Die Witwe: Odo und Lupus, Kommissare Karls des Großen - Vierter Roman - Robert Gordian - E-Book
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Die Witwe: Odo und Lupus, Kommissare Karls des Großen - Vierter Roman E-Book

Robert Gordian

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Beschreibung

Zwei Ermittler in größter Gefahr: Der historische Kriminalroman »Die Witwe« von Robert Gordian jetzt als eBook bei dotbooks. Thüringen im späten 8. Jahrhundert. Im entlegenen Zipfel des Frankenreiches regiert noch das archaische Gesetz der Blutrache. Streitfälle werden durch Gottesgerichte entschieden, oft grausam und zugunsten der Stärkeren. Odo und Lupus sollen hier die neue, humane Rechtsordnung Karls des Großen durchsetzen – und bringen sich in Lebensgefahr, als sie in eine mörderische Fehde zwischen zwei Adelsfamilien verwickelt werden … »Kriminalgeschichten aus der Zeit Karls des Großen versprechen ein ganz besonderes Vergnügen. Denn bei diesen Streitfällen wird nicht nur ein Rechtsbruch geschildert, sondern der Leser erfährt auch eine Menge über die Sitten und Unsitten jener Zeit. Und Robert Gordian erzählt mit Bravour.« Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der historische Kriminalroman »Die Witwe« ist der vierte Band aus Robert Gordians Serie rund um Odo und Lupus, die Kommissare Karls der Großen – ein Fest für alle Freunde von Mittelalterspannung. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 343

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Über dieses Buch:

Thüringen im späten 8. Jahrhundert. Im entlegenen Zipfel des Frankenreiches regiert noch das archaische Gesetz der Blutrache. Streitfälle werden durch Gottesgerichte entschieden, oft grausam und zugunsten der Stärkeren. Odo und Lupus sollen hier die neue, humane Rechtsordnung Karls des Großen durchsetzen – und bringen sich in Lebensgefahr, als sie in eine mörderische Fehde zwischen zwei Adelsfamilien verwickelt werden …

„Kriminalgeschichten aus der Zeit Karls des Großen versprechen ein ganz besonderes Vergnügen. Denn bei diesen Streitfällen wird nicht nur ein Rechtsbruch geschildert, sondern der Leser erfährt auch eine Menge über die Sitten und Unsitten jener Zeit. Und Robert Gordian erzählt mit Bravour.“ Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln

Über den Autor:

Robert Gordian, geboren 1938 in Oebisfelde, studierte Journalistik und Geschichte und arbeitete als Fernsehredakteur, Theaterdramaturg, Hörspiel- und TV-Autor, vorwiegend mit historischen Themen. Seit den neunziger Jahren verfasst er historische Romane und Erzählungen. Robert Gordian lebt in Eichwalde, einem Vorort Berlins. Bei dotbooks erschienen seine historischen Romane rund um Odo und Lupus, die Kommissare Karls des Großen:

Demetrias Rache

Saxnot stirbt nie

Pater Diabolus

Die Witwe

Pilger und Mörder

Tödliche Brautnacht

***

Neuausgabe Mai 2013

Copyright © der Originalausgabe 1996 Bleicher Verlag, Gerlingen

Copyright © der Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München

ISBN 978-3-95520-257-6

***

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Robert Gordian

Die Witwe

Odo und Lupus, Kommissare Karls des Großen

Vierter Roman

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Am Ende dieses eBooks finden Sie ein Personenverzeichnis und in einem Glossar zahlreiche Wort- und Sacherklärungen.

Dramatis personae

Glossar

1. Kapitel

Dem edlen Volbertus, Prior im Kloster N., entbietet sein treuer Vetter Lupus den Heilgruß!

Dieser Bericht, mein Teurer, wird Dich das Grausen lehren. Deshalb empfehle ich Dir dringend, Deine Seele durch Gebete zu stärken, bevor Du Dich an die Lektüre machst. Auch ich habe in den letzten Wochen immer wieder Trost im Herrn suchen müssen, damit mich das Unglück, das nicht nur anderen, sondern mir selbst im Übermaß zustieß, nicht niederwarf und damit ich die Kraft fand, dem Tod und seiner hässlichen Schwester, der Rache, ins Antlitz zu blicken. Denn einen Fall von Blutrache will ich Dir schildern, so ungewöhnlich, dass Du Vergleichbares nicht einmal bei den Chronisten des sechsten und siebenten Säkulums, der Zeit der Finsternis und der Gesetzlosigkeit unter den Merowingerkönigen, finden wirst. O tempora, o mores! möchte man mit einem alten heidnischen Schriftsteller ausrufen und an den Zuständen dieser Welt verzweifeln.

