. Darauf haben wir eine Heerfahrt nach Rom angetreten und sind mit einem starken Heere in Longobardien eingerückt. Weil aber dieses Land wegen der langen Abwesenheit der Kaiser sich zur Ungebühr gewandt und auf seine Kräfte vertrauend, sich gar sehr zu empören begonnen hatte, haben wir, im Gemüthe ergrimmt, beinahe alle Burgen der Longobarden durch die gebührende und gerechte Erbitterung nicht unserer Ritter, sondern nur der Dienstleute zerstören lassen. Die Mailänder, verschlagen und hochfahrend, betrogen uns treulos und versprachen uns viel Geld, damit sie mit unserer Erlaubniß die Herrschaft über Eumae5 und Lauda6 gewinnen möchten; da sie uns aber weder durch Bitten noch durch Geld dazu bewegen konnten7 haben sie uns, als wir zu ihrem Gebiet gelangt waren, von ihrer reichen Landschaft abbiegend, drei Tage lang in der Einöde umhergeführt, bis wir endlich gegen ihren Willen nahe bei Mediolanum,8 ungefähr eine deutsche Meile davon entfernt, das Lager aufgeschlagen hatten. Da wir dort von ihnen einen Markt heischten und sie uns denselben verweigerten, haben wir ihre ansehnlichste Burg, nämlich Rosatum,9 welche 500 Ritter enthielt, erobern und durch Feuer zerstören lassen.10 Darauf zogen unsere Ritter bis an das Thor der Mailänder und haben viele verwundet und viele gefangen genommen. In den Gefechten, die bald hier bald dort zwischen uns und jenen entstanden, haben wir, den Fluß Ticinus in der Richtung auf Novaria11 überschreitend, zwei Brücken, welche sie selbst bewehrt und mit Burgen geschützt hatten, mit Gewalt genommen und nach dem Übergange unseres ganzen Heeres zerstört. Darauf haben wir ihre drei festesten Burgen, nämlich Mumma, Galla und Trica,12 vernichtet. Und nachdem wir das Geburtsfest des Herrn mit großem Jubel gefeiert, haben wir, über Vercellä und Taurinum13 marschirend, den Padus (Po) überschritten. Darauf haben wir Chera,14 eine mächtige und stark befestigte Stadt zerstört und die Stadt Asta15 durch Feuer verwüstet. Dann haben wir die durch Natur und Kunst wohl geschützte Stadt Terdona belagert16errungenem Siege am Sonntage Jubilate, d.i. am 17. April, zu Pavia die Krone getragen habe, ist der 18. April als Tag der Übergabe schwer festzuhalten. Und als nach drei Tagen die Unterstadt (brugum) erobert war, hätten wir die Burg (arx) selbst genommen, wenn nicht die Nacht und ein gewaltiges Unwetter uns daran gehindert hätten. Endlich nach vielen Angriffen, vielem Blutvergießen und bejammernswerther Bedrängniß jener und nicht unbedeutendem Verluste unsererseits haben wir uns der Burg durch Übergabe bemächtigt und einen Fürsten der Griechen, welcher vom Markgrafen Malaspina17 gefangen worden war, befreit. Nach Terdonas Zerstörung luden uns die Pavesen in ihre Stadt ein, um uns nach dem Siege einen ruhmvollen Triumph zu bereiten. Dort haben wir im Schmuck der Krone, in größter Freude und unter außerordentlicher Aufwartung seitens der Bürgerschaft drei Tage zugebracht. Darauf kamen wir, gerades Weges durch Longobardien, Romanien (Romagna), Tuscien ziehend, nach Sutrium;18 daselbst kam uns der Herr Papst19 mit der ganzen römischen Geistlichkeit freudig entgegen, bot uns väterlich die Weihe an und klagte uns sein Leid, das er vom römischen Volke erduldet hatte. So gelangten wir, täglich zusammen gehend und zusammen wohnend und süße Gespräche wechselnd, nach Rom. Die Römer schickten ihre Boten zu uns und forderten von uns eine sehr große Summe Geldes für ihren Treueid und ihre Dienstleistung, verlangten auch von uns drei Eidschwüre. Wir hielten darauf mit dem Herrn Papste und den Cardinälen Rath. Weil wir nun das Imperium nicht kaufen wollten und dem Volke Eide zu leisten uns nicht ziemt, zog, damit wir alle ihre Ränke und Listen vermieden, unter Führung des Cardinals Octavian der größte Theil unseres Heeres bei Nacht durch ein Pförtchen bei St. Peter ein und bemächtigte sich so zum Voraus des Münsters von St. Peter. Am Morgen schritt uns der Herr Papst mit der ganzen Geistlichkeit zur Basilica St. Peters voraus, empfing uns an den Stufen in feierlicher Procession und goß nach der Feier der Messe am Altar der heiligen Apostel Petrus und Paulus zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria, weil es Sabbat war, den Segen der Krone des römischen Reiches reichlich über unser Haupt aus. Nachdem dies dem Gebrauch gemäß geschehen und vollzogen war, brachen die Römer, während wir alle von allzu großer Anstrengung und Hitze ermattet zu den Zelten zurückkehrten und Speise einnahmen, von der Tiberbrücke aus vor und trachteten im Münster des heiligen Petrus nach Ermordung zweier unserer Diener und Ausplünderung der Cardinäle den Papst gefangen zu nehmen. Wir aber drangen, als wir das Getöse von draußen hörten, bewaffnet durch die Mauern ein und tödteten, indem wir den ganzen Tag über mit den Römern stritten, ihrer fast tausend und ertränkten sie im Tiber oder führten sie gefangen fort, bis die Nacht uns und jene von einander trennte. Am andern Morgen zogen wir, weil uns die Lebensmittel ausgegangen waren, mit dem Papst und den Cardinälen froh des Sieges im Triumphe ab und kamen, nachdem alle Burgen und Verschanzungen rings um die Stadt in unsere Gewalt übergeben worden waren, nach Alba, wo wir mit dem Papste einige Tage lang verweilten. Darauf kamen wir nach Spoleto, und weil es aufständisch war und den Grafen Gwido Werra20 und unsere anderen Boten in Gefangenschaft hielt, machten wir einen Sturm auf die Stadt. Wunderbarer und unerforschlicher Rath Gottes! Von der dritten bis zur neunten Stunde des Tages kämpfend, nahmen wir die stark befestigte Stadt, welche fast hundert Thürme hatte, mit Gewalt und zerstörten sie mit Feuer und Schwert von Grund aus, nachdem wir unermeßliche Beute gemacht, mehr noch durch Feuer verzehrt war. Dann nach Ancona ziehend, begegneten wir dem Paliologen,21 dem edelsten Fürsten der Griechen, und Maroducas,22 seinem Genossen, mit den übrigen Boten des Kaisers (Manuel I.) von Constantinopel. Sie gelobten uns eine unermeßliche Summe Geldes geben zu wollen, damit wir nach Apulien zögen und Willehelm,23 den Feind beider Reiche, durch die Gewalt unserer Heereskraft zu Boden werfen möchten. Weil aber unser Heer durch viele Mühen und Kämpfe allzusehr erschöpft war, zogen es die Fürsten vor heimzukehren statt nach Apulien hinabzuziehen. Und während wir so den Rückweg antreten und die Griechen mit stolzer Zuversicht auf ihre Menge und mit ihrem reichen Geldvorrath nach Apulien zogen, starb Paliologus nach der Einnahme von Barum24 und nach Zerstörung seiner Befestigung, und Willehelm warf sich mit einem gesammelten Heere plötzlich auf die Griechen und schleppte, nachdem er wenige gefangen, die anderen getödtet hatte, alles Geld mit fort. Wir aber langten mit dem herrlichsten von Gott uns geschenkten Siege, wie ein solcher mit 1800 Rittern nach unserem Wissen in früherer Zeit noch nie gewonnen, nach Verona. Wie jene (die Veronesen) auf der Höhe eines Berges25 uns einen Hinterhalt gelegt, wie sie von uns getödtet und zwölf gehängt worden sind, hast du gehört. Du weißt auch in gehöriger Ordnung, wie wir zwischen deinem Bruder, dem Herzog von Östreich,26 und dem Herzog von Baiern27 Eintracht hergestellt, und wie glorreich wir Friderich zum Kölner Erzbisthum erhöht haben.28 Dieses Wenige in wenige Worte zusammengefaßt bieten wir deinem herrlichen Geiste zu weiterer und breiterer Ausführung dar.

