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Gestalten Sie aktiv den digitalen Wandel, nutzen Sie Chancen und meistern Sie die digitale Transformation gewinnbringend!
- Digitale Geschäftsmodelle erfolgreich und nachhaltig entwickeln
- Erfolgsfaktoren, Fähigkeiten und Potenziale bei der Führung von Digitalisierungsprojekten
- Entdecken Sie neue Möglichkeiten durch intelligente, vernetzte Produkte und das Internet of Things
Digitalisierung hat sich zum strategischen Wettbewerbsfaktor entwickelt. Auch wenn die digitale Transformation alle Branchen in unterschiedlicher Geschwindigkeit erfasst, kann sich keine Industrie dieser Entwicklung entziehen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen den digitalen Wandel und seine Chancen nutzen. Die digitale Transformation betrifft dabei nicht nur IT-Verantwortliche, sondern ist Aufgabe des gesamten Unternehmens.
Führende Autoren aus Wissenschaft und Unternehmen zeigen in konzeptionell-strategischen Beiträgen und Fallstudien, wie die digitale Transformation erfolgreich gestaltet und umgesetzt werden kann. Handlungsanweisungen, Checklisten, Erfolgsfaktoren sowie Hinweise auf Hürden erleichtern den Transfer in die Praxis.
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Seitenzahl: 516
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Oliver GassmannPhilipp Sutter
Digitale Transformation gestalten
Geschäftsmodelle, Erfolgsfaktoren, Checklisten
3., aktualisierte Auflage
Print-ISBN: 978-3-446-46887-0E-Book-ISBN: 978-3-446-46888-7ePub-ISBN: 978-3-446-46889-4
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© 2023 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Münchenhttp://www.hanser-fachbuch.deLektorat: Lisa Hoffmann-BäumlHerstellung: Carolin BenedixCovergestaltung: Max KostopoulosTitelmotiv: © Stephan Rönigk, unter Verwendung von Grafiken von © shutterstock.com/kotoffeiSatz: Eberl & Koesel Studio GmbH, Kempten
Die digitale Transformation bezieht sich auf die Integration digitaler Technologien in alle Bereiche eines Unternehmens, wodurch sich die Art und Weise, wie es arbeitet und seinen Kunden einen Mehrwert bietet, fundamental ändert. Der große Erfolg der ersten beiden Auflagen hat uns motiviert, die hohe Dynamik für ein radikales Update zu nutzen.
Seit 2019 haben sich einige Trends weiter rasant beschleunigt:
Künstliche Intelligenz (KI; Artifical Intelligence – AI) hat sich in zahlreichen Gebieten massiv weiterentwickelt. OpenAI hat mit ChatGPT einen enormen Durchbruch erfahren. In nur fünf Tagen nach Veröffentlichung kam es zu 1 Million Usern von ChatGTP, in nur zwei Monaten zu unglaublichen 100 Millionen Nutzern. Microsoft hat 10 Milliarden Dollar in OpenAI investiert, Google ist seit Langem erstmals wieder unter massiven Druck gekommen. KI wird auch in den nächsten Jahren weiterhin Industrien verändern.
Cloud-Computing ist weiter gewachsen mit fast 15 % jährlich, SaaS (Software as a Service)-Geschäftsmodelle befeuern das Wachstum auch in den nächsten Jahren.
Die Ubernisierung der Wirtschaft über erfolgreiche Plattformen bleibt hoch relevant. Amazon, Alibaba und Co. gewinnen weiter Marktanteile, quasi-monopolistische Marktstrukturen sind das Resultat. Umso wichtiger ist es, in den eigenen Industrien sowohl Plattformstrategien als auch eine Komplementärstrategie zu evaluieren.
Stärkere Betonung von Datenschutz und Datensicherheit: Die zunehmende Menge an Daten, die von Unternehmen und Verbrauchern generiert wird, hat zu größeren Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Sicherheit geführt. Neben Vorschriften wie der Allgemeinen Datenschutz-Grundverordnung (GDPR) in Europa, setzen sich auch Unternehmen aktiv mit digitalem Vertrauen auseinander.
Das Metaverse schwankte zwischen Totgeburt und völligem Hype. Die drei konstituierenden Merkmale des Metaverse sind: (1) immersive Erfahrung über Augmented Reality, (2) soziale virtuelle Welten – live, synchron, gleichzeitig, sowie (3) technologisch das Web 3.0 mit NFTs, DLT, welches sichere Transaktionen, Eigentum, Dezentralität und Interoperabilität sicherstellt.
Remote Work wird zur Norm: Die COVID-19-Pandemie hat den Trend zur Fernarbeit beschleunigt, die für viele Unternehmen zur neuen Normalität geworden ist. Dies hat dazu geführt, dass Unternehmen neue Tools und Technologien zur Unterstützung der Zusammenarbeit und Kommunikation einsetzen müssen. Auch die Gig Economy mit ihren zeitlich befristeten, hoch flexiblen Freelancer erhöht die Bedeutung von Fernarbeit.
Verstärkter Einsatz von Automatisierung und Robotik: Automatisierung und Robotik sind für produzierende Unternehmen, die ihre Prozesse rationalisieren und ihre Effizienz verbessern wollen, immer wichtiger geworden. Kollaborative Roboter (Cobots) gewinnen in vielen Bereichen an Bedeutung.
Fortschritte in der 5G-Technologie: Die Einführung von 5G-Netzen hat das Potenzial, die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten, zu revolutionieren, da sie schnellere Geschwindigkeiten und geringere Latenzzeiten für Anwendungen wie autonome Fahrzeuge und das Internet der Dinge bieten.
Verstärkte Konzentration auf die Cybersicherheit: Da immer mehr sensible Daten online gespeichert und übertragen werden, hat die Cybersicherheit für Unternehmen eine hohe Priorität erhalten. In den letzten beiden Jahren gab es zahlreiche erfolgreiche Attacken auf Unternehmen, u. a. via Ransomware, Malware. Gartner schätzt das Marktwachstum von Cybersicherheit auf über 40 % jährlich.
Das Aufkommen neuer Technologien wie Blockchain und Quantencomputing: Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, Branchen vom Finanzwesen bis zum Lieferkettenmanagement zu verändern, während das Quantencomputing ermöglicht, komplexe Probleme zu lösen, die die Fähigkeiten klassischer Computer übersteigen.
Allen Branchen gemeinsam ist: Die Geschwindigkeit der Transformation ist deutlich höher, als die meisten Industrieexperten geschätzt haben. Dabei ist aber nicht immer klar, welche Digitalisierungstechnologie sich durchsetzen wird. Die Herausforderung ist nur in wenigen Fällen die Technologie, zum Beispiel IoT, Blockchain, 3D-Druck. Weit wichtiger ist das richtige Geschäftsmodell dahinter. Der klassische Wettbewerb zwischen Produkten oder Unternehmen wird zunehmend ersetzt durch einen Wettbewerb zwischen Geschäftsmodellen.
Dank der Digitalisierung wissen die Unternehmen heute, wie ihre Produkte beim Kunden real-time im Einsatz funktionieren und benutzt werden. Dies ermöglicht eine Revolution beim Lernen vom Kunden in der Interaktion mit dem Kunden, was wiederum die Produktzyklen beschleunigt und den Wettbewerb schneller und härter macht. Einige B2B-Unternehmen werden so näher an den Endkunden gelangen und müssen in B2C umdenken. Der Wandel durch die Digitalisierung erfasst die Branchen in unterschiedlicher Geschwindigkeit, aber keine Industrie wird ausgelassen. Das Führen der digitalen Transformation darf nicht allein den IT-Verantwortlichen überlassen werden. Es ist eine Aufgabe, die das ganze Unternehmen fordert und in den meisten Fällen komplett transformiert. Empirische Studien zeigen, dass die Unternehmen erfolgreicher sind, welche mit der digitalen Transformation entlang der Customer Journey, nahe beim Kunden, begonnen haben anstatt mit der Fertigungsautomatisierung und Logistik. Als Folge einer konsequenten Verfolgung der Customer Journey entstehen industrieübergreifende Ecosysteme, Daten sind dabei oft der zentrale Motor für Mehrwert.
Zahlreiche Fragen beschäftigen die Entscheider in Unternehmen: Wie können digitale Geschäftsmodelle erfolgreich und nachhaltig entwickelt werden? Wie lassen sich datenbasierte Ecosysteme aufbauen? Welche Potenziale bieten Methoden der KI? Welche Plattformen lassen sich für Digitalisierungsstrategien sinnvoll nutzen? Welche Möglichkeiten eröffnen sich durch intelligente, vernetzte Produkte und IoT? Was bringt Industrie 4.0 für produzierende Unternehmen? Wie wird bei der Einführung vorgegangen? Wie lassen sich Daten im Unternehmen zur Wertschöpfung nutzen? Wie werden Big Data zu wertvollen Smart Data? Welche Fähigkeiten benötigt es im Bereich Analytics, um die Potenziale der Daten für das eigene Unternehmen zu nutzen? Wohin geht die Reise im 3D-Druck? Welche Geschäftsmodelle funktionieren dort? Wie lassen sich digitale Dienstleistungen an den Endkunden bringen, vor allem wenn man noch ein B2B-Unternehmen ist? Wie werden Forschung und Entwicklung im digitalen Zeitalter aussehen? Welche rechtlichen Grenzen gibt es im Umgang mit Daten zu beachten? Was sind die Erfolgsfaktoren bei der Führung von Digitalisierungsprojekten? Letztlich muss sich jede Geschäftsleitung fragen: Wie muss unser Unternehmen aufgestellt sein, um die digitale Transformation zu meistern?
Für diese Fragen gibt es keine Standardrezepte, jedoch lässt sich von bewährten Mustern und erfolgreichen Beispielen lernen. Führende Autoren aus Wissenschaft und Unternehmenspraxis zeigen Wege auf, wie die digitale Transformation aktiv gestaltet, gewinnbringend genutzt und konkret umgesetzt werden kann.
Die dritte, stark überarbeitete Auflage hat aktuelle Trends erfasst, alle Kapitel aktualisiert und überarbeitet sowie einige Akzente wie Ecosysteme, Cybersicherheit, Industrial Metaverse, KI sowie neue Fallstudien ergänzt. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert: einen konzeptionell-strategischen Teil mit Beiträgen zur digitalen Transformation in verschiedenen Bereichen und Industrien sowie einen Fallstudienteil mit Beiträgen zur praktischen Umsetzung in einem konkreten Fall in einem Unternehmen.