Was mich dabei am meisten bedrückt: Von Anfang an waren wir, Odo und ich, am Ort des Geschehens, und doch konnten wir das Schreckliche nicht aufhalten. Schlimmer noch: Unser Erscheinen hat alles erst richtig in Gang gesetzt – so wie der Fuß absichtslos gegen einen Stein tritt, der den Abhang hinab rollt und einen anderen anstößt, der wiederum einen dritten ins Rollen bringt und so fort. Dabei wollten wir das genaue Gegenteil! Unser Herr Karl, der große König der Franken und Langobarden, hat uns ja ausgesandt, um Ordnung und Frieden zu stiften und dafür zu sorgen, dass die Gesetze beachtet werden. Als Königsboten waren wir seit dem Frühjahr unterwegs, diesmal in entlegenen Gebieten des Reiches, an den Ufern der Saale und der Unstrut. Gott kann bezeugen, dass wir erfolgreich waren. Wir hatten Grund, mit uns zufrieden zu sein. Da aber führte uns unser Weg zuletzt noch in dieses Unglückstal.

Hätten wir uns das erspart! Wir hatten ja nicht einmal ein Mandat, sondern es war unser freier Entschluss, die Grafschaft zu besuchen, die eigentlich noch gar keine ist, denn in dieser gottverlassenen Gegend ist es bisher kaum gelungen, die fränkische Verfassung durchzusetzen. Die Menschen leben hier fast noch so wie vor zweihundertfünfzig Jahren, als der letzte König der Thüringer, Hermenefred, sich der fränkischen Übermacht beugen und seinem Thron entsagen musste. Das störte allerdings bisher niemanden, und der Herr Pfalzgraf, der unsere Einsätze lenkt, hatte uns ausdrücklich aufgetragen, uns nur um die höher entwickelten, für die Grenzsicherung und den Handelsverkehr wichtigen Gaue zu kümmern. Ein so winziges, unbedeutendes Eckchen des riesigen Reichsgebietes konnte vernachlässigt werden.

Wir wussten nur, dass ein Herr Rothari, ein alteingesessener Adaling (so bezeichnen sich hier die Edlen), vor ein paar Jahren auf einer Reichsversammlung von König Karl beauftragt wurde, gräfliche Pflichten wahrzunehmen. Ob er es tat, war niemandem bekannt, nicht einmal den nächsten Nachbarn. Es gab allerdings auch keine Klagen über ihn. So hätten wir eher Grund gehabt, solche gar nicht erst herauszufordern und ihn und seinen Stamm in ihrer Abgeschiedenheit dämmern zu lassen, bis wenigstens eine Straße durch die Wälder geschlagen war, auf der eine königliche Abordnung bequem und standesgemäß dahin ziehen konnte.

Nun war es indessen gerade diese Straße, um deretwillen wir an dem schönen, warmen Augusttag zu Herrn Rothari unterwegs waren. Es gehört, wie Du weißt, auch zu unseren Aufgaben, den Zustand der Straßen und Wege zu überprüfen, wo aber solche nicht vorhanden oder in unzulänglichem Zustand sind, dem dafür verantwortlichen Amtsträger Weisungen zu erteilen. Ein Graf Hademar, den wir zuletzt besucht hatten, ein kraftvoller und dem Fortschritt zugewandter Mann, hatte uns darauf aufmerksam gemacht, dass bisher nichts geschehen sei, um Rotharis Gebiet an die nächste Reichsstraße anzuschließen. Nicht einmal mit Rodungen sei begonnen worden.

Dies konnte Nachlässigkeit, aber auch Absicht sein. Wir beschlossen, der Sache nachzugehen. Versteckte Winkel, die kaum einen Zugang haben, sind leichte Beute für äußere Feinde und bevorzugter Unterschlupf von Verschwörern, Fahnen- und Landflüchtigen, natürlich auch von Räubergesindel. Wir wollten den Grafen auf diese Gefahren aufmerksam machen und ihn an seine Pflichten erinnern.

