Doktor Ring - Walther Kabel - E-Book

Doktor Ring E-Book

Walther Kabel

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Beschreibung

Krimi-Klassiker aus den wilden 1920ern. Ein „Maulwurf", als Landpomeranzen verkleidete Detektive, Verfolgungen durch Berlin, der geheimnisvolle Doktor im Verborgenen ... was einen Großstadtkrimi ausmacht, findet sich hier. Kabel war einer der beliebtesten Schriftsteller dieser Aera.

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Doktor Ring

Kabel, Walther

Krimi

idb

ISBN 9783960559672

Der Maulwurf Parnack

1. Kapitel.

Den Aberglauben, der die Zahl 13 mit einem verhängnisvollen Etwas umkleidet, habe ich bisher stets belächelt.

Seit jenem 13. Mai 1922 tue ich es nicht mehr. Das Lächeln verging mir damals. Ich gewöhnte es mir im Obstkahn des Herrn Julius Tscheskowitz ab, die Zahl 13 zu verspotten. –

Am Morgen dieses 13. Mai standen Harald Harst und ich nach einer ruhig durchschlafenen Nacht und nach einem gediegenen Frühstück im Gemüsegarten des Harstschen Familienhauses in Berlin-Schmargendorf, Blücherstraße 10, und ärgerten uns über einen Maulwurf, der uns die tadellos in Ordnung gebrachten Gurkenbeete durch die bekannten Erdauswürfe verunstaltet hatte.

»Es sind genau dreizehn Maulwurfshaufen«, sagte Harald, auf den Spaten gelehnt, die Zigarette im Mundwinkel.

»Wenn schon!« meinte ich. »Wir kriegen ihn doch. Es gibt so viele Fangmethoden.«

»Wen?«

»Na – den Maulwurf!«

»Den menschlichen, nämlich Freund Gisbert Parnack, nicht wahr? Diesen Parnack, der uns gestern in der Passauerstraße wieder entwischte und der nun sein die menschliche Gesellschaft schädigendes Treiben, seine Maulwurfsarbeit, natürlich fortsetzen wird. Vielleicht heute schon – heute am 13ten. Wer kann das wissen?! Zuzutrauen ist ihm alles. – Hast Du übrigens in der Morgenzeitung diese ungeheuerliche Indiskretion bemerkt?«

»Welche denn?«

»Das Testament der Rätin Anna Sturz, geborenen von Bonnzaart, ist dort wortgetreu veröffentlicht. Nur einer der bei der gestrigen Jagd beteiligten Kriminalbeamten kann es abgeschrieben und der Redaktion die Abschrift verkauft haben. Nun erfährt Freund Parnack brühwarm, wohin ich die fünf goldenen Löffel, die Familienstücke des erloschenen Geschlechts derer von Bonnzaart, abliefern werde, eben an den Erben der ermordeten Rätin, den Bankbeamten Ernst Schönborn. Auch das steht in der Zeitung. Ich ...«

»Aber – er entwischte doch durch den Schrank und das Wandloch in die Nebenwohnung, wo er sein zweites Quartier hatte. Wie kann er da ...«

Hinter uns die Stimme der alten Mathilde:

»Die Post – die Post, drei Briefe.«

Harst nahm die Briefe in Empfang.

Besichtigte die Anschriften – stutzte ...

»Hm – dieselbe Handschrift bei allen dreien, – merkwürdig.«

Die Briefe waren in Berlin aufgegeben.

»Hier – der erste ist gestern um sieben Uhr abends abgestempelt. Der zweite um 11 Uhr, der dritte heute um sechs Uhr früh, und alle Berlin W. 57. Das ist das Postamt in der Steinmetzstraße. Mir scheint ... mir scheint ...«

Und langsam schnitt er den ersten Brief auf ...

»... mir scheint, das ist Gisbert Parnack, der sich dreifach meldet. Es fehlte nur noch, daß er gleich dreizehn Briefe gesandt hätte – am dreizehnten – bei dreizehn Maulwurfshaufen!«

Ich lachte. »Über den Unsinn mit der dreizehn sind wir doch erhaben!«

Harald hatte den billigen Briefbogen herausgezogen, las vor:

Berlin, den 12. Mai 1922.

Herr Harst. Sie haben mich heute im Hause Passauerstraße 161 wie eine Stecknadel gesucht. Gestatten Sie, daß ich Ihnen mitteile, wo ich verborgen war: dort, wo Ihre phänomenale Schlauheit mich natürlich nicht vermutete: im Unterteil des Büfetts im Speisezimmer der armen Rätin!

Harst sank der Arm herab ...