Teil 1 umfasst folgende Themen:
1. Gewinnen im digital-vernetzten Wettbewerb
2. Management von KI-Initiativen in Unternehmen
3. Der Plattform-Navigator: Chancen der Plattformökonomie realisieren
4. Digitale Servicesysteme
5. Cybersicherheit: Wie das Streben nach Effizienz den langfristigen Wert von vernetzten Ecosystemen schmälert
6. Digitales Vertrauen in der vernetzten Wirtschaft
7. Industrie 4.0: Wege für produzierende Unternehmen
8. 3D-Druck: Neue Geschäftsmodelle mit additiver Fertigung
9. Less Trust, More Truth: Web3 für das Industrial Internet of Things
10. Die digital-frugale Innovation
11. Kunden transformieren die Versicherungsmärkte
12. Bereit für den digitalen Endkunden? Ein Fähigkeitsmodell
13. NewSpace – LEO-Satelliten und ihr Potenzial für die moderne vernetzte Welt
14. Crowd Science: Forschung im digitalen Zeitalter
15. 55+ Muster erfolgreicher Geschäftsmodelle
In Teil 2 des Buches werden folgende Fallstudien behandelt:
16. Zühlke: Digitalisierungsprojekte erfolgreich machen
17. BASF: Digitale Geschäftsmodelle in der Landwirtschaft
18. My Zurich: Kundennutzen mit Daten und Know-how
19. Rocket Internet: Erfolgreiches Skalieren
20. Illwerke: E-Mobilitätsgeschäftsmodelle umsetzen
21. Cambridge Analytica: Aufstieg, Fall und Konsequenzen
22. Swisscom Enterprise: Agiles Business Development
23. Zühlke: Empowering Ideas
Wie schon in früheren Auflagen verzichten die Beiträge auf ein Übermaß wissenschaftlicher Referenzen, um praxisnah und lesbar zu bleiben. Konkrete Handlungsanweisungen mit Fallbeispielen, Checklisten und Tipps, Darstellung der Erfolgsfaktoren, aber auch Hinweise auf mögliche Hürden und Fallstricke erleichtern wieder den Transfer in die unternehmerische Praxis.
Mit dem Buch adressieren wir alle Führungskräfte, vom Geschäftsführer und Unternehmensleiter bis zur Führungskraft in Marketing, IT, F&E, Produktmanagement, Logistik, Projektmanagement und Unternehmensentwicklung. Das Buch soll anregen, hinterfragen, Tipps und Checklisten geben sowie erfolgreiche Beispiele für die Umsetzung der digitalen Transformation liefern. Wir danken den Autoren, die ihre wertvolle Zeit investiert haben, um ihre große Erfahrung in Forschung und vor allem Praxis zu teilen. Besonderer Dank gebührt Hanna Bencseky für ihren großen Einsatz bei der professionellen redaktionellen Bearbeitung dieser komplett überarbeiteten Auflage sowie Lisa Hoffmann-Bäuml vom Hanser Verlag für die gewohnt gute Zusammenarbeit. Allen Lesern wünschen wir viel Erfolg bei der Umsetzung der digitalen Transformation im eigenen Unternehmen.
St. Gallen/Schlieren, Sommer 2023
Oliver Gassmann
Philipp Sutter
Titelei
Impressum
Inhalt
Vorwort
1 Gewinnen im digital-vernetzten Wettbewerb
Oliver Gassmann, Philipp Sutter
1.1 Die Ubernisierung der Wirtschaft
1.2 Kundenerlebnis im Zentrum
1.3 Fertigung revolutioniert mit Industrie 4.0
1.4 Moores Gesetz als Treiber der Digitalisierung
1.5 Angriff auf traditionelle Geschäftsmodelle
1.6 Neue digitale Geschäftsmodelle entstehen
1.7 Segen und Fluch der Regulierung
1.8 Der Mensch als Informationsverarbeitungsengpass
1.9 Erfolgsfaktoren der Führung der digitalen Transformation
2 Management von KI-Initiativen in Unternehmen
Naomi Häfner, Philipp Morf
2.1 Treiber des KI-Booms
2.2 KI als Schlüsseltechnologie
2.3 Erfolgsfaktoren für die Anwendung von KI im Unternehmen
3 Der Plattform-Navigator: Chancen der Plattformökonomie realisieren
Felix Wortmann, Sven Jung, Wolfgang Bronner, Oliver Gassmann
3.1 Der Plattform-Navigator
3.2 In fünf Schritten zum eigenen Plattform-Geschäftsmodell
3.3 Die 88 Muster zur Plattformentwicklung im Überblick
3.3.1. Schritt 1 – Ideenfindung: Welche Möglichkeiten gibt es?
3.3.2. Schritt 2 – Design: Wie sieht die Wertschöpfung aus?
3.3.3. Schritt 3 – Monetarisierung: Wie sieht die Ertragsmechanik aus?
3.3.4. Schritt 4 – Skalierung: Wie können wir wachsen?
3.3.5. Schritt 5 – Management: Wie managen wir?
3.4 Überblick über die 88 Muster
4 Digitale Servicesysteme
Mahei Manhai Li, Christoph Peters, Naim Zierau, Jan Marco Leimeister
4.1 Serviceinnovationen zu Zeiten der Digitalisierung
4.2 Use Case aus dem Gesundheitswesen
4.3 Use Case aus dem ITSM
4.4 Chancen und Herausforderungen
4.5 Systematische Entwicklung von Servicesystemen
5 Cybersicherheit: Wie das Streben nach Effizienz den langfristigen Wert von vernetzten Ecosystemen schmälert
Raphael M. Reischuk
5.1 Ein Blick zurück
5.2 Konnektivität und Kommunikation als Grundbedürfnis
5.3 Der Wert und die Kosten eines Netzwerks – intuitiv
5.4 Lineare Kosten auch in einem potenziell feindseligen Umfeld?
5.5 Cyber-Resilienzstrategien zur Rettung
5.6 Warum sich das Streben nach Effizienz als größter Gegner von Resilienz erweist
5.7 Resilienz im Cyberspace – aber wie?
6 Digitales Vertrauen in der vernetzten Wirtschaft
Fabian Schäfer
6.1 Digitales Vertrauen als Basis für datengetriebenes Geschäft
6.2 Vertrauen schaffen, aber wie? Wege zum digitalen Vertrauen
6.3 Strategische Positionierungen zu digitalem Vertrauen
6.4 Operationalisierung der strategischen Positionierung
7 Industrie 4.0: Wege für produzierende Unternehmen
Felix Jordan, Christian Maasem, Violett Zeller, Günther Schuh
7.1 Bedeutung von Industrie 4.0 für produzierende Unternehmen
7.2 Etappe 1: Etablierung des digitalen Schattens
7.3 Etappe 2: Wirkungszusammenhänge verstehen
7.4 Etappe 3: Vorausschauen können
7.5 Etappe 4: Selbstoptimierung
7.6 Industrie 4.0 als Transformation
8 3D-Druck: Neue Geschäftsmodelle mit additiver Fertigung
Stephan Winterhalter, Christoph H. Wecht, Oliver Gassmann
8.1 Mehr als nur ein Hype – 3D Printing
8.2 Entwicklung des 3D-Printing-Umfelds
8.3 3D Printing als Integrator
8.4 Das 3D-Printing-Ecosystem
8.5 Auf dem Weg zum Erfolg mit 3D
9 Less Trust, More Truth: Web3 für das Industrial Internet of Things
Kilian Schmück, Oliver Gassmann
9.1 Voraussetzungen für das Industrial IoT
9.2 Federated Platform Ecosystems
9.3 Coopetition & Platform-Governance
9.4 Komposition von Netzwerkeffekten
9.5 Use Cases im B2B-Umfeld
9.6 More Truth, Less Trust: Dezentrale Architekturen
9.7 Fazit
10 Die digital-frugale Innovation
Lukas Neumann, Oliver Gassmann
10.1 Frugale Innovation: Neue Funktionalität zu niedrigeren Kosten
10.2 Frugale Innovationen als Wachstumstreiber
11 Kunden transformieren die Versicherungsmärkte
Peter Maas, Pascal Bühler, Martin Bieler
11.1 Veränderte Kundenbedürfnisse transformieren die Märkte
11.2 Wertschöpfungslogik der Assekuranz in der digitalisierten Welt
11.3 Customer Value Design entscheidet über Erfolg
11.4 Erfolgsentscheidend: Kundenbeziehung
12 Bereit für den digitalen Endkunden? Ein Fähigkeitsmodell
Jochen Wulf, Walter Brenner
12.1 Grundlagen des Fähigkeitsmodells
12.2 Komponenten des Fähigkeitsmodells
12.3 Erfahrungen bei der Modellnutzung
12.4 Fazit
13 NewSpace – LEO-Satelliten und ihr Potenzial für die moderne vernetzte Welt
Davut Dayan, Felix Wortmann, Wolfgang Bronner
13.1 Satellitenkommunikation im Wandel
13.2 GEO, MEO, LEO: Es gibt drei unterschiedliche Satellitenarten
13.3 Die Besonderheiten der LEO-Satellitenkommunikation
13.4 LEO-Satellitenkonstellationen adressieren drei unterschiedliche Anforderungsprofile
13.5 Potenzielle Anwendungen mit LEO-Satellitenvernetzung
13.6 Zusammenfassung
14 Crowd Science: Forschung im digitalen Zeitalter
Sascha Friesike, Benedikt Fecher
14.1 Wissenschaft im Wandel
14.2 Drei Versprechen der digitalen Wissenschaft
14.3 Schritte zur Umsetzung von Crowd Science
15 55+ Muster erfolgreicher Geschäftsmodelle
Oliver Gassmann, Karolin Frankenberger
16 Zühlke: Digitalisierungsprojekte erfolgreich machen
Cédric Riester
16.1 Barrieren und Vorgehen
16.2 Strategie und Organisation
16.3 Festlegung Schwerpunktthemen
16.4 Exploration
16.5 Agile Realisierung der Lösung
17 BASF: Digitale Geschäftsmodelle in der Landwirtschaft
Christoph H. Wecht, Christoph Meister, Matthias Nachtmann, Elmar Groiss
17.1 Herausforderungen der BASF Agricultural Solutions
17.2 Precision Farming durch BASF
17.3 Erfolgsfaktoren für BASF
18 My Zurich: Kundennutzen mit Daten und Know-how
André Guyer, Markus Reding
18.1 Kundenbindung durch Innovation
18.2 Voraussetzungen für erfolgreiche Umsetzung
19 Rocket Internet: Erfolgreiches Skalieren
Alexander Kudlich
19.1 Software is Eating the World
19.2 Industrialisierung des Internetunternehmertums
20 Illwerke: E-Mobilitätsgeschäftsmodelle umsetzen
Michael Hirschbichler
20.1 Digitalisierung als Grundlage der Geschäftsentwicklung
20.2 Aktuelle Situation in Vorarlberg
20.3 Zusammenfassung
21 Cambridge Analytica: Aufstieg, Fall und Konsequenzen
Raphael Bömelburg
21.1 Microtargeting
21.2 „You are what you like“ – mit Facebook zum Persönlichkeitsprofil
21.3 Wissen, welche Knöpfe man drücken muss – mit Persönlichkeitsprofilen zu politischen Botschaften
21.4 Auswirkungen des Falls Cambridge Analytica
22 Swisscom Enterprise: Agiles Business Development
Alexandra Collm
22.1 Telcos: Treiber und Getriebene der Digitalisierung
22.2 Agiles Business Development
23 Zühlke: Empowering Ideas
24 Literatur
25 Autorinnen und Autoren
Oliver Gassmann, Philipp Sutter
„Software erobert die Welt“ (Wall Street Journal). So werden schon heute 90 % aller Innovationen im Automobil durch Software getrieben; Mercedes-Benz erwartet, dass sich der Wert der Software im Auto in den nächsten fünf Jahren verdreifacht. Jedoch ist es nicht die Software im engeren Sinne, sondern vor allem die Konnektivität von Dingen, Produkten, Prozessen, Unternehmen und Geschäftsmodellen, welche die Welt auf den Kopf stellt. Die Welt wird damit zum globalen Dorf, oder wie es Thomas Friedman sagte: „The world is flat.“
Vernetzung ist längst nicht mehr die Ausnahme, sie ist die Regel. Längst sind nicht nur Menschen „always on“, sondern auch die Dinge um sie herum. Wir sind in das Zeitalter der Maschinen eingetreten, in dem Technologie allgegenwärtig ist und unser aller Leben bestimmt. Der wesentliche Treiber dafür sind die schnell weiter sinkenden Kosten für Datenverarbeitung – aufgrund des Mooreschen Gesetzes, der Miniaturisierung und der Netzwerkeffekte. Oft übernehmen Unternehmen vernetzte Produkte, die sich im Verbrauchermarkt bewährt haben – zum Beispiel iPads, die sie zur Wartung und Steuerung schwerer Maschinen oder Produktionsanlagen verwenden. Das Internet der Dinge (IoT) ist dabei zu einer erheblichen Quelle der Wertschöpfung geworden. Das Marktforschungsunternehmen Fortune Business Insights schätzt die Größe des globalen IoT-Markts auf 1500 Mrd. US-Dollar im Jahr 2027. Neue Anwendungen sind in vielen Branchen zu beobachten – zum Beispiel im Gesundheitswesen, in dem Diagnosen über das Internet, Wearables und sogar medizinische Eingriffe aus der Ferne in Zukunft eine große Rolle spielen werden.