Ein Bote wurde vorausgeschickt, um unsere Ankunft zu melden, und Herr Hademar befahl einem seiner Grenzwächter, uns zu führen. Auf kürzestem Wege sollte er uns, das heißt Odo, mich und die fünf Männer unseres Gefolges, in jenes Gebiet bringen, das ich den Tannengrund nennen will, weil ich dieses prächtige Nadelholz dort in erstaunlicher Artenvielfalt vorgefunden habe.

Wie immer, lieber Vetter, bin ich genötigt, die Namen von Orten und Personen zu ändern, um jedem Verdacht vorzubeugen, ich könnte Amtsgeheimnisse ausplaudern. Zwar weiß ich, dass Du verschwiegen bist und dass Du diesen Bericht nur Brüdern zu lesen gibst, die Dein volles Vertrauen besitzen … aber wer weiß? Ein Judas findet sich überall, um uns Frommen zu schaden, und so könnte ich, wenn die wirklichen Namen genannt werden, schnell meinen schönen Vertrauensposten verlieren. Ihr aber würdet nichts Spannendes mehr zu lesen bekommen, sondern müsstet Euch mit den Schriften begnügen, welche die Abenteuer unserer lieben Heiligen auf der Suche nach Gott schildern.

Ich erspare es mir, den Weg zu beschreiben. Wie zu erwarten war eigentlich keiner vorhanden. Es war nur ein Trampelpfad, der bergauf und bergab durch dichten Wald und noch dichteres Gebüsch führte. Missmutig stapften und stolperten wir dahin, mit Schwertern und Messern wuchernde Zweige abhauend, unsere alle Augenblicke strauchelnden Tiere hinter und her zerrend. Es gibt keine zweite so wüste und wilde Gegend wie dieses Waldgebirge der Thüringer!

Man muss erlebt haben, wie dort ein Gewitter herauf kommt. Plötzlich, am hellen Nachmittag, ist die Sonne verschwunden. Der eben noch makellos blaue Himmel verfinstert sich. Gelbschwarze Wolken ballen sich drohend. Mitten am Tage wird es Nacht. Da und dort zucken Blitze hervor, gefolgt zuerst nur von leisem Grollen, dann von sich näherndem Gepolter, schließlich von ohrenbetäubendem, durch das Echo der Berge vervielfachtem Krachen. Da kommt auch Wind auf, eine Bö jagt die andere, fährt in die Kronen der Bäume, peitscht die Äste. Über und um uns rauscht und braust es. Die ersten Regentropfen spritzen uns in die Gesichter. Der Grenzwächter, unser Führer, schreit uns zu, dass nicht weit entfernt eine Höhle sei, in deren Schutz wir den kommenden Wolkenbruch abwarten könnten. Wir beschleunigen unsere Schritte. Der Trampelpfad windet sich einen Hang hinauf. Seitlich fallen die Wände schroff ab. Wir erreichen den Kamm, folgen der letzten Biegung des Pfades und treten hinaus auf eine Felsenplattform.

Doch da fahren wir schon erschrocken zurück. Impetus, Odos Grauschimmel, scheut und steigt hoch.

Im düsteren Schlund des Höhleneingangs steht reglos eine hohe Gestalt. Sie trägt ein langes, leichenweißes Gewand, das nur ihren Kopf fast völlig verhüllt. Der tobende Wind scheint sie nicht zu berühren. Acht bis zehn Schritte verharren wir vor ihr, unschlüssig, starrend. Dann sehen wir im zuckenden Licht der Blitze, wie die Gestalt den rechten Arm hebt. Und hören, wie sie die folgenden Worte hervorstößt:

„Der Himmel brennt und der Boden schwankt,

Feuer und Wasser mischen sich.

Fremde, beachtet das Zeichen, flieht

die Bäume, welche vom Himmel gefallen,

versperrend den Grund, wo die Blutquelle strömt.

Wehe, furchtbare Fehde naht!

Wilder Hass zündet ruchlose Tat!“

Die schrille Stimme kämpfte gegen das Brausen des Windes. Unwillkürlich schlug ich das Kreuz. Eine Hand krallte sich in den Ärmel meiner Kutte. Herum fahrend blickte ich in das totenblasse Gesicht unseres Dieners Rouhfaz, der stammelte: „Befehlt, dass wir umkehren, Vater! Fort von hier!“ Unser Führer, der Thüring hatte sich hinter einem Felsblock hingekauert.

