Disappearances - Vom Verschwinden - Paul Auster - E-Book

Disappearances - Vom Verschwinden E-Book

Paul Auster

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Beschreibung

Lange bevor Paul Auster mit seinen Romanen international berühmt wurde, veröffentlichte er einen Band mit Gedichten. Es sind dunkle, abgründige Gedichte eines Einsamen, unentwegt auf der Suche nach den letzten Dingen. In ihrem Wechsel von spielerischer Intellektualität und philosophischer Gedankentiefe wirken diese Gedichte «Vom Verschwinden» wie Keimzellen des Auster´schen Romanwerks. Erstmals liegen sie nun in dieser zweisprachigen Ausgabe auch in deutscher Übersetzung vor. Eine echte Entdeckung!

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Seitenzahl: 105

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Paul Auster

Vom Verschwinden/Disappearances

Gedichte // Poems

Zweisprachige Ausgabe

Deutsch von Werner Schmitz

«Sie können den Auster aufschlagen, wo Sie wollen, und er ist immer interessant. Ein geistreicher Schriftsteller!»

(Marcel Reich-Ranicki im Literarischen Quartett)

Speichen

SPOKES

1970

Roots writhe with the worm – the sift

Of the clock cohabits the sparrow’s heart.

Between branch and spire – the word

Belittles its nest, and the seed, rocked

By simpler confines, will not confess.

Only the egg gravitates.

*

In water – my absence in aridity. A flower.

A flower that defines the air.

In the deepest well, your body is fuse.

*

The bark is not enough. It furls

Redundant shards, will barter

Rock for sap, blood for veering sluice,

While the leaf is pecked, brindled

With air, and how much more, furrowed

Or wrapped, between dog and wolf,

How much longer will it stake

The axe to its gloating advantage?

*

Nothing waters the bole, the stone wastes nothing.

Speech could not cobble the swamp,

And so you dance for a brighter silence.

Light severs wave, sinks, camouflages –

The wind clacks, is bolt.

I name you desert.

*

Wurzeln krümmen sich mit dem Wurm – das Rieseln

Der Uhr bewohnt des Spatzen Herz.

Zwischen Zweig und Turm – schmälert

Das Wort sein Nest, und die Saat, gewiegt

Von schlichteren Grenzen, will nicht gestehen.

Nur das Ei hat Schwerkraft.

*

Im Wasser – meine Abwesenheit bei Dürre. Eine Blume.

Eine Blume, sie verdeutlicht die Luft.

Im tiefsten Brunnen ist dein Leib Zünder.

*

Die Rinde ist nicht genug. Sie schluckt

Scherben in Mengen, tauscht

Fels gegen Saft, Blut gegen Stauwasser,

Und das Laub, scheckig von Luft,

Wird gepickt und, wie oft noch, gefurcht,

Gewickelt, zwischen Hund und Wolf,

Wie lange noch wird sie die Axt

Zu ihrem hämischen Vorteil wagen?

*

Nichts wässert den Baumstamm, der Stein vergeudet nichts.

Sprache kann den Sumpf nicht pflastern,

Und so tanzest du für eine hellere Stille.

Licht zerreißt Wellen, versenkt, verschleiert –

Der Wind knallt, ist Riegel.

Ich nenne dich Wüste.

*

Picks jot the quarry – eroded marks

That could not cipher the message.

The quarrel unleashed its alphabet,

And the stones, girded by abuse,

Have memorized the defeat.

*

Drunk, whiteness hoards its strength,

When you sleep, sun drunk, like a seed

That holds its breath

Beneath the soil. To dream in heat

All heat

That infests the equilibrium

Of a hand, that germinates

The miracle of dryness…

In each place you have left

Wolves are maddened

By the leaves that will not speak.

To die. To welcome red wolves

Scratching at the gates: howling

Page – or you sleep, and the sun

Will never be finished.

It is green where black seeds breathe.

*

Picken skizzieren den Steinbruch – erodierte Zeichen,

unvermögend, die Botschaft zu chiffrieren.

Der Meißel entfesselte sein Alphabet,

Und die Steine, umzingelt von Misshandlung,

Bewahren die Erinnerung an die Niederlage.

*

Trunken hortet Weiß seine Kraft,

Wenn du schläfst, sonnetrunken wie ein Saatkorn,

Das im Boden

Die Luft anhält. Bei Hitze von aller Hitze

Zu träumen,

Die das Gleichgewicht einer Hand

Heimsucht, die das Wunder

Der Dürre keimen lässt…

An jedem Ort, den du verlassen,

Werden Wölfe vom entschlossen stummen Laub

Zur Raserei gebracht.

Sterben. Rote Wölfe begrüßen,

Die an den Toren kratzen: Heulendes

Blatt – oder du schläfst, und die Sonne

Wird niemals fertig.

Es ist grün, wo schwarze Saaten atmen.