Durch die globale Vernetzung erhöht sich auch die Geschwindigkeit, mit der sich neue Ideen durchsetzen. Eindrücklich wurde dies Ende 2022, als der bahnbrechende Chatbot ChatGPT vom US-Unternehmen OpenAI entwickelt und veröffentlicht wurde: Die ChatGPT-Nutzerzahlen stiegen in nur fünf Tagen auf eine Million, bei Instagram dauerte dies noch zweieinhalb Monate und bei Spotify fünf Monate. Diese generative KI („Gen AI“) hat trotz einiger Kritiken eine enorm starke Performance und wird sich rasch entwickeln – auch mit dem Potenzial, zum ernsthaften Konkurrenten von Google zu werden.
Die Digitalisierung durchdringt unseren Alltag und die Wirtschaft. Wo Software heute noch nicht ist, gibt es ein Potenzial für morgen. Die Digitalisierung durchdringt eine Industrie nach der anderen. Digitalisierte Industrien haben häufig neue Wettbewerber, neue Wettbewerbsregeln, veränderte Margen, umverteilte Wertschöpfung. Die reale, physische Welt wird dabei immer stärker in der virtuellen Datenwelt gespiegelt, um neue Wertschöpfung für die Kunden oder das eigene Unternehmen zu realisieren. Der Züricher Thinktank W. I. R. E. bringt es auf den Punkt: Es geht um Vermessen, Verknüpfen und Vorhersagen. Hierzu werden inzwischen drei bis vier Zettabyte Daten pro Jahr generiert; das neu geschaffene Datenvolumen wächst im nächsten Jahrzehnt jährlich um 40 %. 90 % der heute weltweit vorhandenen Daten wurden erst in den letzten zwei Jahren generiert.
Die digitale Welt erfasst:
was wir denken – 2,9 Millionen E-Mails pro Sekunde und 660 000 neue Facebook-Einträge pro Minute,
was wir fühlen – 35 000 individuelle Likes auf Facebook sowie unzählige Emoticons pro Minute,
wo wir sind – GPS in Mobiltelefonen zeigen Bewegungsabläufe, 2100 Check-ins pro Minute alleine auf Foursquare,
was wir einkaufen – Händler, PayPal und Kreditkartenhersteller speichern die Transaktionen, alleine bei Apple werden 47 000 Apps pro Minute heruntergeladen,
was wir sehen – pro Minute werden 48 Stunden neue Videos auf YouTube geladen, 7000 Bilder auf Flickr und Instagram, TikTok hat heute bereits über 1 Milliarde Nutzer,
was wir suchen – allein Google erhält pro Minute zwei Millionen Suchanfragen,
wie unsere Wertschöpfung erfolgt – über das Internet der Dinge (IoT) werden bis 2030 über 29 Milliarden Dinge – Produkte, Maschinen, Prozesse – verbunden sein (Statista 2022).
Die Daten sind jedoch in hohem Maße unstrukturiert. Nur 15 % weisen eine höhere Struktur auf, zum Beispiel in Form von Tabellen. Die meisten Datensätze dürfen aus rechtlichen Gründen nicht miteinander verbunden werden. Intelligenz bei der Datenauswertung ist heute bereits im Alltag integriert. Big Data wird immer stärker durch Smart Data ersetzt: Es geht darum, Daten mit Relevanz für Kundenwert oder Wirtschaftlichkeit zu erfassen und zu analysieren.
Starke Treiber der Digitalisierung von Branchen sind IT-basierte Unternehmen. Google hat heute eine Banklizenz, ist mit Nest im intelligenten Gebäude aktiv und betreibt selbstfahrende Fahrzeuge. WhatsApp, gegründet 2009, betreibt heute über zehn Milliarden mehr Messages als das gesamte SMS-Text-Message-System weltweit. Uber revolutioniert die Taxibranche und -logistik; das Unternehmen ist bereits fünf Jahre nach der Gründung über 50 Milliarden US-Dollar wert. Das Smartphone ermöglicht neue Geschäftsmodelle. Laut Boston Consulting Group (2015) investierte die Mobilfunkindustrie zwischen 2009 und 2013 über 1,8 Billionen US-Dollar in neue Infrastruktur, viel davon auch in Entwicklungsländern. Während China, Korea und Japan die mobilen 5G-Mobilfunknetze rasch einführen wollen, scheint Europa am Mobile World Congress 2016 in Barcelona hinterherzuhinken. Dabei ist es die große Chance für alle Telekommunikationsanbieter, stärker als bisher an der Internetwertschöpfung zu partizipieren. Korea Telecom steht beim Rennen um die Mobilfunktechnik der fünften Generation ganz vorne; bereits heute liegt die Geschwindigkeit bei 1000 Mbit/s − doppelt so hoch wie bei den europäischen Wettbewerbern. Für 2018 strebt Korea Telecom sogar 20 000 Mbit/s an. Gleichzeitig sinken die Kosten gerade in Entwicklungsländern und treiben damit neue Innovation voran: Das indischeMicromax-Handy wird heute für weniger als 40 US-Dollar angeboten und revolutioniert Kommunikation und Online-Services in weniger entwickelten Regionen. Mobile Banking wurde in Entwicklungsländern vorangebracht, da dort die IT-Infrastruktur fehlte.
Soziale Netzwerke gewinnen immer mehr an Bedeutung: 2017 hatteFacebook 2,1 Milliarden User, Twitter – ursprünglich nur für Journalisten gedacht – 328 Millionen, YouTube über 1,9 Milliarden, Instagram 800 Millionen, und selbst die professionelle Plattform LinkedIn hatte 500 Millionen User. Das Wachstum der digitalen Plattformen scheint bisher keine Grenzen zu haben. Nun kommt ergänzend die Vernetzung der realen Welt hinzu. Durch das Internet der Dinge (IoT) werden bis 2025 über 75 Milliarden vernetzte physische Dinge erwartet. Bislang sind keine Grenzen für die weitere Entwicklung in Sicht.
Die Schnittstellen zum Kunden sind anspruchsvoller und direkter geworden, das Management der Kundenbeziehungen erhält neue Dimensionen. Die Wertschöpfungsketten werden zunehmend real-time vernetzt über mehrere Stufen. Die Produkte selbst beginnen intelligenter, vernetzter zu werden.
Die digitale Transformation beschleunigt den ohnehin schon starken Wandel in der Unternehmenswelt: Rund ein Drittel der Forbes-500-Unternehmen weltweit existieren schon zehn Jahre später nicht mehr. Von den 1000 größten Unternehmen aus 1962 gibt es heute nur noch 16 %. Diese Entwicklung der Konzentration und Konsolidierung wird sich im Rahmen der nächsten Digitalisierungswelle, nach der Taxirevolution auch „Ubernisierung“ der Volkswirtschaft genannt, noch verstärken. Gleichzeitig entstehen unzählige Start-ups mit Potenzial für rasches Wachstum. Rein digitale Firmen wie Google ermuntert ihre Belegschaft zu unternehmerischen Initiativen und belohnen auch fehlgeschlagene Ideen.
Ein zentraler Treiber für die Entwicklung von unternehmensübergreifenden Allianzen und Ecosystemen sind sinkende Transaktionskosten durch APIs, Standards und Automatisierung. So kostet eine Banktransaktion 4,00 US-Dollar über eine Filiale, 3,75 US-Dollar über ein Callcenter, 0,85 US-Dollar über einen Geldautomaten und nur 0,08 US-Dollar über eine Handyapp. Der Trend geht zum Micropayment – selbst Kleinstbeträge von wenigen Cents lassen sich heute wirtschaftlich abrechnen. Dafür sorgen Anbieter wie Apple Pay, Google Pay oder Twint aus der Schweiz. Die Kosten der Zusammenarbeit sinken nicht nur zwischen Unternehmen und Kunden, sondern auch zwischen den Unternehmen selbst, in fast allen Branchen. So werden plötzlich viele neue kollaborative Geschäftsmodelle denkbar. Auch der Aufstieg aller großen Plattformunternehmen war nur möglich, weil die Transaktionskosten so gesunken sind.