Nur einer von unserem Wachtrupp, ein alter Eisenfresser, der den Teufel schon hundertmal am Schwanz gepackt hatte, trat ein paar Schritte vor und rief:

„He, was willst du von uns? Warum sollen wir fliehen? Platz da, Gespenst!“

„Zurück, Fulk!“, rief Odo, der alle Kraft brauchte, um seinen schnaubenden Hengst zu halten.

Doch Fulk hörte nicht oder wollte nicht hören. Mit einem Sprung war er bei der weißen Gestalt. Er packte sie und warf sie zu Boden.

Sie schrie gellend. Ohne Zweifel, es war eine Frau. Mühsam erhob sie sich und machte ein paar schwankende Schritte. Auch ich rief Fulk den Befehl zu, von ihr abzulassen. Aber er lachte nur höhnisch, und mit einem Ruck riss er ihr das Gewand vom Leibe.

Im selben Augenblick krachte es hinter uns. Alles war plötzlich in gleißendes Licht getaucht. Eine Kiefer, vom Blitz getroffen, stand da als Riesenfackel in prasselnder Lohe.

Unwillkürlich hatten wir alle die Köpfe herum geworfen. Als ich jetzt wieder zum Eingang der Höhle blickte, bemerkte ich, dass die Frau unseren Schreck benutzt und sich zur Flucht gewandt hatte.

Sie eilte in die Höhle hinein und ich sah sie gerade noch schattenhaft an einer vom Feuer beleuchteten Innenwand forthuschen und verschwinden. Es war ein eigenartig torkelnder Schatten, man konnte meinen, dass die Person sich mit kurzen, grotesken Sprüngen vorwärts bewegte. Neben dem Stein vor der Höhle, auf dem sie gestanden hatte, um größer zu erscheinen, lag noch das weiße Obergewand.

„Satanshure!“, schrie Fulk ihr nach. „Ich kriege dich noch!“

Es war aber weder Zeit, die seltsame Warnerin zu verfolgen noch ihren Worten nachzusinnen. Der auflodernde Baum, keine hundert Fuß von uns entfernt, hatte unsere Ordnung vollkommen aufgelöst. Die verängstigten Tiere waren kaum noch zu halten. Zwei Pferde versuchten, den Hang hinab zu fliehen und hätten sich wohl zu Tode gestürzt, wären sie nicht von ihren Herren an Mähnen und Schwänzen gepackt und zurück gerissen worden. Odo hatte den Hals seines Impetus umklammert und die beiden rasten im Kreis herum. Nur Grisel, mein guter Eselshengst, bewahrte die Ruhe, wie meist in unsicherer Lage.

Schließlich öffneten sich die Schleusen des Himmels und sintflutartig strömte Regen herab. Wir flohen alle in die Höhle. Allerdings blieben wir in der Nähe des Eingangs in einem breiten, feuchten und kühlen Gewölbe, das größtenteils mit Wasser gefüllt war. Weit hinten schienen mehrere Gänge und Schächte zu münden. In einem von ihnen musste die Fliehende verschwunden sein. Vielleicht versteckte sie sich dort drinnen, vielleicht hatte die Höhle auch einen zweiten Ausgang. Es fiel aber niemandem ein, sich darum zu kümmern. Wir starrten hinaus auf den niederrauschenden Regen und warteten. Nach einer Weile stellten wir fest, dass zwei Männer fehlten: Helko, der Anführer unseres Wachtrupps, und der Einheimische, der uns hergebracht hatte.

„Der Kerl ist geflohen“, sagte Fulk, „und Helko versucht, ihn zu fangen. Feiger Hund, dieser Thüring! Ängstigt sich vor einer lahmen Alten!“

„Hoffentlich hast du sie nicht beleidigt“, stöhnte Rouhfaz. Er zog seinen Glatzkopf zwischen die spitzen Schultern und spähte furchtsam ins Innere der Höhle. „Sie ist vielleicht eine Zauberin und die Herrin das Berges.“

„Zauberin!“, lachte Fulk verächtlich. „Der hab ich das Zaubern verleidet.“

„Ja, spotte nur! Der Blitz hat schon neben uns eingeschlagen. Vielleicht stürzt auch noch die Höhle ein.“

„Dann mach nur schnell, dass du hinaus kommst!“ Fulk nahm einen Schluck Bier aus seinem altmodischen Trinkhorn, das er immer am Gürtel und zur Hand hatte.. „Los! Hinaus! Worauf wartest du?“

Rouhfaz zog es aber vor, der Gefahr zu trotzen und im Trockenen zu bleiben.