1

Salbung und Krönung erfolgte am 9. März 1152 durch Erzbischof Arnold von Köln.

2

18. Mai.

3

Otto von Freising nennt ihn Sven; er war Erich Emunds Sohn.

4

Sohn des Grafen Gerhard von Seeburg und der Mathilde, der Tochter Thiemos von Wettin und Schwester des Markgrafen Konrads des Großen von Meißen.

5

Como.

6

Lodi.

7

Das

et

des lateinischen Textes, das diesen Satz mit dem folgenden

cum ad terram eorum venissemus

verbindet, ist zu streichen.

8

Mailand.

9

Rosate, südwestlich von Mailand.

10

6. Dezember 1154.

11

Novara; der Übergang erfolgte bei Abbiate Grasso am 15. December.

12

Torre di Momo, Galliate, Trecate.

13

Vercelli, Turin.

14

Chieri.

15

Asti wurde zum größeren Theile beim Abzuge der Deutschen am 1. Februar 1155 niedergebrannt.

16

Die Belagerung Tortonas begann am 13. Februar 1155 und dauerte bis etwa Mitte April. Vgl. Prutz, Kaiser Friedrich I. I, 406 f. Giesebrecht, Deutsche Kaiserzeit V, 51 gibt, den Mailänder Jahrbüchern folgend, den 18. April als Tag der Kapitulation an. Nach der bestimmten Angabe Ottos von Freising (II, 20), daß Friedrich nach

17

Opizo Malaspina.

18

In der Nähe von Sutri bei Campo Grasso schlug Friedrich am 8. Juni das Lager auf.

19

Hadrian IV, seit dem 4. December 1154 Papst, ein Engländer (Breakspear), der Sohn eines armen Geistlichen. Die Heimat verlassend, war er erst Prediger, dann Abt des Stiftes St. Rufus bei Valence; Eugen III. machte ihn zum Cardinalbischof von Albano und betraute ihn mit einer Legation nach Skandinavien. Hier wurde er Gründer des Erzbisthums Drontheim, und nach seiner Rückkehr 1154 berief ihn die Wahl der Cardinäle nach Anastasius' IV. Tod auf den Stuhl Petri, auf dem er bis zum 1. September 1159 saß.

20

Guido Guerra.

21

Michael Paläologus.

22

Gemeint ist damit jedenfalls Johannes Dukas, den der byzantinische Geschichtschreiber Cinnamus (IV, 1) nennt; außer den beiden erwähnten führt er als dritten Gesandten Alexander von Gravina auf.

23

Wilhelm I, der seinem am 26. Februar 1154 gestorbenen Vater Roger gefolgt war.

24

Bari.

25

In der Veroneser Klause. Der Führer der Schaar war Alberich. Siehe II, 25.

26

Heinrich (Jasomirgott) von Baiern und Östreich.

27

Heinrich der Löwe von Sachsen und Baiern.

28

Sohn des Grafen Adolf von Berg. Sein Mitbewerber war Gerhard Propst zu Bonn. Der Streit wurde auf dem Reichstage zu Regensburg, September 1156, entschieden.

Inhalt des I. Buches.

Hier beginnen die Kapitel zum ersten Buche.

1. Aus welchem Grunde Hiltibrand vom Kaiser abgesetzt und Gwibert an seiner Statt eingesetzt sei.

2. Daß der Kaiser, nachdem er Italien betreten, Gregor aus der Stadt gejagt hat.

3. Wie Roubert Gwiscard mit den Nortmannen Campanien und Apulien besetzt hat.

4. Über den Aufstand der Sachsen.

5. Philosophischer oder vielmehr theologischer Excurs.

6. Über die Unterwerfung der Sachsen in schwerem Kriege und daß Gwelfo, der Herzog der Baiern, und Roudolf, der Herzog der Schwaben, sich zu empören begannen.

7. Daß eben dieser Roudolf auf Antrieb Gregors von den Sachsen zum König gewählt und bald nachher im Treffen getödtet wird.

8. Über den Grafen Friderich, daß er, nachdem er Schwiegersohn des Kaisers geworden, das Herzogthum in Schwaben erhalten hat.