Neben den sinkenden Transaktionskosten verlagert sich auch der Point-of-Sale. Meta-Portale wie Check24 und Comparis bieten die günstigsten Preise für fast alles an, seien es Immobilien, Autos und Motorräder, Telekommunikationsdienste, Kreditkarten, Hypotheken, Krankenversicherungen und viele andere Produkte. Diese Preisvergleichsplattformen verdienen an Werbung oder der Vergütung, die sie für die Weiterleitung von Kunden erhalten. Der Point-of-Sale liegt heute nicht mehr in den Einkaufsstraßen, sondern in den Taschen der Kunden, denn dort liegen ihre Handys. Verkauft wird über Apps und die entsprechenden digitalen Marktplätze. Nicht nur der Point-of-Sale hat sich verlagert, auch der Anbieter ist nicht mehr derselbe. Versicherungen für Laptops und Fernseher werden zum Beispiel vom Handelsunternehmen verkauft. Und Kunden bezahlen Uber für die Fahrt, nicht den Taxifahrer; sie bezahlen Netflix oder eine Ticketverkaufsplattform für einen Film, nicht den Kinobetreiber.
Digitale Technologie wird zur Massenware. Allem Gerede über Digitalisierung zum Trotz: Die Technologien an sich sind kein Differenzierungsmerkmal mehr. Vieles lässt sich heute leicht nachbauen, übernehmen oder mit anderen Technologien verbinden. Ein wesentlicher Grund sind standardisierte Schnittstellen, über die Unternehmen Daten und Inhalte einfacher austauschen als früher. Damit ist jeder Wettbewerbsvorteil, der sich aus einer Technologie ergibt, von sehr begrenzter Dauer. Vor zehn Jahren gab es zum Beispiel nur ein einziges großes Mobilfunksystem: den GSM-Standard. Die heutige Welt bietet mehrere Standards, aus denen Unternehmen die passendste auswählen können (GSM, LTE, 5G, NB-IoT, Sigfox, LoRaWAN). Die Innovationszyklen werden kürzer, während das Portfolio von Technologien, die Unternehmen nutzen können, deutlich zunimmt.
Plattformen sind überlegen, aber schwer aufzubauen. Die meisten Manager haben erkannt, dass Plattformunternehmen in vielen Branchen die Oberhand gewinnen. Der Erfolg digitaler Pioniere wie Amazon, Alibaba und Apple hat anlagenintensive Unternehmen dazu animiert, eigene Plattformen aufzubauen – Siemens mit der IoT-Plattform Mindsphere, Daimler mit der Mobilitätsplattform Moovel und Trumpf mit Axoom für die Fertigungsbranche. Doch die meisten dieser Projekte scheitern, weil es nicht gelingt, genug Teilnehmende zu gewinnen. General Electric prognostizierte 2016, seine IoT-Plattform Predix werde bis 2020 ein Umsatzvolumen von fast 10 Mrd. US-Dollar erreichen. Predix verfehlte seine Ziele grandios und gilt heute als Beispiel für GEs gescheiterte Digitalisierung. Daimler verkaufte Teile von Moovel an die Deutsche Bahn, Trumpf veräußerte seine Plattform an das IT-Unternehmen GFT. In vielen Fällen haben Branchenfremde, weil sie neutrale Akteure sind, eine größere Chance, Teilnehmende für ihre Plattformen zu gewinnen. Dr. Michael Bolle, der CTO und CDO von Bosch, brachte es uns gegenüber auf den Punkt: „Niemand will auf der Plattform eines anderen gefangen sein. Jeder will seine eigene Plattform schaffen. Das ist der Grund, warum Plattformen nicht skalieren und in den meisten Fällen scheitern.“
Die Partner innerhalb eines Ecosystems können vielfältig sein, und sie können sich im Laufe der Zeit ändern. Uber zum Beispiel: Obwohl das Unternehmen keine eigenen Autos besitzt und keine eigenen Fahrer beschäftigt, wurde es zu einem der erfolgreichsten Mobilitätsanbieter der Welt. Aber Uber braucht seine Fahrer genauso wie seine Kunden, daher sind sie wichtige Partner in seinem Ecosystem. Das ist eine Herausforderung. Zahlreiche Fahrer in Boston nutzen sowohl die Uber-Plattform und auch die Plattform von Lyft, dem härtesten Konkurrenten.
In Spitzenzeiten nach Feierabend, an Freitag- und Samstagabenden sowie bei Großveranstaltungen und Festivals übersteigt die Nachfrage nach Mobilitätsdienstleistungen das Angebot an Fahrern und Fahrerinnen. Uber reagiert, indem es seine Fahrpreise erhöht, um mehr Fahrer auf die Straße zu locken. Mit anderen Worten: Uber erhöht den Partnerwert. Das Gleiche macht das Unternehmen, wenn die Opportunitätskosten der Fahrer steigen – in Zeiten also, in denen sie eigentlich viel lieber etwas anderes tun würden als zu arbeiten, zum Beispiel an Silvester oder Weihnachten.
Uber nutzt auch Daten zu einzelnen Kundinnen und Kunden. Wenn beispielsweise der Akku eines Smartphones zur Neige geht und eine Uber-App in den Energiesparmodus schaltet, deutet dies auf eine höhere Zahlungsbereitschaft hin. Dann, so das Kalkül, muss sich ein Kunde schnell entscheiden und zahlt gerne mehr für eine Fahrt. Der Algorithmus für die dynamische Preisgestaltung basiert auf maschinellem Lernen und berücksichtigt eine Reihe weiterer Variablen, wie Streckenzeit, Entfernung, Verkehrslage, historische Daten, Wettervorhersagen, Feiertage und globale Ereignisse. Uber kann so den Mehrwert des Ecosystems zwischen Kunden, Partnern und sich selbst effizient und in Echtzeit verteilen.
Für den Aufbau von Ecosystemen gilt es zehn kritische Fragen zu adressieren:
1. Was ist das Kundenproblem, das Sie lösen wollen?Was sind die größten Probleme und Begeisterungspotenziale der Kunden? Kennen Sie die latenten Bedürfnisse entlang der Customer Journey des Kunden? Sind die Customer Insights validiert? Ist das Problem groß genug für eine attraktive Kundengruppe?
2. Ist das Ecosystem konsequent auf die Generierung von Business Value ausgerichtet?Wird beim Kunden hinreichend wahrgenommener Kundennutzen gestiftet? Wird bei den beteiligten Partnern Nutzen geschaffen? Profitiert unser eigenes Unternehmen von dem Ecosystem? Wichtig ist hier eine mittel- bis langfristige Perspektive, kurzfristig rentieren sich die wenigsten Ecosysteme.
3. Was brauchen Sie und wer sollte Teil Ihres Ecosystems sein?Welche Ressourcen haben Sie nicht für das überragende neue Nutzenversprechen, welches Sie dem Kunden anbieten wollen? Welche Jobs gibt es zu erfüllen? Wer sind mögliche Partner?
4. Welche Rolle übernehmen Sie im Ecosystem?Nicht alle Rollen müssen selbst übernommen werden. Welche Rolle passt zu unserer Kernkompetenz?
5. Wie lassen sich die Aktivitäten im Ecosystem orchestrieren?Welcher Partner übernimmt welche Aufgaben? Wie sind die Schnittstellen organisiert? Welche Anreize bestehen für die beteiligten Partner, zu teilen? Welche Daten werden wie geteilt? Achtung: Datenschutzrichtlinien wie GDPR berücksichtigen!
6. Was sollte Ihr Ecosystem regeln?Wie offen ist es für neue Partner? Wer orchestriert mit welchen Rechten? Was regeln die Exit-Klauseln? Beispiele: Wem gehört der Kunde nach Ende? Wer erhält welche Kompensation? Wer übernimmt die Kundenverpflichtungen?
7. Wie lässt sich das Ecosystem flexibilisieren, um hinreichend zu lernen?Wie lässt sich die Flexibilität unter den Partnern bewahren, ohne dass die Kooperationsvereinbarungen zu rigide wird? Wie lässt sich in der multilateralen Allianz die Fähigkeit zum gemeinsamen Kundenfokus beibehalten? Wie wird das Ecosystem trotz interner Vereinbarungen zum lernenden Organismus, welche sich stets zur Erfüllung des Kundenbedürfnisses hin entwickelt?
8. Wie lässt sich das Ecosystem skalieren?Wie wird die Henne-Ei-Problematik bei Ecosystem-Plattformen überwunden? Wie werden Kunden und Anbieter gleichzeitig angezogen? Wie lassen sich die direkten und indirekten Netzwerkeffekte erzielen?
9. Gibt es eine explizite, geteilte Ecosystemstrategie?Was sind die Geschäftsmodelle? Was ist der Kundennutzen? Wie sieht die Wertschöpfungsarchitektur aus? Wie funktioniert die Ertragsmechanik?
10. Steht das Topmanagement hinter der Ecosystemstrategie?Wie wird die Unterstützung der eigenen Geschäftsleitung sichergestellt? Da fundamentale Aktivitäten in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens kooperativ gestaltet werden müssen, scheitert jede Ecosystemstrategie ohne eine starke Überzeugung in der obersten Geschäftsleitung.
Vertrauen schafft man durch Transparenz und dadurch, dass Sie Ihren Partnern immer wieder eine Opt-out-Option anbieten (Opt-out: Möglichkeit, abzulehnen). Der verstorbene Apple-Chef Steve Jobs legte viel Wert darauf, dass Kunden ihre Einwilligung zur Datennutzung jederzeit zurückziehen konnten, und sagte: „Frag sie. Frag sie jedes Mal. Bring sie dazu, dass sie dir sagen, du sollst mit dem Fragen aufhören, wenn es sie nervt. Sag ihnen genau, was du mit ihren Daten vorhast.“ Apple erhebt nur Daten, wenn sich dafür der Service für den Nutzer verbessert. Und auch das kann der Nutzer selbst entscheiden. So haben Apple-Kunden ein großes Vertrauen in das Unternehmen entwickelt und teilen freiwillig viele Daten.