Odo hatte das weiße Gewand aufgehoben und ließ es durch seine Finger gleiten.

„Feines Tuch! Woanders gehen die Hexen in Lumpen. Hier scheinen sie im Wohlstand zu leben.“

„Du glaubst auch, das war eine Hexe?“, fragte ich.

„Was glaubst denn du? Etwa ein Engel?“

„Vielleicht war es eine von diesen weisen Frauen, den Seherinnen und Ratgeberinnen. Die soll es hier ja immer noch geben.“

„Das meine ich doch: eine Zaunreiterin. Die weisen Frauen sind ein bisschen heruntergekommen.“

„Hast du alles verstanden, was sie uns zurief?“

„Nun, was mich betrifft, so habe ich immer noch Schwierigkeiten mit ihrem seltsamen Diutisk. Dazu der Lärm und der Wind … Mir schien, es war eine Warnung. Was wollte sie?“

Er wartete aber meine Antwort nicht ab, weil noch einmal ein Blitzschlag die Tiere erschreckte. Er musste sich um Impetus kümmern.

Du hast Dich vielleicht schon gewundert, lieber Vetter Volbertus, weil ich das Orakel der thüringischen Pythia wörtlich wiedergeben konnte. Ich will mich nicht mit meinem Gedächtnis brüsten. Als Odo mich aber in diesem Augenblick fragte, wiederholte ich im Stillen die Worte und brachte sie wirklich noch zusammen. Um sie nun nicht zu verlieren, nahm ich die Schreibtafel, die ich stets bei mir trage, um Wichtiges und Bewahrenswertes gleich zu notieren, und ritzte die Worte in das Wachs. So blieben sie bis heute erhalten und ich konnte sie in diese Erzählung einfügen.

Kaum waren Tafel und Griffel wieder in der großen Tasche meiner Kutte verwahrt, hörte der Regen auf und wir konnten die Höhle verlassen. Es ist eigentümlich für diese Gegend – ich habe es dann noch öfter erlebt –, dass ein Unwetter ebenso plötzlich abzieht, wie es herannaht. Die Wolkendecke zerriss, die Sonne lugte hervor, der Wind flaute ab und vom Regen blieben nur schmale Rinnsale übrig und glänzende Tropfen auf Blättern und Halmen. Frischer und heiterer war alles ringsum. Die Vögel, die vorher schon träge verstummt waren, begrüßten vielstimmig den verjüngten Tag. Bald war es allein noch die zerstörte Kiefer, die an das Gewitter erinnerte. Der starke Wind hatte das Feuer gelöscht. Als halb verkohlter, gespaltener Stumpf ragte sie in den blauen Himmel.

Wir sammelten uns vor dem Eingang der Höhle. Unser Thüring blieb nach wie vor verschwunden. Wir hatten schon eine Weile unruhig gewartet, als Helko zwischen den Bäumen hervortrat und fluchend gestand, dass ihm der Bursche entwischt sei.

„Schlechte Sitten“, bemerkte Odo. „Er hätte sich wenigstens verabschieden können. Vorwärts, Männer, wir müssen weiter!“

„Ohne Führer?“, rief Rouhfaz angstvoll.

„Du kannst ja hierbleiben. Falls du es vorziehst, Meister Rouhfaz, es dir in der Höhle gemütlich zu machen … in der Gesellschaft der Hexe …“

Ein Gelächter brach aus auf Kosten des Kahlkopfs. Damit löste sich endlich die Spannung, die die meisten von uns seit der Ankunft vor der Höhle beherrscht hatte. Wir zogen noch einmal die Riemen unseres Gepäcks fest und ergriffen die Zügel unserer Tiere. Und indem wir uns Odo und seinem viel gerühmten, auf Erkundungsgängen und Jagden erprobten Spürsinn anvertrauten, setzten wir uns erneut in Bewegung.