9. Daß er nach der Geburt seiner Söhne Friderich und Conrad gestorben ist.

10. Über seine Gemahlin Agnes, daß sie den Markgrafen Leopald geheirathet und daß nach dem Tode des Kaisers dessen Sohn Heinrich mit Macht das Reich erlangt hat.

11. Wie er bei Barrum den Grafen Reginald gefangen genommen und abgeführt hat.

12. Daß bei der Hochzeitsfeier in Mainz das Reich gespalten worden ist und von den Thaten des Herzogs Friderich.

13. Wie er Mainz belagert und wie er über sie (die Mainzer) und ihren Erzbischof triumphirt hat.

14. Wie eben dieser Herzog die Burg Lindburg von der Belagerung befreit hat, und von seiner Ehe.

15. Wo Kaiser Heinrich gestorben und begraben. (Daß Albert von Mainz durch Schlauheit die königlichen Insignien von der Kaiserin erhalten hat.1

16. Lothar, der Herzog der Sachsen, wird gewählt, welcher bald die Erben Heinrichs verfolgt, und Nürnberg wird von ihm mit Belagerung umschlossen.

17. Friderich und Conrad befestigen die Stadt, nachdem sie Lothar in die Flucht geschlagen.

18. Wie dieselben Herzöge Heinrich, den Herzog der Baiern, aus Alemannien gejagt haben.

19. Wie Friderich den Nachstellungen desselben Herzogs entgangen ist.

20. Von dem Zuge Lothars nach Böhmen.

21. Welche Fürsten daselbst erlegen sind und von der zweiten Hochzeit Friderichs.

22. Daß nach Lothars Tode Conrad zum Könige gewählt wird, und wer Albert von Mainz auf dem Stuhle gefolgt sei.

23. Wie die Schwester der Königin Gertrud Manuel, dem Kaiser der Griechen, verbunden worden ist.

24. Abschrift der Briefe, die zu damaliger Zeit herüber und hinüber geschickt worden sind.

25. Von Friderich dem Jüngeren und von dem, was er bei Wolfratehusen that.

26. Wie er auch den Herzog Bertholf im Kriege überwunden hat.

27. Wie auf Antrieb Arnalds die Römer gegen ihren Papst sich empören und die senatorische Würde zu erneuern trachten.

28. Brief der Römer an den König.

29. Von den verschiedenen Fehden, welche durch den Zug nach Jerusalem gestillt worden sind.

30. Wie die Burg des Königs von Ungarn Bosan oder Presburg erobert und zurückgewonnen worden sei, und von Boritius.

31. Von der Lage Ungarns und der Sitte des Volkes.

32. Über die Schlacht zwischen dem König von Ungarn und dem Herzog Heinrich.

33. Von dem Feldzug des Siciliers Roger gegen die Griechen.

34. Wie durch die Autorität des apostolischen Stuhles die überseeische Heerfahrt angerathen worden ist.

35. Brief des Papstes Eugen über diese Angelegenheit.

36. Wie infolge der Predigt des Abtes Bernhard von Claravallis der König von Frankreich und seine Fürsten das Kreuz genommen haben.

37. Wie auf die Predigt eines gewissen Rodolf das östliche Franken zum großen Theile zu dem gleichen Heerzug sich verpflichtet hat, und von der Verfolgung gegen die Juden.

38. Abmahnung des Abtes von Claravallis von diesem Treiben.

39. Wie derselbe Abt den König Conrad und viele Fürsten überredete, das Kreuz zu nehmen, und vom Hingang des Herzogs Friderich des Älteren.

40. Daß viele von den Fürsten und eine unzählige Menge in Ratisbona die Kreuze empfangen, und daß die Sachsen gegen andere Heiden eine Heerfahrt gelobt haben.

41. Brief des Abtes von Claravallis über diese Angelegenheit.

42. Daß aus Anlaß dieses Zuges plötzlich ein unglaublicher Friede eintrat.

43. Wie der König Conrad seinen Sohn Heinrich zum Genossen des Reiches erwählt und wie er ihn hat krönen lassen, und vom Sohn des Herzogs Heinrich.

44. Daß der König Conrad zur überseeischen Heerfahrt aufbricht, während ihm der König der Franken mit den Seinen nachfolgte.

45. Kurze Erzählung über den Ausgang dieser Heerfahrt.

46. Von Gisilbert, dem Bischof von Pictavis, wie er von seinen Geistlichen wegen seiner Lehre verklagt worden ist.

47. Wie der Abt von Claravallis gegen ihn aufgetreten ist und von Petrus Abajolardus.

48. Briefe von dieser und jener Seite betreffs seiner Verdammung.

49. Von der apologetischen Schrift desselben Petrus und wegen welcher Kapitel er angeklagt wurde und von seinem Hingange.

50. Von dem Eifer Gisilberts und wegen welcher Kapitel er angegriffen wurde.

51. Durch welche Zeugen man ihn überführen zu können meinte.

52. Seine scharfsinnige Antwort.

53. Theologischer Exkurs.

54. Wie die Sache des Bischofs auf eine allgemeine Kirchenversammlung verschoben worden ist und von dem Häretiker Pereum (per eum).

55. Von der Verdammung desselben und von den Verhandlungen der Versammlung.

56. Wie der Bischof Gisilbert nach der Versammlung zur Verantwortung gezogen wurde und seine Antwort. – Daß die gallicanischen Bischöfe auf einer Zusammenkunft ihr Glaubensbekenntniß in einer Schrift niedergelegt haben.

57. Daß die Cardinäle der römischen Kirche darüber ergrimmt sind, und ihre Rede gegen Papst Eugen. – Wie endlich dieser ganze Streit sein Ende gehabt habe und wie der Bischof Gisilbert entkommen sei.

58. Von unserm Heere und dem Könige der Franken, wo er in den überseeischen Ländern gelandet und wann er nach Jerusalem gekommen. – Vom Könige Conrad und vorgenanntem Könige Ludewig, wie und wo sie einander gesehen haben.

59. Von der Rückkehr des Königs Conrad, und daß er den Herzog Friderich vor sich zurückgesandt hat.

60. Excurs zur Entschuldigung des Ausgangs jener Heerfahrt.

61. Wie und mit welchen Briefen derselbe König vom Papst Eugen empfangen worden sei.

62. Vom Hingange König Heinrichs des jüngeren und Hartliebs, des Bischofs von Utrecht, und Arnalds, des Kölner Bischofs.

63. Conrad begiebt sich in die Gegenden des Unterrheins. Wie er nach Anhörung der Sache der Utrechter nach Baiern gezogen ist. Wie er, nachdem er alles vollbr!cht, gestorben und wo er begraben ist.