Im B2B-Kontext bauen Geschäftspartner häufig Digital Trust Center auf, um Vertrauen aufzubauen. Für viele datensensitive Unternehmen, wie auch Bosch, IBM und Siemens, wäre das Geschäftsmodell ohne solche Maßnahmen gar nicht vorstellbar. Der Cloud-Anbieter Salesforce beispielsweise unterstreicht die Bedeutung von Vertrauen: „Unser gesamtes Unternehmen basiert auf Sicherheit und Vertrauen. Über 150 000 Unternehmen vertrauen darauf, dass Salesforce ihre Daten in der Cloud schützt.“ Für Kunden – sowohl Privat- als auch Unternehmenskunden – aus dem deutschsprachigen Raum ist wichtig, dass die Datenserver in Europa stehen, damit das europäische, restriktivere Datenschutzrecht greift. Microsoft bietet Schweizer Kunden beispielsweise explizit an, dass der Konzern ihre Daten nur auf Schweizer Servern speichert.
Wenn Unternehmen zusammenarbeiten, braucht es für die Zusammenarbeit Regeln. Die Frage ist: Wer darf mit welchen Daten in welchem Kontext was machen? Standards entwickelt dafür die International Data Space Association (IDSA), eine Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft, der eine Reihe deutscher Unternehmen beigetreten sind. Volkswagen beispielsweise nutzt die von der IDSA entwickelte Lösung für industrielle Datenspeicher („Industrial data spaces“), um Lieferketten transparent und effizient abzubilden. Das heißt: Datensouveränität zwischen Unternehmen hat höchste Priorität und ist die Bedingung dafür, das digitale Kooperation stattfinden kann. Oder mit anderen Worten: Derjenige, der Daten einbringt, hat Kontrolle über die Datennutzung.
1.2Kundenerlebnis im ZentrumVon zentraler Bedeutung bei allen Digitalisierungsprojekten ist der Kunde. User Experience wird zum schlagenden Wettbewerbsfaktor. Google schlug das dominante Yahoo als Suchalgorithmus, weil die Seite klarer und der Cursor bereits an der richtigen Stelle platziert war. Der amerikanische Finanzdienstleister Fidelity Investments baute eine eigene Forschungsabteilung in Boston auf, die sich vor allem mit Nutzerverhalten am Bildschirm beschäftigt. Der Grund ist einfach: Mehr Nutzerfreundlichkeit für die Analysten am Bildschirm generiert direkten Umsatz. Mit Experimenten und Eyetracking werden Benutzer, unterteilt nach soziodemografischen Merkmalen, analysiert. Das Bildschirmdesign wird darauf angepasst. Diese Prinzipien der visuellen nutzenzentrierten Gestaltung lassen sich auf diverse Mensch-Maschine-Schnittstellen übertragen, so auch auf Erdbewegungsmaschinen von Liebherr oder Panels von Bystronic.
Nutzenzentriertes Design, das der Kern des Design-Thinking-Ansatzes ist, gewinnt damit bei der digitalen Transformation enorm an Wert. Der Endnutzer muss bei allen Aufgaben, Zielen und Eigenschaften ins Zentrum des Entwicklungsprozesses gestellt werden. Dabei geht der Ansatz weit über die reine Oberflächenkosmetik hinaus: Er umfasst die Art, wie das Unternehmen intern und extern mit seinen Kunden und Partnern zusammenarbeitet. Nutzerzentrierte Digitalisierungsprojekte adressieren dabei häufig komplexe Probleme beim Produkt oder im Wertschöpfungsprozess, bei dem der Hauptfokus und Aufschlagpunkt der Nutzer ist.
Kleine Vorteile in der Convenience bei der Nutzung des Produkts schlagen oft bestehende Wettbewerbsprodukte aus dem Markt. Daher ist es gefährlich, wenn die digitale Transformation nur aus der IT-Abteilung kommt. Oft geraten dabei die Endkunden – sie sind letztlich die Ursache für die Wertgenerierung durch Digitalisierung – aus dem Fokus.
1.3Fertigung revolutioniert mit Industrie 4.0In B2B-Industrien wird im deutschsprachigen Raum unter „Industrie 4.0“, im angelsächsischen bekannt unter „Industrial IoT“, die nächste industrielle Revolution durch die Digitalisierung eingeleitet. Die Informatisierung von Fertigungstechnik und Logistik über Maschine-zu-Maschine-Kommunikation weist enorme Potenziale für die Steigerung der Produktivität auf. Cyber-physische Systeme sorgen für eine Automatisierung der Produktion und ihrer unterstützenden Prozesse auf einer völlig neuen Ebene. Die Basis sind Sensorik, Datenübertragung und Analyse mit selbstregelnden Wertschöpfungsprozessen.
In den 90er-Jahren wurde bei vielen Unternehmen vor allem der Backoffice-Bereich digitalisiert. Heute steht vor allem die Unterstützung der Servicetechniker vor Ort mit Field Wiki im Zentrum. Aber die Digitalisierung geht deutlich weiter: Schindler führt mehr als 30 000 Feldtechniker über ein voll integriertes Datenmanagement, das von der Entwicklung bis zum Verkauf alle Prozessschritte integriert. Das geht so weit, dass auch die Kunden vollständig über die Wartungsprozesse ihrer eigenen Anlagen informiert sind. Für diese voll integrierten IT-Prozesse, welche die globale Effizienz massiv erhöht haben, wurde Schindler vom MIT in Boston mit einem Award ausgezeichnet. Dabei durchlief Schindler die typischen Phasen:
1. IT-Rationalisierung: Systeme werden sicherer, zuverlässiger und kosteneffizienter.
2. Operational Excellence: Die Geschäfte werden optimiert, vereinfacht und global standardisiert.
3. Leading-Edge Digital Business: überlegene Kundenerfahrungen durch neue Produkte und Dienstleistungen, aber auch durch neue Geschäftsmodelle.
Firmen wie Siemens, Trumpf, Bosch und Bühler ermöglichen bereits heute ihren Kunden eine Remote-Diagnostik und darauf aufbauend Fernwartung, Remote-Parametrisierung und -Systemoptimierung sowie aufbauende Service-Dienstleistungen. Dank Digitalisierung wissen heute die Unternehmen, wie ihre Produkte beim Kunden real-time im Einsatz funktionieren und genutzt werden. Einige Unternehmen werden von B2B zu B2B2C näher an den Endkunden gelangen.
1.4Moores Gesetz als Treiber der DigitalisierungLogische Grundlage der derzeitigen Digitalisierungswelle ist immer noch Moore’s Law. Betrachtet man die Entwicklung der letzten 50 Jahre, muss man konstatieren: Die Prognose von Intel-Gründer Gordon Moore, die er am 19. April 1965 einer Fachzeitschrift abgegeben hat, gilt auch heute noch. Die Leistungsfähigkeit der Computer verdoppelte sich rund alle 18 Monate. Die ursprüngliche Prognose war ein Jahr, später wurde diese korrigiert. Das als Moore’s Law bekannt gewordene „Gesetz“ hat eine normative Funktion: Die ganze Halbleiterindustrie investiert enorm viel in Forschung und Entwicklung, um diese Prognose zu erfüllen. Der Fortschritt ist beachtlich: Würde man den Mikroprozessor eines Smartphones mit der Technologie der 70er-Jahre herstellen, wäre er zwölf Quadratmeter groß. Wie IBM aufzeigt, waren neue Materialien in den letzten beiden Dekaden die Haupttreiber für die Miniaturisierung. Als wichtige Konsequenz wird die Rechenleistung immer günstiger: Der Preis für einen Transistor fiel von zehn US-Dollar im Jahr 1955 auf 0,000.000.001 US-Dollar im Jahr 2014 (IEEE 2014). Damit ist es erst heute möglich, alle Dinge und Prozesse zu enorm niedrigen Kosten zu computerisieren. Dafür verschwimmt die Grenze zwischen der physischen Welt und der Welt der Bits und Bytes immer stärker. Das Internet der Dinge ist eine logische Konsequenz. Heute werden über zwei Exabyte (= 2 000 000 000 000 000 000 Byte) Daten pro Tag generiert − so viel wie die letzten 2000 Jahre zusammen.
Ein zentraler Treiber für die neuen Geschäftsmodelle: Die Kosten für die Digitalisierung sind dramatisch gesunken und werden weiter sinken.
1.5Angrif auf traditionelle GeschäftsmodelleDie Digitalisierung ist nicht nur positiv, wie bei jeder Erneuerungswelle ist der Anteil der kreativen Zerstörung hoch. Die Folgen einer solchen Industrieumwälzung sind zunächst neue Technologien, die sich verbreiten. Ab einer gewissen Durchdringung der Industrie kommt es zu Abwehrkämpfen der Verlierer der neuen Technologie. So bedroht die Digitalisierung meist die Geschäftsmodelle der etablierten Unternehmen, wie das Beispiel der Musikindustrie zeigt:
Durch das Streamen werden Musikstücke entwertet; 1000 Vinyl-Singles aus dem Jahr 1988 haben gleich viele Einnahmen generiert wie 13 Millionen Streams im Jahr 2012. Was ist ein einzelnes Musikstück noch wert? Und dienen Musikverkäufe letztlich nur noch dazu, Liveauftritte zu promoten? Derzeit ist eine dramatische Werteverschiebung in der Musikindustrie im Gang: von den Musikern über die Labels zu den Intermediären (siehe Tabelle 1.1). Nur wenige Musikerinnen und Musiker wie Adele schaffen es, die dominanten Vertriebswege zu boykottieren und wieder einen stärkeren Wertbeitrag für sich zu sichern. Die meisten Musiker werden überrollt von den neuen digitalen Geschäftsmodellen, ähnlich wie die Journalisten, denen ein ähnliches Schicksal droht. Die Geschwindigkeit der Transformation ist hoch, und der Wertverfall für die bestehenden Akteure zulasten der neuen digitalen Plattformanbieter ist dramatisch.
Tabelle 1.1 Wertverfall für die bestehenden Akteure am Beispiel Musik, es profitieren die Intermediäre (W. I. R. E. 2015)
Format
Preis [in US-Dollar]
Einnahmen Label [pro Stück, in US-Dollar]
Einnahmen Musiker [pro Stück, in US-Dollar]
Selbst gebrannte CD
9,99
0
8
CD im Einzelhandel
9,99
1
1
Download Album (via iTunes)
9,99
5,35
0,94
Download MP3 (via iTunes)
0,99
0
0,74
Song anhören (via Rhapsody)
Fix
0,009.1
0,002.2
Song anhören (via Last.fm)
Fix
0,004
0,000.75
Song anhören (via Spotify)
Fix
0,001.6
0,000.29
Digitale Geschäftsmodelle attackieren die traditionell produkt- und technologieorientierten Unternehmen. Uber revolutioniert ohne Taxis und Taxifahrer die Taxibranche, Skype ohne eigene Netzwerkinfrastruktur die Telekommunikationsindustrie. Von Alibaba bis Zalando kann man die digitalen Gewinner analysieren: Selten neue Technologien, meist unterscheidet das Geschäftsmodell die Gewinner von den Verlierern. In der digitalen Welt werden zahlreiche Geschäftsmodelle effektiv und effizienter als in der analogen Welt genutzt. So lassen sich zweiseitige Märkte fast perfekt auf digitalen Plattformen realisieren. Dabei ist es egal, ob es sich um den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen, um die Vermittlung von Kompetenzen oder um den Abgleich von Stromnutzung und Stromverbrauch im privaten Umfeld dreht. Fast jedes Geschäft lässt sich zu mehr Transparenz, geringeren Transaktionskosten und damit mehr Wettbewerb transformieren. Die Verlierer dieses Trends sind die früheren Profiteure von „Heimatschutz“, von Quasi-Monopolisten wie Energiekonzernen bis hin zu lokalen Akteuren wie Nachbarschaftsläden.