„Du hattest richtig verstanden, die Frau vor der Höhle warnte uns“, sagte ich etwas später zu ihm, als der Weg breiter wurde und wir aufsitzen und ein Stück nebeneinander reiten konnten. „Sie forderte uns sogar auf zu fliehen.“

„Nun, das muss uns nicht weiter kümmern“, erwiderte er leichthin. „Diese Zaunreiterinnen sehen überall Unglück. Vielleicht wollte sie uns auch nur neugierig machen und ihre Dienste anbieten. Wir hätten sie nicht verscheuchen sollen. Vielleicht weiß sie etwas und wäre uns nützlich gewesen.“

„Besser ist es, man traut ihnen nicht“, fühlte ich mich verpflichtet zu sagen. „Sie treiben viel heidnischen Unfug.“

„Jetzt bist du zu streng, mein frommer Freund. Ob es dir gefällt oder nicht … so eine hat mir mal das Leben gerettet.“

„Tatsächlich?“

„Das war in Sachsen, nach einer verlorenen Schlacht. Ganz am Anfang, als wir noch seltener siegten. Unser ruhmreicher Karl und sein christliches Gefolge nahmen tapfer Reißaus, während ich auf dem Schlachtfeld liegen blieb. Mit einem Pfeil im Oberschenkel und einer Schwertwunde in der Schulter. So eine Hexe, die sich auf Kräuter, Sprüche und Zauberei verstand, hat mich geheilt. Übrigens war sie noch jung, es gibt nämlich auch junge unter ihnen. Sie hauste im Wald, weil sie ihre Familie verloren und Angst vor den Franken hatte.“

„Die du ihr natürlich genommen hast.“

Odo lächelte von der Höhe des Pferderückens auf mich Eselsreiter herab und strich sich den schwarzen, glänzenden Schnurrbart.

„Konnte ich widerstehen, Vater? Sie war eine Schönheit, ein echtes Naturkind. Und ich war ihr ja auch etwas schuldig.“

„Die vor der Höhle war alt und hässlich“, mischte sich Fulk, der hinter uns ritt, ins Gespräch. „Eine Vettel, schrundig wie der Arsch eines Bocks.“

„Hast du sie dir denn genauer angesehen?“, fragte ich.

„Freilich. Es wurde ja gerade hell, als ich dem Weib den Fetzen herunter riss. Sie versuchte, mit dem Arm ihr Gesicht zu verdecken. Ich sah nur die eine Hälfte, doch das genügte schon. Kein Auge! Stattdessen ein totes Loch. Und eine gewaltige Schramme quer drüber.“ Er lachte. „Die hat ihr vielleicht der Teufel gemacht. Vielleicht ist sie seine Mutter. Es heißt ja, der Teufel schlägt seine Mutter, wenn es mal schön ist und mal regnet.“

„Und wovor warnte sie uns nun?“, fragte mich Odo. „Warum sollen wir verschwinden?“

„Willst du den Spruch noch einmal hören?“

Ich nahm die Schreibtafel in die Hand.

„Also pass auf! ‚Der Himmel brennt und der Boden schwankt, Feuer und Wasser mischen sich …‘“

„Nun, das musste uns nicht erst die Hexe verkünden. Das Gewitter haben wir miterlebt.“

„Das ist wohl auch nur eine Eingangsformel. Die entfesselten Elemente versinnbildlichen die menschlichen Leidenschaften. Höre weiter. ‚Fremde, beachtet das Zeichen, flieht die Bäume, welche vom Himmel gefallen …‘“

„Klingt schon geheimnisvoller. Aber ich fürchte, nach solchen Bäumen können wir lange Ausschau halten.“

„Warte. Es gibt noch eine Erläuterung. ‚Versperrend den Grund, wo die Blutquelle strömt.‘ Mit dem ‚Grund‘ wird wohl das Tal des Rothari gemeint sein, der Tannengrund, wohin wir unterwegs sind.“

„Und wo nach schöner, alter Landessitte viel Blut fließt.“

„Ja, aber erst in der Zukunft. Am Schluss wird sie nämlich deutlicher. ‚Wehe, furchtbare Fehde naht! Wilder Hass zündet ruchlose Tat!‘“

„Ein Fall von Blutrache. Umso besser! Da gibt es etwas für uns zu tun, Vater. Ich fing schon an, mich zu ärgern, dass wir hier über die Berge klettern, nur wegen einer läppischen Straße.“

Als wollte die Straße, die noch nicht gebaute, ihr Recht behaupten, ging es auf einmal steil und gefährlich abwärts. Wir mussten wieder aus den Sätteln. Eines der beiden Lastpferde glitt aus. Gepäckstücke fielen herab und es gab einen kurzen Aufenthalt. Zum Glück hatten wir vorsorglich unseren Wagen zurückgelassen. Hier wäre er schon nach kurzer Zeit mit zerbrochenen Rädern stecken geblieben.