Hier enden die Kapitel.

1

Diese Inhaltsangabe findet sich nur in den Handschriften, welche das 15. Capitel in zwei Theile zerlegen.

Vorrede.

Hier beginnt die Vorrede des folgenden Werkes.

Die Absicht Aller, welche vor uns Geschichte geschrieben haben, war, wie ich meine, die herrlichen Thaten tapferer Männer zu preisen, um die Gemüther der Menschen zur Tugend zu wecken, die dunkeln Thaten der Feigen aber entweder mit Stillschweigen zu verhehlen oder, wenn sie ans Licht gezogen werden, zur Abschreckung für die Seelen der Sterblichen offenbar und kund zu machen. Daher halte ich die, welche in dieser Zeit Geschichte schreiben, gewissermaßen für glücklich, da nach dem Sturm der Vergangenheit nicht nur eine bisher unerhörte Heiterkeit des Friedens uns aufgegangen ist, sondern auch wegen der Tugenden des siegreichsten Fürsten so sehr des römischen Reiches Ansehen erstarkt ist, daß nicht nur das unter seiner Herrschaft lebende Volk in demüthigem Schweigen ruht, sondern auch jeder Barbar oder Grieche, obwohl außerhalb der Grenzen derselben wohnend, unter dem Druck der Last seines Ansehens erzittert. Ich gestehe – als ich vor einigen Jahren die frühere Geschichte1 beendigt hatte und der fast ganz Hesperien durchwehende Geist des Pilgergottes2 die Waffen gegen die den Orient bewohnenden Völker zu ergreifen trieb, da gedachte ich um der Lieblichkeit des Friedens willen, welcher plötzlich dem Erdkreis damals gelacht hatte, den Griffel zu wenden,3 und schon hatte ich zu schreiben begonnen, da warf ich – nicht weiß ich, auf welchen Antrieb es geschah – gleich als ahnte der Geist die Zukunft voraus und erschaute das Ende, das begonnene Werk wieder hin. So glaube ich, daß von mir gleichsam ohne mein Wissen und Wollen die Ausführung meines Vorsatzes der Gegenwart vorbehalten worden ist, da die Herstellung eines festen Friedens – wenn anders auf hinfällige Dinge irgend welcher Verlaß zu setzen ist – unter dem kraftvollsten Fürsten im römischen Reiche erwartet wird. Wenn ich aber gesagt habe, daß zu jener Zeit die abendländischen Völker von dem Geiste des Pilgergottes durchweht worden seien, so möge das Niemand so verstehen, als ob ich an einen »Pilgergott« glaubte, sondern er möge wissen, daß ich aus jenem Schriftstück, welches in jenen Tagen an vielen Orten Galliens wieder und wieder gelesen wurde, diesen Ausdruck entlehnt habe. Es lautete aber so: »Ich sage dir, L., der Hirt der Leiber durch das erste Element des Holzes deines Waldes, welchen der Geist des Tages des Pilgergottes begeistert hat.« In dem Wortlaute dieses Schriftstückes wurde auch unter der Hülle der Worte von einer Eroberung der königlichen Stadt und auch des alten Babylon geredet und nach dem Ebenbild des Cyrus, des Königs der Perser, oder des Hercules der Triumph über den ganzen Orient dem vorgenannten Ludewig, dem König der Franken, versprochen. Denn man fand ebendort solche Aussprüche: »Wenn du gelangt sein wirst an die Seite des ewigen, sitzenden Vierecks und an die Seite der ewigen stehenden Vierecke und an die Vervielfältigung der heiligen Zahl durch den wirklichen ersten Würfel, so erhebe dich zu der, welche der Engel deiner Mutter zu besuchen versprach und nicht besucht hat und du wirst daran rühren bis zum vorletzten Ersten; wenn deren Verheißer hinaufgestiegen sein wird, versagt die Verheißung wegen des besten Lohnes, und es mögen deine rosenrothen Fahnen angeheftet werden bis an die äußersten Arbeiten des Hercules, und es wird dir geöffnet werden das Thor der Stadt B. Denn es hat dich der Bräutigam als Bramsegel errichtet, dessen Barke beinahe umgestürzt wäre, an dessen Spitze ein dreieckiges Segel ist, damit dir folge wer dir vorausgeht. Dein L. wird also gewendet werden in C., welcher die Gewässer des Flusses zerstreut hat, bis sie diejenigen überschritten haben, welche trachten nach der Versorgung der Söhne.« Dieses Schreiben stand bei den bewährtesten und frömmsten Personen Galliens zu damaliger Zeit in solchem Ansehen, daß von einigen behauptet wurde, es sei in den sibyllinischen Büchern gefunden, und von andern, es sei einem Armenier durch göttliche Kraft offenbaret worden. Aber wer auch immer jener Prophet oder Schwärmer gewesen ist, der dies veröffentlichte, der möge zusehen, ob sein Spruch sich noch in Zukunft durch eine Heerfahrt erfüllen möge oder ob das, was einen gewissen Glauben beanspruchen konnte, jetzt gleichsam als unerfüllt verachtet werden muß und auf Rechnung der gallischen Leichtgläubigkeit zu setzen ist. Nur im Bewußtsein dessen, daß nicht ohne vernünftige Absicht jener Geist fast alle Abendländer auf die Pilgerschaft trieb, ist er sowohl von uns als von jenem der Geist des »Pilgergottes« genannt worden. Denn nach dem Satze einiger in der Logik bewanderter Männer sollen, obwohl Aussage und Benennung nicht den Formen sondern den Wesen eigentümlich sind, doch die Gattungen und Arten durch Übertragung der Benennung nach der Ursache genannt werden. Oder um ein gemeinverständlicheres Beispiel zu gebrauchen: wie die Weiße hell, der Tod bleich genannt wird deshalb, weil die eine Ursache der Helle, der andere Ursache der Bleichheit ist, und wie man sagt: »Eurus (der Südostwind) macht das Wasser strömen«, so haben auch wir im Hinblick auf die Ursache des Anspruchs vom Geiste des Pilgergottes geredet, der Ursache war, daß so viele und so große Männer um Gottes willen das Pilgergewand anlegten. Da sich nun die Dinge zum Bessern gewendet haben, nach der Zeit des Weinens die Zeit des Lachens, nach der Zeit des Krieges die Zeit des Friedens jetzt gekommen ist, so erachtete ich es für unwürdig, herrlichster der Kaiser, Friderich, nachdem ich die Thaten der andern Könige und Kaiser der Reihe nach erzählt, die deinen mit Stillschweigen zu übergehen, ja, um mehr der Wahrheit gemäß zu sprechen, ich hielt es für das Würdigste, den Tugenden früherer Fürsten die deinen wie dem Golde die Edelsteine voranzustellen. Denn unter allen Fürsten der Römer ist fast dir allein dieses Vorrecht vorbehalten worden, daß dir, obwohl du, wie man weiß, von der frühesten Jugend an in Kriegsdiensten dich abgemüht hast, noch nicht das Glück sein häßliches Gesicht zugewandt hat. So kennt man dich auch maßvoll im Glück, stark im Unglück, gerecht im Gericht, klug und scharfsinnig in Verhandlungen, so daß solches nicht nur infolge der Übung mit dir verwachsen, sondern gleichsam vom Himmel her eingegeben und von Gott dir zum allgemeinen Nutzen des ganzen Erdkreises gewährt zu sein scheint. Dieses Geschichtswerk nun biete ich deiner Hoheit, mit der inständigen Bitte zu Gott, dem Geber alles Guten, daß deinem guten Anfange ein besseres Ende folge. Aber bevor ich die Reihe deiner Thaten zu erzählen beginne, habe ich gedacht über deinen Großvater, Vater und Oheim einiges in der Kürze vorauszuschicken, damit so, gleichsam an einem Faden der Erzählung herabsteigend, durch den Glanz ihrer Thaten noch glänzender erscheine, was über deine Person gesagt werden muß. Wenn nun etwa aus andern Reichen die Thaten einer kirchlichen oder weltlichen Person am passenden Orte eingereiht worden sind, so werden sie nicht für einen dieser Aufgabe fernliegenden Stoff gehalten werden, wenn nur von allen Reichen und Völkern die Erzählung wieder zu den Verhältnissen des römischen Reiches wie zur Quelle zurückläuft. Auch wenn von dem durchsichtigen historischen Stil bei einer zur Abschweifung günstigen Gelegenheit die Rede sich erhebt zu höherem Schwung, d.h. zu philosophischem Tiefsinn, so wird man es auch nicht als außer dem Bereiche eines derartigen Buches liegend betrachten, zwischen einfachere Dinge Höheres einzuschieben, wenn es nur nicht dem Vorrang des römischen Reiches fremd gegenübersteht. Denn auch Lucanus, Virgilius und andere Schriftsteller Roms haben, wenn sie nicht nur die Thaten sondern auch die Fabeln, entweder nach Hirtenoder Bauernart einfältig oder nach Art der Fürsten und Herren des Erdkreises in höherem Stile erzählen, doch häufig den Griffel ergriffen, um die tiefsten Geheimnisse der Philosophie zu berühren. Denn so werden nicht nur die, deren Vergnügen darin besteht, die Reihenfolge der Thaten zu hören, sondern auch die, welchen größere Freude bereitet die Erhabenheit scharfsinniger Vernunftschlüsse, angelockt, dergleichen zu lesen und zu studiren. Und so nehme denn in Gottes Namen die geplante Geschichte ihren Anfang.