*

The flower is red, is perched

Where roots split in the gnarl

Of a tower, sucking in its meager fast,

And retracting the spell

That welds step to word

And ties the tongue to its faults.

The flower will be red

When the first word tears the page,

Will thrive in the ooze, take color,

Of a lesioned beak, when the sparrow

Is bloodied, rind flies from one

Earth into the bell.

*

Between the sparrow and the bird without name:

its prey.

Light escapes through the interval.

*

Each trance pales in the hub, the furtive

Equinox of names: pawl

Thwarting ratchet – jarring skies that orb

This austere commerce with wind.

Lulls mend. But gales nourish

Chance: breath, blooming, while the wheel scores

Its writing into earth. Bound back

To your feet. Eyes tend soil

In the cool of dying suns. The song

Is in the step.

*

Die Blüte ist rot, sie thront

Wo Wurzeln sich spalten, im Knarren

Eines Turms, saugt ihre magere Kost

Und widerruft den Zauber

Der Schritt und Wort verschweißt

Und die Zunge an ihre Fehler kettet.

Die Blüte wird sich röten

Wenn das erste Wort die Seite zerreißt,

Wird gedeihen im Schlamm, die Farbe

Eines verletzten Schnabels annehmen, wenn der Sperling

Blutend von einer Erde

In die Glocke fliegt.

*

Zwischen dem Sperling und dem Vogel ohne Namen:

Die Beute.

Licht entweicht durch den Zwischenraum.

*

Jede Trance verblasst in der Nabe, das heimliche

Äquinoktium der Namen: Pall

Vereitelt Knarre – sie zerreißen die Himmel, die diesen

strengen Handel mit Wind umkreisen.

Flauten heilen. Doch Stürme hegen

Den Zufall: Atem, Blühen, und das Rad kerbt

Seine Schrift in die Erde. Spring wieder

Auf die Füße. Augen pflegen die Scholle

In der Kühle sterbender Sonnen. Das Lied

Ist Schreiten.

*

Embering to the lip

Of nether sky – the undevoured nest-light

Ebbs to sustenance: from the sparrow

To the bird without name, the interval

Is prey – smoke

That softens coals, unlike the sect

Of wings, where you beat, smoke wed

To glow – in the sparrow’s memory

It perfects the sleep of clouds.

*

To see is this other torture, atoned for

In the pain of being seen: the spoken,

The seen, contained in the refusal

To speak, and the seed of a single voice,

Buried in a random stone.

My lies have never belonged to me.

*

Into the hub the shell implodes,

Endures as a pun of loam and rock,

Rising as stick, to invade, to drive

Out the babble that worded its body

To emerge, to wait for future

Blows – city in root, in deed, unsprung, even out

Of the city. Get out. The wheel

Was deception. It cannot turn.

*

Verglimmend am Rand

Des Unterhimmels – das unverzehrte Nestlicht

Schwindet zu Nährkraft: vom Sperling

Zum Vogel ohne Namen, der Zwischenraum

Ist Beute– Rauch,

Der Kohle erweicht, anders als die Sekte

Der Flügel; dort schlägst du; Rauch, vermählt

Mit Glut – im Gedächtnis des Sperlings

Vertieft er den Schlaf der Wolken.

*

Sehen ist diese andere Qual, gesühnt

Im Schmerz, gesehen zu werden: das Gesprochene,

Das Gesehene, enthalten in der Weigerung,

Zu sprechen, und das Saatkorn einer Stimme,

Begraben in einem beliebigen Stein.

Meine Lügen haben mir nie gehört.

*

In die Nabe implodiert die Schale,

Überlebt als Wortspiel aus Lehm und Fels,

Erhebt sich als Stock, einzudringen, auszutreiben

Das Geplapper, das ihren Leib in Worte fasste,

Hervorzukommen, auf künftige Schläge

Zu warten – Stadt im Kern, in der Tat, entbunden, sogar

Aus der Stadt hinaus. Verschwinde. Das Rad

War Trug. Es kann sich nicht drehen.

*

The egg limits renunciation, cannot

Sound in another’s ringing, the least

Hammering, before the wail slits

Its course, and the eye squanders

The subterfuge of a longer lamp.

Lifted into speech, it carries

Its own birth, and if it shatters

Acclaim its fall and contradiction.

Your earth will always be far.

Das Ei umgrenzt Entsagung, kann nicht

im Klang eines anderen klingen, das leiseste

Klopfen, bevor das Wimmern seinen Weg

Zerkeilt und das Auge die Ausflucht

Einer größeren Lampe vergeudet.

In Sprache gehoben, trägt es seine

Eigene Geburt, und wenn es zerbricht,

Begrüße seinen Fall und Widerspruch.

Deine Erde wird immer fern sein.

Ausgraben

UNEARTH

1970 — 1972

I

Along with your ashes, the barely

written ones, obliterating

the ode, the incited roots, the alien

eye – with imbecilic hands, they dragged you

into the city, bound you in

this knot of slang, and gave you

nothing. Your ink has learned

the violence of the wall. Banished,

but always to the heart

of brothering quiet, you cant the stones

of unseen earth, and smooth your place

among the wolves. Each syllable

is the work of sabotage.