Der Werkzeughersteller Hilti revolutioniert derzeit mit seiner On!TrackSoftware die Betriebsmittelverwaltung von Bauunternehmen. Dazu werden Geräte, Werkzeuge und andere Arbeitsmittel digital erfasst und mit RFID-Tags ausgestattet. Eine Datenbank in der Cloud enthält alle wichtigen Informationen wie Standort, Produktspezifikationen und Wartungstermine. Der Kundennutzen liegt in geringeren Beständen, niedrigeren Kosten, besserer vorbeugender Wartung der Werkzeuge, weniger Ausfällen, sicherer Dokumentation, Echtzeitstandortverfolgung der Werkzeuge und höherer Sicherheit für die Mitarbeitenden. Der Wert für Hilti besteht darin, dass das Unternehmen seine Kunden besser kennenlernt und nachvollziehen kann, welche Werkzeuge sie wie oft einsetzen. On!TrackKunden sind im Vergleich zu anderen Kunden außerdem profitabler und loyaler.
Betroffen ist auch die Kreativindustrie, die sich bislang nicht den globalen Effizienzbestrebungen stellen musste. Aber über Crowdsourcing-Plattformen wie 99designs.com werden Werbeagenturen angegriffen, über InnoCentive die technischen Dienstleister und über Amazon Mechanical Turk sogar die Niedriglohndienstleister. Outsourcing von einfacher Arbeit, zum Beispiel an Callcenter, hat bereits in den letzten 15 Jahren enorm zugenommen. Nun folgt auch die Kreativindustrie. Der Effekt ist überall gleich: Die Welt wird flach, die indische Kollegin aus Bangalore und der chinesische Freelancer aus Schanghai werden zu direkten Konkurrenten. Damit hat die Globalisierung eine nächste Ebene erreicht: Nach der Globalisierung der physischen Produktwelt erfolgt nun auch die Globalisierung der Dienstleistungsindustrie.
Plattformen bilden nach wie vor die Basis für erfolgreiche Geschäftsmodelle. Doch ihr Aufbau ist schwierig und auch Unternehmen mit großer Finanzkraft scheitern. Viele Plattformmanager vergessen auch die Zweiseitigkeit der Märkte: Kunden gibt es nicht nur auf der Nachfrage-, sondern auch auf der Anbieterseite.1)
Das Metaverse als Paralleluniversum für Gesellschaft und Geschäft hat die Fantasie der Investoren angeheizt. Als Mark Zuckerberg jedoch seinen ersten Avatar im Metaverse vorstellte, erntete er vor allem Spott: 10 Milliarden US-Dollar Investitionen wurden hierfür aufgewendet und am Ende sah die Öffentlichkeit ein comicartiges Selfie-Bild von Mark Zuckerberg. Es ist vielen nicht vorstellbar, dass hier Wertschöpfung stattfinden kann.
Was ist nun wirklich das Metaverse? Wie häufig, wenn ein Hype entsteht, gibt es unzählige Definitionen und Begriffsverwirrungen. Wir sehen hier drei konstituierende Merkmale für das Metaverse, unabhängig, in welchem Umfeld und in welcher Industrie dieses stattfindet:
1. Es geht beim Metaverse erstens um eine umfassende Erfahrung, welche auf Virtual, Augmented und Mixed Reality (VR, AR, MR) aufbaut. Real-time-Interaktivität von Menschen und Menschen mit Systemen wird hier ermöglicht. Technologisch spielen hier auch KI-Technologien eine große Rolle.
2. Zweitens dreht es sich beim Metaverse immer um soziale virtuelle Welten, in denen live, synchronisiert und gleichzeitig verschiedenste Aktivitäten stattfinden. Der soziale Charakter darf nicht unterschätzt werden, nicht nur im Gaming, sondern auch in industriellen B2B-Umgebungen (z. B. virtuelle Anlagenbesichtigungen von potenziellen Käufern).
3. Drittens basiert das Metaverse auf Web 3.0, welches die Eigentumsrechte regelt. Es ist interoperativ und dezentralisiert, stellt damit auch ein Gegenmodell zu den zentralisierten Plattform-Geschäftsmodellen von Amazon und Co. dar. Wichtige Elemente sind hier die Distributed-Ledger-Technologien (DLT, wie Blockchain) und Non-Fungible Tokens (NFT, nicht austauschbarer Wert), welche eine sichere dezentrale Transaktion und damit wirtschaftliche Aktivitäten ermöglicht.
Im B2C-Kontext wird oft die Frage gestellt: Wird für eine Gucci-Tasche (= NFT) im Metaverse tatsächlich real bezahlt? Einerseits zeigt schon der Kunsthandel, dass Produkte gleichzeitig physisch und virtuell gekauft werden können. Andererseits hat auch das rein virtuelle Produkt einen Wert, der unabhängig von seinen Herstellkosten ist – Herstellkosten von virtuellen Massenwaren haben Grenzkosten gegen Null. Was ist nun die Zahlungsbereitschaft für eine virtuelle Gucci-Tasche? Man wird dies nur durch empirisches Testen herausfinden. Aber Skeptiker sollten sich vor Augen führen, dass das Gaming-Unternehmen Fortnite bereits 2021 über 5,8 Milliarden US-Dollar Umsatz mit Avatar-Equipment erzielte. Es wird also schon heute viel für digitale Produkte ausgegeben. Unterstützt wird dies noch durch die Veränderung in der Gesellschaft: Für die heutigen Teenager ist es gemäß Umfragen wichtiger, wie sie online, auf Social Media wirken als in Realität. Warum sollte dann nicht ein digitaler Sneaker der richtigen Marke ebenso eine Zahlungsbereitschaft hervorbringen wie der physische Sneaker oder eine Gucci-Tasche?
In der eigenen Forschung arbeiten wir viel im industriellen Kontext (B2B). Hier könnte ein ähnlicher Trend erwartet werden wie beim Aufkommen des Web 2.0, als alle Medien nur über selbst hergestellte T-Shirts mit eigenen Motiven geschrieben haben. Beim Aufkommen von additiven Fertigungsverfahren (3D-Druck) wurde medienwirksam spekuliert, dass jeder Konsument seinen Modeschmuck selbst designt und herstellt. In Realität lagen jedoch in beiden Feldern die wahren Wertschöpfungspotenziale in B2B-Anwendungen, wie z. B. der Ersatzteilherstellung. Bei unseren laufenden Forschungsarbeiten mit Siemens zu „NFTs in Industrial Metaverse“ werden wir sehen, welche Use Cases hier die größten Potenziale haben.
Digitalisierte Unternehmen haben jedoch nicht nur Chancen, sondern auch zahlreiche neue Risiken. So sind in jüngerer Zeit häufiger Cyberattacken aufgetreten, das Schadenspotenzial steigert sich. Durch einen solchen Angriff auf Sony im Jahr 2014 wurden sensitive Daten auf das Netz freigegeben. Persönliche Daten von Sony-Mitarbeitenden und ihren Familien, E-Mails zwischen Mitarbeitenden, Managementgehälter und Kopien von noch nicht freigegebenen Filmen von Sony Pictures Entertainment waren verfügbar. 15 Millionen US-Dollar wurden für Schadensersatzklagen zurückgestellt, Co-CEO Amy Pascal trat zurück. Hinter der Attacke wird Nordkorea als Auftraggeber vermutet, es entstand eine internationale Krise mit politischen Folgen.
Im Rahmen des Stuxnet wurde eine iranische Nuklearanlage zerstört; USB-Sticks mit Malware wurden auf dem Betriebsgelände breit verteilt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Mitarbeitender einen solchen USB-Stick finden, diesen in ein Gerät stecken und damit die Malware aktivieren würde.
Das Jahr 2022 zeigt hingegen ein ganz neues Ausmaß an Cyberangriffen, mit einem Allzeithoch an Datenleaks. Allein in Deutschland fielen 80 Unternehmen einer Cyberattacke zum Opfer, wobei die Dunkelziffer noch nicht berücksichtigt wurde (CSO 2023). Die Folgen waren oft hohe Umsatzeinbußen, verbunden mit hohen Wiederherstellungskosten für die Datenlandschaft oder in einigen Fällen auch Reputationsschäden.
Der Hackerangriff auf das Unternehmen Continental ist ein solches Beispiel. Hacker verschafften sich Zugang zu den Servern des Unternehmens und verbreiteten anschließend 40 Terabyte an sensiblen Daten im Darknet. Darunter befanden sich Informationen über Budget- oder Investitionspläne sowie Mittelungen von Vorstandsmitgliedern. Dieser Angriff bedeutete einen erheblichen Schaden für Continental (CSO 2022).
Ein weiteres internationales Beispiel aus dem Jahr 2022 ist das der russischen Hackergruppe Conti, die ganz Costa Rica lahmlegte. Sie griffen das Finanzministerium an, beeinträchtigten so die Import-/Exportindustrie und lösten eine nationale Krise aus. Später versuchten die Hacker erneut, die Sozialversicherungskasse Costa Ricas anzugreifen, was ihnen zwar nicht in gleichem Maße gelang, aber ein großes Chaos verursachte.
Ein weiteres Beispiel, das die Risiken von Cyberangriffen auch für den Endkunden verdeutlicht, war ein Datenleak im Jahr 2022 bei über 500 Millionen Nutzern von WhatsApp, einem Unternehmen das zu Facebook gehört. Die entsprechenden Daten wurden durch den Hacker in einem Hacker-Community-Forum zum Verkauf angeboten.