Hier endet die Vorrede.

1

Das Buch von den zwei Staaten, gewöhnlich die Chronik genannt.

2

peregrini dei.

3

stylum vertere

, d.h. die Schrift zu tilgen. Da aber eine solche Absicht gar nicht weiter begründet ist, und auch die folgenden Worte nicht dazu passen, scheint er vielmehr damit sagen zu wollen, daß er sich einer neuen Aufgabe zuwenden wollte. W.

I. Buch.

Hier beginnt die Chronik Ottos, Bischofs von Freising, und seines Schreibers1 Rahewinus.

Kapitel 1.

Als unter Kaiser Heinrich, welcher unter den Königen als der vierte, unter den Kaisem als der dritte dieses Namens sich findet, das Reich auf das schlimmste gespalten war und die Mehrzahl der Großen gegen ihren Fürsten sich empörte; als fast die ganze Weite des Reiches durch Schwert und Feuer verödet wurde, beschloß Gregor VII, welcher damals den Bischofstuhl der Stadt Rom einnahm, diesen Kaiser, gleichsam als einen der von den Seinen schon verlassen war, mit dem Schwerte des Fluches zu treffen.2 Die Neuheit dieses Verfahrens erregte im Reiche um so heftigere Erbitterung, als bekannt war, daß niemals vor dieser Zeit ein derartiger Spruch gegen den Fürsten der Römer verkündet worden sei. Deshalb versammelte der Fürst mehrere Bischöfe aus Italien, Gallien, Germanien in Brixinora,3 einer Stadt Baierns, mitten in den Pyrenäen4 nicht weit vom Tridentiner Thal gelegen, und hielt einen großen Reichstag.5 Als alle angekommen, klagte er heftig über die von der römischen Kirche ihm angethanen Unbilden, daß nämlich die Römer ohne ihn, der doch als der König und Patricius der Erste bei der Wahl des Bischofs seiner Stadt sein müsse, zu Rathe zu ziehen, sich einen Bischof bestellt hätten, während von seinem Vater, dem Kaiser,6 mehrere dort gleichsam ohne Wahl inthronisirt worden wären.7 Durch diese Klage konnten um so leichter die Gemüther Aller gegen die römische Kirche eingenommen werden, als nicht nur die Laien, durch die Rücksicht auf weltliche Ehre gewonnen, sondern auch die Bischöfe, von ihren Klerikern, welchen jüngst von ebendiesem Papste die Ehen verboten worden waren, aufgestachelt, dem Wunsche des Fürsten beipflichteten. Unter dem Zuruf Aller wird nun von ihnen dahin entschieden, daß vorgenannte Wahl zu cassiren sei, und Gwibert, der Erzbischof der Ravennaten, genannt Clemens (III.), wird unter Zustimmung des Fürsten zum Bischof der Stadt gewählt,8 und Gregor VII. wird von ihnen ein falscher Mönch oder Schwarzkünstler genannt und verworfen. Daher erkühnten sie sich nach gemeinsamem Beschlusse an den vorgenannten Papst ein Schreiben voll Schmähungen und Lästerungen zu richten, worin sie unter anderem sagten: »Wie du bisher zu sagen pflegtest, daß keiner von uns ein Bischof sei, so wisse, daß du für keinen von uns fürder der Papst sein wirst«.9

Kapitel 2.