Als es weiterging, fiel ich etwas zurück, sodass ich die Spitze des Trupps aus den Augen verlor. Da vernahm ich auf einmal Rufe und Flüche. Ich beeilte mich, Anschluss zu gewinnen und erreichte kurz darauf einen Felsvorsprung, von wo mein Blick auf den Eingang eines Passes fiel, etwa fünfzig Schritte unter mir. Dort sah ich Odo, Helko, Fulk und die anderen. Sie kamen nicht weiter.

Der Weg, an dieser Stelle nur knapp zehn Fuß breit, war durch mehrere, kreuz und quer liegende, entwurzelte, übereinander gestürzte Bäume vollkommen unpassierbar geworden.

Es sah nicht so aus, als seien die Bäume vom Himmel gefallen. Ein Sturm, wohl schon ein früherer, musste sie umgeworfen haben. Der Boden ringsum war aufgewühlt und das herausgerissene Wurzelwerk der Buchen und Fichten ragte seitwärts aus dem Gebüsch.

Als ich hinabstieg, fand ich alle schon wütend und stumm bei der Arbeit. Es galt, die Hindernisse so weit beiseite zu räumen, dass ein ausreichend breiter Durchgang entstand. Auch ich packte gleich mit an, hob und stemmte, schwitzte und fluchte und zerschrammte mir die Haut an den Händen. Aber sei es, dass wir, da der Tag sich schon neigte, zu hastig und planlos zu Werke gingen oder dass wir zu ungeschickt waren und uns sogar gegenseitig behinderten … nachdem wir eine Weile wie entfesselte Zyklopen geschuftet hatten, war das Gewirr von Stämmen, Kronen, Ästen und Zweigen nicht weniger undurchdringlich als vorher. Wir sahen ein, dass wir so nicht zum Ziel kamen und verschnauften.

„Diese Unglücksbäume scheinen verzaubert zu sein!“, schimpfte Odo, während er die Tunika, die er abgelegt hatte, wieder überwarf. „Vielleicht ist es Brennholz für die Hölle. Mich würde nicht wundern, wenn die sich hier in dieser verdammten Gegend befände.“

„Vielleicht wird uns bald heiß“, bemerkte Fulk und blinzelte argwöhnisch zu den Hängen hinauf. „Das ist bestimmt eine Falle. Sobald es dunkel wird, werden sie kommen. Banditen, Schnapphähne. Befehlt, Herr Odo, dass alle die Waffen bereit halten.“

„Befehlt lieber, dass wir umkehren!“, heulte Rouhfaz. Der Ärmste zitterte am ganzen Leibe, teils vor Erschöpfung, teils aus Angst.

„Zur Umkehr ist es zu spät!“, sagte Odo barsch. „Und was faselst du von Banditen, Fulk? Hätten die sich so viel Mühe gemacht, um uns aufzuhalten?“

„Ja, glaubst du denn“, fragte ich erstaunt, „dass die Bäume nicht hier, an dieser Stelle gefallen sind? Vom Sturm entwurzelt?“

„Das glaube ich, Vater. Die Verwüstung ist künstlich gemacht. Hast du etwas entdeckt?“ rief er Helko zu, der seitlich in das Gebüsch eingedrungen war und jetzt wieder den Kopf heraus steckte.

„Dort hinten endet ein Hohlweg!“, rief er. „Über den haben sie die Bäume heran geschleift. Es gibt auch noch Fußspuren. Und das hier …“

Er warf uns ein längliches Holz zu, in dem wir die abgebrochene Deichsel eines Bauernkarrens erkannten.