Das aktive Management von Zugriffsrechten für Daten gewinnt an Bedeutung. Illegale Datenverkäufe an Banken zur Steuerhinterziehung sind nur die medienwirksame Spitze des Eisberges. Die meisten Schäden in Unternehmen werden nicht bemerkt, da Daten in großen Mengen illegal zu Wettbewerbern diffundieren. Die Funktion des Information Security Officer wird daher nicht nur für Großkonzerne, sondern auch für mittelständische Unternehmen mit hoher Wissensintensität hoch relevant. Die Aufgabe von solchen Datensicherheitsverantwortlichen ist die Entwicklung einer sicheren Datenumgebung, die den zunehmend offenen Geschäftsprozessen gerecht wird, aber gleichzeitig nach außen sicher ist. Typische Probleme in Unternehmen sind das Management von Zutrittsrechten, Netzschwachstellen, physische Schwachstellen im Zugang zu IT-Centern und vor allem Schwachstellen in der User Awareness. Es wird immer üblicher, neben internen Audits Organisationen wie den Chaos Computer Club mit gezielten Hackerangriffen zu beauftragen, um die Schwachstellen eines Unternehmens aufzudecken.2)
Je höher der Grad der Digitalisierung von Fertigung und Logistik, auch über Unternehmensgrenzen hinweg, und je vernetzter und offener die Wertschöpfungskette, umso anfälliger ist diese für externe Attacken. Dabei gibt es mehrere Felder: 1. Datenverlust, zum Beispiel durch Malware, 2. Datendiebstahl, zum Beispiel Kundendaten von Banken oder Prozessdaten einer Maschine, 3. Fehlverhalten von vernetzten Anlagen oder Produkten, 4. Remote-Steuerung von Anlagen oder Produkten. Stellt man sich beim autonomen Fahren einen Hacker mit verbrecherischen Absichten vor, wird schnell klar, dass der Schaden unermesslich hoch werden kann. Diese Risiken sind in ihren unterschiedlichen Dimensionen zu erfassen und zu bewerten. Die Risikomatrix von Ereigniswahrscheinlichkeit und -ausmaß, ergänzt mit einem qualitativen Risikodialog, wird hier unerlässlich. Das Thema Sicherheit gewinnt bei der Digitalisierungsdebatte stark an Bedeutung.
1.7Segen und Fluch der RegulierungDer Umfang der Daten wächst immens. Allein im Audi A8 wurden im Jahr 2014 über 2000 Datenpunkte abgenommen. Doch was wird damit gemacht? Und noch wichtiger: Wem gehören die Daten? Dem Versicherungsunternehmen, das eine Prämienreduktion bei vorsichtiger Fahrweise anbietet? Dem Automobilhersteller Audi? Oder gar den Automobilzulieferern, die über die verschiedenen Marken hinweg eine auf ihr Subsystem konzentrierte Queranalyse durchführen könnten? Oder dem Endkunden, dem Autofahrer? Welche Daten sind in welcher Form verwendbar? Hier sind noch zahlreiche Themen offen.
Uber wird in einigen Ländern verboten, teils aus arbeitsrechtlichen Gründen, teils wegen der Versicherungen, teils als Antwort auf den gewerkschaftlichen Druck der Taxifahrer. Die Frage ist, wie lange sich Fortschritt aufhalten lässt und wo reguliert werden muss. In den Ländern, in denen Uber erlaubt ist, setzt sich das Unternehmen mit enormer Geschwindigkeit durch – ein untrügliches Zeichen für Mehrwert bei diesem zweiseitigen Markt. Der nächste Konflikt beim Fahren ist schon vorprogrammiert, wenn autonome Fahrzeuge zugelassen werden. Die Technologie ist auch hier weitgehend vorhanden. In Stanford beschäftigt man sich derzeit mit ethischen Fragen rund um autonomes Fahren: Auch wenn die absolute Zahl der Unfälle und Verkehrstoten mit hoher Wahrscheinlichkeit stark sinken wird, wird es ungeklärte Einzelfälle geben, und diese werden die öffentliche Diskussion bestimmen. Fährt das Fahrzeug nach einer unübersichtlichen Kurve eher in eine Gruppe Rollstuhlfahrer oder in Mutter und Kind, wenn sich der Unfall nicht vermeiden lässt? Solche Entscheidungen lassen sich schwierig programmieren. Menschliches Versagen wird akzeptiert, aber die Anforderungen an computerisierte Entscheidungen sind höher.
Die Regulierung wird früher oder später auch die Kreativindustrie betreffen. Heute wird in ganz Europa über Minimallohnforderungen diskutiert. Wie wird es in Zukunft sein, wenn über die Virtualisierung der Arbeit der indische Callcenter-Mitarbeitende aus Bangalore zum direkten Kollegen und Wettbewerber des Mitarbeitenden in Zürich wird? Wie effektiv sind heutige Gesetze zur Verhinderung von Lohndumping, wenn über Internetplattformen wie Amazon Mechanical Turk oder Clickworker.com heute schon viel Arbeit von den entwickelten Ländern in Niedriglohnländer verlagert wird? Wie geht man in Europa mit dem Trend zum Freelancer in der digitalen Welt um, bei dem die Mitarbeitenden immer stärker ausgelagert werden, zum Beispiel via Crowdsourcing, für Webdesign oder Programmierung? Gerade in der digitalen Wertschöpfung wird immer stärker virtuell gearbeitet. Wie können Urheberrechte und geistiges Eigentum in der neuen offenen Welt von YouTube und Sharing-Plattformen effektiv geschützt werden?
Wie geht man mit Plagiatsthemen und Copyright um in Zeiten von zunehmend erfolgreicher generativer KI, wie ChatGPT, das Text generiert, ohne die Quellen zu identifizieren? Bereits drei Monate nach Veröffentlichung gibt es den ersten wissenschaftlichen Artikel mit ChatGTP als Co-Autor (2023).
Zahlreiche Fragen sind hier noch offen, eines steht jedoch fest: Die Regulierung hinkt der technologischen Entwicklung hinterher. Einige Länder arbeiten mit „experimenteller Gesetzgebung“, auch Deutschland und der Schweiz beispielsweise bei der Zulassung von autonomen Fahrzeugen (2022 bzw. 2023): Hier ist es nun erlaubt, unter bestimmten Bedingungen die Hände komplett vom Steuer zu nehmen. Was technologisch schon lange möglich ist, wird nun unter enger Beobachtung versuchsweise zugelassen. Es ist noch nicht abzusehen, wo es mehr und wo es weniger Regulierungen geben wird. Sicher ist nur, dass sich der Druck verstärken wird: mehr Regulationsforderungen von Gewerkschaften und etablierten Unternehmen, Deregulationsforderungen von den neuen Wettbewerbern.
1.8Der Mensch als InformationsverarbeitungsengpassDer Umfang der verfügbaren Informationen wächst exponentiell. Doch was tun wir mit den gigantischen Informationsmengen? Wir lernen noch auf die gleiche Art und Weise, wie unsere Generation vor uns gelernt hat. Unser menschliches Hirn ist nicht wirklich in der Lage, sich eine exponentielle Entwicklung vorzustellen. Dies hat bereits die Geschichte gezeigt: Die Verdoppelung eines Reiskorns auf jedem weiteren Feld eines Schachbretts, also 264, hat dazu geführt, dass der Erfinder des Schachspiels mehr Reiskörner versprochen bekam, als das gesamte Königreich hatte. Moores Gesetz lässt sich zwar anwenden, Prognosen zur Technologieentwicklung können erstellt werden. Aber die exponentielle Entwicklung der Computerisierung von Wirtschaft und Gesellschaft lässt sich vom Menschen kaum begreifen. Das Hirn ist darauf nicht vorbereitet. Unser Geist und unsere Psyche haben sich in der kurzen Zeitspanne der digitalen Revolution nicht wirklich verändert.
Auch die meisten Organisationen sind noch klassisch hierarchisch strukturiert, die Prozesse ähneln immer noch dem Zeitalter der industriellen Arbeitsteilung. Henry Ford und seine Organisationsprinzipien sind jedoch überholt in der neuen Welt. Die Führung der digitalen Transformation in den Unternehmen muss verbessert werden. Gelingt dies, können die Stärken und Werte der alten Welt in die digitale transformiert werden. Scheitert die digitale Transformation im Unternehmen, gehen immer größere Wertschöpfungsanteile an die neuen, digitalen Wettbewerber oder an die neu digitalisierten Unternehmen verloren. Auch hier gilt Darwins Theorie: Die Unternehmen werden überleben, die sich am schnellsten und besten an die neuen Umgebungen anpassen.
Die Digitalisierung ist nicht eine Frage des „ob“, sondern nur des „wo“, „wie“ und „mit wem“. Es erscheint uns wichtig, dass einerseits die Digitalisierung des heutigen Geschäfts, andererseits die Möglichkeiten angegangen werden, das gesamte Geschäftsmodell und das Unternehmen neu zu erfinden. Die Wirtschaft wird sich zunehmend digitalisieren, automatisieren und vernetzen, um Kundenmehrwert, Synergien und Kosteneffizienz zu realisieren. Wer nicht dabei ist, wird in einem verschärfenden Wettbewerb langfristig nicht mehr überleben.
1.9Erfolgsfaktoren der Führung der digitalen TransformationDie digitale Transformation durchläuft immer die gleiche Musterabfolge:
1. Daten generieren; der Anteil der Sensorik an der Datengenerierung nimmt dabei zu.
2. Daten vernetzen; der Anteil der vernetzten realen Produkte, Prozesse und Systeme wächst.
3. Daten analysieren und visualisieren, um daraus kundenrelevante Erkenntnisse zu gewinnen.
4. Mehrwert generieren aus den Daten, zum Beispiel über neue Dienstleistungen, verbesserte Prozesse oder neue Funktionalitäten von Produkten.
Einzelne Projekte können dabei an jedem der vier Schritte ansetzen, wichtig sind jedoch die Gesamtsicht und ein klares Geschäftsmodell, mit dem Werte geschaffen und gesichert werden können.
Um die Herausforderungen der digitalen Transformation erfolgreich meistern zu können, braucht es mehrere Elemente. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die Transformation deutlich erfolgreicher verläuft, wenn folgende 14 Punkte berücksichtigt werden.
Start und Ende einer jeden Digitalisierungsinitiative muss die Wertschöpfung sein. Das wichtigste Element ist dabei der Kunde. Es braucht tiefergehende Kenntnisse über die offenen und latenten Kundenbedürfnisse. Typischerweise lassen sich diese Erkenntnisse in drei Stufen gewinnen: Wer ist der Kunde? Was sind dessen Bedürfnisse? Welche tiefgehenden Aha-Erkenntnisse über den Kunden sind zu gewinnen?
Dabei ist es gerade bei digitalen Leistungen wichtig, neue Wege zu gehen. Das klassische V-Modell von Bedarfserfassung über Marktforschung bis zum Spezifizieren und Umsetzen gerät meist an seine Grenzen. Heute sorgt der interaktive und agile Entwicklungsprozess dafür, dass rasche Feedbackschleifen zu unmittelbaren Aha-Erlebnissen bei den Entwicklungsteams führen. Es werden auch zunehmend latente Kundenbedürfnisse erfasst, die den Kunden zwar nicht bewusst sind, sie aber begeistern, wenn sie adressiert sind.