Darauf sammelt der Fürst ein zahlreiches Heer, betritt Italien, dringt bis zur Stadt vor, setzt unter dem Jubel des römischen Volkes nach Vertreibung Gregors dort Gwibert ein10 und erhält von ihm den Namen eines Kaisers und Augustus. Der ehrwürdige Priester aber entfloh der Verfolgung, begab sich in die sicheren Gebirgsgegenden Tusciens in das Land der Gräfin Mathildis,11 welche eine Blutsverwandte des Kaisers war, und rief, während er einige Tage dort blieb und den Bann erneuerte, durch Briefe, welche noch an vielen Orten erhalten sind, die Fürsten des Reiches gegen ihren Kaiser auf. Darauf12 zog er sich, nach Campanien und Apulien sich wendend, in eine Stadt der Nortmannen zurück,13 welche vor kurzer Zeit unter Führung Roubert Gwiscards14 in jenen Provinzen nach Ermordung, Vertreibung oder Knechtung der Einheimischen sich festgesetzt hatten, und erwartete dort den Tag seines Todes.15

Kapitel 3.

Dieser Routbert war aus mittelmäßigem Geschlecht in Nortmannien, aus dem Stand derjenigen Ritter, welche sie dort gemeinhin Vavassoren zu nennen pflegen, in einem Orte, welchen die Einheimischen Constantia16 nennen, geboren. Mit seinem Bruder Rogerius wanderte er, sowohl seinem Vater zur Zeit einer Hungersnoth, wie man sagt, willfahrend, als aus Unzufriedenheit mit der Unfruchtbarkeit der Landschaft vom heimischen Boden aus und irrte lange Zeit durch viele Provinzen, um ein Land zur Ansiedelung zu suchen, daher er auch wegen des Umkreises seiner Irrfahrt in der Sprache seines Vaterlandes Gwiscardus d.i. Irrfahrer oder Landstreicher genannt worden ist.17 Nachdem er dann in geraumer Zeit, wie gesagt, viele Gegenden durchmessen hatte, findet er endlich im diesseitigen Italien, welches jetzt Apulien und Calabrien heißt, Aufnahme. Da er das Land im Besitz der Longobarden,von unkriegerischem Volke bewohnt und daher gleichsam eines wachsamen Schutzes ledig fand, sandte er seine Boten nach Gallien zurück, ließ durch sie die Beschaffenheit der Gegenden und die Trägheit des Volkes schildern und warb um Genossen zur Eroberung dieser Provinzen. Und um mich nicht mit vielem aufzuhalten – durch Tapferkeit, List, Schlauheit wurde er des trägen Volkes Sieger und befand sich schließlich im Besitz von Campanien, Apulien, Calabrien, Sicilien. Er überließ aber seinem Bruder Roger an seiner Statt den Besitz der Grafschaft Sicilien, sich selbst behielt er das Herzogthum in Apulien und Calabrien vor. Sein Sohn, welcher nachmals sowohl in Griechenland wie in andern Theilen des Orients tapfere und rühmliche Thaten verrichtete, war Boimundus.18 Seines Bruders Rogerius Sohn aber, Rogerius, welcher nachmals den königlichen Ramen sich anmaßte,19 ist der Vater des gegenwärtig lebenden Willehelm. Doch genug davon.

Kapitel 4.

Um diese Zeit erhob sich das unruhige Volk der Sachsen nach seiner Weise gegen den Fürsten und zerstörte ein »Harzeburch«20 genanntes Kastell, das vom Kaiser zur Bezwingung dieses Volkes an der Grenze des Landes in sehr fester Lage gegründet worden war, zugleich mit der Kirche, mit welcher ein Convent von Chorherren verbunden war, von Grund aus. Der Anlaß zu dieser Empörung jedoch war nicht sowohl aus dem Wankelmuth des vorgenannten Volkes als aus dem Übermuthe des Fürsten erwachsen. Als nämlich genannter Fürst, noch in jugendlichem Alter stehend, da das ganze Reich ruhig war und demüthig seine Herrschaft ertrug, das genannte Land betreten hatte, soll er in jugendlichem Übermuthe gesagt haben, er wundere sich, daß sich im ganzen Umfang seines Reiches niemand finde, an dem er seine Kraft erproben könne, und er schrieb das nicht der Tugend (Treue) sondern der Feigheit zu. Dieses Wort verschwand nicht alsbald nach der Natur seiner Art, nachdem es die Luft durchschnitten, sondern es schlug so kräftig in den Seelen Mehrerer Wurzel und keimte auf, daß es, nachdem in kurzer Frist jene ganze Provinz gegen ihn einmüthig im Aufstand sich erhoben hatte, unzähligen Völkern und Geschlechtern die todbringenden Becher gereicht hat.21 Es mögen also die Fürsten des Erdkreises, die auf der Höhe stehen, lernen, indem sie den größten von Allen, ihren Schöpfer, vor Herzen haben, Maß zu halten, damit sie, um mit Cicero22 zu sprechen, um so demüthiger sich betragen, je größer sie sind. Denn man weiß, daß von den Ärzten, welche die Tauglichkeit der Körperbeschaffenheit betrachten, der treffende Ausspruch gebraucht worden ist: »Es ist besser zur Höhe als auf der Höhe.« Denn da der Mensch, der, zur Mühsal geboren, nur kurze Zeit lebt, weil die Natur als eine aus vielerlei zusammengesetzte der Auflösung zustrebt, niemals in dem gleichen Zustand bleiben kann, so muß er, wenn er auf der Höhe angelangt ist, bald sich abwärts neigen. Darüber sei es erlaubt ein wenig zu philosophiren: Denn »Glücklich wer es vermöchte der Dinge Grund zu erkennen.«23

Kapitel 5.