»Donnerwetter, daran haben wir alle freilich nicht gedacht, daß der Kerl in die Wohnung der Rätin zurückgekehrt sein könnte!« meinte er kopfschüttelnd. »Stimmt – da haben wir uns blamiert!«

»Laß mich weiterlesen ...«

Als Sie mit Ihren Schergen durch die Flurtür in die Nebenwohnung eindrangen, schlüpfte ich wieder durch das Loch zurück und gelangte glücklich bis in das Büfett. Es war dort etwas eng. Dafür habe ich aber auch mit angehört, wie Sie meiner Freundin Anna Holm und Ihrer Garde das Testament mit dem ganzen Pathos des genialen Verbrecherfängers vorlasen. Das Testament war mir neu. – Nun zu dem eigentlichen Zweck dieses Briefes. Sie wissen, daß ich noch im Besitz der drei Aktien der Mexikanischen Silbergrubengesellschaft bin, die ich der Rätin mit sanftem Zwang abgekauft habe. Da ich die Aktien nicht mehr verwerten kann, nachdem das Testament bekannt geworden, biete ich sie dem Erben zum Rückkauf an. Die Aktien haben einen Wert von etwa vierzig Millionen Mark. Ich gebe sie für die Hälfte her. Sollte Herr Ernst Schönborn sie zurückkaufen wollen, so mag er morgen am 13ten mittags 12 Uhr an einem der Vorderfenster seiner Wohnung ein grünes Tuch für fünf Minuten befestigen – hellgrün bitte –, das weit zu erkennen ist. Ich werde mich mit ihm dann in Verbindung setzen.

Ich schreibe diesen Brief in der Passauerstraße 161 in der soeben von der Polizei versiegelten Wohnung der Sturz in aller Sicherheit und Ruhe.

Ihr ergebenster Gisbert Parnack auch Justizrat Dr. Finster.

Harald schob den Brief in den Umschlag zurück ...

»Parnack war bei Laune, mein Alter!«

»Wer weiß, was die beiden anderen bringen ...«

Und er schnitt den Umschlag des Briefes auf, der gestern um 11 Uhr abends abgestempelt war.

Las vor:

Drei Stunden nach meinem ersten Brief.

Herr Harst! Sie werden staunen!! Nachdem ich mit meinem ersten Schreiben an Sie fertig war, habe ich mir den Spaß gemacht, den alten Rokokoschreibtisch der seligen Rätin so etwas genauer zu besichtigen. Ich liebe alte Möbel. Auch in meinem Herzen schlummert in einem Winkelchen ein Hang zur Romantik, der zuweilen erwacht. So gestern auch.

Denken Sie: der Rokokoschreibtisch stammt fraglos aus dem Nachlaß eines fürstlichen Herrn. Und diese Herrschaften hatten stets schon eine Vorliebe für Verstecke, wo sie die toten oder lebenden Erinnerungen ihrer geheimsten Neigungen unterzubringen pflegten.

Kurz: ich habe in dem Schreibtisch ein Bündel Papiere entdeckt, Papiere, die mir Seine einstige Königliche Hoheit der ..., aber nein, das will ich für mich behalten, was für eine Königliche Hoheit in Betracht kommt. Jedenfalls – der Erlauchte wird ohne Zweifel diese Papiere erwerben und zwar für eine höhere Summe, als die ganze Erbschaft der seligen Rätin, die fünf goldenen Löffel eingerechnet, ausmacht.

Ich bin Ihnen daher auch zu großem Dank verpflichtet. Nur durch Ihr gestriges Eingreifen wurde ich in das Büfett gejagt. Nur so kam mir der Gedanke, Möbelstudien zu treiben.

Also – mit dem Ausdruck tiefsten Dankes verbleibe ich Ihr allzeit ergebenster Gisbert Parnack.

Diesen Brief schreibe ich in dem Schlemmerlokal Nachteule am Kurfürstendamm, wo ich Stammgast bin.

Harald schnitt ein merkwürdiges Gesicht, als er den Briefbogen in den Umschlag zurücksteckte.

»Entweder will er mich ärgern oder ...«

Und – abermals da Mathildes liebliche Kellerstimme hinter uns:

»Ein Klijent – ein Klijent! Ein ganz feiner! Mit Monokel!«

Mathilde war auf Klienten jetzt beinahe erpichter als wir, seitdem der Marksturz Harald gezwungen hatte, aus der Liebhaberei einen Beruf zu machen.

Mit dem Schürzenzipfel hielt sie Harst eine Visitenkarte hin.

Harald überflog die Karte, reichte sie mir, meinte gedehnt:

»Hm – ob das schon der Rokokoschreibtisch ist?« Dann zu Mathilde: »Führe den Herrn in mein Arbeitszimmer. Ich werde sofort erscheinen.«

Die dicke, grauhaarige Köchin eilte davon.