„So ist alles klar“, sagte Odo. „Dazu wurden wohl an die zwanzig Knechte gebraucht. Und warum so viel Aufwand? Um vor uns die Tür zuzuschlagen. Denn was dahinter geschieht, scheint nichts für Kommissare des Königs zu sein.“

„Meinst du, dass es Rothari selbst war?“

„Wer sonst? Von dem Boten wusste er, dass wir kommen. Wahrscheinlich hat er uns auch die Hexe entgegen geschickt.“

„Nein“, entgegnete ich, „das bezweifle ich. „Denn mir scheint, dass wir jetzt in der Lage sind, ihren Spruch zu entschlüsseln. Die vom Himmel gefallenen Bäume, die uns den Weg versperren … das bedeutet nichts weiter als Bäume, die nicht gewachsen sind, wo wir sie vorfinden. Ein deutlicher Hinweis! Wäre die Frau mit denen im Einverständnis, die hier eine Sperre durch Unwetter vortäuschen wollen, hätte sie den wohl unterlassen.“

„Aber auch sie wollte, dass wir verschwinden.“

„Vielleicht wollte sie gerade das Gegenteil.“

„Wie?“

„Hast du nicht vorhin selbst gesagt: ‚Umso besser, wenn es etwas zu tun gibt!‘? Werden Gerichtsleute fliehen, wenn sie erfahren, dass irgendwo in der Nähe ‚Blutquellen‘ fließen?“

„Da hast du wohl Recht, mein scharfsinniger Freund“, sagte Odo und knetete seine Nasenspitze, was bei ihm immer ein Zeichen für erhöhte Denkarbeit ist. „Ja, so wird es sein … so und nicht anders. Die schlaue Alte sagt uns ein Sprüchlein auf, das uns lüstern macht. Sie lässt uns etwas von dem Brei schnuppern, den man hier anrichtet. Sie weckt unsere Esslust, weil sie weiß, dass die Köche uns nicht bei Tisch haben wollen. Sie rät zum Verzicht und meint: Langt zu! Nun, sie soll sich in uns nicht getäuscht haben. Noch nie ließ man Odo von Reims, den Königsvasallen, vor der Tür stehen, wenn er sich irgendwo zu Gast lud. Seid also unverzagt, Männer, wir finden den Eingang! Allerdings wird das Mahl, das uns dann erwartet, nicht sehr schmackhaft sein. Lasst uns deshalb zur Stärkung erst einmal das Rebhuhn und die beiden Hasen verzehren, die wir heute erlegt haben!“

Wie so oft hatte Odo die richtigen Worte gefunden. Schon hatten sich Grimm und Verzagtheit unter uns breit gemacht. Der Leib, wenn auch dem Geiste untertan, ist ein übler Rebell, dem es nur allzu oft und zu leicht gelingt, sich zum Herrn aufzuwerfen. Die Aussicht, uns die Bäuche zu füllen und die Glieder zur Ruhe auszustrecken, belebte uns und hob die Stimmung bis zur Fröhlichkeit. Alle wurden geschäftig, pfiffen und sangen. Da uns nichts anderes übrig blieb, als hier unser Nachtlager zu errichten, war bald in der Nähe ein geeigneter Platz ausgemacht, ein hübsches Fleckchen neben einem Rinnsal von Bach, am Fuße eines hoch ragenden Felsens.

Odo und Helko entrollten die Zeltbahn. Rouhfaz und zwei Männer des Wachtrupps machten sich an das Rupfen und Enthäuten der Jagdbeute. Fulk und ich trugen Steine für die Kochstelle zusammen. Und schon kramte Fulk, unser Feuermeister, aus seinen Taschen das Säckchen mit Zunder, den Feuerstein und den Nagel hervor, die drei magischen Gegenstände, mit deren Hilfe er, kaum dass man derweil auch nur dreimal Luft holen konnte, eine kräftige, züngelnde Flamme entfachte. Ich hockte daneben und warf trockene Späne hinein.

Das Feuer prasselte auf – und erlosch.

Ein Birkhahn, von einem Pfeil durchbohrt, war wie ein Stein vom Himmel gefallen.

Im selben Augenblick hörten wir über uns ein Gelächter. Hoch oben auf dem Felsen stand breitbeinig, noch den Bogen im Anschlag, der Jäger und blickte auf uns herab.

2. Kapitel

Vor Schreck und weil mich ein glühender Span ins Auge getroffen hatte, setzte ich mich ins Gras. Die meisten von uns sprangen auf, Alle starrten nach oben.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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