Alles, was ist, ist entweder ursprünglich (genuinum) oder geworden (nativum). Wie aber das Ursprüngliche nicht sein kann ein nicht einfaches (simplex) und, so zu sagen, ein nicht einzelnes (singulare), nicht einzigartiges (solitarium), so kann das Gewordene nicht ein nicht zusammengesetztes (compositum), nicht gleichförmiges (conforme), nicht aus mehrerem entstandenes (concretum) sein. Zuerst nun wollen wir sehen, was ursprünglich, was geworden heißt, damit dann leichter der Sinn dieser Ausdrücke erhelle. Ursprünglich heißt so viel wie zeugend und nicht gezeugt, d.h. der Zeugung entbehrend; geworden so viel wie geboren oder gezeugt, vom Ursprünglichen herrührend. Daher sagt Plato:24 »Man muß also, wie mir scheint, zuerst unterscheiden, was das sei, was immer ist, der Zeugung entbehrend, dann, was das sei, was erzeugt wird und nicht immer ist.« Und Boetius sagt: »Der du von der Ewigkeit her gehen heißest die Zeit.«25 Zeugung aber fassen wir in weitem Sinne als Eintritt in eine beliebige Eigenschaft oder, um deutlicher zu reden, als irgend ein Eintreten aus dem Nichtsein in das Sein; daher des Aristoteles Ausspruch: »Aus Gegensätzen entstehen Zeugungen.«26 Denn in jedem Gewordenen ist die Verneinung früher als die Bejahung. Das Ursprüngliche ist also entbehrend der Zeugung, entbehrend des Anfangs, wie bei uns nur eines gefunden wird, nämlich die Ewigkeit, die allein der Gottheit zukommt. Denn es gibt bei uns nicht drei Principien, wie sie Plato angenommen hat, sondern nur eines, Gott den Vater, aus dem Alles, Gott den Sohn, durch den Alles, Gott den heiligen Geist, in welchem Alles ist; und wie diese drei nicht drei Götter sind, so sind sie auch nicht drei Principien, auch nicht drei ewige Wesen, sondern ein Princip und ein ewiges Wesen. Es wird also mit zwingenden Gründen erwiesen, daß die Gottheit allein, als des Anfangs entbehrend, einfach sein muß. Denn was zusammengesetzt wird, muß nothwendig von einem andern zusammengesetzt werden; denn ein Ding setzt sich, wie es sich nicht erzeugt, auch nicht zusammen, was aber von einem andern zusammengesetzt wird, muß auch von dem andern sein Wesen haben. Die Gottheit ist aber nicht von einem andern, kann also nicht von einem andern zusammengesetzt werden; sie ist also einfach. Daher sagt Boetius im dritten Buche über den Trost der Philosophie:27 »Wenn etwas von Natur inwohnt, aber von entgegengesetzter Beschaffenheit ist, so möge, wer's kann, wenn wir von Gott, dem Urgrund der Dinge reden, sich vorstellen, wer diese Gegensätze vereinigt habe«. Eben dieses göttliche Sein erweiss sich dadurch, daß es weder in Wirklichkeit (actu) noch dem Wesen nach (natura) ein ihm ähnliches hat, als einzig. Das wird aus einer Betrachtung der natürlichen Dinge leichter ersichtlich sein. Wenn wir uns nämlich zur Anschaunng der Erhabenheit der Gottheit erheben, so sehen wir, weil unser Verstand nicht hat, worin er festen Fuß fasse, besser durch Verneinung als durch Bejahung d.h. was nicht sei, als was sei, indem wir gleichsam über etwas Ungewisses hintasten. In den gewordenen Dingen also muß jedes Wesen oder jede Form, welche das ganze Sein eines Einzelwesens ausmacht, entweder in Wirklichkeit und dem Wesen nach oder doch wenigstens dem Wesen nach ein ihm ähnliches haben. Zum Beispiel: Die Menschheit des Sokrates ist actu und natura, ähnlich der Menschheit Platos, indem sie hinsichtlich aller Theile und jederlei Wirkung (was einige die Form der Substanz und die Substanz der Form nennen), sowohl in diesem als in jenem sich findet. Daher können, obwohl Sokrates und Plato mit Rücksicht auf die Theilung in ein Zahlverhältniß kommen, so daß sie zwei Menschen genannt werden, doch mit Rücksicht auf das Ähnlichsein ein Mensch genannt werden. Denn eine substantielle Ähnlichkeit bewirkt, daß die Subjekte nicht nur konform, sondern auch ein und dasselbe genannt werden, nach dem Satze: »Durch Theilhaben an der Art sind mehrere Menschen ein Mensch«, und in demselben Sinne, wie wir zu sagen pflegen: »Derselbe Wein wird hier getrunken, wie in Rom.« Theile aber nenne ich diejenigen Formen, welche zur Bildung einer Art entweder als allgemeine an die Spitze gestellt, oder als unterscheidende beigesellt werden, oder als zufällige sie begleiten. Denn jede Unterscheidung gehört ja dem einen und kommt dem andern zu, denn sie gehört einer Form und kommt einem Einzelwesen zu. Jetzt ist, wie ich glaube, daraus klar geworden, was ich meinte, als ich sagte, die Menschheit des Sokrates sei nach allen Theilen und jederlei Wirkung der Menschheit Platos ähnlich und Sokrates und Plato könnten demnach in dem (begrifflichen) Allgemeinen ein und derselbe Mensch genannt werden. wenn nämlich die eine vernünftig, die andere sterblich wäre, und weder ganz in diesem, noch ganz in jenem, sondern wenn den einen Theil diese, den andern jene besäße, so ist auch betreffs der Wirkung klar, daß wie diese jenen vernünftig und sterblich, so jene diesen vernünftig und sterblich macht. Auch das Materielle (concretio) kann in natürlichen Dingen nicht nur durch die Vereinigung der Form und des Einzelwesens, sondern nach der Menge des Zufälligen, welches das substantielle Sein begleitet, betrachtet werden. Zum Beispiel: Die Menschheit, welche das ganze Sein des Menschen und, wie gezeigt worden ist, aus vielen Formen zusammengesetzt ist, zieht, um ein Subjekt zu gestalten, die Lachfähigkeit und anderes Zufällige an sich. Es gibt andere, ein Subjekt vollständig gestaltende Formen, welche nur eine ähnliche Natur haben. Man erkennt ja, daß das Sein der Sonne, wenn auch nicht actu, doch natura ein ihm ähnliches habe. Daher kann es, obwohl es mehrere Sonnen nicht gibt, doch ohne Widerspruch der Natur mehrere Sonnen geben. Es leuchtet also aus dem Gegensatz durch Verneinung ein, daß die göttliche Wesenheit weder ein ähnliches ist, noch der Konkretion unterliegt. Daher möge sie, um die natürlichen Worte zur göttlichen Lobpreisung zu wenden, wie einfach so auch einzig und einzigartig genannt werden, so daß sie als einfach gegenüber der Zusammensetzung, als einzig gegenüber der Ähnlichkeit, als einzigartig gegenüber der Konkretion sich absondere. Weder actu noch natura ist sie also ähnlich, weil ein anderer Gott, ein anderer Schöpfer, ein anderer Allmächtiger weder gewesen ist, noch ist, noch wird sein können. Daher sagt der Psalmist:28 »Gott wer ist dir gleich?« Die Konkretion nimmt die göttliche Wesenheit nicht an, da sie weder ein Subjekt hat, was gestalte, noch irgend eine Begleitung von Zufälligem zuläßt. Daher kann sie auch nicht im eigentlichen Sinne eine Substanz genannt werden. Denn die Substanz kann gewissermaßen Subjekt genannt werden, die Form aber kann nimmer Subjekt sein. Da dieses aber nach dem Philosophen weder den Leidenschaften noch der Bewegung unterworfen ist, so ist es aus diesem oder jenem bestehend, aber was es auch ist, es ist eines und existirt deshalb in Wahrheit, und ist das Stärkste, auf nichts sich stützend, und kann auch weit besser eine Form genannt werden. Denn alles Sein ist aus der Form. Sie ist also nicht dies und das, sondern nur dies, das Schönste und Stärkste. Denn wenn sie etwas sich ähnliches hätte, so könnte sie nicht das Schönste genannt werden. Wenn sie auf das Subjekt sich stützend der Begleitung des Zufälligen bedürfte, so wäre sie nicht das Stärkste. Daher ist sie das Schönste und Stärkste, auf nichts sich stützend, und, wie vom erwähnten Philosophen sehr treffend gesagt worden ist, sie ist weder der Definition noch der Theilung, viel weniger der Darlegung oder Auflösung fähig. Wahrhaftig. Denn da sie eine höhere Gattung nicht hat, womit sie zusammengesetzt werde, so läßt sie eine Definition nicht zu. Wie sollte sie die Zerlegung nach Theilen zulassen, sie, welche aller Arten entbehrt, in welche sie getheilt werden könnte? Wie sollte sie der Darlegung zugänglich sein, sie, welche, als Anfang aller Dinge und Erstes, ein Ersteres (primiora), Wahreres, Bekannteres nicht über sich haben kann? Daher schließt sie nothwendiger Weise, infolge der Natur der Einfachheit, der Einzigkeit, so zu sagen der Einzigartigkeit, den Zwang der Auflösung aus, so daß sie mit Recht allein ewig, unwandelbar, unveränderlich sowohl ist, als natürlicher Weise dafür gilt. Denn die übrigen Wesen, wenn es irgend welche gibt, die der Wandelung nicht unterworfen sind, wie die Engel, haben das erwiesener Maßen nicht infolge der eignen Natur, sondern infolge der Gnade ihres Schöpfers, von dessen Unwandelbarkeit sie selbst unwandelbar genannt werden, so daß also, wenn ich sage: »Gott ist unwandelbar, der Engel ist unwandelbar«, nicht von einer andern Unwandelbarkeit im zweiten, als im ersten Satze die Rede ist, sondern von derselben. Zum Beispiel, wenn ich einen Künstler menschlich und ein Werk menschlich nenne, so spreche ich nicht von zwei verschiedenen Menschheiten, sondern das, was ich vom Künstler substantivisch aussage, das sage ich vom Werk in übertragener Weise (denominative) aus, und wenn ich sage: »Sokrates lacht; die Wiese lacht«, so sage ich nicht eine andere Eigenschaft vom Sokrates, eine andere von der Wiese aus, sondern ich sage dieselbe Eigenschaft, welche ich bezüglich des Sokrates im eigentlichen Sinne nahm, bezüglich der Wiese im uneigentlichen oder übertragenen Sinne aus. Mit Rücksicht darauf sagt Boetius: »Der bildliche Gebrauch hat keine Eigenschaft.«