Auf der Karte aus feinstem Büttenpapier stand unter einer Krone:

Graf Herbert Alexander Schink-Barnfeld Bevollmächtigter S. Kgl. Hoheit des Großherzogs von Sorringen. Berlin W, Ansbacher Str. 84.

Wie ich so die fein gestochene Karte anschaute, kam mir geradezu blitzartig ein Verdacht, dem ich auch sofort Worte verlieh.

»Harald, wenn die Schreibtischgeschichte Schwindel wäre! Wenn dieser Graf Schink-Barnfeld vielleicht gar unser Parnack wäre!«

Harst wiegte den Kopf hin und her, öffnete den dritten Brief, sagte bedächtig:

»Möglich ist ja alles bei diesem Menschen. Obwohl ich es nicht glaube. Einen Grafen darzustellen, den es tatsächlich gibt – denn ich habe den Namen dieses Bevollmächtigten letztens noch irgendwo gelesen – ist nicht so einfach, mein Alter. – Aber nun mal erst Brief Nr. 3 ...«

Und er las vor:

Berlin, 13. 5. 1922. morgens ein Uhr.

Herr Harst, um Mißverständnissen vorzubeugen: es bleibt natürlich bei der Verabredung betreffs des grünen Tuches am Fenster! Wollen Sie also Herrn Ernst Schönborn rechtzeitig benachrichtigen.

Ihr ergebenster ... Vielnamiger.

Nachschrift. Ich habe noch gestern abend dem Bevollmächtigten des Großherzogs telephonisch Bescheid gesagt und ihm auch gleich erklärt, daß die Papiere von mir sofort an die Berliner Montagsstimme verkauft werden, falls er sich etwa an Sie wendet, damit Ihre Genialität die Blamage von dem erlauchten Hause abwende.

»So – nun kommt der Graf heran«, meinte Harald kühl. Wir schritten dem Hause zu, gingen in Harsts Schlafzimmer, tauschten die Arbeitsjoppen gegen würdigere Bekleidungsstücke aus und ... schoben für alle Fälle die entsicherten und gespannten Clementpistolen in die Außentaschen. Das hatte Harald so gewollt.

Und – dann der Graf Schink-Barnfeld ...!!

Ein Kapitel für sich. Aber im guten Sinne.

... Ein älterer Herr, ein echter Aristokrat in allem. Kein Hampelmann vom allerjüngsten Adel.

Liebenswürdig, vornehmer, kühl-abwägender Diplomat. –

Was er uns mitteilte, stimmte mit Parnacks Briefangaben überein.

»Herr Harst, der Mann erklärte mir, die von ihm gefundenen Papiere seien tagebuchartige Aufzeichnungen des Großvaters meines Herrn«, äußerte er sich zum Thema weiter. »Es ist richtig, daß diese Aufzeichnungen stets vermißt und eifrig gesucht worden sind, und es besteht kaum ein Zweifel, daß Parnack sie nun in Händen hat. Er verlangt fünfzig Millionen Mark dafür. Ich habe mich sofort auch telephonisch mit dem Großherzog in Verbindung gesetzt. Er bittet Sie, das Tagebuch Parnack irgendwie wieder abzunehmen.«

Harald zuckte leicht die Achseln.

»Ob ich dies vermag, ist fraglich. – Die Aufzeichnungen sind dem Inhalt nach für die Öffentlichkeit nicht recht geeignet, Herr Graf?«

»Nein – nein! Die Veröffentlichung muß unbedingt verhütet werden.«

»Parnack hat Ihnen mit einem sofortigen Verkauf der Papiere gedroht?«

»Ja, Herr Harst. Ich sollte Sie aus dem Spiele lassen.«

Das Telephon auf dem Schreibtisch schrillte. Der Graf fuhr nervös zusammen.

Harst eilte hin, nahm den Hörer ab.

»Ja – hier Harald Harst. Ah, Herr Parnack!! – Wie bitte? – So, Sie werden die Aufzeichnungen noch heute vormittag dem Skandalblatt anbieten? – Warten Sie noch einen Moment. Der Graf ist noch bei mir –

»Herr Graf«, wandte er sich an den Bevollmächtigten. »Parnack hat Sie beobachten lassen, weiß, daß Sie mich aufgesucht haben. Er will ...«

»Ich habe gehört, Herr Harst.« Der Graf sprang auf. »Der Verkauf muß unbedingt verhindert werden. Halten Sie diesen Menschen hin. Ich biete ihm dreißig Millionen – mehr nicht!«

Dreißig Millionen waren im Mai 1922 noch eine ganz anständige Summe.

Harald rief Parnack wieder an.

»Dreißig Millionen sollen Sie haben ... – Wie?! Keine Rede davon?«

Und mit einem Male legte er den Hörer weg.