Als Mobilisierung hilft eine starke Vision, wo die Reise hingehen soll. Dies wirkt oft stärker auf die Ausrichtung von Teams als Detailpläne für die Umsetzung. Die Vision bündelt auch die Kräfte im Unternehmen und unternehmensübergreifend zu den Partnern. Visionen werden von Pragmatikern oft kleingeredet. Eine gute Vision ist jedoch gerade im dynamischen Umfeld mit unsicheren Planungsanforderungen und permanenten Neuorientierungen der Projekte sehr nützlich.
Heute ist es verbreitet, den „Purpose“, also den Zweck eines Unternehmens, und das „Warum“ ins Zentrum zu stellen. Dies kann auch eine Vision unterstützen.
Geschäftsmodelle verändern sich stark. Sie erzählen die Geschichte eines Unternehmens, wie Wert generiert und abgeschöpft wird. Denken in Geschäftsmodellen orientiert sich an Werten, Kunden und überwindet internes Silodenken. Es ist wichtig, die heutigen Geschäftsmodelle zu kennen und neue zu generieren. Im Zentrum gibt ein Geschäftsmodell integrativ Antworten auf folgende vier Fragen: Wer ist der Kunde? Was ist das Nutzenversprechen? Wie wird dieses umgesetzt? Warum ist das Geschäftsmodell profitabel? Dahinter liegen die Themen Markt, Value Proposition, Wertschöpfungskette und Ertragsmechanik. Ein Geschäftsmodell erklärt, warum ein Unternehmen Wert schafft und dabei Geld verdient.
Es ist selbstredend, dass Teams wichtig sind. Projekte sind immer nur so erfolgreich wie das Team. Bereits frühzeitig soll überlegt werden, wer im Kick-off-Team ist, welche Partner an Bord geholt werden müssen für komplementäre Kompetenzen, wer intern hinzugezogen werden soll. Gute Teams sind zielorientiert, weisen eine hohe Diversität auf und haben eine starke Konflikt- und Kommunikationskultur. Zum Team gehört indirekt auch der Sponsor und Unterstützer aus dem Topmanagement. Dieser stellt sicher, dass das Projekt auch in Krisenzeiten nicht unter den Tisch fällt und dass bei Widerständen die Projektinteressen durchgesetzt werden.
Lernen heißt auch Fehler machen. Dies ist kulturell eine enorme Herausforderung: Unternehmen müssen lernen, dass Fehler und Scheitern eine Quelle für rasches Lernen darstellen können. Es ist noch zu früh, um klar die Mehrwerte des Metaverse zu kennen. Vielversprechende Use Cases in Gaming, Handel und im industriellen Umfeld werden aufgezeigt, aber nur die Unternehmen werden es mit Sicherheit wissen, welche sich auf die Reise begeben. Unternehmen müssen in diesem Umfeld mehr spielerisch wagen.
In einer Prototypenstrategie müssen möglichst rasch Unsicherheiten durch Erkenntnisse und Annahmen durch Fakten ersetzt werden. Das ist möglich, indem für jede Annahme ein Prototyp „gebaut“ und getestet wird. Dieses Vorgehen hat Experimentalcharakter, wie wir es aus den Naturwissenschaften kennen. Letztlich ist der Prototyp die Materialisierung der Annahmen und dies führt zu raschen Erkenntnisfortschritten.
Jedes Unternehmen muss rascher lernen, als sich die Umgebung verändert. Nur so kann es überleben.
Rasche Sprints und iteratives Vorgehen mit engem Kundenkontakt ersetzen immer mehr das sequenzielle Wasserfallmodell. Insbesondere in einem dynamischen Umfeld mit unsicheren Benutzeranforderungen wird Agilität im Entwicklungsprozess relevant. Bei Digitalisierungsprojekten weiß der User häufig nicht, was er will; agiles Vorgehen hilft hier. Dies soll kein ideologischer Aufruf zu einem agilen Manifest sein, wie es immer wieder in Unternehmen beobachtet wird. Es gibt in stabilen Umgebungen wie der NASA oder in Teilen der Bauindustrie immer noch Gründe für ein phasengetriebenes, sequenzielles Vorgehen. Je höher jedoch die Dynamik in der Unternehmensumgebung und im Markt ist und je weniger über die Kundenanforderungen bekannt ist, desto agiler muss der Entwicklungsprozess sein. Agile Schnellboote eignen sich insbesondere als Start, um Erfolge zu erzielen.
Digitalisierungsinitiativen sind fast immer funktions-, bereichs- und oft unternehmensübergreifend. Es muss über die bestehenden Grenzen hinweg zusammengearbeitet werden. Ohne diese Überwindung der bestehenden Strukturen gelingen die wenigsten Transformationsprojekte. Dies ist jedoch oft nicht einfach, da die Prozesse, Anreizsysteme und Berichtsstrukturen meist noch funktional sind.
Oft reicht das Team nicht aus, die gesamte Organisation muss „energetisiert“ werden, um eine Transformation erfolgreich durchzuführen. Hier helfen zwei Strategien nach Heike Bruch: „Winning the Princess“ oder „Killing the Dragon“. Bei der ersten Strategie wird aufgezeigt, wie sich beispielsweise das Kundenerlebnis durch die Digitalisierungsinitiative komplett neu definieren lässt, die Loyalität der Kunden zunimmt und das Unternehmen begeisterte Fans generiert. Bei der Drachenstrategie wird plastisch die Bedrohung aufgezeigt, zum Beispiel die neuenFintech-Unternehmen in der Finanzindustrie, welche die Industrie revolutionieren. Gleichzeitig wird klargemacht, dass sich das eigene Unternehmen durchaus wehren und gewinnen kann, wenn alle Kräfte zusammenspannen. Beide Strategien erhöhen die positive organisationale Energie im Unternehmen und reduzieren interne Grabenkämpfe ohne Wertgenerierung. Neue Forschung zeigt, dass positive Zukunftsbilder langfristiger motivieren als negative.
Es ist besser, rasch Zelte auf- und bei Erfolglosigkeit auch wieder abzubauen, als einen perfekten Palast zu planen, der für die Ewigkeit hält. Langfristplanungen werden in der IT vor allem bei kundennahen Prozessen immer weniger sinnvoll. Agilität, Lernen und Flexibilität ersetzen Planung. Die Projektorganisation ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Im Unternehmen finden sich Experten verschiedener Disziplinen zu schlagkräftigen Projektteams zusammen, um konkrete Ziele der Digitalisierung anzugehen. So entstehen Innovationen auf Basis der gegebenen Expertenmittel in immer wieder neuen Anwendungsfeldern, die sich hierarchisch nicht starr vorgeben lassen.
Anstatt große langjährige Pläne zu entwickeln, ist gerade in der digitalen Welt eine stärkere Aktionsorientierung gefragt. Dabei bietet es sich an, wie ein junges Start-up zu handeln, das kein Budget für monatelange Planungen oder große Stabsabteilungen hat. Stattdessen gilt es, einen nächsten Schritt zu tun, rasches Kundenfeedback einzuholen und sich wieder anzupassen. Die Zyklen von Design – Build – Test sind rascher zu durchlaufen, damit die Lernfortschritte beschleunigt werden.
Jedes Unternehmen muss sich stets fragen, ob es wirklich schneller lernt, als sich die Umgebung – Märkte, Kunden, Wettbewerber, Technologien – verändert. Start-ups haben keine Alternative, wenn sie überleben wollen.
Die Digitalisierung zeigt immer wieder die Tendenz zur Konzentration. Das Prinzip „The winner takes it all“ führt dazu, dass man gewinnen muss oder ganz verliert. Kuchen aufteilen ist in Märkten mit absoluter Transparenz schwierig. Daher ist es von großer Bedeutung, die richtigen Partner zu suchen und gemeinsam die Ziele anzugehen. In Phasen, wo Neues geschaffen werden soll, ist das Miteinander in vernetzten Welten wichtiger als das Gegeneinander.
Der Kampf um die besten Talente ist voll im Gang. In Hotspots wie Berlin, London oder Zürich ist der Kampf um die besten Talente für die Digitalisierung schon lange voll entbrannt. Dabei zeichnete sich bereits in den letzten zehn Jahren ab, dass immer mehr hoch qualifizierte IT-Experten und Programmierer nicht mehr bereit sind, die klassischen Wege von Großunternehmen zu gehen. Vielmehr suchen sie noch stärker die Erfüllung in der Aufgabe selbst. In den Metropolen besteht die starke Tendenz, zum digitalen Portfolioarbeiter zu werden. Nicht die Arbeitslosen, sondern die stark umkämpften Talente entscheiden sich für Portfoliojobs in Co-Working-Spaces.
Es hat sich gezeigt, dass es gerade bei langfristigen Transformationen erforderlich ist, auch kurzfristige Fortschritte zu realisieren und zu kommunizieren. Diese greifbaren Fortschritte dienen dazu, die Initiative im Unternehmen weiter zu verankern, den Kritikern die Machbarkeit aufzuzeigen und in der Geschäftsleitung das Commitment zu verstärken.
Es reicht nicht aus, einmal die Reise in die digitale Welt anzukündigen. Bei jeder Gelegenheit muss das „Was?“, „Wohin?“ und vor allem das „Warum?“ der Digitalisierungsreise erklärt werden. Hier ist es wichtig, dass die gesamte Geschichte konsistent und regelmäßig erläutert wird. Es gilt auch hier: Steter Tropfen höhlt den Stein.
Fehlende oder schwache Kommunikation ist einer der häufigsten Gründe für Flops bei Digitalisierungsprojekten.
Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation
1. Kundenanforderungen im Kern erkennen
2. Starke Vision entwickeln
3. Digitale Geschäftsmodelle entwickeln
4. High-Performance-Teams fördern
5. Permanentes Lernen forcieren
6. Agilität in der Entwicklung stärken
7. Silos überwinden
8. Gesamte Organisation „energetisieren“
9. Zelte statt Paläste aufbauen
10. Lean-Start-up-Mentalität fördern
11. Strategische Partnerschaften aufbauen
12. Kampf um die Talente gewinnen
13. Quick Wins realisieren
14. Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren
1 Siehe in Kapitel 3 zum Plattform-Navigator, wie Plattformen erfolgreich entwickelt werden können.
2 Siehe hierzu auch Kapitel 5 zu Cybersicherheit.
Naomi Häfner, Philipp Morf