I

Zusammen mit deiner Asche, der kaum

geschriebenen, die Ode verwischend,

die erregten Wurzeln, das fremde

Auge – zerrten sie dich mit imbezilen Händen

in die Stadt, banden dich in

diesen Knoten aus Slang und gaben dir

nichts. Deine Tinte hat die Gewalt

der Mauer gelernt. Verbannt,

doch stets ins Zentrum

brüderlicher Stille, behaust du die Steine

ungesehener Erde und glättest deinen Platz

unter den Wölfen. Jede Silbe

ist ein Sabotageakt.

II

Flails, the whiteness, the flowers

of the promised land: and all

you hoard, crumbling at the brink

of breath. For a single word

in air we have not breathed, for one

stone, splitting with the famine

inside us – ire,

out of bone’s havoc, by which we kin

the worm. The wall

is your only witness. Barred

from me, but squandering nothing,

you sprawl over each unwritten page,

as though your voice had crawled

from you: and entered the whiteness

of the wail.

II

Dreschflegel, das Weiß, die Blumen

des gelobten Landes: und alles

was du hortest, zerfällt am Rand

des Atems. Für ein einzelnes Wort

in der Luft, die wir nicht geatmet, für einen

Stein, den der Hunger in uns

sprengt – Zorn

aus Knochentrümmern, mit denen wir uns dem Wurm

verwandt machen. Die Mauer ist

dein einziger Zeuge. Ausgesperrt

von mir, doch nichts vergeudend,

spreizt du dich über jedes ungeschriebene Blatt,

als sei deine Stimme aus dir

hervorgekrochen: und ins Weiß der Klage

eingegangen.

III

Vatic lips, weaned

of image. The mute one

here, who waits, urn-wise,

in wonder. Curse overbrims

prediction: the glacial rose

bequeaths its thorns to the breath

that labors toward eye

and oblivion.

We have only to ready ourselves.

From the first step, our voice

is in league

with the stones of the field.

III

Prophetische Lippen, der Bilder

entwöhnt. Der Stumme

hier, der urnenhaft und staunend

wartet. Fluch überschäumt

Prophezeiung: die Gletscherrose

vermacht ihre Dornen dem Atem,

der mühsam nach Blick und

Vergessen strebt.

Wir müssen uns nur bereit machen.

Vom ersten Schritt an ist unsere Stimme

im Bunde

mit den Steinen des Ackers.

IV

Night, as though tasted

within. And of us, each lie

the tongue would know

when it draws back, and sinks

into its poison.

We would sleep, side by side

with such hunger, and from the fruit

we war with, become the name

of what we name. As though a crime, dreamed

by us, could ripen in cold, and fell

these black, roweling trees

that drain the history of stars.

IV

Nacht, wie von innen

gekostet. Und jede unsrer Lügen

erkennt die Zunge,

wenn sie zurückweicht und in

ihr Gift versinkt.

Wir schliefen Seite an Seite

mit solchem Hunger, und wurden von dem Obst,

das wir bekämpfen, zum Namen dessen,

was wir benennen. Als könne ein von uns

geträumtes Verbrechen im Kalten reifen

und jene schwarzen, spornenden Bäume fällen,

die die Geschichte der Sterne ausbluten.

V

Unquelled

in this flood of earth –

where seeds end

and augur neatness – you will sound

the choral rant

of memory, and go the way

that eyes go. There is no longer

path for you: from the moment

you slit your veins, roots will begin

to recite the massacre

of stones. You will live. You will build

your house here – you will forget

your name. Earth

is the only exile.

V

Unbezwungen

in dieser Flut aus Erde –

in der Samen enden

und Nähe verheißen – lässt du

das Chorgebrüll

der Erinnerung tönen und den Weg

des Auges gehen. Dein Pfad ist

abgeschnitten: sobald du dir die Adern aufschlitzt, werden

Wurzeln das Massaker

an Steinen rezitieren. Du wirst leben. Du wirst

dein Haus hier bauen – du wirst deinen Namen

vergessen. Die Erde

ist das einzige Exil.

VI

Thistle, drenched by heat,

and the barren word

that prods you – shouted

down to the lodes.

Light would spill here.

It would seep through

the scrawled branch that wrote

such cowering above us.

An if, far from you,

I could feel it breaking

through me, as I walked

north into my body.

VI

Distel, getränkt von Hitze

und dem dürren Wort,

das dich anspornt – hinabgeschrien

zu den Erzadern.

Licht ergoss sich hier.

Und sickerte durch

den gekritzelten Zweig, der solch

Kauern über uns hin schrieb.

Als hätte ich, fern von dir,

spüren können, wie es aus mir

hervorbrach, als ich

nach Norden in meinen Körper ging.

VII

Between these spasms