Nachdem nun bezüglich des göttlichen Wesens nachgewiesen worden ist, auf dem Wege der Negation, daß, da es weder zusammengesetzt, noch ähnlich noch konkret genannt werden kann, es als einfach, einzig, einzigartig in jeder Hinsicht aufzufassen ist, so erübrigt jetzt noch zu beweisen, inwiefern jedes Gewordene als zusammengesetzt, ähnlich, konkret zu betrachten ist. Alles nämlich, was geworden ist, nimmt ohne Zweifel von einem andern seinen Ursprung. Denn nichts kann von sich selbst werden. Was aber von einem andern ist, ist nicht Uranfang, es ist also dies und das (hoc et hoc); daher ist es nicht einfach, ist also zusammengesetzt. Denn wir erheben uns hier nicht dazu, von der theologischen und unaussprechlichen Zeugung und Geburt zu sprechen, sondern stellen nur über diejenige, welche von den Philosophen Zeugung (genitura), von uns Machung (factura) oder Schöpfung genannt zu werden pflegt, unsere Erörterung an. Es ist aber zu bemerken, daß anders die Zusammensetzung der Formen, anders die der Einzelwesen ist, daß die der Formen aus Formen, die der Einzelwesen aus Einzelwesen besteht. Denn keine Form läßt eine Zusammensetzung mit Einzelwesen, kein Einzelwesen eine solche mit Formen zu. Denn durch so große Verschiedenheiten trennen sich das Sein und das, was ist, von einander, daß weder das, was ist, eine Zusammensetzung mit seinem Sein, noch das Sein eine Zusammensetzung mit dem, was durch es selbst ist, zuläßt, und obwohl sie unter keine Gattung fallen und das eine, wie gesagt, eine Zusammensetzung mit dem andern nicht zuläßt, so kann doch das eine ohne das andere nicht sein. Und diese derartige, ich möchte sagen, Zusammenfügung (compactio